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„Ich werde nicht weinen. Das macht mich schwach. Hör auf, verdammt."
Meine Beine eng an mich gezogen, sass ich da und widerholte das Mantra immer und immer wieder. Es war nicht das erste Mal, dass ich diese Worte flüsterte. In Fakt, tat ich das schon mein ganzes klägliches Leben lang. Zumeist allerdings in den vergangenen Monaten. Mehrmals am Tag, in dem ebenso kläglichen Versuch, meine verräterische menschliche Schwäche niederzuringen. Bislang ohne Erfolg. Und dennoch hatten diese Worte eine merkwürdig beruhigende Wirkung auf mich. Als würden Sie mich tatsächlich vor meinem reizgesteuerten menschlichen Körper beschützen, wenn ich sie nur oft genug in die Luft warf. Als würden sie dann ein Netz aus Worten über meinem Kopf spinnen, aus denen die darin versteckte Hoffnung herausquoll und das Netz wie ein Schleier über mich legte. Ein Schleier, der mich vor der beschissenen Welt da draussen beschützte. Aber wie gesagt, es waren nur Worte. Und da ich ein Mensch bin, waren sie nicht sehr stark und somit auch nicht gefährlich. Aber sie schafften es, mich ein wenig zu beruhigen.
Es hämmerte an der Türe und ich bemerkte erst jetzt, dass ich noch immer auf dem viel zu weichen Bett aus Schwanen-Federn sass und wie in Trance diese Worte vor mich hin murmelte. Hätte mich jemand gesehen, hätte mich dieser jemand sicherlich für verrückt erklärt. Ich hob den Kopf etwas an und blickte zwischen dem dichten Schleier meiner Haare unruhig im Raum hin und her. Hier konnte ich mir nie sicher sein, wer vielleicht zuhörte. Misstrauisch kniff ich die Augen zusammen und sog langsam die Luft ein. Dabei liess ich meinen Mund leicht offen stehen, sodass ich die Düfte, die eventuell in der Luft lagen, am besten ausmachen konnte. Das hatte ich mir von ihnen abgeschaut. Mit meinen menschlichen Sinnen erreichte ich jedoch nichts. Alles was ich roch war mein eigener Schweiss und meine Angst. Und wenn ich das schon riechen konnte, würden sie das sicherlich auch können. Wieder hämmerte es von aussen an der riesigen Türe aus dunkelm Holz. Was es für ein Holz war, wusste ich nicht. Keine Ahnung, ob die Natur hier dieselbe war wie in meiner Welt...ich spürte meinen Bauch rumoren und mir wurde übel. Allein, es auszusprechen, klang irrsinnig und verrückt. Verrückt, so hatte ich mich in den ersten Nächten hier auch bezeichnet. Bis ich hatte einsehen müssen, dass alles real war und gleichzeitig der schlimmste Albtraum überhaupt. „Menschling, öffne die Türe, nach dir wird verlangt!"
Anhand der kratzigen, fast schon krächzenden dünnen Stimme wusste ich sofort, dass es Irma war. Eine der Angestellten in diesem Haus. Falls es hier solche Dinge wie Arbeitnehmer und Arbeitgeber gab. Musste es wohl, wieso sie sonst hier für dieses Monster arbeitete, wäre mir unerklärlich.
„Menschling! Dein anderes ich ist bereits unten. Du verärgerst ihn, wenn du dich nicht eilst."
Mein Blick schoss hoch und sofort sprang ich auf. Meine nackten Füsse trafen auf den steinernen, eiskalten Boden und ich zuckte leicht zusammen.
„Alaya", flüsterte ich und eilte zur Tür. Ich mochte zwar Angst haben vor dem, was mich dahinter erwartete, aber niemals hätte ich meine Schwester in diesem Grauen alleine gelassen. Zusammen würden wir alles überleben. Das hatten wir uns im Dunkeln geschworen, als wir gegen unseren Willen hierher verschleppt worden waren. Unachtsam schlüpfte ich in die unglaublich weichen und mit allerhand blau schimmernden Perlen bestickten Pantoffeln. Dann griff ich nach den goldenen Klinken der Türe und zog sie mit aller Kraft auf. Sie war schwer, also ging sie nur einen Spalt auf. Das Biest dahinter machte einen genervten Laut, der an einen resignierten Seufzer erinnerte und schob dann mit einer Hand die schwere Türe auf, als wäre es nichts. Ich schnaubte und blickte von der Türe, die fast doppelt so gross war wie ich, zu dem kleinen Wesen, das mir geradeso bis zur Brust reichte. Dünne Ärmchen, bezogen mit einer festen, undurchdringbaren grünen Haut. Undurchdringlich, wie ich es selbst hatte feststellen müssen. Die Gabel, die ich versucht hatte, Irma in die Hand zu jagen, war in tausend Stücke zersprungen und hatte nicht einen Kratzer hinterlassen. Die Hand des Monsters daraufhin in meinem Gesicht hatte mir hingegen das Bewusstsein geraubt.
