Kapitel 9.2 - Auf und Davon

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gewidmet the_100-, weil.... boar! Du bist auch schon so lange dabei! <3
Dankeschön! :D

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Varon schob den Kopf in meine Richtung, aber ich wich ihm aus.

„Lass das", keuchte ich und schob den Hals des Pferdes bei Seite. Dabei achtete ich darauf, nicht seine Haut zu berühren, sondern nur das Leder der Tasche, die um den kräftigen Nacken des Hengstes hing. Vermutlich waren da die versprochenen Streichhölzer drin.

Varon trippelte ein paar Schritte weg und sah mich verletzt aus himmelblauen Augen an. Doch das änderte nichts. Ich wollte keine Berührung, keine Gedankenverbindung mehr zu ihm. Er hatte schon genug spioniert.

Genervt strich ich mir über den Nacken, bemerkte, dass es Zacs typische Geste in solchen Situationen war, und ließ es wieder bleiben. „Du hast mich zu Tode erschrocken!", zischte ich ihn an, weil ich nicht wusste, was ich sonst sagen sollte und meine Angst wollte ich nicht zeigen. „Das waren mindestens fünf Jahre Lebenszeit!"

Das Pferd schnaubte und tänzelte vor mir hin und her.

„Jaja", antwortete ich genervt. „Los! Verwandel dich zurück. Ich lauf nicht noch mal weg." Ich war mir zwar nicht ganz sicher, ob das wirklich Varons Frage gewesen war - aber ich konnte mir nicht vorstellen, was er sonst von mir wollen würde.

Das Pferd rollte mit den Augen und ging ein paar Schritte von mir weg.

Ich wandte mich ab. Hinter mir hörte ich das Rascheln, Knacken und Ächzen einer Verwandlung. Ich wollte nicht hinsehen. Eine Pferd-Mensch-Mischform musste ich nicht sehen. Ich brauchte nicht noch mehr Alpträume.

Während ich die Geräusche versuchte, so gut wie möglich auszublenden, war ich einen Moment lang versucht, es doch noch einmal mit einer Flucht zu versuchen. Aber ich würde nie genug Vorsprung erlaufen können, ehe Varon wieder ein Pferd war und die Verfolgung abermals aufnehmen konnte. Und wenn ich nicht wusste, wohin ich überhaupt musste, war ein zielloses Weglaufen sinnlos, solange er direkt hinter mir war. Schritte.

Ich zögerte, versuchte den Moment noch etwas hinauszuschieben. „Senga", setzte Varon in einem Tonfall an, bei dem ich mich sofort anspannte. „Was tust du hier?"

Noch einmal holte ich tief Luft. Dann drehte ich mich um und zog so aussagekräftig wie möglich meine Augenbrauen hoch. „Wonach sieht es denn aus?" Dabei fixierte ich sein Gesicht und ignorierte die Tatsache, dass er nackt war, von der Tasche, die er strategisch günstig positioniert hatte, einmal abgesehen.

Varon seufzte. „Das habe ich befürchtet."

Einen Moment lang war es still zwischen uns. Dann wandte sich Varon ab und rupfte gedankenabwesend ein Blatt vom nächstgelegenen Strauch. „Was ich dir schon lange einmal sagen wollte: Es tut mir leid, weißt du? Ich habe einen Fehler gemacht. Ich denke, der ganze Schwarm hat einen Fehler gemacht."

Er klang genauso traurig wie ich mich fühlte. Doch ich fand keine Worte, um das Chaos, was ich empfand auch nur ansatzweise ausdrücken zu können. Stattdessen beobachtete ich Varon nur, wie er das Blatt zwischen seinen Fingern zerrieb und schwieg. „Aha", murmelte ich schließlich und sei es nur, um überhaupt irgendwas zu sagen.

Immerhin schien ihn das aus seinen Gedanken zu reißen, denn er ließ das Blatt fallen und sah mich wieder an. „Willst du gehen, Senga?", fragte Varon plötzlich leise. „Und uns hinter dir lassen? Willst du diesen Mann heiraten?"

Diesen Worte folgte eine endlose Leere in meinem Herzen. Wie vor den Kopf gestoßen starrte ich ihn an. „Aber-" Ich brachte kein Wort mehr heraus. Der Antrag. Er hatte es die ganze Zeit gewusst - und niemandem davon erzählt. Warum hatte er nichts gesagt?

„Und? Wie lautet deine Antwort? Willst du gehen?"

Unwillkürlich wich ich einen Schritt vor ihm zurück. „Ja", flüsterte ich und schüttelte gleichzeitig kaum merklich den Kopf. Dann straffte ich mich. „Das muss ein Ende haben, siehst du das nicht?", mit einer vagen Handbewegung deutete ich in die Richtung, aus der ich gekommen war. Irgendwo dort lauerte der Fluss. Irgendwo dort war Zac. Der plötzliche Gedanke an ihn, zog mir den Magen zusammen. Doch ich schob das Gefühl des Verrats entschlossen beiseite. „Ich glaube, dass ich es mit Trell beenden kann."

