Kapitel 12.2 - Plände funktionieren nie

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Verbissen kämpfte ich gegen den Sog von Phias schwindenden Bewusstsein und versuchte gleichzeitig, es irgendwie zu fassen zu bekommen. Weil mir nichts Besseres einfiel, überschwemmte ich unsere Gedankenverbindung regelrecht mit allem, was mir gerade in den sinn kam. >>Wusstest du, dass blonde Bärte schneller wachsen als Schwarze? Und das eine Bienenkönigin auf ihrem Hochzeitssflug über vierzig Mal von verschiedenen Drohnen begattet wird? Und das diese Drohnen schon dabei sterben?<<

Ihr Geist blieb so trübe wie meine erste Suppe, die ich allein gekocht hatte.

Ich warf einen verzweifelten Blick nach oben. Die Oberfläche war unendlich weit weg. Aussichtslos. Panisch starrte ich auf Phias Hände, an denen ihre Schwimmhäute verschwanden. Auch wenn es aussichtslos war, versuchte ich schneller zu schwimmen.

>>Du fettes, stures Seemonster! Wenn du nicht sofort wach wirst, zeige ich dir meine Erinnerungen an den Sex mit Zac!<< Um meine Drohung deutlich zu machen schickte ich eine Erinnerung an einen lauen Sommerabend am Lagerfeuer. Zacs Küsse kitzelten meinen Hals und die Flammen malten tanzende Schatten auf seine nackte Brust. Es tat weh, daran zu denken. Aber das ignorierte ich. >>Dann ist das letzte, was du vor deinem Tod siehst, dein Bruder wie er-<<

Phia zuckte.

Ich kannte keine Gnade. Dachte daran, wie seine Hände über meinen Po gewandert waren und dann plötzlich fest zugriffen.

Phia stöhnte angewidert. >>Lass das...<<

Immerhin schien ihr Bewusstsein wieder ein bisschen schärfer zu werden, auch wenn sie weiter in meinen Armen hing, wie eine überdimensionale, dicke Puppe. >>Überhaupt – wie hast du mich gerade genannt?<<

>>Ein fettes, sture Seemonster. Und glaub mir: Ich hätte noch eine ganze Reihe anderer, weit weniger netter Begriffe für dich<<, antwortete ich angespannt und starrte auf ihre Kiemen, die sich langsam aber stetig zu einer ebenmäßigen Haut zusammenschlossen. Das durfte nicht wahr sein! Frustriert schrie ich auf. Doch außer ein leises Quietschen und ein paar Luftblasen kam nichts aus meinem Mund.

Ich blinzelte.

Luftblasen.

War das die Lösung?

Ich musste es versuchen. Phia ging die Zeit aus – und mir die Optionen.

Verzweifelt sog ich so viel Wasser wie möglich durch meine Kiemen und betete zu Lore, dass das funktionieren möge. >>Halt still<<, knurrte ich und drückte ihr meine Lippen auf den Mund, um dann genauso tief auszuatmen.


Es funktionierte.

Nicht, dass ich sonderlich begeistert von dieser Methode war, aber sie funktionierte. Ich atmete durch meine Kiemen sauerstoffreiches Wasser ein und drückte die Luft durch meinen Mund wieder heraus in Phias Mund. Derweil schwammen wir parallel zur Wasseroberfläche in Richtung Insel.

>>Warum können wir nicht einfach auftauchen?<<, fragte ich genervt. >>Es ist nicht mehr weit bis oben und dann-<<

>>Nein<<, unterbrach sie mich mit einem Tonfall, als würde eine Lehrerin mit einer besonders lernresistenten Schülerin sprechen. Ich hasste das. >>Ich will weder mir noch meinem Kind die Taucherkrankheit zumuten und-<<

>>Das fällt dir ja früh ein, dass du so besorgt um ‚dich und dein Kind' bist!<<, unterbrach ich sie in genau dem giftigen Tonfall, mit dem auch sie mir ins Wort gefallen war.

Phia schwieg und paddelte verbissen mit mir im Gleichtakt weiter, um es uns beiden ein bisschen leichter zu machen, während ich uns weiterhin auf einer Höhe hielt.

Ich hatte das mit der überflüssigen Luft im Blut, die bei zu schnellem Auftrieb und sich ändernden Druckverhältnissen gefährliche Blasen schlug noch nicht ganz verstanden. Aber ‚schaumartige Bläschen im Blut' klang nicht gesund und ich glaubte Phia, wenn sie sagte, dass das Probleme machte oder zum Tod führen konnte. Und was immer ich Phia auch wünschen mochte – ihr Kind konnte nichts dafür.