„Komm, eile dich, Menschling. Hoher Besuch ist angekündigt."
Wüsste ich es nicht besser, hätte ich gedacht, dass sie in einer freudigen Nervosität schwelgte. Aber sie empfand nicht auf dieselbe Weise, wie wir Menschen es taten. Das hatte sie mir klar gemacht, als ich sie in der ersten Nacht hier angebettelt hatte, mich und meine Schwester gehen zu lassen. Sie hatte mich ausgelacht und mir gesagt, dass sie meine ebärmliche Angst riechen können und dass dies ein Zeichen meiner Schwäche wäre. Schwäche, für die ich ohne weiteres getötet werden könnte. Und dass sie mir den gut gemeinten Rat mitgab, mit all diesen Empfindungen schnellstens aufzuhören, wenn ich hier überleben wollte. Von da an hatte ich nicht mehr gebettelt. Das war jetzt fünf Monate her. Ich starrte sie nur feindselig an und gab mein Bestes, die stets aufkommende Angst in mir mit Wut zu bedecken. Besser sie rochen meine Wut, als meine Angst. Denn das schienen sie akzeptieren zu können.
Ich starrte in die schwarzen Augen des Goblins, die keinerlei Weiss enthielten. Es waren zwei schwarze, glänzende Löcher inmitten ihres unebenen Gesichts, aus welchem eine viel zu lange grüne und dünne Nase hervorragte. Schmale Lippen verzogen sich zu einem grinsen und entblössten schmale, nadelartige Zähne. Sie schnüffelte einmal in der Luft und machte dann eine ruckartige Bewegung mit ihrem überproportional grossen Kopf. „Na los, beweg dich."
Ich setzte mich zögerlich in Bewegung, das schwere Kleid zog an meinen Gliedern wie ein Sack voller Steine. Es war ein wunderschönes Kleid, hellblau, so weich dass meine Finger nicht davon ablassen konnten und bestickt mit weissen Diamanten und noch viel mehr bläulich schimmernden Perlen an Kragen und an den langen Ärmeln. Die Unterröcke aus Tüll, oder was auch immer das aufgeplusterte, weisse Material war, hielten den samtenen Stoff an Ort und Stelle, sodass ich aussah wie eine dieser Disney-Prinzessinnen. Ich mochte mich noch gut daran erinnern, wie Alaya und ich noch vor nicht einmal zehn Jahren gemeinsam Cinderella geschaut hatten und uns auch solche wunderschönen Kleider gwünscht hatten. Niemals hätten wir gedacht, dass dieser Wunsch tatsächlich wahr wurde. Und zwar auf die schlimmst-mögliche Weise. Ich zwang mich in dem klobigen Kleid die breite Treppe aus Marmor hinunter, auf der ein feiner, silberner Teppich ausgelegt war, der meine Schritte schluckte. Irma hastete vor mir die Treppe hinunter, ihr braunes, schmutziges Gewand, welches sie jeden Tag zu tragen schien, bedeckte ihre drahtigen Arme bis zu den Ellbogen und ihre ebenso dünnen, schlaksigen Beine bis zu den Knien. Ansonsten trug sie nichts. Ihre langen Zehen-Nägel schliffen laut über den Boden, bei jedem Schritt.
„Verzeiht, Master, sie ist nun hier."
Krächzte sie und neigte tief den Kopf vor dem Monster, welches meine Schwester an einem Arm gepackt hatte. Wut wallte ihn mir auf. Wut und Frustration, dass ich ihn nicht davon abhalten konnte, ihr weh zu tun.
Alaya stand neben ihm, ihr wunderschönes Gesicht tränenüberströmt, ihre langen blonden Haare kunstvoll zu einer Frisur hochgesteckt, befestigt mit rosa Kristallen und goldenen Nadeln.
