Kapitel 12.1 - Pläne funktionieren nie

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46. Tas' Saru 2146 n.n.O.


Die Dunkelheit war schleichend gekommen. Endlich.

Das war das Zeichen, auf das der Schwarm seit dem Nachmittag gewartet hatte. Wie abgesprochen setzten sich alle Zurückgebliebenen in Bewegung und schwammen zu dem Ort, den Sina Trells Gedanken entrissen hatte. Der Rest, der nicht bei uns war, die Kinder, Alten, Kranken und unsere zwei Gefangenen waren in die Teche, einem hoffentlich sicheren, kleinen Seitenarm unseres Schwarmgebietes evakuiert worden. Wie es bei Kampfhandlung üblich war, würde außerdem etwa die Hälfte des Schwarms bei ihnen bleiben. So war sichergestellt, dass ein Elternteil den Kindern bleiben würde, falls dem anderen etwas passierte. Und wenn die erste Linie des Schwarms fiel, würden genug da sein, um die Kinder in zweiter Instanz zu verteidigen.

Doch ich hatte mich dafür entschieden, mit den andere zu schwimmen. Vor allem, weil irgendein irrationaler Teil in mir hoffte, das alles doch noch mit Kommunikation lösen zu können. Oder wenigstens Schlimmeres zu verhindern. Nur wie?

Ich sah den Weg nicht.

Mit flauem Gefühl im Magen, hetzten meine Gedanken von einer Möglichkeit zur nächsten, während ich mir kaum der wechselnden Personen neben mir bewusst war. Bis eine Hand meinen Arm streifte. Die Präsenz in meinem Kopf erkannte ich sofort.

>>Du bist zurückgekommen<<, flüsterte Zacs Stimme leise in meinem Verstand.

Ich sah ihn nicht einmal an. >>Nicht wegen dir.<<

Dann zog ich meine Hand wieder zurück. Ich war im Moment noch nicht bereit, um mit ihm zu reden. Aktuell war ich mir nicht einmal sicher, ob ich das je wieder sein würde.

Glücklicherweise musste ich darüber nicht länger nachgrübeln, denn gerade herrschte Stau. Wir hatten die schmale Mündung erreicht, in die wir mussten, um zu dem vergifteten Tümpel zu kommen. Intuitiv hielt ich mich abseits, um nicht ins größte Getümmel zu geraten. Dabei beobachtete ich Ricco und Zac, wie sie voraus schwammen und aus meinem Sichtfeld verschwanden, während der Rest ihnen folgte. Ich sollte auch nicht länger warten, wenn die Hitzköpfe des Schwarms die Führung übernahmen.

Plötzlich zwickte mich etwas am Knöchel.

Es war kein großer Schmerz. Eher ein kleines Zupfen und ich hätte es nicht einmal wahrgenommen, wenn es nicht wieder und wieder gezupft hätte. So aber zog es meine Aufmerksamkeit auf sich. Es dauerte einen Moment, bis ich Begriff, was ich da sah.

Frauenfische.

Wie bei Phia.

Ich erstarrte mitten in der Bewegung. Nein. Das war nicht wahr. Doch während alles um mich herum versuchte, weiter nach vorn durch die Mündung zu kommen, blieben diese verdammten Frauenfischchen dicht bei mir. Hastig sah ich mich um. Doch niemand schien es zu bemerken.

Das konnte nicht... Wie lange war es her, dass Zac und ich...? Mein Kopf rechnete verzweifelt ohne zu einer Lösung zu kommen. Ich wusste es nicht. Doch die kleinen Biester hörten nicht auf, zu zwicken und wild um mich herum zu schwimmen. So aggressiv hatte ich sie bei Phia nie gesehen. Intuitiv versuchte ich sie unauffällig mit der Hand wegzuwedeln, als wären sie lästige Insekten. Natürlich brachte das nichts. Sie schwammen nur um meine Hand herum.

Und dann schwammen sie weg. Endlich.

Mit rasendem Herzen sah ich auf, als die Fischchen abzogen. Schnell wollte ich mich denn letzten Flussmenschen des Schwarms anschließen, doch wieder begann mir eines dieser Viecher ins Bein zu schnappen. >>Was willst du denn?<<, knurrte ich wütend und das Vieh schwamm aufgeregt um mein Bein herum.

Sollte ich ihm etwa folgen?

Mit zweifelnden Blick sah ich auf die Mündung zurück. Doch dann schwamm ich trotzdem probeweise ein paar Meter in die Richtung, in die die Fischchen abgezogen war. Tatsächlich. Das Tier schwamm noch ein Stück voraus, dann wieder zurück zu mir und wieder in die Richtung, in die es gerade eben noch geschwommen war.

Bei allen Göttern! Was hatte das zu bedeuten?

