Kapitel 13.2 - Vaskis' Grüße

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Während wir alle Suppe schlürften, brachte uns Koral auf den Neuesten Stand der Dinge: Sie hatten den gekippten See „gesichert". Dabei waren sie auf keine nennenswerte Gegenwehr gestoßen. Das schien zwar allen etwas seltsam, aber einem geschenktem Gaul schaute man nicht ins Maul – oder wie auch immer dieser Spruch ging.

Trotzdem wunderte ich mich auch und umso mehr ich darüber nachdachte, desto schlechter wurde mein Gefühl. Papa hatte nicht so gewirkt, als würde es irgendetwas geben, das ihn aufhalten würde. Doch ich schob den Gedanken erst einmal beiseite, denn Phia krampfte sich wieder zusammen. Die erste Wehe seit langem.

„Ein Glück", murmelte Varona schließlich und wirkte trotz aller Ruhe, die sie bisher ausgestrahlt hatte, erleichtert, als sie ihren Teller beiseite stellte. Dabei warf die Earies Koral einen kühlen Seitenblick zu „Vor allem, dass du endlich da bist. Was hat dich aufgehalten?"

Koral kniff die Lippen zusammen, doch ließ er Phias Hand nicht einen Moment lang los. „Ich dachte, wir hätten noch Zeit!"

Innerlich schlug ich mir an die Stirn. Oh man. Genau das hatte Phia auch gesagt. Die beiden passten besser zusammen, als ich bisher geglaubt hatte.


Die nächsten Stunden zogen sich schleppend dahin. Also für mich, die ich mit Bars wohlweißlich Abstand hielt und mit ihr immer nur alles heranschaffte, was irgendwer brauchte. Für Phia war es eine einzige Tortur. Das Pressen wurde mit jeder Wehe schlimmer und sichtbar schmerzhafter, ließ sie jedes Mal ein bisschen erschöpfter zurück. Doch das änderte nichts. Die nächste Wehe kam trotzdem und unerbittlich, während wir ihr abwechselnd Mut zusprachen und gleichzeitig für uns alle hofften, dass es bald vorbei war.

Und mit einem Mal ging es dann ganz schnell. Viel schneller als erwartet. Von Korals überraschten Ausruf, dass er den Kopf sehen könnte bis zu dem Moment, als das erste Kreischen des Neugeborenen die Hütte erschütterte, vergingen nur ein paar Minuten.

Doch es waren sehr lange Minuten.

Ich versuchte mich, zusammen mit Bars soweit weg wie möglich von Geschehen aufzuhalten, sodass wir viel in der Küche herumwuselten oder auch in den Ecken des Raumes. Hauptsache, wir standen nicht im Weg. Trotzdem gab es kein Entkommen. Phias Schreie waren lauter als das Jaulen des Sturms vor der Hütte. Nicht einmal der Donner, der einem hellen Blitz in einigem Abstand folgte, konnte Phias Brüllen übertönen. Wenn die Legende von Vaskis' Grüßen stimmte, würde dieses Kind ein richtiger Wildfang werden. Bei dem Gedanken musste ich Grinsen.

Und über dieses Grinsen hinweg, wäre mir fast entgangen, dass plötzlich Stille herrschte. Bars und ich schauten uns an. Dann lugten wir vorsichtig aus der Küchentür hinaus.

Einen Moment lang musste ich Blinzeln, so geblendet war ich förmlich von der Glücksseeligkeit, die uns entgegenschlug.

Koral, der ein kleines Etwas in den Armen trug, lächelte mir entgegen. Das erste mal an diesem Abend, das er mich wirklich wahrnahm. Und das erste Mal seit Ewigkeiten, dass er mehr als einen abschätzigen Blick für mich übrig hatte. Doch das konnte ich ihm im Moment nicht vorhalten. Nicht, nach der Art, wie er Phia liebevoll anlächelte, die völlig erschöpft in ihren Kissen lag, aber ebenfalls sehr zufrieden mit sich wirkte. Sie schaffte es sogar, mir aufmunternd zuzulächeln. „Na? Möchtest du auch die kleine Agnes einmal sehen?"

„Agnes?" Völlig verblüfft starrte ich Phia an. „Das war der Name meiner Mutter."

Die Flussfrau nickte müde und winkte mich, etwas näher zu kommen. „Ich weiß. Das hat Zac mir mal erzählt."

