Kapitel 17

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Sie begann zielstrebig eine Treppe am Rande zu erklimmen. Die beiden Läufe endeten in Pferdeköpfen und die Stufen waren aus Marmor. Ich folgte ihr und die Professorin wies mit der Hand auf ein Regal im mittleren Stockwerk. „Hier befinden sich alle Bücher über Seyl. Das hier beschäftigt sich eingehend mit den Edelsteinen." Sie zog eines heraus und legte es auf die drei Folianten, die sie mir bereits im Archiv in die Hand gedrückt hatte. „Und dieses hier berichtet über die verschiedenen Götter. Aber daran wird sich wohl wenig geändert haben. Damit können wir uns also auch noch später beschäftigen." Sie glitt mit den Fingern suchend über die zahlreichen Buchrücken. „Ich glaube, das reicht für den Anfang. Oder nein, warte – das hier eignet sich gut als Ergänzungsliteratur." Sie zog ein schmales Büchlein heraus.

„Kommen Sie, lassen Sie uns nach unten gehen, dort können wir besser arbeiten."

Wir setzten uns an einen einfachen Holztisch, der in der prächtigen Bibliothek vollkommen fehl am Platz wirkte.

Stille breitete sich aus. Die Professorin musterte mich nachdenklich. „Irgendwie kommen Sie mir bekannt vor. Sind wir uns schon einmal begegnet?"

Ich runzelte die Stirn, denn sie war nicht die Erste, die etwas Derartiges feststellte. „Nur wenn Ihr - ich meine Sie - bereits einmal in Seyl gewesen sind."

Die Professorin schüttelte den Kopf. „Nein, dann muss ich mich irren."

„Es hieß, Sie seien auf der Suche nach einem Edelstein, der sich hier in Erza befindet?" Es war eine rhetorische Frage, also antwortete ich nicht. „Ich hoffe, ich darf diese Frage stellen: Sind Sie selbst einer dieser Edelsteine?"

Ich konnte mir ein leichtes Lächeln nicht verkneifen. „Nein, definitiv nicht."

„Was sind Sie dann?" Sie musterte mich mit ernstem Blick. Eine Strähne hatte sich aus ihrem Dutt gelöst, aber sie schien es nicht einmal zu bemerken.

„Ich begleite sie nur", erwiderte ich kurz angebunden, in der Hoffnung, sie würde nicht genauer nachfragen. Aber offenbar wollte der Forschungsdrang in ihr mehr erfahren.

„Sind Sie ein Leibwächter?"

„Ich würde mich nicht direkt als solchen bezeichnen. Ich musste mehrmals am eigenen Leib erfahren, dass man die Kräfte der Edelsteine nicht unterschätzen sollte. Sie können sich allesamt sehr gut selbst verteidigen."

„Warum sind Sie dann ihr Anführer?"

„Ich bin nicht ihr Anführer."

„So? Da habe ich etwas anderes gehört. Es hieß, ein Mann begleite sie, den sie als Anführer betrachten, der jedoch keiner von ihnen ist."

„Man erzählt sich vieles."

Die Professorin seufzte. „Es ist eigentlich auch nicht so wichtig. Es verwundert mich nur, denn der Einzige, der über den Edelsteinen steht, ist der seylsche König."

„Wir wissen nicht, ob es überhaupt noch einen König gibt."

„Erzählen Sie mir, was sich in den letzten Jahrhunderten zugetragen hat. Beginnen Sie mit den dunklen Jahren."

Sie öffnete das letzte Buch und blätterte ein bisschen hin und her. „Wo ist denn nur mein Füller?", schimpfte sie leise. Sie kramte in ihrer ledernen Umhängetasche, dann zog sie einen Stift heraus, der auf dieselbe Weise gestaltet war, wie derjenige, den ich vom Wirt bekommen hatte.

„Also, der Diamant kämpft gegen den Onyx, der nach mehr Macht gierte, und stirbt selbst ein paar Jahre nach seinem Sieg. Das darauffolgende Chaos wird als die „dunklen Jahre" bezeichnet. Diese gipfeln im Krieg gegen Erza, den wir bekanntlich verloren haben."

Ich zögerte. Irgendetwas erschien mir falsch. Die Professorin fuhr fort: „Sie werden vermutlich nicht, die Namen sämtlicher Edelsteine danach kennen? Wir haben hier eine Liste mit Portraits, aber sie endet mit den dunklen Jahren. Ab diesem Zeitpunkt ist die Quellenlage recht schlecht."