Sie trug ein ähnliches Kleid wie ich, ihres war jedoch in einander übergehende Flieder- und Rosa-Töne getaucht. Sie sah wunderschön aus. Sie war auch der Grund, wieso uns Azaar aus der menschlichen Welt geraubr hatte. Azaar, der Schlächter, so wurde er hier respektvoll genannt. Einer der treusten Diener des Königs. So viel hatte ich mir unterdessen zusammen reimen können. Auch wenn ich noch nicht einmal draussen gewesen war, so hatte ich doch versucht, mir auf meine Art ein Bild dieser Welt zu machen. Ich hatte das Einzige, was nicht vor mir versteckt wurde, zu meinen Gunsten zu nutzen versucht. Bücher. Die standen hier überall herum. Die meisten konnte ich nicht lesen, da sie in einer mir unverständlichen Sprache geschrieben waren. Aber es gab einige in meiner Sprache, die ich regelrecht verschlungen hatte. Geschichtsbücher, Aufzeichnungen der Feldmarschalle der letzten Könige und sogar einige Etiketten, die es zu beachten gab.
Der Ork, der meine Schwester unsaft in seinem Griff hielt, drehte den enormen Kopf in meine Richtung. Er überragte uns beide. Er musste über zwei Meter gross sein. Sein brauner Bart verdeckte nicht die langen Fangzähne, die über sein Kinn hinaus ragten und der kahlt geschorene Kopf gab die Sicht frei auf leicht angespitzte Ohren. Seine lederne Haut war weiss, was die schwarzen Knopfaugen nur noch unheimlicher erscheinen liessen. Er schnaubte einmal, was wohl so etwas wie eine Rüge für mein Zuspätkommen sein sollte und ich beeilte mich, den Platz an der Seite meiner Schwester einzunehmen.
Ich drückte einmal schnell ihre Hand um ihr zu versichern, dass ich da war, auch wenn das wohl kein all zu grosser Trost war.
Dann richtete ich meinen Blick auf die zwei Besucher, für die Azaar uns gezwungen hatte, herausgeputzt in der riesigen Empfangshalle anzutanzen. Es waren zwei Männer. Und es waren beide grauenhaft schön. Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen und an der Art, wir Alayas verweinte, geröteten Augen die zwei anstarrten, musste sie wohl denselben Eindruck haben wie ich.
Die beiden Männer waren wirklich umwerfend schön. Der eine hatte schwarze, kurz geschorene Haare und ein ebenes, spitzes Gesicht mit einer ebenso spitzen Nase. Wache, blaue Augen huschten über meine Schwester und mich, als müsste er uns einschätzen. Der andere hatte braune und leicht gelockte Haare, die er sich jedoch zurück gekämmt hatte. Er war grösser als der erste und hatte Augen, die mich an Bernstein erinnerte, wenn die Sonne hinein schien. Er hatte dieselben Spitzigen Ohren wie der andere. Aber es ging eine unglaubliche Kälte und Arroganz von ihm aus. Irgendetwas an ihm jagte mir einen Schauer über die Haut. Sein Blick zuckte zu mir und ich wusste, dass er das riechen konnte. Meine Angst. Meine verräterischen Gefühle. Ich hob den Kopf etwas an um damit mein jämmerlich rasendes Herz in den Hintergrund zu drängen. Hier reagierte man auf Stärke und sonst nichts. Also gab ich ihnen Stärke. Genüg für Alaya und mich, der immer wieder leise Schluchzer entwichen.
„Verzeiht, Sir Azaar, mein Bruder scheint sich zu verspäten. Schon wieder."
Meinte der kalte Mann mit einem genervten Seitenblick zu seinem Compagnion, den ich in meinem Kopf kurzerhand auf den Spitznamen Wiesel taufte. Auch wenn er viel zu schön für solch ein kleines und ängstliches Tier war. Es war der einzige Vergleich, der mir einfiel. Und ich musste meinen Kopf beschäftigt halten, um mich nicht stattdessen auf meine Gefühle zu konzentrieren.
Azaar, heute in einer eleganten, grünen Tunika gekleidet, die seine groben und plumpen Extremitäten jedoch nicht verbergen konnte, neigte den Kopf respektvoll. „Das bereitet mir keinerlei Mühe, mein Prinz."
Ich verzog angeekelt das Gesicht und strich mit meinem Daumen beruhigend über die Hand meiner Schwester, die am ganzen Körper zitterte.