Unsicher folgte ich dem Fischschwarm weiter und dachte an all die Erzählungen, in denen es ein Kardinalsfehler der Protagonisten war, irgendetwas Seltsamen zu folgen. Aber das hier war keine Geschichte. Und ich kannte nur eine einzige, die einzige Frau im ganzen Schwarm, die einen Frauenfischschwarm hinter sich herzog.

Ich musste gar nicht so lange schwimmen, bis die Fischchen an ihrem Ziel angekommen waren – es war wirklich Phia, deren dicker Bauch mit der straff gespannten Haut für sich selbst sprach. Es sah aus, als würde sie jeden Moment platzen und es war sicher nicht mehr lange bis zu ihrer Niederkunft. Einen Moment lang war ich wieder erleichtert, dass es wirklich Phias Fische waren. Da gehörten diese Viecher auch hin und nicht zu-

Lores verdammte Schwanzschuppen! Was tat Phia hier?

Aber das war nicht mein Problem, oder?

Entschlossen wandte ich mich ab, um zurückzuschwimmen. Wenn ich mich beeilte, schaffte ich es vielleicht, die anderen einzuholen. Durch den engen Seitenarm würden sie sicher nicht so schnell voran kommen. Wenn Phia jetzt noch im See bleiben wollte, war das ihr Risiko und ihre Entscheidung. Wieder spürte ich ein einzelnes Ziehen an meinem Bein, als ein letztes Fischchen mich wieder in die Haut zwickte, ehe es zu Phia zurückkehrte. Die Flussfrau schien mich noch nicht bemerkt zu haben und schwamm rigoros ihrem eigenen Ziel entgegen. Sie würde schob wissen, was sie tat.

>>Hallo? Koral?<< Phias Ruf klang so verloren, wie ich sie nie gehört hatte.

Intuitiv drehte ich ab und schwamm hinter ihr her. >>Hey, Phia!<<

Die Schwangere wirbelte zu mir herum, als hätte ich gerade einen Hai auf sie losgelassen. Anscheinend hatte sie mich wirklich nicht bemerkt. >>Senga!<<

Ich blinzelte. Irgendwas war seltsam. Sie wirkte nicht so feindselig wie sonst. Als gäbe es Dinge, die wichtiger wären. Und immer wieder drehte ihr Kopf in alle Richtungen, als würde sie jemanden suchen. >>Was willst du?<<

Ha! Da war ja die Feindseligkeit. Worüber beschwerte ich mich? >>Nichts. Ich-<<

Wahrscheinlich sollte ich einfach wieder zurückschwimmen. Innerlich bereitete ich mich schon auf irgendeine nichtssagende Floskel vor, um diese unangenehme Unterhaltung zu beenden. Plötzlich zuckte Phia, krampfte zusammen und verharrte einen Moment in dieser Position, ehe sie sich vorsichtig wieder entspannte.

Ich starrte sie erschüttert an. >>Bei allen Göttern! Hast du Wehen?<<

Auch Babys von Flussmenschen wurden an Land geboren. Immer. Wenn Phia wirklich Wehen hatte, musste sie schnellstmöglich aus dem Wasser. Soviel war selbst mir klar.

„Ja. Deshalb hab ich es auch gewissermaßen eilig", antwortete sie mir unwirsch und ich nickte knapp, woraufhin sie sich umdrehte und weiter schwamm, in Richtung der Flussmenscheninsel. Dorthin, wo sie eigentlich längst sein sollte.

Ohne weiter nachzudenken, holte ich die wenigen Schwimmzüge, die uns trennten, auf und schwamm neben ihr her. >>Ich begleite dich.<<

>>Pfft. Ich hab noch Zeit. Ich brauche deine Hilfe nicht. Vielen Dank auch.<<

Ich bezweifelte jeden Teil dieser Aussage. Also schwamm ich weiter neben ihr her. >>Dann lass dich nicht stören<<, antwortete ich kühl, ohne einen Zug zurückzufallen. >>Ich muss nur zufällig auch zur Insel. Um mit Lisa was zu besprechen.<<

Das war gelogen. Ich wusste das. Phia wusste das. Aber was wollte sie tun? Und so schwamm sie nur verbissen weiter.


Wir hatten ein gutes Stück geschafft und ich fragte mich immer wieder, ob ich Phia nicht doch allein lassen und zurückschwimmen sollte. Doch so wenig ich mit ihr klar kam – die Vorstellung, eine Schwangere mit Wehen allein zu lassen, war mir grundsätzlich zuwider. So war ich nicht. Also blieb ich bei ihr und versuchte es mit einem Gespräch: >>Was machst du eigentlich hier? Ich dachte, du wärst schon bei Lisa auf der Insel?<<

>>Ich wüsste nicht, was-<<

Sie brach ab und krümmte sich mit einem mal zusammen.