Trotzdem kam ich nicht über die Dummheit der werdenden Mutter hinweg. >>Solltest du nicht schon seit Tagen an Land sein?<<, fügte ich also die Frage an, die ich schon vorhin versucht hatte, zu stellen.

Phia schwieg wieder. Doch das war mir auch recht und so konzentrierte ich mich weiter darauf, dass wir beide vorwärts kamen ohne aufzusteigen. Das war anstrengend genug, denn dadurch, dass sie keine Wasseranpassung mehr hatte, verhielt sich ihr Körper, wie jeder andere unter Wasser auch und hatte entsprechend viel Auftrieb. Wir beide mussten hart dagegen arbeiten, damit sie nicht einfach viel zu schnell vom Wasser nach oben getrieben wurde. Ich würde so froh sein, wenn ich sie endlich auf dieser Insel abgesetzt hatte und verschwinden konnte.

>>Meine Mutter wollte noch einmal kommen, um mir den Kaske-Talisman vorbeizubringen<<, begann sie dann doch. Es kam so überraschend, dass ich gedanklich zusammenzuckte und einen Moment brauchte, ehe ich es richtig zuordnen konnte. Kaske. Die kleine Schutzgöttin der Schwangeren und Gebärenden.

Der Gedanke daran machte mich wütend – und zugleich abgrundtief traurig. Wenn es Kaske wirklich gab, hatte sie sich jedenfalls einen Dreck um meine Mutter geschert.

>>Aber sie kam nicht<<, fuhr Phia fort und klang regelrecht verstört. Ob sie Angst vor der Geburt hatte? Spätestens jetzt sollte sie die haben. Zumindest ich hatte es und spendete Phia vorsichtshalber einen weiteren Atemzug, ehe sie weitersprach. >>Dann hörte ich von der ganzen Sache mit Sina und da dachte ich, dass es Mama in der Aufregung vielleicht vergessen hatte und wollte selbst schwimmen und mir den Talismann holen. Es war ja nicht weit, dachte ich. Ich hatte ja noch keine Wehen und selbst mit Wehen hätte ich ja noch Zeit, dachte ich. Schließlich dauert so eine Geburt ja Stunden! Woher soll ich denn wissen, dass man sich dann zurückverwandelt?<<

Ich schwieg einen Moment und musste das erst mal sacken lasen. Irgendwie hätte ich ja gehofft, dass eine schwangere Frau hier irgendwann einmal darauf hingewiesen wird, dass das so ist. Doch entweder hatte Phia nicht aufgepasst oder ich war nicht die einzige, der das ein oder andere nicht erzählt wurde. Trotzdem kam ich von dem Gedanken nicht los. >>Aber hätte da nicht stattdessen Lisa losschwimmen können?<<

Auf diese Frage hin, schlug mir nur schiere Verständnislosigkeit entgegen. >>Natürlich nicht. Was will Lisa denn mit dem Kaske-Talisman unserer Familie?<<

>>Äh-<<, brachte ich eloquent hervor und hatte keine Ahnung, wo das Problem lag.

>>Habt ihr das in eurer Familie nicht?<<

Phias Frage machte mich ratlos. Mein Vater hatte mich weit weg von jeglichem Glauben erzogen. Mit dem Tod meiner Mutter hatte er das Vertrauen in die Götter verloren und auch mir war es nie wichtig gewesen. Also wusste ich von Kaske nicht mehr, als dass sie der großen Göttin Hira zugeordnet wurde. Weil Schwangerschaften und Geburten auch so schön zu Herbst, Liebe und Wind passten – irgendwie so.

Phia deutete mein Schweigen richtig und erklärte es kurz. >>Hier hat jede Familie einen Kaske-Talisman. Er wird nur zwischen den Frauen weitergereicht. Diejenige, die als letztes in der Familie ein Kind zur Welt gebracht hat, gibt ihn an die nahe Verwandte, die als nächstes ein Kind bekommt. Andere können das natürlich nicht weitergeben – sonst verliert es seine Wirkung. Bei uns ist es meine Mutter, die den Talisman an mich weitergegeben hat.<<

Ich schüttelte leicht den Kopf. >>Das haben wir nicht. Zumindest weiß ich von nichts. Meiner Mutter hat es jedenfalls nicht geholfen<<

>>Vielleicht-<<

>>Sie ist tot<<, unterbrach ich Phia knapp.

Daraufhin schwieg die Flussfrau und einen Moment später konnte sie auch nicht mehr antworten, selbst wenn sie gewollt hätte, als eine neue Wehe sie überrollte. Diesmal konnte ich mich rechtzeitig abgrenzen. Immerhin. Und so brauchten wir das Thema zumindest nicht vertiefen. Stattdessen spendete ich ihr einen weiteren Atemzug, während Phia sich verzweifelt darauf konzentrierte, trotz allem die Luft anzuhalten. Ich wollte wirklich nicht mit ihr tauschen.