Ein Prinz also, das musste der hohe Besuch sein, von dem Irma gesprochen hatte. Wo war der Goblin eigentlich? Als ich mich umsah, war sie weg. Stattdessen wurde von zwei Wachen die fette, weisse Eingangstüre aufgeschoben und ein kalter Windstoss fegte über mein entblösstes Dekollete.
„Na endlich," stellte der Prinz genervt fest. Ich hörte Schritte, die sich selbstbewusst und gleichmässig näherten. Ich konnte die Umrisse eines dritten Mannes erkennen, er war genau wie die beiden anderen in eine Art Reitleder gekleidet, welches sich an seine Figur schmiegte. Eine tolle Figur. Genau wie die der beiden anderen. Das Wiesel war der dünnste der dreien, der Prinz der breiteste und der Mann, der nun vor uns Halt machte und die Kapuze hochhob, war der objektiv schönste. Ich hielt die Luft an und konnte nicht anders, als ihn anzustarren. Genauso wie Alaya auch. Er war ganz klar der Bruder des Sonnen-Prinzen. Er hatte dieselben Augen, dieselben, dunkelbraunen Haaren, die ihm gelockt in die Stirn hingen. Und dieselben hohen Wangenknochen. Dieselbe gebräunte Haut. Aber seine Augen... sie wirkten viel lebendiger und frecher als die seines Bruders. Er hatte eine übermenschliche, reine Schönheit an sich, die mich schon fast anekelte. Wie konnte jemand so schön und makellos sein? Bisher hatte das in meinen Augen immer nur Alaya geschafft, deren Schönheit ihr schon einige Jungen-Herzen geschenkt hatte.
„Verzeiht, ich kam so schnell ich konnte. Ich steckte fest."
Das Wiesel warf ihm einen vielsagenden Blick zu.
„Zwischen den Beinen eines Weibes?"
„Halt die Klappe, Killian."
Kam es von dem Prinzen mit der eiskalten Ausstrahlung. Der Neuankömmling zwinkerte nur vielsagend. Er schien weder mich noch meine Schwester wirklich wahrzunehmen. Ich wandte den Blick von ihm ab, als der Prinz wieder zu sprechen begann.
„Also, welche ist die Ältere?"
Fragte der Mann mit den Sonnen-Augen und ich konnte an seiner Stimme erkennen, dass er es gewohnt war, auf jede seiner Fragen Antwort zu erhalten.
„Alaya, mein Prinz. Sie ist die Ältere."
Azaar wies auf meine schniefende Schwester, die einen Schritt zurück machen wollte, von ihm jedoch unsanft wieder nach vorne gezogen wurde. Ich zischte und ballte die Hände zu Fäusten. Wie er sie behandelte...ich wollte ihm so gerne seine langen, gelben Fangzähne rausreissen.
Ich bemerkte den aufmerksamen Blick des zuletzt Eingetroffenen auf mir und begegnete ihm, nur für eine Sekunde. Es lag so viel Kraft darin, dass ich ihn jedoch nicht zu halten vermochte und meine Augen wieder abwandte.
„Sie ist auch die schönere, Melowin."
Meinte Killian grinsend und ich regte mich nicht. Ich war nicht eifersüchtig auf meine Schwester. Wir waren beide Hübsch, gesegnet mit einer schmalen Nase, rosigen Wangen, langen Beinen und vollen Brüsten. Aber sie war grösser als ich. Ihr Haar goldener, ihre Augen von einem tiefen Blau. Mein Haar war zwar Blond, jedoch lag ein dunkler Schimmer darin, der die reine Farbe verunreinigte. Meine Augen waren eine unentschlossene Mischung aus Braun, Grün und blau, nirgendwo wirklich zugehörig.
„Kein Grund, so unhöflich zu sein, Killian. Wir befinden uns in Gegenwart von Damen, hast du deinen Anstand vergessen?"
Es war klar, dass sich der Neuankömmling über das Wiesel lustig machte, dieser schien jedoch keine grossen Probleme damit zu haben. Sie mussten wohl befreundet sein. Er zwinkerte meiner Schwester zu.
„Dorian, du weisst, wieso ich dich hierher mitgenommen habe. Also flirte nicht mit dem was mir gehört."
Ermahnte ihn Elowin und der angesprochene zuckte die Schultern und wandte seinen Blick wieder mir zu.
