Kapitel 3.1 - Tote Fische

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gewidmet  Pragoma,

weil ich jedes Mal aufs neue staune, wie Du mit immer neuen, wunderbaren ideen, unermüdlich für diese Community arbeitest!

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21.Tas Saru 2146 n.n.O.

Stich – Blocken – Ausweichen – Hieb – Stich

Während meine Kiemen regelrecht flatterten, um genügend Sauerstoff in meinen Körper zu pumpen, ging ich Riccos Standard-Übungsroutine mit dem Dolch durch. Das Training alle zwei Tage war mittlerweile Gewohnheit.

Blocken – Drehen – Stich – Stich – Schlag – Ausweichen

Mit einem Partner wäre es besser. Doch da ich mich weigerte, wieder zu Riccos Unterricht oder einem anderen Training zu gehen, blieb mir nur der Widerstand des Wassers. Manchmal vermisste ich die anderen. Doch ich konnte und wollte nicht einfach so tun, als wäre nichts gewesen.

Stich – Schwimmen – Schwimmen – Schwimmen – Drehen – Stich – Ausweichen

Immerhin hatte ich so keine Zeugen für mein Dolchgefuchtel. Ich hatte mir angewöhnt, für meine Übungen zu den Sängerschnellen zu schwimmen, eine abgelegene Stelle flussaufwärts, die dem Schwarm vor allem als „Fischreservoir" diente. Hier konnten die kleinen Tiere meist ungestört leben, größer werden und irgendwann die Bestände in den Flussabschnitten auffüllen, in denen auch gefischt wurde. Nicht einmal die Menschen der umliegenden Dörfer missachteten das. Wohl auch wegen der Strömungen hier im Umkreis. Allein der Weg hierher war schon eine Aufwärmübung für sich.

Blocken – Stich – Ducken – Hieb – Hieb – Ducken

Die Bewegungen waren so vertraut, dass sie mir mittlerweile leichter fallen sollten. Aber das taten sie nicht. Wäre auch zu einfach gewesen. Trotzdem war ich dankbar dafür. So musste ich wenigstens nicht an Zacs stumme Vorwürfe denken, die mich verfolgten, wann immer wir uns trafen. Er musste sie nicht einmal aussprechen – ich wusste auch so, was er sagen würde. Oder die immer gleiche Frage, woher er gewusst hatte, dass ich mich mit Papa treffen wollte. Oder warum-

Ich stoppte.

Jetzt hatte ich doch daran gedacht.


Ich hasste das.

Warum konnte ich nicht damit aufhören? Warum schlich sich diese Kröte ständig in meine Überlegungen? Als würde es nicht reichen, dass ich mit ihm in diesem Tümpel festsaß! Insbesondere seit der letzten Schwarmversammlung vor zwei Tagen. Da hatten sie beschlossen, dass niemand mehr ohne Weiteres den See verlassen durfte. Als würden sie einen Krieg oder eine Belagerung erwarten.

Wütend stach ich mit meinem Dolch auf ein vorbei schwimmendes Algenschwämmchen ein. Sofort fühlte ich mich unfassbar dumm. Ich hatte eine Pflanze erstochen. Großartig.

Noch frustrierter als vorher zog ich die Klinge wieder heraus, wobei sie einen langen, abgenutzte Faden streifte, der da im Wasser schwebte. Den hatte ich vorher gar nicht bemerkt. Fasziniert beobachtete ich das kleine Ding, wie es hin und her sprang, weil die Flussströmung an ihm zerrte. Gleichzeitig kam es auch nicht vom Fleck. Es hing fest.

Wie von selbst streckten sich meine Hände nach dem rauen Garn aus, das die Fischer für ihre Netze nutzten. Wie war der wohl hierher gekommen? Vielleicht sollte ich ihn mitnehmen und entsorgen, bevor er sich noch irgendwo absetzte und verrottete oder Tieren sinnlos Schaden zufügte. Wer wollte schon auf einer Müllkippe leben?

Doch egal, wie sehr ich an dem Ding zog, es ließ sich nicht lösen.

Widerwillig folgten meine Augen dem Faden durch die Trübe des Flusses. Die Strömung wirbelte hier viel Sand im Wasser auf. Wie Nebelschwaden zog er an mir vorbei und verstellte mir die Sicht, sodass ich das Ende des Fadens nicht sah. Anscheinend hing das Ding weiter oben fest. Na super. Hatte ich mir ja jetzt schön was ans Bein gebunden.

Mit wenigen Schlägen meiner Paddelflossen-Füße kam ich höher, immer dem Faden entlang und blinzelte, als das grelle Licht der Oberfläche mir in die empfindlicheren Augen stach. Nur träge tanzende Schatten milderten die Helligkeit ein wenig ab.

Schatten von Netzen.

Netze voller toter Fische.


Ich blinzelte und versuchte das Bild zu erfassen, das sich mir bot. Ganze Schwärme toter Fische, wie aufgehangen und zum Verrotten zurück gelassen. Nicht ein einziges Zucken verriet Leben zwischen den toten Körpern. Es war ein Massaker, das mir die Übelkeit in den Magen trieb. Fassungslos starrte ich auf diesen grotesken Anblick.

Zu der Übelkeit in meinen Magen gesellte sich die Angst.

Wer tat so etwas? Warum?