Als die Schmerzen wieder abgeklungen waren, drückte ich tröstend ihre Hand. >>Wollen wir auftauchen?<<

Ich spürte Phias schwache Bestätigung in meinem Geist, da sie gerade nicht die Kraft aufbrachte, etwas zu sagen. Also zog ich Phia die letzten Meter nach oben, wo sie endlich wieder selbst atmen konnte.


Feiner Nieselregen begrüßte uns. Aber das störte mich nicht. Im Gegenteil: Ich war einfach nur erleichtert, endlich die Oberfläche zu spüren. Den Wind im Gesicht. Die klaren Konturen meiner Umgebung. Das ferne Zirpen der Grillen... all das wollte ich tief in mir aufnehmen.

Und dann ging Phia neben mir unter.

Fluchend packte ich die werdende Mutter an den Achseln und hievte ihren Kopf wieder über Wasser, während ich selbst mehr schlecht als recht darauf achtete, dass meine eigenen Kiemen unter Wasser blieben. >>Vaskis' verfluchter Scheißhaufen! Wie wäre es, wenn du selbst schwimmst?!<<

Einen Moment lang war da nichts als betretenes Schweigen, während ein sanfter Wind uns kleine Nieseltröpfchen ins Gesicht wehte.

>>Ich kann nicht schwimmen.<<

Völlig sprachlos starrte ich sie an. >>Aber – aber – du bist eine Flussfrau!<<

>>Vielen Dank für den Hinweis. Das hab ich noch gar nicht bemerkt.<<

>>Aber-<< Mir war selbst klar, dass es wie eine Anschuldigung klang. Irgendwie war es das auch. Wenn man im Wasser lebte, sollte man doch wenigstens schwimmen können – also richtig. Oder nicht?

„Keiner BRAUCHT das!", verteidigte sich Phia aufgebracht mit ihrer normalen Stimme. Das plötzlich so laute Geräusch klingelte mir in den Ohren und fast hätte ich sie losgelassen, nur um mir die Ohren zu reiben. „Kaum einer kann das! Wozu auch? Wenn ich ins Wasser gehe, verwandel ich mich und bin zehn mal schneller als mit diesem trägen Schwimmstil!"

Das stimmte schon. Aber- „Trotzdem wär es jetzt gut, wenn du jetzt schwimmen könntest...", murmelte ich schnippisch.

Ich sah ihren giftigen Blick nicht, aber ich spürte ihn in unserer Gedankenverbindung. Doch dann änderte sich etwas, als würde ein Teil von ihr ein ganz klein wenig resignieren. War wohl nicht ihr Tag heute. >>Papa wollte damals, dass wir es lernen<<, murmelte sie schließlich – jetzt wieder nur noch leise in unseren Gedanken. >>Aber ich hatte keine Lust. Zac übrigens auch nicht. Risa hat er aber überredet bekommen.<<

>>Zac kann nicht schwimmen?!<<

Die Vorstellung war absurd. Beinahe hätte ich gelacht, bei der Erinnerung an das Erstbaden und wie er sich damals gedrückt hatte. Doch letztlich machte es wohl keinen Unterschied. Außer, dass ich Phia eben weiterhin durchs Wasser schleppen musste.

>>Ja. Naja – wir hatten es sogar ein, zwei Mal versucht. Aber dann waren da plötzlich solche kleinen Menschen-Kackbratzen, die sich lustig über uns gemacht haben. Da sind wir dann untergetaucht und haben es sein lassen.<<

In meinem Magen krampfte sich alles zusammen, als Phia eine Erinnerung mit mir teilte über die mehr als gehässigen Bemerkungen, die da durch die Luft geflogen waren. Und das obwohl damals noch ein „gutes Verhältnis" zu den Dörfern in der Umgebung herrschte. Ich war mir sicher, dass trotz vermeintlicher Freundlichkeit, das Misstrauen zwischen den Völkern schon damals für manche unüberwindbar gewesen war. Vielleicht wäre es auch ohne meine Entführung so gekommen, wie es jetzt gekommen war. Trotzdem wäre ich froh, nicht der Dreh- und Angelpunkt dieses Hexenrads zu sein.

Aber es war nicht zu ändern und so sagte ich nichts weiter dazu. Zum einen, weil ich nicht wusste, was ich darauf überhaupt hätte sagen können – zum anderen waren wir endlich da.


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Und damit verabschiede ich mich in den Urlaub! :D


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