Kapitel 3.2 - Tote Fische

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gewidmet julieundflorianmoore,

ich kann es ehrlich gesagt noch immer nicht so richtig fassen, dass Du wirklich noch dabei bist. Vielen, vielen Dank fürs Lesen! :D

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Ich schluckte und spürte wie die Tränen sich in meinen Augen sammelten, nur um sofort vom Wasser fortgespült zu werden. Ohne weiter darüber nachzudenken schwamm ich nach oben, direkt in die Richtung des Schattens, der schon die ganze Zeit dort oben schwebte, als würde er auf etwas warten, auf mich warten. Leise Zweifel spülten sich in meinen Geist, als die funkelnde Oberfläche näher kam. Doch ich schob sie beiseite, schwamm sogar noch schneller, bis mein Kopf die Wassergrenze durchbrach. Sofort rebellierten die Kiemen an meinem Hals und verlangten wieder Wasser für ihre Atmung. Doch das war mir egal.

Ich blinzelte heftig in der plötzlich gleißendes Helligkeit des Tages, die meine ans Flusswasser angepassten Augen nicht gewohnt waren. Mühevoll versuchte ich etwas zu sehen, doch da war noch immer ein weißer Schleier vor meinen Augen, der sich nur langsam lichtete. Trotzdem versuchte ich verzweifelt etwas zu erkennen. Vielleicht. Ganz vielleicht wäre er ja hier.

„Senga!"

Bei der Stimme sackte mein Herz zusammen und ich wusste nicht ob ich glücklich oder verzweifelt darüber sein sollte. Verzweifelt, weil es nicht Papa war, der hier am Strand stand. Glücklich, weil es stattdessen Hannah war.

Ganz langsam konnte ich wieder klar sehen, während Hannah ihrerseits schon bis zur Hüfte im Wasser war und so schnell sie konnte auf mich zugewatet kam. Ich hätte schon wieder heulen können. Allein ihr Anblick war fast so sehr „zu Hause" wie der meines Vaters.

Sie war unsere Haushälterin. Doch für mich war sie weit mehr als das. Für mich kam sie dem, was eine Mutter war, am nächsten. Immerhin hatte sie mich quasi zusammen mit ihrer eigene Tochter Epoh großgezogen, nachdem meine Mutter im Kindbett gestorben war.

Mit schnellen Zügen kam ich ihrer zierlichen Gestalt entgegen. Soweit ich konnte – also bis es zu flach wurde und die Kiemen an meinem Hals und meinen Seiten sonst nicht mehr genug Wasser zum atmen gehabt hätten. Doch das machte nichts – Hannah stand sowieso schon vor mir. Einen Moment lang sah sie mich einfach nur an, sodass ich mein eigenes nass-zerzaustes Spiegelbild in ihren dunkelbraunen Augen sehen konnte.

Dann zog sie mich ganz plötzlich dicht an sich, ohne darauf zu achten, dass sie selbst nun vollends durchnässt wurde. „Den Göttern sei Dank, es geht dir gut", flüsterte sie heiser in mein Ohr, als ich ihre Umarmung erwiderte und mich in den festen Stoff ihres schlichten, blauen Kleides krallte.

Die Wärme ihrer Berührung stand im ungewohnten Gegensatz zu der Kühle des Wassers, an die ich mich in all den Zyklen so gewöhnt hatte. Und gleichzeitig war sie durch all die Jahre so beständig und vertraut, wie die Sterne am Himmel.

Ganz kurz fühlte ich mich wieder wie das sechsjährige Mädchen, das sich am Ende des ersten Schultages in ihre Arme geflüchtet hatte. Damals wie heute hätte ich sie am liebsten nie wieder losgelassen. Aber ich war kein sechsjähriges Mädchen mehr. Und so löste ich mich schweren Herzens aus ihrer Umarmung.

„Was machst du hier?", fragte ich leise und kam nicht umhin, Hannah genauer zu mustern. Noch immer trug sie ihr Haar akkurat nach hinten gesteckt, damit es nicht bei der Arbeit störte. Doch ihre Augen schienen trauriger, als in meiner Erinnerung und um ihren Mund hatte sich ein müder Zug eingegraben, der vorher nicht dagewesen war. Der Gedanke, dass das meine Schuld war, machte mein Herz schwer.

Doch noch ehe sie antworten konnte, hörte ich etwas anderes in meinen Gedanken hallen: >>Senga? Senga! Ist alles gut bei dir? Wir sind gleich da.<<

Achs. Offensichtlich war meine Flaschenpost angekommen. Nichts bedauerte ich im Moment mehr.

>>Ja. Alles gut!<<, rief ich zurück, verzweifelt um einen ruhig-sachlichen Tonfall in meinen Gedanken bemüht. >>Es ist nur ... gruselig. Aber mit mir ist alles gut. Ich warte hier auf euch.<<

Meine Gedanken überschlugen sich fieberhaft. Achs' Rufdistanz ging weit. Und er musste stromaufwärts schwimmen, um überhaupt hierher zu kommen. Das würde sicher noch einen Moment dauern – länger aber nicht. Und irgendwie glaubte ich nicht, dass es für mich oder die allgemeine Situation gut sein würde, wenn er oder jemand anderes mich jetzt hier mit Hannah plaudern sehen würde.

„Schatz? Ist alles gut?", riss mich Hannahs Stimme zurück zu ihr. Einmal mehr bedauerte ich, dass ich im Gegensatz zu vielen anderen Flussmenschen nicht die Kunst beherrschte, zwei Gespräche auf einmal zu führen.

