Kapitel 16

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Wir saßen in einer großen Herberge beim Frühstück, als Lars hereinkam, sich einen Stuhl heranzog und sich zu uns setzte. Er trug ein einfaches weißes Hemd, das er sich in die dunkle Hose geschoben hatte und einen schwarzen Ledergürtel, der seinem seylschen Pedant nur wenig ähnelte.

Es versprach, ein schöner Tag zu werden. Die Sonne schien an die Terrasse heran, die zu dieser frühen Stunde noch leer war. Auch der gepflegte Garten dahinter, mit den einladenden Bänken unter blühenden Obstbäumen, wurde momentan nur von zwitschernden Vögeln sowie einer trägen Katze bevölkert.

„Wir haben einen Historiker für die verlorenen Lande gebeten, euch in unsere Archive zu führen und mit ihr unsere lückenhaften Berichte durchzugehen."

„Wir wollten eigentlich Londburg erkunden", erklärte Alyn enttäuscht.

„Ihr müsst ja nicht alle gehen. Es reicht, wenn einer von euch mitkommt. Für den Rest von euch kann ich sicher eine Stadtführung arrangieren."

Alyn mied absichtlich meinen Blick. Ich schwieg und schließlich seufzte sie resigniert. „Du weißt sowieso von uns allen am besten über die Geschehnisse Bescheid."

Vielleicht hatte sie damit recht. Aber das war nicht der Hauptgrund. Vielmehr hegte ich die Hoffnung etwas über die verlorene seylsche Geschichte herauszufinden. „Ich werde gehen. Ich habe bereits viel Zeit in Archiven verbracht und mit alten Karten gearbeitet."

Lars nickte, als hätte er so etwas bereits erwartet. Anscheinend wurde ich allmählich berechenbar. Ich musterte den Spion, wie er entspannt dasaß, nur mit einem einfachen Hemd und einer schwarzen Hose bekleidet. Seine Miene verriet nichts von seinen Gedanken.

„Denkst du, du findest allein in den Palast? Ein Großteil unserer besonders alten Dokumente befindet sich in dessen Keller. Manche wurden bereits an Museen übergeben, die in mühevoller Arbeit Kopien anfertigen lassen, jedoch macht es sehr viel Mühe alles zu katalogisieren. Des Weiteren sind die meisten so empfindlich, dass nur äußerst behutsam mit ihnen umgegangen werden darf. Aber das wird dir Professor Hasenberg sicher alles selbst erklären."

Alyn zog amüsiert eine Braue nach oben, als sie den Namen des Historikers hörte, schwieg jedoch. „Ich denke, ich finde den Weg von allein", meinte ich, mich insgeheim fragend, was diese Museen denn waren.

Lars warf einen Blick auf die anderen. „Ich hoffe, es passt sonst alles? Die Kleidung..."

Ich unterbrach ihn. „Wie du siehst, genießen wir gerade unser Frühstück. Die Kleidung passt wie angegossen." Und wie sie das tat. Am liebsten hätte ich den ganzen Tag auf die hautenge Hose gestarrt, die Alyn trug und ihren Hintern so wunderbar zur Geltung brachte. „Außerdem weißt du, dass die Hygienestandards in Seyl bei Weitem nicht an die euren heranreichen. Also komm zur Sache."

Lars zögerte, dann seufzte er. „Also schön. Die Königin ist immer noch sehr beschäftigt und Nepomuk kümmert sich so gut er kann. Jedoch ist er noch kein Mitglied der königlichen Familie und jetzt wettern einige Stimmen, es handle sich hierbei um eine Verschwörung, die er angezettelt habe, um sich in den Augen der Königin unentbehrlich zu machen, auf dass sie ihn schneller heiraten möge."

„Und worauf willst du hinaus?"

„Das Parlament, eine Institution, die dem Rat von Seyl ähnelt, hat sich eingeschaltet und will nun diese angeblichen Possenreiter selbst inspizieren."

„Das heißt, wir sollen der Regierung vorgeführt werden?"

Lars wirkte ehrlich verlegen. „Ja. Ihr müsst etwas Verständnis für unsere Situation aufbringen. Niemand weiß damit umzugehen."