Unwillkürlich dachte ich an Gropp. Ich hatte ihn gesehen, als er zur letzten Schwarmversammlung geschwommen war – in grün-graue Bandagen aus stabilen Algen gehüllt, mit langsamen bedachten Schwimmzügen, weil ihm offensichtlich jede Bewegung Schmerzen bereitete. Hatte das hier etwas damit zu tun?

Und was sollte ich jetzt machen?

Intuitiv hatte ich mich wieder tiefer sinken lassen, hinunter auf das Sicherheit verheißende Flussbett. Das hier war abartig. Ich konnte nicht Nichts tun! Vielleicht sollte ich Hilfe holen? Ja. Das klang nach einer guten Idee. Also konzentrierte ich mich.

Es war schon ewig her, da hatte mir Zac gezeigt wie das ging – eine „Flaschenpost" zu schicken. Natürlich schrieb ich keinen Zettel und stopfte ihn in eine Flasche. Doch ähnlich wie bei dem „Flaschenpost-Prinzip" vertraute auch ich meine Nachricht dem Wasser an, das um mich herum floss. Es speicherte meinen Ruf und nahm ihn flussabwärts mit, Richtung Meer, wo die Nachricht dann durch das Salz zerstört wurde. Wenn das Wasser auf diesen Weg Flussmenschen traf, die zu meinem Schwarm gehörten, konnten sie meine Nachricht hören.

Natürlich bot diese Form der Kommunikation einige Schwierigkeiten: Wenn das Wasser um mich herum, niemanden aus meinen Schwarm traf, würde niemand meine Nachricht hören. Ich würde auch keine Antwort erhalten können – denn Wasser floss nun mal nicht flussaufwärts. Daher galt diese Nachrichtenübermittlung auch als „veraltet" und wurde kaum noch angewandt. Doch in dem Moment war es meine beste Chance.

Also sammelte ich mich, wie ich es gelernt hatte und versuchte, alles andere auszublenden, meine Gedanken für das Wasser um mich herum zu öffnen. Du musst dich wie ein Wassertropfen fühlen, hatte Zac damals gesagt. Schwipp Schwapp.

Doch auch diese Erinnerung verdrängte ich, suchte weiter nach dem Rauschen des Flusses bis ich glaubte, es zu haben. Jetzt nur noch die Nachricht und – doch was sagte man in so einer Situation eigentlich? >>ähm... Senga hier... bin bei den Sängerschnellen Ich bräuchte Hilfe. Also naja – zumindest solltet ihr euch das mal ansehen.<<

So. Hatte es geklappt? Ich wusste es nicht. Doch mehr konnte ich eh nicht machen, oder?

Nervös fuhr ich mir mit einer Hand über den Nacken und sah unsicher wieder zu den Netzen hinauf, die vom Grund aus nur noch als vage Schatten auszumachen waren. Bei dem Gedanken, da wieder hinzuschwimmen, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. Es war widerlich. Und doch ... Ich wurde das Gefühl nicht los, etwas übersehen zu haben.

Etwas Wichtiges.


Also zwang ich mich dazu, wieder ein Stück weiter nach oben zu paddeln. Was sollte mir schon passieren? Sie würden ja wohl nicht mit Harpunen jagd auf Flussmenschen machen. Der plötzliche Gedanke machte mir Angst. Warum musste mein Kopf ausgerechnet jetzt mit solchen abstrusen Ideen kommen?

Letztlich war ich im Wasser und von der Oberfläche aus wohl nur schwer bis gar nicht auszumachen. Ich konnte von hier unten ja auch nicht wirklich jemanden an Land sehen, versuchte ich mich selbst zu beruhigen. Es sei denn, er oder sie stand so dicht am Fluss dass ich seinen oder ihren Schatten hinter dem flimmernden Glitzern der Wasseroberfläche direkt sehen konnte. Das bewies mir gerade eindrucksvoll ein Schemen, der wohl von einer Person nahe der Wasserkante kommen musste.

Erschrocken prallte ich zurück. Alle Theorie war gut und schön, aber ich wollte sie nicht auf den Prüfstand stellen, nicht so. Also schlug ich alle Logik in die Strömung und wollte mich wieder in die Tiefen des Wassers flüchten. Da sah ich es aus dem Augenwinkel und blieb abrupt im Wasser schweben.

Zwischen all den Fischkadavern schwamm ein Baumstamm. Sorgfältig entrindet konnte das kein Zufall sein. Unsicher kniff ich die Augen zusammen. War das schwarze Farbe auf dem Stamm? Waren das Buchstaben? Ich konnte es auf die Distanz kaum erkennen.

Mein Blick huschte zurück zu dem Schemen, der dort noch immer am Ufer zu sitzen schien und sich nicht rührte. Vielleicht sah die Person noch nicht einmal aufs Wasser. Wieder fixierte ich den Baumstamm. Kurzentschlossen schwamm ich wieder näher, langsam und den Schatten hinter der Oberfläche nicht aus den Augen lassend. Nur noch ein kleines Stückchen, dann würde ich es lesen können.

Ich konnte.

Drei Worte, nicht aufgemalt, sondern tief in das Holz eingekratzt und mit Pech nachgestrichen. Drei Worte, die mich frösteln ließen.

Gebt sie zurück.


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