Ich wollte lieber nicht wissen, was sie damit meinte. Vermutlich hatte Erzas Regierung noch weitere Spione nach Seyl geschickt, die nach alten Dokumenten fahnden sollten. Doch die Oberen hatten Vieles zerstört oder verbrannt.

„Hier." Selena Hasenberg reichte mir das aufgeschlagene Buch. „Sehen Sie selbst nach, wer uns noch fehlt."

Gerade als ich es entgegennehmen wollte, öffnete sich die Tür zur Bibliothek und ich fuhr herum.

Herein trat eine junge Frau. Sie lächelte, als sie die Professorin sah. Diese war von ihrem Stuhl aufgestanden.

„Euer..." Sie unterbrach sich.

Die Frau runzelte die Stirn. „Selena, wie oft habe ich dir gesagt, dass wir Kollegen sind? Das ist jetzt das exakt siebenundsiebzigste Mal, dass ich dich daran erinnern muss."

Die Frau verstummte, als ihr Blick auf mich fiel. Ihr Mund stand offen und sie schien nicht genau zu wissen, wie sie reagieren sollte.

Die Professorin rettete die Situation, indem sie mich vorstellte. „Mal, das ist Senn. Senn, Amalia ist die ältere Schwester der Königin."

„Die ältere Schwester?"

„Ich bin nicht dazu geeignet, ein Land zu führen. Mir fehlen die notwendigen sozialen Kompetenzen, die eine solche Position unweigerlich verlangt. Meine jüngere Schwester hingegen ist sozusagen die Idealbesetzung der Rolle der Königin. Umfragen haben ergeben, dass ganz Erza seine Königin liebt. Nur ein Prozent der Bevölkerung gab an, sich einen anderen Herrscher zu wünschen. Davon waren..." Sie unterbrach sich, als die Professorin eine Hand hob.

„Ich habe schon wieder etwas Falsches gesagt, nicht wahr?"

Die Professorin wirkte verlegen. „Nun..."

„Ich fand das alles sehr interessant", mischte ich mich ein.

Die junge Frau schien darüber erleichtert zu sein. Ihre olivfarbenen Augen starrten mich unverhohlen an. „Sie können mich gerne einmal besuchen. Ich wohne etwas außerhalb der Stadt in einem Waldhäuschen. Dort kann ich in Ruhe forschen und meine Erfindungen austesten. Das Hofprotokoll kann doch manchmal sehr einengend sein. Außerdem fühle ich mich Tieren sowieso viel näher als Menschen. Sie sind so viel natürlicher."

Dann seufzte sie auf. „Ich habe schon wieder zu viel gesagt." Das schien sie jedoch nicht lange zu kümmern, denn auf einmal hielt sie inne. „Wieso steht dieses Buch jetzt hier?"

Selena Hasenberg warf einen Blick darauf. „Soweit ich weiß, hat Alphonse die neueste Abhandlung von Fuchs besorgt. Diese steht nun natürlich bei seinen anderen Werken. Dieses Buch hat nicht mehr in das Regalfach gepasst, deshalb haben wir es etwas weiter unten eingeordnet. Auch dort passt es vollkommen in den Kontext."

Mal stieß einen zischenden Laut aus. „Schon wieder eine neue Ordnung. Ihr wisst, wie sehr mich das stört."

„Soll ich es zurückändern?"

Mal zögerte. „Nein. Die neue Ordnung ergibt mehr Sinn. Irgendwann werde ich mich daran gewöhnen. Ich wollte mir sowieso nur Schirlings Aufsatz über die Anwendungsmöglichkeiten der Karfsteine bei technischen Geräten holen. Wenn wir diese optimieren könnten, werden vielleicht weniger Steine benötigt. Ich denke, er hat damals bei einer seiner Formeln etwas nicht beachtet und möchte das noch einmal nachrechnen. Wenn man den Koeffizienten von..."

„Senn hat leider nur sehr begrenzt Zeit zur Verfügung", erklärte die Professorin.

Mal unterbrach sich erneut. „Oh. Ja, natürlich. Du bist trotzdem herzlich eingeladen. Ich hole nur schnell das Buch." Sie wandte sich ab und dabei rutschte ihr der Hemdärmel nach oben.

„Entschuldigung", sagte ich, auf ihr Handgelenk starrend. „Was ist das?"

Sie folgte meinem Blick. „Oh, das ist meine Armbanduhr. Ich habe sie selbst zusammengebaut. Ihr Ziffernblatt ist aus Malachit. Ich habe den Stein einmal auf einer meiner ausgedehnten Wanderungen gefunden und eigenhändig so geschliffen. Sie ist mir sehr gut gelungen. Wieso fragen Sie?"