Alyn lächelte beruhigend. „Das ist kein Problem. Wir danken dir, dass du uns vorgewarnt hast."

Der Spion wandte den Blick zu mir, als warte er darauf, dass ich Alyns Aussage negieren würde.

„Warum seid ihr alle mit Nepomuk per du?", fragte ich unvermittelt.

„W-was?" Es bereitete mir ein Gefühl der Genugtuung, den stets so gefassten Lars überrascht zu sehen. Inzwischen fiel es mir immer schwerer, ihn mit der Person Thors unter einen Hut zu bringen. Ja, er schien sich sogar anders zu bewegen, was mich wider Willen beeindruckte. Der Spion wusste, wie man eine Rolle lebte.

„Eigentlich geht euch das nichts an, aber ich sehe keinen Nachteil darin, es euch zu verraten. Wir kannten ihn schon, bevor er und die Königin ein Paar wurden. Sie haben sich auf einer Veranstaltungsfeier der Universität Londburg kennengelernt. Er hatte gerade seinen Doktor gemacht und sie war der Ehrengast. Nepomuk und ich waren beide unsere Studienzeit über in einer Rudermannschaft."

„Und der General?"

„War einer der Gastdozenten über Militärgeschichte. Nepomuk hat ihn vergöttert."

Es fiel mir schwer, diese neuen Informationen zu verarbeiten. Ich hatte nie eine Universität besucht, war sie doch nur für die Söhne des höchsten Adels zugänglich oder denjenigen, die eine Begabung für Magie zeigten. Allerdings hatte ich in jungen Jahren oft davon geträumt. Mein Vetter war einer der Privilegierten, die mithilfe von Geld einen Platz ergattert hatten. Was wohl aus ihm geworden war? Er war zehn Jahre älter als ich und müsste längst eine eigene Familie gegründet haben. Nicht, dass mich sein Schicksal irgendwie kümmerte. Er hatte mich nur gelinde besser behandelt als sein Vater, wenn er denn zu Hause war. Trotzdem hatte ich ihn nicht getötet.

„Du scheinst abwesend."

Ich vertrieb die Geister der Vergangenheit mit einem Kopfschütteln. „Ich war in Gedanken. Warum trägt Nepomuk keinen Titel? Wird er in Erza nicht gebraucht?" Oder war ihm seine Abstammung gleich?

Lars lachte. „Er besitzt keinen Titel. Er ist ein ganz gewöhnlicher Bürgerlicher wie du und ich."

„Seine Familie hat also Geld?", wollte Alyn wissen.

„Bei uns kann jeder studieren. Die Gebühren sind niedrig und sollte es sich doch jemand nicht leisten können, so ist die Regierung bereit, Stipendien zu vergeben. Niemand sollte aufgrund seines gesellschaftlichen Stands ausgeschlossen werden."

„Auch Frauen?"

„Natürlich."

Alyn grinste. „Vielleicht sollten wir auswandern", meinte sie zu Lapislazuli. Ich warf einen Blick auf Sphen und mir fiel ein Stein vom Herzen, dass er immer noch nur sehr gebrochen Akrid sprach. Ich wollte keine weitere Auseinandersetzung erleben müssen.

Lars erhob sich. „Nun, ich muss weiter. Ich werde in - sagen wir - zwei Stunden wieder kommen. Ich kenne jemanden, der einen Bekannten hat, der Stadtführungen organisiert. Vielleicht hat dieser kurzfristig Zeit. Senn, vergiss bitte nicht bei Professor Hasenberg vorstellig zu werden. Die Wachen wissen Bescheid und werden dich hineinlassen."

Mit diesen Worten erhob er sich und ließ uns zurück. Ich übersetzte für Wladi und Sphen unser Gespräch, ließ dabei einige Kleinigkeiten aus, um den Skara nicht zu verärgern. Beim Thema Frauen vertrat jeder andere Ansichten und die Sphens waren wohl bei Weitem die konservativsten.

Dann verabschiedete ich mich. Alyn seufzte. „Schade, dass du nicht mitkommst."

Rosena nickte. „Es wäre beruhigend." Ihre Stimme klang leise.

Ich grinste. „Ihr habt es jahrelang ohne einen Auftragsmörder an eurer Seite ausgehalten, da werdet ihr diesen einen Nachmittag schon überleben."

