Kapitel 9.1 - Auf und Davon

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42. Tas' Saru 2146 n.n.O.

Endlich kam jemand. Zu meiner Überraschung waren es Orell und Cana. Besonders der Anblick der Flussbraut versetzte mir einen Stich. Mittlerweile waren ihre Wunden zwar gut verheilt, doch ich wusste noch, wie sie vor einigen Zyklen ausgesehen hatte, erinnerte mich an ihre geteilte Erinnerung und die Angst, die sie darin ausgestanden hatte. Der bittere Zug um ihre Mundwinkel war vor einem halben Jahr noch nicht dagewesen, aber ich glaubte nicht, dass er so schnell wieder verschwinden würde.

>>Heya!<<, rief Orell uns zu, als wir ihnen ein Stück entgegen kamen. >>Da seid ihr ja! Hoffentlich findet Varon uns da noch.<<

Ich runzelte die Stirn. Wieso sollte er uns nicht finden? Wo war Varon dann überhaupt?

>>Wieso sollte er uns nicht finden?<<, fragte Zac.

Blödes Gespür.

>>Varon hat die geforderten Streichhölzer geholt. Er kommt gleich über Land.<<

Aber dauerte das nicht länger? Andererseits machte es Sinn – wie sonst sollten die Streichhölzer trocken ankommen? Während ich das überlegte, fasste Zac die aktuelle Situation noch mal für die zwei zusammen. Ich selbst schwieg lieber. Immerhin war es mein Vater, der die Minen über den Fluss verteilen ließ. Wieder krampfte sich alles in mir zusammen. Gab es keinen Weg, ihn umzustimmen? Es zu beenden? Ob er aufhören würde, wenn ich zu ihm kommen könnte? Oder würde er weiter machen – „für alle anderen"?

>>Also brennen wir den Ölteppich kontrolliert ab und Varon, Zac und ich versuchen, das brennende Öl mit unserer Wassermagie von der Uferböschung fernzuhalten?<<, fasste Orell unseren Plan zusammen. >>Cana und Senga gehen an den Strand, machen ein Feuer, stecken den Ölteppich in Brand und passen auch auf, dass das Feuer auf dem Fluss bleibt?<<

Bei diesen Worten fixierte Orell direkt Zac, als wartete er allein auf dessen Entscheidung. Und auch ich fixierte den Mann, der mich hierher verschleppt hatte. Zac zögerte. Dann richtete sich sein Blick auf mich und einen Moment lang herrschte tiefes Schweigen. Dann nickte er. >>Ich denke auch, das ist die beste Lösung.<<

Ich schwieg, weil mir die Worte fehlten. Er vertraute mir. Trotz allem? Oder wegen meiner Worte von vorhin? Ich an seiner Stelle würde das nicht tun. Oder-

Oder wollte er mich endlich gehen lassen?


Wenig später standen Cana und ich am Ufer und starrten auf die bunt schimmernden Schlieren. Es hätte schön ausgesehen, wenn es nicht so beißend gestunken hätte. Der Geruch fiel umso mehr auf, da der Tag selbst direkt einem Bilderbuch entsprungen zu sein schien, so strahlend schön war dieser Sommertag. Fast schon, als wollte die Sonne selbst uns alle für unsere dummen Streitigkeiten verhöhnen.

Schließlich ging ein Ruck durch Cana, als wolle sie nicht länger auf das Unglück vor uns starren. Ich jedenfalls wollte es nicht. „Gut", flüsterte Cana. „Varon müsste gleich hier sein. Suchst du trockenes Kleinzeug hier am Strand und machst einen kleinen Haufen damit? Dann können wir das leichter entzünden. Ich geh in den Wald und suche nach größeren Holzstücken. Damit das Feuer brennen bleibt."

Ich nickte und beobachtete kurz, wie Cana zwischen den Bäumen verschwand, jeden Schritt vorsichtig setztend, denn genau wie ich hatte sie keine Schuhe an. Woher auch? Im Wasser hatten wir langgezogene Paddel anstatt normaler Füße mit denen wir schwammen. Nun an Land barfuß zu laufen war selbst hier am sandigen Ufer mit all den herumliegenden Steinchen und Holzstückchen unangenehm. Da beneidete ich Cana nicht um ihre Aufgabe.

Nicht, das meine so viel besser wäre. Schließlich fiel es mir zu, eine kleine Senke in den harten, durchwurzelten Boden des Ufers zu graben. Aber darauf verzichten wollte ich auch nicht. Schließlich wäre ein Waldbrand, wegen eines ausufernden Feuers, das Letzte, was wir jetzt bräuchten.