Diese Tratschtante. Trotzdem war ich überrascht, dass Phia sich an dieses Detail erinnerte und sagte nichts, sodass Phia einfach weitersprach.

„Und ich hoffe, das ist okay für dich. Wenn nicht... dann fällt uns sicher noch ein anderer Name ein. Aber nach allem, was heute war, finde ich ihn richtig und passend."

Ich schluckte. Einen Moment lang zögerte ich. Dann schüttelte ich den Kopf und kam vorsichtig näher, während Koral und Varona das kleine Ding vorsichtig mit einigen Handtüchern sauber machten.

Jetzt erst konnte ich die Kleine richtig sehen. „Sie ist.." Ich fand keine Wort dafür. Ich hätte nicht süß oder schön sagen können. Tatsächlich war die Kleine noch ganz rot und zerknautscht. „... so frisch."

Lisa kicherte und selbst Phia lächelte. „Das wird sich bald ändern. Wart mal ab, bis sie im Wasser ist."

„Im Wasser?!", fragte ich alarmiert. Die Vorstellung, dass dieses kleine, zarte Ding gleich eine Verwandlung durchmachen müsste, beunruhigte mich zutiefst.

„Natürlich", sagte Varona sanft, als würde sie meine Gedanken kennen.

Aber vermutlich standen sie mir sowieso ins Gesicht geschrieben. „Sie wird sich in etwa einer Stunde verwandeln, ohne, dass jemand etwas dagegen tun könnte. Also müssen wir sie zum Wasser bringen. Sonst würde sie nicht lange bei uns sein."

Ich schluckte. Das schien mir grausam. Aber im Moment gab es nichts, was ich dagegen tun konnte. Also nickte ich.

Hinter mir räusperte sich Koral umständlich. „Würdest du die kleine Agnes für uns zum Wasser bringen?"

„Wie bitte?!", rief ich ebenso überrascht wie überfordert aus. „Aber. Aber... Ich könnte was kaputt machen!"

Phia lachte. „Das kleine Ding wurde gerade durch meinen Geburtskanal gepresst. Solange du sie nicht fallen lässt, kannst du nichts kaputt machen."

Ich verzog das Gesicht und Koral schien es ähnlich zu gehen. Das waren mehr Informationen, als wir beide brauchten. Plötzlich spürte ich Varonas raue, fast schon ledrige Finger an meinem Handgelenk und einen Moment später war sie in meinem Geist. >>Bei uns ist es Tradition, dass die Person, die das Baby ins Wasser bringt, der oder die Pate des Kindes wird.<<

Diese Information erwischte mich kalt. Völlig verblüfft sah ich erst Varona, dann Phia und dann Koral an. „Eine Patenschaft?! Aber das kann ich nicht annehmen! Ich – du – wir!"

Phia kicherte. „Ach Senga – ohne dich wäre das alles wesentlich... komplizierter geworden", setzte Zacs Schwester an. „Es stimmt. Wir haben unsere Schwierigkeiten. Aber nach heute? Ehrlich? Ich an deiner Stelle hätte mir vielleicht nicht mal geholfen. Aber ich bin sehr dankbar, dass du da nicht bist wie ich. Und ich würde mich freuen, jemanden wie dich im Leben unserer Tochter zu wissen."

Bei diesen Worten spürte ich, wie meine Augen feucht wurden. Also nickte ich.


Der Weg zurück zum See kam mir wesentlich kürzer vor, auch wenn ich weitaus vorsichtiger meine Schritte setzte. Besonders, da der Weg vom anhaltenden Regen matschig und rutschig geworden war. Davon abgesehen, störte mich die Nässe kaum – wir waren so oder so auf den Weg in den Fluss, da machte es keinen Unterschied ob ich jetzt oder später nass wurde. Mit flauem Gefühl im Bauch sah ich auf das kleine Bündel Leben in meinen Armen, das den Kopf eng an meinen Körper kuschelte, um dem Wind und dem Regen zu entkommen. Die Vorstellung, dass das kleine Ding gleich den Anpassungsschmerzen ausgesetzt sein würde, bereitete mir selbst fast schon Übelkeit. Innerlich versuchte ich mich zu beruhigen. Agnes würde sich nicht an diesen Moment erinnern können. Es würde nur für mich und alle Umstehenden schwer werden.