Zum ersten Mal schwang keine Bitterkeit in meiner Stimme mit. Vielleicht schaffte ich es endlich, meine Vergangenheit zu akzeptieren, ohne jedes Mal vor Reue im Boden versinken zu wollen.

Beschwingt verließ ich die Herberge und trat hinaus auf die Straße. Ein Fahrrad raste an mir vorbei, verfolgt von einer der großen Kutschen. Ich wandte mich nach links, denn dort konnte ich in der Ferne einen Turm ausmachen, der alle anderen Gebäude überragte. Wenn ich mich richtig erinnerte, hatte sich dieser ganz in der Nähe des Palastes befunden.

Zwei schmalere Seitengassen weiter war eine Markise über eine Ansammlung an Tischen und Stühlen gespannt. Einige Erzaner saßen dort und tranken etwas, das wie Quahve roch. Neugierig trat ich näher. Ein Hund, der unter einem der Tische lag, hob müde den Kopf, senkte ihn aber sogleich wieder. Er war mit einer Leine an einem Stuhl festgebunden, auf dem eine junge Frau saß und sich eifrig mit zwei weiteren jungen Frauen sowie einem Mann unterhielt.

Ich schlenderte vorüber und warf einen möglichst unauffälligen Blick in die Tassen. Oh ja, das war definitiv Quahve. Vielleicht konnte ich Alyn überreden, hierher zu kommen. Vielleicht gab es ja auch Schokolade. Kuchen war definitiv im Angebot.

Aus einem umzäunten Hof drang das Lachen von Kindern an mein Ohr. Als die Mauer von einem schmiedeeisernen Tor unterbrochen wurde, verlangsamte ich meinen Schritt. Unter der Beobachtung einiger Erwachsener tobten an die hundert Kinder lautschreiend herum. Keines von ihnen war älter als zehn und sie schienen sich alle köstlich zu amüsieren. Konnte es sich hierbei um Schulunterricht handeln?

Zwei Männer ritten an mir vorüber auf den großen Pferden, die offenbar zu der geläufigsten Rasse in Erza gehörten und im Hinblick auf Eleganz den Skara nur wenig nachstanden. Die Reiter beachteten mich nicht. Der eine von ihnen trug eine der blauen Uniformen, der andere war mit einem einfachen Hemd begleitet. Keiner von ihnen war bewaffnet.

Ich marschierte weiter und verließ die breite Hauptstraße, um durch schmalere Gassen zu schlendern. Wenn ich den Kopf in den Nacken legte und gen Himmel starrte, erblickte ich manchmal Wäscheleinen, die sich häuserübergreifend von einem Fenster zum anderen spannten. Während die Sonne sich schwer tat, den Boden zu erreichen, konnte sie den nassen Stoff dort leicht trocknen.

Schließlich landete ich auf einem kleinen Platz mit einem Springbrunnen. Dessen Spitze krönte ein steigendes Pferd, anscheinend das Wappentier Erzas oder zumindest Londburgs, denn mir war es immer wieder an den unterschiedlichsten Stellen aufgefallen. Der Brunnen plätscherte munter vor sich hin. Unter einer der Bänke, die auf zwei Seiten um ihn herum gruppiert waren, hatten sich ein paar Vögel versammelt, die emsig nach Brotkrumen pickten, die dort jemand fallen gelassen hatte.

Das andere Ende des kleinen Platzes wurde von einem riesigen Bauwerk bestimmt. Der Turm, den ich schon in der Ferne gesehen hatte, war nur ein Teil dessen. Hohe Buntglasfenster dominierten den unteren Teil, während sich weiter oben normale Fenster befanden, die sich jedoch halb hinter Spitzbögen verbargen. Fasziniert starrte ich in die Höhe und musterte die riesige Uhr, deren goldene Zeiger sich fast gerade nach oben zu reckten. Die Ziffern waren von einem äußerst begabten Schmied gestaltet und das ganze Konstrukt schien von ihnen heraus zu leuchten. Entweder irgendeine Lampe brannte im Inneren des Turmes oder das Sonnenlicht wurde auf eine besonders raffinierte Weise gebrochen.