„Klar, Bruder. Wie könnte ich das vergessen. Du hast sie jetzt doch gesehen. Sie hat breite Hüften, das soll laut Jasin gebärfreudig sein. Da hast du es. Beeil dich, ich verhungere."
Ich starrte ihn ungläubig an, meine Augen genauso geweitet wie die von Alaya. Während meine Schwester überrascht zu sein schien, war es bei mir viel eher die ernüchternde Erkenntnis, dass mich Azaar nicht angelogen hatte, als er mir ein einziges Mal eine Frage beantwortet hatte.
„Um zu gebären." Hatte er gesagt, als ich ihn fragte, wieso er uns aus der Menschenwelt gerissen hatte. Ich dachte er hätte sich erlaubt, zu scherzen, aber ich glaubte nicht, dass er dieses Wort überhaupt kannte. Irma hatte mir dann, im Tausch gegen meine Ohrringe erklärt, dass es nicht unüblich war, dass Elfen Frauen aus der Menschenwelt entführten, um mit ihnen Kinder zu zeugen. Denn Elfen hätten oftmals Probleme damit, Kinder zu bekommen. Ich hatte nur laut gelacht, gelacht um diesen irrsinnigen Worten weniger Gewicht zu geben.
Aber jetzt wusste ich, dass sie alle wahr waren. Verdammte Scheisse, diese drei Männer waren Elfen. Nur sahen sie nicht so aus. Elfen waren kleine Wesen mit Schmetterlingsflügeln, wie in Peter Pan, die mit Staub die Blumen zum blühen bringen konnten. Niemals sahen sie...so aus. Das Einzige, was übereinstimmte, waren die spitzen Ohren. Ich schluckte und mein Hirn begann krampfhaft zu rattern. Wenn das also wahr war, hatte Azaar uns für Elowin aus der Menschenwelt geraubt. Vielleicht sogar in seinem Auftrag? Oder aber wir waren einfach seine Handelsware und das hier war sein tägliches Geschäft. Ich wusste es nicht.
„Sie sind beide hübsch. Sie sehen gesund aus."
Elowin blickte zu seinem Bruder und wies vielsagend auf mich. Dieser zuckte nur die Schultern.
„Davon könnt Ihr ausgehen, mein Prinz. Ich habe sichergestellt, dass beide vollkommen frei von Krankheit sind. Und unberührt."
Ich konnte die beschämende Hitze, die mir in die Wangen stieg, nicht unterdrücken. Wieder spürte ich Dorians stechenden Blick auf mir.
„Das ist gut."
Meinte Elowin und begann, um Alaya und mich herum zu schreiten, als wären wir Pferde auf einer Auktion. Meine Scham wich tosender Wut.
Ich grub mir die Nägel tief in die Handflächen und zwang mich, zu atmen.
Azaar hatte dem Prinzen Platz gemacht und zischte nun mit grollender, tiefer Stimme:
„Verbeugt euch vor eurem Prinzen, wie ihr es gelernt habt!"
Alaya zuckte zusammen und sank sofort in einen perfekt eingeübten und ausserordentlich eleganten Knicks, der so tief war, dass Elowin ihr direkt in den Ausschnitt gucken konnte. Ich verzog die Lippen verächtlich. Schwein, dachte ich mir.
Zufrieden wandte der Prinz die Augen von meiner Schwester ab und sah nun mich an. Abwartend. Ich hob das Kinn etwas höher und weigerte mich, auch nur meinen kleinen Finger für ihn zu regen. Alayas Finger klopften nervös auf meine Handrückseite, als wolle sie mich anflehen, Azaar zu gehorchen. Keine Chance. Das einzig gute an meinen Menschlichen Gefühlen war der Trotz und meine Sturheit. Diese hatte ich nicht verloren. Auch nicht nach den vereinzelten, harten Schlägen von Azaar. Elowin kniff verärgert die Augen zusammen und hinter ihm legte Dorian den Kopf schief.
„Wie heisst ihr?"
Fragte er dann.
„Alaya, eure Hoheit...ich meine Majestät. Und das ist Zenya, meine jüngere Schwester", beeilte sie sich zu antworten. Ich schwieg und starrte den Prinzen genauso stur an wie er mich.
„Will sie nicht reden oder hast du ihr die Zunge rausgeschnitten, Azaar?"
Der Prinz wandte seinen missbilligenden Blick nicht von mir ab, ich konnte jedoch mit Genugtuung die Worte von Azaar hören, als er antwortete: „Sie hat sogar eine sehr scharfe Zunge, mein Prinz. Sie ist jedoch etwas...schwerer zu bändigen. Ich brauche bei ihr noch etwas Zeit."