Der Flussmann schürzte die Lippen. „Es gibt sicherlich andere Möglichkeiten-"

„Aber zu welchem Preis, Varon?", fuhr ich ihm dazwischen. Langsam wurde ich unruhig. Immer wieder huschten meine Augen in den Wald hinter uns. Cana hatte mein Fehlen sicher schon bemerkt und die beiden anderen informiert. Wenn Zac mich fand, würde er mich sofort wieder ins Wasser schleifen - oder nicht? Aber ich wollte es nicht auf einen Versuch ankommen lassen. Mir lief die Zeit davon. „Egal, welche Seite. Egal, was der Schwarm oder Papa tut. Es wird nur schlimmer werden. Es muss enden. Jetzt."

Mit versteinerter Miene sah mir Varon ins Gesicht.

Dann nickte er.

„Nach Trautebach geht es da lang. Dort hält sich dein Vater auf." Er deutete in eine Richtung. „Lauf immer geradeaus. Dann kommst du auf eine Straße. Der folgst du nach Westen. Von da an, fragst du dich besser durch."

Ich nickte. „Danke."

Dann drehte ich mich um und rannte in die Richtung, in die er gezeigt hatte.


Ich rannte. So lange und so weit, wie ich konnte.

Ich hielt erst, als ich glaubte, meine Lungen müssten gleich explodieren und mein Herz zerspringen. Dann erst sah ich mich um. Doch da war niemand. Diesmal wirklich nicht. Stattdessen sah ich eine dicke Rauchsäule zwischen den Bäumen aufsteigen, genau aus der Richtung, aus der ich gelaufen war. Sie verbrannten das Öl.

Ob es schlimm war, dass ich nicht da war, um zu helfen? Hatte Varon wegen mir zu lange gebraucht, um dorthin zu kommen? Sollte ich vielleicht doch zurück gehen? Nein. Zurück war keine Option mehr. Mit trockenem Mund und brennenden Augen wandte ich mich ab und setzte meinen Weg fort.

Jetzt, wo ich nicht mehr Angst hatte, unmittelbar von einem Pferd überrannt zu werden, fiel es mir erstaunlich leicht - trotz der Tatsache, dass meine zerschundenen Füße brannten. Früher hatten mich selbst kurze Strecken schnell außer Atem gebracht, doch nun trabte ich schon länger problemlos durch den Wald. Riccos Training war nicht umsonst gewesen. Diese Überlegung zog meine Gedanken wieder zurück zum Schwarm. Kämpften sie noch? Gab es viele Verwundete? Wie ging es wohl Ering? Warum hatte ich nicht Varon nach ihnen gefragt? Jede einzelne Frage bohrte sich in meinen Verstand, zusammen mit dem bitteren Gefühl, sie alle zu verraten. Aber war es wirklich Verrat, wenn die Kämpfe dadurch endeten? Nein. Also lief ich weiter bis ich endlich an der Straße stand, die mir Varon beschrieben hatte. Nach Westen hatte er gesagt. Einen Moment lang zögerte ich. Vielleicht hatte er mich angelogen? Aber warum sollte er das tun? Gut, mir fielen einige Gründe ein, warum er das tun sollte. Trotzdem entschied ich mich dafür, ihm zu vertrauen und trabte weiter nach Westen.


Es dauerte noch eine ganze Weile, ehe ich tatsächlich wieder vor der Tür des Gasthofes stand, in dem ich Papa das letzte Mal gesehen hatte. Eigentlich war es gar nicht so lange her. Es kam mir vor wie eine Ewigkeit.

Kurz dachte ich an das Desaster unseres letzten Gespräches und war versucht, einfach wieder davon zu laufen. Zurück ins Wasser, zurück zum Schwarm. Aber das hier war meine Chance hier wegzukommen. Die vielleicht einzige Chance, das alles zu beenden. Also holte ich tief Luft und trat ein.

Es war keiner da.

Irritiert sah ich mich in dem großen Schankraum um. Doch wie beim letzten Mal war er absolut leer. Wovon lebte dieser Wirt eigentlich? Unsicher ging ich an den leeren Tischen und Stühlen vorbei zur Treppe. Hinauf in den ersten Stock, wo Papa mich das letzte Mal mit hingenommen hatte. Doch auch als ich an diese Tür klopfte, antwortete mir nur die Stille. Und nun?

Im ersten Moment wollte ich in den Schankraum zurückgehen. Aber was, wenn der Wirt mich wirklich vor die Tür setzte, ehe Papa zurückkam? Plötzlich musste ich an den Fuhrmann denken, der mich hierher mitgenommen hatte und wie abfällig er mich gemustert hatte, als er mich anhand meiner Kleidung als Flussbraut erkannt hatte. Unsicher stoppte ich. Dann ging ich zurück zu Papas Tür und setzte mich davor auf den Boden. Hier würde sicher keiner nachsehen.