Ich runzelte die Stirn. „Nur so. Sie ist mir eben aufgefallen. Sicher wegen ihrer besonders schönen Verarbeitung."

Mal nickte. „Ja, das wird es sein."

Dann suchte sie ihr Buch und ich musterte sie dabei von hinten. Von ihrem schulterlangen, braunem Haar über ihr weites, dreckiges Hemd bis hin zu der braunen Hose, die in robuste Lederstiefel gestopft war. War sie tatsächlich der gesuchte Edelstein? Es schien unmöglich, doch mein Gefühl behauptete genau dies.

Die junge Frau verließ den Raum, nicht ohne sich dabei aber noch einmal zu mir umgedreht zu haben. „Hier, nehmen Sie das." Sie drückte mir eine Karte in die Hand. „Sonst lassen die Wachen Sie nicht rein. Ich bin zwar zumeist sowieso nicht da, aber morgen ist mein Verlobter hier und dann muss ich ebenfalls anwesend sein. Ich würde mich freuen, wenn Sie sich mit mir auf wissenschaftlicher Basis austauschen."

Ich konnte nur nicken.

Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss und die Professorin seufzte. „Sie ist eine geistig hochgradig begabte junge Frau, aber sie weiß nie, wann man besser den Mund hält. Das habe ich natürlich nie gesagt."

Wir schwiegen beide und starrten auf die geschlossene Tür. Jeder mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt. Schließlich straffte sich die Professorin. „Wir müssen fortfahren."

Sie schob mir das Buch zu. Ich warf einen Blick auf die dort abgebildeten Edelsteine. Das erste Bild zeigte den großen Diamant. Er kam mir nicht sonderlich beeindruckend vor, aber die Geschichte belehrte mich eines Besseren. Direkt daneben war das Bild der großen Saphir, einer schönen Frau mit langem blondem Haar, die von innen heraus zu leuchten schien. Auf der nächsten Seite kamen der große Rubin und die große Smaragd. Die beiden sahen sich erstaunlich ähnlich, beide mit braunem Haar und dem gleichen Grinsen. Nur war der große Rubin etwas korpulenter. Offenbar schien er eine Vorliebe für gutes Essen zu besitzen.

Dann blätterte ich um und mein Blick streifte den großen Bernstein, der wahrhaftig ein großer Mann gewesen sein musste, nur flüchtig, denn es war das letzte Bildnis, das ihn gefangen hielt.

Onyx.

Die Verräterin.

Die Frau aus meinen Träumen.

Mit einem lauten Krachen fiel mir das Buch aus der Hand und landete auf dem Tisch. Unablässig kreisten meine Gedanken wie wild umher. Sie war es eindeutig. Aber warum sollte sie mir helfen, das Land zu retten? Bereute sie etwa ihre Taten? Konnte sie sich überhaupt noch an ihre Vergangenheit erinnern?

„Senn?" Die Stimme der Professorin klang besorgt. „Ist alles in Ordnung?"

Ich bemühte mich um ein Lächeln. „Ja..." Meine Stimme klang rau und ich räusperte mich. „Ja, verzeiht mein Ungeschick."
Die Professorin runzelte die Stirn, sagte aber nichts, als ich das Buch wieder in die Hand nahm. Ich blätterte weiter und ergänzte einige Dinge zu den fehlenden Edelsteinen.

„Sie müssen ein komplettes Lexikon im Kopf haben", stellte die Professorin irgendwann beeindruckt fest. Ich zuckte mit den Schultern. Was sollte ich auch sagen? Dass das Wissen einfach da war?

Schließlich starrte ich in das Antlitz meiner Mutter. Obwohl ich mich nur noch verschwommen an ihr Aussehen erinnern konnte, wusste ich sofort, dass sie es sein musste. Denn es war meine eigenen Augen, die mir entgegenblickten.

Ich starrte sie an und strich unbewusst mit dem Finger über das gemalte Haar. Dunkler als das von Mal, aber heller als Alyns. Sie war eine schöne Frau gewesen. Vielleicht sogar noch schöner als Alyn.

„Was ist los?", fragte die Professorin.

„Ich wusste nicht, dass es von ihr ein Porträt gibt", meinte ich langsam.

Die Frau beugte sich langsam vor und starrte auf die Seite, die ich aufgeschlagen hatte. Ihr Blick wanderte zwischen mir und dem Bild hin und her.

„Sie haben ihre Augen", sagte sie schließlich.

„Ja."