Melowin nickte als würde er bestens verstehen und zuckte dann die Schultern.
„Ich bin zufrieden, mit deiner Präsentation, Azaar. Jasin hat dich empfohlen und du hast mich nicht enttäuscht. Ich nehme sie, wie abgemacht."
Er nickte in die Richtung meiner Schwester.
Alayas Tränen begannen wieder in Strömen ihre Wangen hinunter zu rinnen und ich konnte ein wütendes Knurren nicht unterdrücken.
„Natürlich, mein Prinz. Ich bin glücklich, dienen zu können."
Der riesige Ork deutete eine plumpe Verbeugung an, die Melowin gnädig abwinkte.
„Bring sie mir in drei Tagen. Ihre Kleider sollen mitgeliefert werden. Bis neue angefertigt werden, könnte es einige Zeit dauern. Und ich will nicht, dass meine Konkubine nicht zu jeder Zeit strahlend schön aussieht."
Er gab Alaya ein nicht ganz so unfreundliches Nicken und drehte sich dann zum Gehen um.
„Zenya, hilf mir."
Panisch drehte sich meine Schwester zu mir und ab der Angst in ihren Augen drehte sich mir fast der Magen um. Es war nicht das erste Mal, dass sich meine Schwester an mich wandte. Ich half ihr gerne und ich war gut darin, ihre Probleme aus dem Weg zu räumen. Aber ich wusste nicht, was ich jetzt tun konnte. Ich hatte nicht mal ein Buttermesser, das ich für einen Angriff nutzen konnte. Und ich kannte mich mit den Bräuchen hier nicht aus.
Ich war ratlos und hilflos.
Aber ich weigerte mich, diese Gefühle anzuerkennen. Ich fühlte sie nicht. Ich wollte sie nicht fühlen. Also straffte ich meine Schultern und stellte mich vor meine Schwester.
„Nein!"
Stiess ich hervor und Melowin drehte sich langsam und sichtlich erstaunt zu mir um.
„Nein?"
„Ein Wort, das Ihr wohl nicht all zu oft hört. Es bedeutet, dass Ihr keinen Anspruch auf sie habt! Sie ist eine freie Frau und wird nicht mit euch kommen, Prinz."
Ich stellte sicher, dass ich „Prinz" so verächtlich wie möglich ausspuckte.
„Eine scharfe Zunge in der Tat", merkte Dorian amüsiert von der Seite aus an. Er stand noch immer neben Killian, dem Wiesel. Sie alle schienen von meinem Auftritt nicht all zu beeindruckt zu sein.
Azaar machte einen grossen, schweren Schritt auf mich zu und erwischte mich mit voller Wucht. Ich wurde zurück geschleudert und knallte rücklings auf den Boden. In meinem Kopf klingelte es und meine Sicht verschwamm. Beissender Schmerz durchzog meine Wange und ich konnte irgendwo im Nebel um mich herum meine Schwester aufschreien hören.
Als keine weiteren Hiebe folgten, hob ich benommen den Kopf. Dorian stand nicht mehr neben Killian, sondern nun vor dem bulligen Ork und schien irgendwas mit ihm zu besprechen. Meine Aufmerksamkeit wurde wieder auf meine Schwester gelenkt, die sich vor Elowin auf den Boden geworfen hatte. Bettelnd, weinend. „Ich bitte euch inständig, mein Prinz, bitte trennt mich nicht von meinet Schwester. Sie ist alles, was mir lieb und teuer ist. Ich flehe euch an, lasst sie mit mir kommen."
Ich rappelte mich langsam auf und kam schwankend auf die Beine. Den metallischen Geschmack auf meiner Zunge ignorierte ich.
Benommen stand ich da und dann tauchte Dorian in meinem Sichtfeld auf. Ich musste den Kopf etwas anheben, um ihm in die bernsteinfarbenen Augen sehen zu können. Sein Blick hing an meiner bestimmt knallroten Wange und er schüttelte langsam den Kopf. Eine ruhige, eisige Stille ging auf einmal von ihm aus und die Sonne schien aus seinen Augen zu weichen. Ich blinzelte und schon war der Ausdruck verschwunden. Er wandte sich ohne ein Wort von mir ab und schlenderte an Alaya vorbei zu dem Wiesel, welcher ihn mit fragender Miene anstarrte. Dorian zuckte nur die Schultern.