„Ja", antwortete ich mechanisch und merkte selbst, wie ich zeitgleich den Kopf schüttelte. Also zwang ich mich zu einem Lächeln. „Es ist alles gut", bekräftigte ich mich selbst nun selbstsicherer. „Wir sollten uns nur beeilen. Mein Schwarm ist gleich hier."

Mein Schwarm. Ich realisierte erst, was ich gesagt hatte, als ich sah, wie Hannah zusammenzuckte. Hin und her gerissen, suchten meine Fingerspitzen wie von selbst wieder nach ihren Händen. Doch als ich sie berührte war da nichts. Keine Gedankenverbindung in meinem Kopf, die mir ihre Nähe und Aufmerksamkeit zusicherte. Nur Stille. Irritiert blinzelte ich das plötzlich aufkommende Gefühl des Alleinseins bei Seite, konzentrierte mich wieder auf das Wesentliche: „Ich hab sie gerufen wegen ... dem."

Vielsagend blickte ich auf die Netze toter Fische. Die schiere Masse entsetzte mich noch immer. Davon hätte mein Schwarm mindestens eine Woche leben können.

Hannah war meinem Blick gefolgt und seufzte schwer. „Dein Vater ist-" Sie suchte nach Worten und ein Schatten huschte über ihr Gesicht, wodurch sie exakt so aussah, wie ihre Tochter Epoh, wenn sie über eine unangenehme Tatsache nachgrübelte. Der Gedanke an meine quasi-Schwester und engste Freundin kam so unerwartet, dass er mir wie ein Bleiklumpen in den Magen fiel. Ich schluckte ihn mitsamt der Traurigkeit herunter und schob ihn bei Seite. Seit ich im Schwarm angekommen war, hatte ich diese Strategie perfektioniert. Sie sicherte meine geistige Gesundheit. Stattdessen konzentrierte ich mich wieder auf Hannah. Die Zeit rannte mir davon, doch ich musste es unbedingt wissen. „Was ist mit Papa? Ist es sein Bein? Hat er Schmerzen?"

"Nein. Ich meine – Ja. Hat er. Aber es wird besser. Dank der Earis. Vielleicht muss er später nicht einmal mehr humpeln."

Ich nickte das ab und innerlich dankte ich Varona für die gewissenhafte Pflege meines Vaters – trotz allem. Doch ich ließ Hannah nicht aus den Augen. Als sie schwieg, versuchte ich nachzuhelfen und sprach das eine Wort aus, das ungesagt zwischen hing: „Aber ...?"

„Aber er ist-" Sie seufzte wieder. „-sehr besorgt um dich, Senga. Weißt du, wir haben drei von diesen Orten. Und an jedem steht jemand, um eventuell auftauchenden Flussmenschen eine Botschaft zu überbringen."

„Warum-", setzte ich an und aus Versehen hob ich meinen Oberkörper zu weit aus dem Wasser, sodass meine Seitenkiemen auf dem Trockenen waren. Rasselnd und hustend kämpfte ich um Atem, ehe ich mich rasch in das Nass zurücksinken ließ. „Drei solcher Orte?" Immer deutlicher wurde die dunkle Ahnung, über die nachzudenken ich mich bisher geweigert hatte. Trotzdem musste ich es wissen: „Was ist die Nachricht?"

„Gebt sie zurück oder endet, wie diese Fische."

Das war keine Drohung mehr.

Das war eine Kriegserklärung.

„Das ist doch Wahnsinn", hauchte ich und Hannah hob abwehrend die Hände.

„Ich weiß, ich weiß. Aber die Reden deines Vaters treffen hier auf offene Ohren. Weißt du von dem Unfall, der sich hier vor ein paar Jahren ereignet hat? Von den Jugendlichen, die gestorben sind?"

Ich nickte mechanisch, obwohl ich es nur vage wusste. Ich hatte nur davon gehört, niemand hatte mir je die ganze Geschichte erzählt.

„Die Menschen hier können das nicht verzeihen und jetzt-"

>>Senga?<<

>>Hier!<<

Verdammt. Sie waren fast da. „Hannah, wo sind die Stellen?", unterbrach ich sie mitten im Satz.

Der drängende Unterton in meiner Stimme schien sie zu irritieren, doch sie beschrieb mir die Stellen ohne weitere Fragen zu stellen, wofür ich ihr dankbarer war, als ich jemals in Worte hätte ausdrücken können.

>>Du brauchst nicht „hier" zu rufen. Keiner weiß, wo „hier" ist<<, kam Uhnas geknurrte Antwort. Als ob ich nicht selbst wüsste, dass das Rufen keine Lokalisierung ermöglichte, weil alle im Umkreis es gleichermaßen in ihrem Geist hörten, maximal nah oder fern konnte man damit abschätzen. Aber so kaufte ich mir Zeit.

Rasch umarmte ich Hannah wieder. „Ich muss los", flüsterte ich und unterdrückte ein Schluchzen. „Ich hab dich lieb."

Auch Hannah umarmte mich, hielt mich aber fest und ließ mich nicht los. „Senga, bevor du gehst", murmelte sie hastig an meine Schulter. „Es gibt vielleicht einen Weg wie du nach Hause kommst."

Ich erstarrte, obwohl mir klar war, dass ich gehen musste – dringend. Doch ich konnte nicht. Ich wollte unbedingt wissen, was sie meinte.

„Der Jelena-Raoren-Vertrag besagt, dass niemand, aus den Flusslanden entführt werden darf. Wenn wir dich zu einer Frau der Flusslanden machen, fällst du unter diese Schutzklausel."

„Aber-", setzte ich verständnislos an.

„Du müsstest heiraten, Senga", unterbrach mich Hannah diesmal schnell, aber resolut. „Und wenn du willst, würde dich Trell zur Frau nehmen."

„Trell?!"

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