„Warum haben Sie nicht erzählt, dass Ihre Mutter ein Edelstein ist?"
„War."

„Wie bitte?"

„Sie war ein Edelstein. Sie wurde vor etwa vierundzwanzig Jahren von den Oberen ermordet."

„Das tut mir leid."

Ich zuckte mit den Schultern. „Es ist lange her. Ich kann mich fast nicht mehr an sie erinnern."

Die Professorin streckte zögerlich ihren Arm aus und drückte aufmunternd meine Hand. „Sind Sie deshalb auf der Suche nach den Edelsteinen?"

„Nein. Eigentlich nicht. Das ist vergangen."

Wir schwiegen eine Weile. Dann blickte ich auf. „Woher stammt dieses Portrait? Ich dachte, die Oberen hätten alles vernichtet."

Die Professorin seufzte und rückte ihre Jacke zurecht, als wolle sie damit Zeit schinden. „Vielleicht hat Erza Seyl schon länger ausspioniert, als man offiziell zugibt."

Ich runzelte die Stirn. „Warum habt Ihr dann nicht eingegriffen? Warum habt Ihr zugelassen, dass die Oberen die Macht übernahmen?"

„Der Vertrag..."

„Das ist keine Begründung! Ihr habt Seyl ausspioniert! Allein damit habt Ihr den Vertrag bereits gebrochen!"

Die Professorin zuckte leicht zusammen, als sie den kalten Schneid meiner Stimme hörte.

„Sagt mir die Wahrheit. Warum habt Ihr nicht eingegriffen?"

„Unabhängig davon, dass wir militärisch kaum mehr interagieren? Wir dachten, Seyl müsse sich selbst retten. Wir haben kein Recht, uns in fremde Angelegenheiten einzumischen. Hätte Ihr Land uns vertraut? Wir wären doch nur eine neue Bedrohung gewesen in Ihren Augen."

„Sie hätten meine Mutter retten können."

„Vielleicht. Aber wie viele meiner Landsleute wären bei dem Versuch gestorben? Für ein Land, das für sie nicht existiert? Sagen Sie mir, haben die Bewohner Seyls Widerstand geleistet? Haben sie versucht, die Katastrophe abzuwenden?"

Ich sackte zusammen. „Nein", sagte ich langsam. „Nein. Außer ein paar Protesten haben sie nur zugesehen. Sie haben recht. Aber nun steuert der gesamte Westen auf einen Abgrund zu. Seyl ist zu sehr gebeutelt, als dass es Acerum noch ernsthaften Widerstand bieten kann. Und wenn Seyl fällt, dann die anderen Länder mit ihm. Außer Skaramesch sind sie alle zu klein und wenn erst einmal der gesamte Norden eingenommen ist, wird auch Skaramesch nicht mehr standhalten können. Das ist reiner Fakt."

„Sie sollten darüber mit der Königin sprechen", meinte die Professorin. „Vielleicht kann sie helfen."

„Ich bin mir nicht sicher, ob wir das tun sollten. Was wird Erza dafür verlangen, uns zu unterstützen?"

Die Professorin zuckte mit den Schultern. „Auch das sollten Sie mit der Königin besprechen. Ich bin nur hier, um unsere Aufzeichnungen zu vervollständigen."

„Entschuldigen Sie." Ich wandte mich wieder dem Buch zu.

Die nächsten Stunden bemühte ich mich nach bestem Gewissen, alles was ich wusste, preiszugeben. Vielleicht würde irgendjemand unsere Kooperationsbereitschaft später zu schätzen wissen. Allerdings schweiften meine Gedanken immer wieder ab. Zu vieles hatte ich herausgefunden, über das ich nachdenken musste.

Als die Professorin sich schließlich erhob, war die Sonne bereits untergegangen. „Ich denke, für heute sind wir fertig. Könnten Sie morgen wiederkommen?"

Müde streckte ich mich und versuchte, das nagende Hungergefühl zu ignorieren. „Ich glaube nicht, dass ich eine große Wahl habe."

Die Professorin blickte auf. „Was?"

Ich schüttelte den Kopf. „Nichts. Ich werde da sein."

Wir verabschiedeten uns voneinander und sie geleitete mich nach draußen. Ich starrte in den ergrauenden Himmel. Ich hatte für heute noch eine wichtige Verabredung.

Ich konnte nur hoffen, dass die geheimnisvolle Onyx in meinen Träumen erscheinen würde. Denn seitdem sie mich in der Schattenfeste vor dem Tode bewahrt hatte, war sie aus meinem Leben verschwunden. Doch nun brauchte ich dringend Antworten.


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