Elowin seufzte.
Dann deutete er genervt mit einer Hand auf mich.
„Dorian?"
Dieser hob abwehrend die Hände.
„Ich schlafe nicht mit menschlichen Frauen, Bruder. Das habe ich doch bereits klar gemacht. Ganz egal was abgemacht ist."
Die Scham, abgewiesen zu werden, traf mich mit voller Wucht. Und das, obwohl ich doch eigentlich froh war. Menschliche Gefühle...so unzuverlässig, hatte Azaar geschnaubt, als Alaya und ich weinend auf dem Marmorboden nur wenige Meter von hier gekauert hatten, im Unwissen wo wir waren und wieso wir hier waren.
„Na gut. Dann werde ich deine Schwester als Dienstmädchen ebenfalls im Palast willkommen heissen. Nehme das als mein Geschenk an dich für all deine kommenden Dienste."
Alayas Erleichtertung war sichtbar und sie blieb demütig auf dem Boden liegen.
„Ich danke euch, mein Prinz. Ich werde alles tun, was Ihr verlangt."
Elowin wirkte zufrieden mit ihrer Antwort. Auch wenn die Arroganz klar aus seiner eigenen Antwort herausstach: „Ja, das wirst du."
Dann wandten sich die drei Elfen ab und verliessen die grosse Empfangshalle.

Am Abend hatte sich Alaya zu mir geschlichen und sich in mein grosses, weiches Bett gekuschelt, sodass wir wie früher zusammen dalagen, gewärmt von der anderen. Im Wissen, immerhin nicht alleine zu sein.
„Wieso hast du zugestimmt?"
Flüsterte ich leise und quequält und sie verschränkte ihre langen Finger mit meinen.
„Weil es nicht meine Entscheidung war. Es war doch schon klar, dass ich da nichts mitzureden hatte. Alles was ich tun konnte, war dich mit mir zu nehmen."
Ich schüttelte langsam den Kopf.
„Sieh mich an, Zenya. Wir überleben das, das hast du mir versprochen. Du wirst dein Versprechen doch nicht etwa brechen?"
Ihre warmen, wässrig blauen Augen suchten in den meinen verzweifelt nach einer Absicherung. Ich schluckte.
„Nein. Werde ich nicht. Aber du wirst seine Konkubine. Weisst du was das ist?"
Alaya's Unterlippe begann zu zittern.
„Ja. Das hatte ich im Geschichtsunterricht. Die Geliebte eines Herrschers. In diesem Fall eines Prinzen."
Ich spuckte die Wörter förmlich aus.
„Nicht nur das...er wird dich zwingen, mit ihm zu schlafen und seine Brut auszutragen. Das habe ich gelesen. So sorgen die Elfen für genügend königlichen Nachwuchs."
Allein beim Gedanken daran schüttelte es mich.
Ich spürte ihre Tränen auf meiner Wange, als ich meine Stirn an ihre legte.
„Es tut mir leid. Das hätte ich nicht sagen sollen. Es ist nur so..."
„Schlimm. Aber es ist auch eine Chance."
Ich traf ihren entschlossenen Blick.
„Was?"
„Wir werden nicht mehr Tag und Nacht hier drinnen festgehalten, Zenya. Wir haben die Chance, von dort zu entkommen. Ich werde mitspielen und du, du wirst einen Weg finden, uns zurück in unsere Welt zu bringen. Das wirst du doch, oder?"
Manchmal vergass ich, wie intelligent meine Schwester war. Sie war ruhiger, bedachter als ich, aber sie war schlau. Und mutig. Mutig genug, einen unglaublich hohen Preis dafür zu zahlen, dass wir irgendwie wieder nach Hause gelangten.
Also nickte ich.
„Das werde ich. Man sagt doch, dass die Bediensteten alles hören."
Sie lächelte schwach.
„Das hast du aus einem Film."
Ich nickte abermals, jegliches versuchte Lächeln scheiterte. „Ich hoffe, der Film behält recht."

Die nächsten zwei Tage waren hektisch. Während Irma und zwei weitere Goblins damit beschäftigt waren, alle von den prächtigen Kleidern von Alaya in grosse, schwere Truhen zu packen, die Azaar in den letzten fünf Monaten hatte erstellen lassen, bekam ich keine Truhe.