Intuitiv streckte ich die Hand aus, um sie zu stützen. Augenblicklich bereute ich diesen Impuls. Ihr Schmerz spülte über mich hinweg und alles in mir krampfte sich zusammen.

Innerlich ächzend zwang ich mich, zur Entspannung und versuchte, eine Wand zwischen uns aufrecht zu erhalten - wenigstens von meiner Seite aus. Dabei hielt ich mir immer das gleiche Mantra vor Augen: Es war nicht mein Körper. Es war nicht mein Schmerz.

Es fühlte sich aber fast so an.

Dreck. Phia sollte nicht hier sein.

Ohne auf weiteren Widerstand der Flussfrau zu warten, griff ich ihre Hüften und zog sie mit mir. Genau so, wie Zac mich damals von meiner Familie weggeschliffen hatte.

>>Wir sind schneller, wenn ich schwimme<<, informierte ich sie nüchtern und spürte, wie sie zu zappeln anfing, um sich zu wehren. Doch ehe sie nur auf die Idee kam, nach mir zu schlagen, haschte ich ihre Hände und klemmte sie fest zwischen uns ein. >>Es ist für uns beide leichter, wenn du dich nicht wehrst<<, knurrte ich verbissen und schwamm stur weiter in Richtung Flussmenscheninsel. Ich würde sie dort absetzen und dann den anderen hinterher schwimmen. Das war ein Plan. Ein guter Plan.

Es schien zu funktionieren. Auch wenn ich sonst niemals eine Chance gegen Phia hätte. Doch gerade war sie nicht in der Verfassung für körperliche Auseinandersetzungen.

Tatsächlich hörte sie sogar auf, sich zu wehren und unterstützte mich nach einem Moment des Zögerns mit eigenen Flossenschlägen, sodass wir noch schneller vorankamen. Dabei ignorierte ich jedoch getrost ihre Wut und Herablassung für mich, die immer wieder zu mir herüberschwappte.

Abermals wallte eine Schmerzwelle über Phia hinweg. >>Verdammt<<, ächzte ich leise und wartete darauf, dass das Echo in meinem eigenen Geist, meinem eigenen Körper wieder abebbte. Es war nicht mein Körper. Es war nicht mein Schmerz.

>>Vielleicht will ich doch keine Kinder. Pflegekinder sind auch großartig<<, murmelte ich leise, mehr zu mir selbst, als um wirklich ein Gespräch anzufangen. Sonst hätte ich wohl ein anderes Thema gewählt.

>>Als ob Zac noch mit dir-<<

>>Phia!<<, herrschte ich sie an. >>Kannst du dich bitte aus meinen Angelegenheiten raushalten? Oder wenigstens erst mit mir reden bevor du mich anfeindest?<<

Die Flussfrau in meinen Armen zuckte. Vor Wut hatte ich meinen Griff reflexartig verfestigt und auf ihren straff gespannten Bauch gedrückt. Sofort ließ ich locker.

Verfluchte Wasserschnecken. Warum musste sowas immer mir passieren? Und warum ausgerechnet heute, wo niemand – wirklich NIEMAND – unterwegs war? Normalerweise traf man in dem Bereich alle Nase lang irgendwen. Aber jetzt waren sie entweder bei den Kindern in Sicherheit oder auf dem Weg zu Papas kleiner "Lieferung".

Phia zappelte. Ich spürte, wie ihr Geist mir eine zornige Antwort entgegenwerfen wollte und ich wappnete mich für eine neue Diskussion. Doch in diesem Moment geschah etwas, womit keine von uns beiden gerechnet hatte.

Sie verwandelte sich.

>>Bist du irre?<< Vollständig fassungslos beobachtete ich, wie sich die Schuppen an Phias Unterleib zurückzogen und sich ihre Schwanzflosse begann aufzuspalten.

Ihre Verwandlungsschmerzen trafen mich genauso unerwartet wie ihre plötzliche Panik. >>Ich bin das nicht! Senga, ich-<<

Sie konnte nicht weitersprechen. Eine neue Wehe schüttelte ihren Körper und meinen Geist, zusätzlich zu den Anpassungssschmerzen. Nicht mein Körper. Nicht mein Schmerz. Nicht mein Körper. Nicht mein Schmerz.

Meine Gedanken wurden von ihren mitgezogen, drifteten ab, wurden langsamer und träger. Mein Blickfeld verengte sich und einen Moment lang hieß ich die aufkommende Dunkelheit willkommen. Oh nein. Ich blinzelte. Versuchte verzweifelt, mich gegen ihre überwältigende Präsens in meinem Bewusstsein abzugrenzen. Oh nein.

>>Phia!<<, brüllte ich in ihren erschöpften Geist hinein. >>Wag es nicht – wag es ja nicht jetzt ohnmächtig zu werden! Untersteh dich! Hast du mich verstanden?<<


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