Langsam hockte ich mich hin und begann meine Arbeit. Doch mein Blick huschte immer wieder zum Wald, zwischen den Bäumen, wo Cana verschwunden war. Sie hatten mich allein gelassen. Wegen Zacs Aussage. War das seine Art mich gehen zu lassen? Einfach so? Ohne was zu sagen? Und vor allem: Direkt an einer Entscheidung der Schwarmversammlung vorbei? Denn wenn ich eines gelernt hatte, dann, dass der Schwarm „große Entscheidungen" immer zusammen traf – und „mich gehen zu lassen" zählte mittlerweile sicher als eine „große Entscheidung".

Oder war das eine Art Vertrauensbeweis und er würde wütend werden, wenn ich die Chance nutzte? Wieder sah ich den Moment in Zeitlupe vor mir, als sein Arm ausholte und den Speer warf, der meinem Vater ins Bein treffen würde. Würde er das noch einmal tun? Und würde es diesmal bei einem Bein bleiben?

Diese KRÖTE! Frustriert schlug ich weiter mit einem Stein auf den Boden ein, um noch mehr harte Erde mehr zu lockern. Warum konnte er nicht wenigstens einmal sein Maul aufmachen und mir klar kommunizieren, was er eigentlich warum tat?!

Noch immer ebenso wütend wie ratlos schob ich den nun losen Sand beiseite, um eine kleine Mulde zu formen. Und wenn ich das Risiko einging... ich könnte es zu Trell schaffen, wenn ich jetzt alles liegen ließ und rannte. Dann könnte ich ihn heiraten und wäre sicher vor meinem Schwarm, vor Zac. Aber wollte ich einen Mann heiraten, der mir seit unserer ersten Begegnung Angst machte? Hatte ich noch eine Wahl? Konnte ich meinen Schwarm wirklich jetzt im Stich lassen und meine Arbeit liegen lassen?

Meine Hände hatten immer weiter gearbeitet und die kleine Sandmulde sah nun für mein ungeschultes Auge recht gut aus. Das beantwortete mir zumindest die letzte Frage. Ich wollte vielleicht nicht unbedingt zu meinem Schwarm gehören, aber im Stich lassen konnte ich ihn auch nicht. Und das hieß, dass ich meine Arbeit irgendwie fertig bringen musste.

Also begann ich die umliegenden trockenen Äste und Blätter zu einem kleinen Haufen zu schichten, wie ich es früher sooft bei den Lagerfeuerabenden mit meinen Freunden gesehen hatte. Der Gedanke an all das, was ich verloren hatte, hinterließ wie so oft, schwere Steine in meinem Magen.

Als ich nach einem weiteren Zweig griff, scheuchte ich eines dieser kleinen, braunen Fröschchen auf, die Sirek fing, um sie als Mittagssnack mit allerlei Zeugs zu befüllen. Es hopste vor mir davon direkt zum ölverseuchte Wasser. Beklommen starrte ich auf die schillernden Ölschlieren, die mittlerweile im Schilf festhingen und den kleinen Frosch willkommen hießen, der mit einem leisen Platschen geradewegs durch sie hindurch sprang.

Würde das ganze Chaos aufhören, wenn ich ging?

Meine Gedanken rasten noch immer, als Cana mit einem Arm voller Holz zurückkehrte. „Ist Varon noch nicht da?", fragte sie leise. Als ich nur stumm den Kopf schüttelte, blickte sie auf meine Konstruktion und nickte. „Das sieht gut aus, Senga. Kannst du das Holz hier vielleicht noch drauf schichten? Dann gehe ich noch ein wenig mehr sammeln."

Ich nickte wieder und begann mit der Arbeit. Dann sah ich von meinem Tun auf und Cana hinterher. Als sie abermals im Wald verschwunden war, stand ich auf und rannte.


Nach wenigen Schritten hatte ich die Uferböschung hinter mir gelassen und war in das schnelle Wechselspiel von Licht und Schatten des Waldes eingetaucht. Das immer dichter werdende Unterholz schlang sich um meine nackten Füße, hielt mich fest, schnitt mir in die Haut und hinderte mich am Rennen.

Wie ein Omen.

Nein. Ich verbot mir, so zu denken. Stattdessen versuchte ich, so zügig wie möglich weiter zu kommen und nicht über meine Füße zu stolpern. Innerlich fluchte ich. Nach so vielen Zyklen schwimmend im Wasser, war meine Auge-Bein-Koordination noch schlechter geworden.