„Deine Kleider bleiben hier, für die nächsten Mädchen. Du wirst sie als Dienstmagd nicht mehr benötigen", hatte Azaar gesagt und somit meine Theorie bestätigt, dass er hauptberuflich im Menschenhandel tätig war. Ich hing nicht an diesen Kleidern. Aber ich wich nicht mehr eine Sekunde von der Seite meiner Schwester, die von einer weiblichen Elfen, genauso atemberaubend schön wie die drei männlichen Feen, unterrichtet wurde.
Sonja, hiess die schwarzhaarige Schönheit, die sich selbst als eine Konkubine des Königs vorgestellt hatte. Sie war gesandt worden, um Alaya auf ihre anstehenden Pflichten vorzubereiten. Eine Aussage, die mich zu einem ungläubigen Lachen veranlasst hatte. Das war doch alles blosser Irrsinn.
Dennoch hatte ich darauf bestanden, während Alayas Lektionen dabei zu sein. Sonja hatte zugestimmt, da es für mich immerhin lehrreich sein würde, wie ich mit dem Adel bei Hofe umzugehen hatte.
Bisher hatte Alaya gelernt zu lachen, elegant zu tanzen, angemessen zu essen und wie sie mit Männern umzugehen hatte, die nicht Prinz Elowin waren. Augen senken und schweigen. Dasselbe galt übrigens auch für mich. Ich als künftiges Dienstmädchen dürfte den Adel nicht ansehen und erst recht nicht sprechen, es sei denn, ich würde dazu aufgefordert. Es war alles unglaublich dumm und demütigend. Als ich einen Kommentar über die Gleichberechtigung der Frau gemurmelt hatte, hatte mich Sonja nur verständnislos angestarrt. Es erschien mir klar, dass es dieses Prinzip hier nicht gab. „Also sind alle Frauen entweder Ehefrauen oder Konkubinen?"
Fragte Alaya und ich meinte, so etwas wie Neugierde in ihrer Stimme zu hören. Ich musste mich natürlich irren. Sie baumelte mit den Beinen von der riesigen ledernen Couch, auf deren Lehne auch ich sass.
Sonja schüttelte lachend den Kopf. Sie lachte so schön, dass sie mich an Schneewittchen erinnerte, bei deren Gesang die Tiere des Waldes erwachten und mitsangen. Nur war das hier kein Märchen, sondern ein Albtraum.
„Natürlich nicht. Frauen können auch Beraterinnen, Kämpferinnen, Schmiede oder Schneiderinnen sein. Wir können alles sein, ausser das, wozu man geboren sein muss."
Ich verstand nicht ganz, sagte aber nichts weiter dazu. Diese Situation war schon surreal genug.
„Nun denn, kommen wir zu deiner Hauptaufgabe."
Sonja legte die gefalteten Hände anmutig auf ihren Schoss.
„Prinz Melowin wird dich in sein Bett bitten. Wann immer er das möchte. Und du wirst ja sagen. Und du wirst ihm geben, was immer er von dir verlangt."
Alayas Kopf war knallrot vor Scham, meiner vor Ärger.
„Dieses Konzept nennt sich Vergewaltigung! Sowas kann er nicht machen!"
Zischte ich und Sonja blickte mich gelassen an.
„Er ist der Prinz. Er kann machen was er möchte."
Ich hätte am liebsten alles hier drinnen klein und kaputt geschlagen. Monster, allesamt waren sie Monster. Und dieser Prinz würde monströse Sachen mit meiner Schwester anstellen.
„Du wirst mir monatlich Bericht über deinen Zustand erstatten. Ihr Menschen blutet jeden Monat, das ist viel häufiger als wir. Und du wirst dich bemühen, einen königlichen Erben zu empfangen. Und sollte es soweit kommen, wirst du nichts tun, um eine Schwangerschaft zu gefährden."
Ich sprang von der Couch auf und schlug eine metallene Statue vom schön verzierten Tisch nebenan. Klirrend landete sie auf dem Boden. Meine Schwester zuckte zusammen.
„Das ist doch bullshit!"
Schrie ich und Alaya senkte den Kopf.
Sonja stand in einer fliessenden Bewegung auf und sah nachdenklich auf mich hinunter.
„An deiner Stelle würde ich mich hüten. Am Hofe werden solche Wesen wie du nicht lange überleben."
„Wie ich?"
Herausfordernd erwiderte ich ihren Blick.
„Ja. Wesen ohne jegliche Kontrolle."

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