Immerhin schien sie noch nichts von ihrem Schicksal zu ahnen, denn mittlerweile war die Kleine in meinen Armen eingeschlafen. Ich spürte selbst, wie sich meine Lippen zu einem Lächeln verzogen, ehe mein Blick zu Phia glitt, die von Koral gestützt vor mir lief. Wie die Frau es schaffte, nach diesen Geburtsqualen schon wieder laufen zu können, war ir ein Rätsel. Aber es war vielleicht auch keine Frage des Wollens, sondern des ssens. Natürlich könnte sie noch zwei Tage in der Hütte liegen bleiben – aber dann wäre sie von ihrer Tocter getrennt, die ins Wasser musste. Und Phia war nicht der Typ Mensch, der das zulassen würde.

Umso mehr erstaunte es mich aufs Neue, dass ich diejenige war, die ihren größten Schatz zum Wasser tragen durfte. Aber zugegeben: Ganz unbewacht war ich nicht, immerhin lief Varona neben mir, die mich gerade wieder aufmunternd anlächelte. Kurz erwiderte ich dieses Lächeln, ehe ich wieder auf die kleine Agnes hinunterblickte. Mein kleines Patenkind. Sie zu halten war gleichermaßen beruhigend und faszinierend.

Und dann ganz plötzlich wurde es mir bewusst: Während ich ihre kleinen geschlossenen Augen beobachtete und die winzigen Fäustchen, die sich eng an ihren Körper drückten, war ich mir zum ersten Mal sicher, dass ich richtig gehandelt hatte, als ich Trell hierher verschleppen ließ. Auch wenn die Umstände noch immer an mir nagten. Vor allem, weil ich seitdem noch immer kein Wort mit Trell oder Lucien gesprochen hatte. Doch ich schuldete zumindest Trell ein Gespräch, eine Erklärung.

Denn auch wenn ich meine Entscheidung vor mir selbst vertreten konnte: Ich hatte ihm das gleiche angetan, wie Zac mir. Da wollte ich es wenigstens besser machen als er. Doch dazu musste ich versuchen, dass der Schwarm sie gehen ließ. Morgen würde ich das in Angriff nehmen. Jetzt musste ich erst einmal Agnes ins Wasser bringen.


Und das Wasser war kalt. Als es mir das erste Mal um die Füße schwappte, fröstelte es mich. Aber vielleicht lag es auch nur daran, weil ich wusste, was jetzt kommen würde. Und noch immer war ich mir nicht sicher, ob ich das wirklich miterleben wollte. Gleichzeitig wäre es mir falsch vorgekommen, jetzt zu gehen. Also blieb ich mit Agnes auf den Armen im Wasser stehen und sah zweifelnd zu Phia, die mich aufmunternd anlächelte, als sie langsam und noch immer von Koral gestützt zu mir herüber watete. „Es wird schon gut werden, Senga", murmelte sie leise, ehe sie sich ganz zu ihrer schlafenden Tochter drehte und ihr einen Kuss auf die Stirn hauchte.

Ein Wasserkuss, der sie selbst noch enger an ihre Tochter band und bei dem Kind die Verwandlung einleitete. Augenblicklich verzog Agnes ihr Gesicht zu einem Ausdruck tiefsten Unwohlseins.

Ich schluckte und erinnerte mich daran, dass das richtig war, dass es sein musste. Agnes würde sich sonst in wenigen Stunden unkontrolliert an Land verwandeln und mit Kiemen auf dem Trockenen liegen und ersticken.

Ihre kleinen Ärmchen begannen unkontrolliert in alle Richtungen zu zucken.

Instinktiv drückte ich das kleine Ding enger an mich, um ihr ein bisschen Nähe und Geborgenheit zu vermitteln. Aber keine Nähe der Welt konnte es wieder gut machen, wenn einem die Beine zu einem Fischschwanz zusammengepresst und die Haut von einem dünnen Ölfilm überzogen wurde. Von den Schmerzen und der Atemlosigkeit ganz zu schweigen.

Trotzdem hielt ich sie fest und ertrug ihre Schreie, genau wie meine eigenen Schmerzen, als ich mich dank Varona ebenfalls verwandelte, um Agnes vollständig ins Wasser begleiten zu können.

Es war schrecklich. Ich würde das sicher mein Leben lang nicht vergessen.

Aber immerhin würde sich Agnes nicht erinnern.

Den Göttern sei Dank.


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