Ein Knacken im Wald.

Gehetzt drehte ich mich um. Ich sah niemanden. Ich war allein. Aber warum fühlte es sich nicht so an? Die Geräusche kamen aus allen Richtungen. Immer wieder drehte ich mich um. Und niemals sah ich etwas anderes als Bäume und Blätter.

Endlich. Ein zertrampelter Wildwechselpfad.

Kurz entschlossen folgte ich ihm. Hier fiel mir das Laufen leichter und ich kam besser voran. Ganz kurz war ich Ricco dankbar für die unzähligen Sportübungen, zu denen er uns immer wieder angestachelt hatte, denn ich bekam nicht mehr so schnell Seitenstechen, wie früher. Tatsächlich hatte ich das Gefühl problemlos noch eine ganze Weile auf diesem Wildwechselweg zügig vor mich hintraben zu können. Dabei wusste ich nicht einmal, wohin ich eigentlich musste. Doch das würde sich schon finden, wenn ich nur genug Abstand zwischen mir und dem Wasser hatte – hoffte ich zumindest.

Ein rhythmisches Pochen aus der Ferne riss mich aus meinen Gedanken. Als ich mich danach umsah, setzte mein rasendes Herz ein paar Schläge lang aus. Ein wunderschönes, weißes Pferd stürmte im Vollgalopp den Pfad entlang – geradewegs auf mich zu.

Varon.

Ich schrie auf und schlug mich direkt wieder nach rechts in das Unterholz des Waldes. Vielleicht würde ihn das aufhalten. Ohne mich ein weiteres Mal umzudrehen rannte ich weiter, so schnell ich konnte. Verdammt, verdammt, verdammt! Verflucht seien seine „Meine-Eltern-sind-zwei-Flussmenschen-und-deshalb-bin-ich-ach-so-toll"-Kräfte! Ich hatte völlig verdrängt, dass er nicht nur Gedankenmauern durchbrechen, sondern sich auch in ein verdammtes Pferd verwandeln konnte. Hinter mir hörte ich ein Wiehern.

Nein. Ich würde nicht anhalten.

Mit rasendem Herzen versuchte ich noch schneller zu rennen, so gut es barfuß eben ging. Noch nie in meinem Leben hatte ich mir dermaßen Schuhe herbeigesehnt. Doch obwohl mir vage bewusst war, wie sehr das Unterholz die Haut an meinen Füßen aufkratzen musste, spürte ich nichts davon. Alles Denken konzentrierte sich auf meinen gehetzten Atem, die nächsten Schritte vor mir und auf das Hufgetrappel hinter mir.

Es kam näher.

Jetzt flog ich regelrecht durch den Wald, nahm kaum noch Rücksicht, auf tiefhängende Äste oder das Gebüsch um mich herum. Er war fast da. Ich wollte nicht zurück. Ich konnte nicht zurück. Dieser Gedanke trieb mich weiter bis ich nicht einmal mehr meinen eigenen Atem spürte. Nur noch das Rauschen des Blutes in meinen Ohren.

Plötzlich war ein morscher Ast unter meinen Füßen. Niemals hatte ich etwas so intensiv wahrgenommen, wie das Stück, als es unter meinen Füßen knackend zerbarst und wegrutschte. Und ich mit ihm.

Noch während ich fiel, wusste ich, dass ich verloren hatte.

Instinktiv rollte ich dank Riccos intensiven Landtrainingstagen mehr oder minder elegant ab und verhinderte so eine intensive Bekanntschaft mit dem nächsten Baum. Doch als ich mich wieder aufrappelte, war Varon im Vollgalopp heran geprescht und kam direkt vor mir rabiat zum Stehen, indem er auf die Hinterbeine stieg.

Ich schrie gellend auf und ließ mich wieder zurück zu Boden fallen. Machte mich ganz klein, um so wenig Angriffsfläche wie möglich zu bieten, als Varons schwere Hufe nur ein paar Hand breit neben meiner Schulter auf den Boden aufschlugen und die Erschütterung in meinem ganzen Körper nachhallte.

Dann stand er still, schnaubte ein paar Mal und starrte mich friedlich an.

Ich starrte zitternd und mit rasenden Herzen zurück.


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Na? Wer hat alles darauf gewartet? :D

Ich bin jedenfalls mega gespannt auf eure Reaktionen! <3

Bis bald!,

Lichti! :D


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