Noch während ich mich mit dem Rücken an die Tür lehnte, spürte ich einen kühlen Luftzug an meiner Flanke, dort, wo der enganliegende Schwimmanzug großzügige Löcher für die Kiemen ließ, die sonst da waren. Ganz spontan wünschte ich mir normalere Kleidung. Und ein warmes Bad - in einer Badewanne.

Ich wartete weiter, rieb mir die schmerzenden Füße - zumindest da, wo meine Haut keine kleineren Schnitte davongetragen hatte. Was sollte ich eigentlich tun, wenn niemand kam? Wieder dachte ich an die feindseligen Blicke der Menschen. Doch bisher hatte Papas Name mir den Rücken frei gehalten. Was hatte er nur getan, um dermaßen bekannt zu werden?

Noch immer wartete ich. Aber ich wurde zunehmend müder. Irgendwann verschränkte ich die Arme auf meinen Knien und legte meinen Kopf darauf ab. Der Tag schien mir mit einem Mal unendlich lang und ich wünschte mir, dass er endlich vorbei wäre. Müde schloss ich die Augen. Nur einen Moment. Nur ganz kurz ...


Das Nächste, was ich wahrnahm waren schwere Schritte auf der Treppe und ein Gewirr an Stimmen, das nur langsam durch meine trägen Gedanken sickerte.

„Um wie viel sagtest du, verspätet sich die Lieferung?"

Ich seufzte leise und rieb mir den Schlaf aus den Augen. Doch die Erschöpfung blieb.

„Fünf Tage. Sie hatten mehr Schwierigkeiten als gedacht, alles fertig zu kriegen. Und das Wetter war auch nicht ideal."

„Markus, bitte. Denk noch einmal darüber nach. Ist das wirklich notwendig?"

Hannahs drängende Tonlage riss mich vollends aus meinem erschöpften Halbschlaf. Langsam setzte ich mich auf und spürte dabei jeden einzelnen Muskel in meinem Körper. Doch das Ziehen verblasste, als ich die drei Gestalten von Papa, Hannah und Trell auf dem obersten Treppenabsatz sah. Wahrscheinlich hatten sich ihre Augen noch nicht an das dämmrige Zwielicht des Korridors gewöhnt. Jedenfalls schien keiner der drei mich bisher zu bemerken.

„Hannah. Wir haben es auf deine Weise versucht. Und es hat nichts gebracht. Ich hab es schon viel zu lange heraus gezögert. Wenn es fertig ist, werde ich nicht mehr warten."

„Aber-"

„Wenn was fertig ist, Papa?"

Meine leisen Worte zerschnitten das Gespräch und hinterließen nur bleierne Schweigen, als alle drei mich plötzlich anstarrten, als hätten sie einen Geist gesehen. Ich konnte es ihnen nicht einmal verübeln. Ich fühlte mich wie einer.

„Guten Abend, Senga", durchbrach Trells gefasste Stimme als erstes die Stille und ich zuckte zusammen, konnte seine forschenden Augen, die meine Aufmerksamkeit suchten, nicht standhalten und sah wieder weg.

„Senga", hauchte Papa ungläubig. „Was? Wie?"

Seine Fragen brachten die Ereignisse der letzten Stunden zurück. Am liebsten hätte ich mir die Ohren zugehalten. Wie hatte es soweit kommen können? Überfordert schüttelte ich den Kopf. „Es ist schwer zu erklären." War es wirklich so schwer? Verwirrt versuchte ich alle Überlegungen, alle Zweifel, alle Gedanken auf das Wesentlichste zu reduzieren: „Aber ich bin jetzt hier. Und ich möchte nach Hause. Bitte."

Vielleicht würde es besser werden, wenn ich die Flusslande hinter mir lassen konnte. Vielleicht würde das Gefühl, meine Familie verraten zu haben, dann verschwinden.

„Heißt das, du ziehst mein Angebot in Erwägung?", Trells Stimme klang fast schon zaghaft, als er die letzten Schritte zwischen uns überbrückte und vor mir auf die Knie ging, während ich noch immer völlig erschöpft an dieser kalten Tür lehnte.

Jetzt, wo wir auf einer Höhe waren, hatte ich keine Chance mehr, seinen forschenden Augen zu entkommen. Und ich war auch zu schwach, meine Hände wegzuziehen, als er sie vorsichtig in die seinen nahm und sich sein Blick mit dem sanften Leuchten einer frisch geschmiedeten, glühende Stahlklinge in den meinen bohrte. „Heißt das, du willst mich heiraten?"

Ich schluckte. ‚Wollen' erschien mir nicht ganz der richtige Begriff. Und trotzdem hatte ich nur eine Wahl: „Ja, Trell. Ich werde dich heiraten."




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