Eine Pferdekutsche mit offenem Verdeck kam klappernd über das Pflaster gerollt. Zwei Damen unterhielten sich angeregt, während der Kutscher seine Pferde in eine Gasse lenkte, parallel zu der Kleinen, aus der ich gekommen war.

Ein älterer Herr schlurfte zu einem weiten Torbogen, hinter dem sich ein grüner Innenhof befand. Die beiden Häuser, die ihn von dieser Seite einrahmten, waren beide mit blühenden Blumenkästen unter den Fenstern ausgestattet und kleinen Balkonen.

Mir gefiel der Ort. Er war so friedlich und sauber. Für eine Weile setzte ich mich auf eine der Bänke und bewunderte nur stumm die Umgebung. Die Glocke der Turmuhr läutete mehrmals, als ich mich zum Aufbruch entschied. Ich fragte mich unwillkürlich, warum wir in Seyl keine Uhren mehr kannten und uns stattdessen nur noch auf ungenaue Zeitangaben verließen. So sprachen wir immer noch von Sekunden, Minuten und Stunden, aber die Begriffe hatten keine richtige Relation mehr. Sonderbar, dass mir das auf einmal einfiel. Ich konnte mich nicht einmal erinnern, davon gelesen zu haben.

Grübelnd schlenderte ich weiter, in der Hoffnung, mein Orientierungssinn würde mich nicht trügen. Tatsächlich stieß ich auf eine etwas breitere Gasse, die geradewegs in die Straße mündete, an der sich die Palastmauer entlang streckte. An einer Ecke stand ein Laternenpfahl, an den zwei Schilder gebunden waren. Palaststraße und Alte Gasse waren darauf zu lesen und ich ärgerte mich leicht, nicht zuvor schon auf die Namen geachtet zu haben. Sollte ich einmal mit Alyn und den anderen unterwegs sein, konnte eine Kenntnis der Straßennamen eventuell hilfreich sein.

Als ich schließlich beim Tor ankam, musterten mich die vier Wachen skeptisch. Keiner von ihnen machte Anstalten, die beiden schmiedeeisernen Flügel für mich zu öffnen. Nicht einmal die kleine Pforte, die in einen der Flügel eingelassen war, wurde aufgeschlossen. Stattdessen beschlossen sie, mich zu ignorieren, selbst als ich mich hörbar räusperte.

„Entschuldigung", sagte ich stirnrunzelnd. „Mir wurde gesagt, ich solle mich hier einfinden. Mein Name ist Senn", fügte ich hinzu, als keine Reaktion eintrat.

„Können Sie sich ausweisen?"

Ich zögerte. In Seyl besaßen die wenigsten Papiere und diese waren eher von zweifelhafter Herkunft und keineswegs staatlich vorgeschrieben. Sie stellten vielmehr ein hübsches Kleinod dar, mit dem die Reichen prahlen konnten. „Ich denke nicht."

„Dann können wir Sie auch nicht hineinlassen", meinte die erste Wache achselzuckend und wandte ihren Blick ab.

Eine zweite fügte sogar feixend hinzu: „Da könnte ja jeder kommen. Gewöhnliches Gesindel, das zum Beispiel einen Blick auf die Königin werfen will, um damit später prahlen zu können."

„Oder gar Terroristen", meinte ein dritter.

„Ich bin nicht einmal bewaffnet." Mein Stirnrunzeln vertiefte sich.

„Tut mir leid. Vorschriften sind Vorschriften." Der Wachmann tat nicht einmal so, als meinte er es ernst. Stattdessen grinste er seinem etwas jüngeren Pendant eifrig zu.

„Ich muss aber wirklich dringend zu Professor Hasenberg in die Archive. Es hieß, Ihr wäret über mein Kommen unterrichtet worden."

„Und woher sollen wir wissen, dass es sich wirklich bei Ihnen um jene Person handelt?"

„Lars wird Euch sicher mein Aussehen beschrieben haben."

„Sie könnten eine Maskerade tragen."

„Das würde voraussetzen, dass ich von diesem Besuch wüsste. Allerdings ist mir schleierhaft, wie ich das herausfinden konnte."

„Sie geben den Schwindel also zu." Die Wache schien erpicht darauf, mir das Leben schwer zu machen.

„Bei allen Göttern", seufzte ich. „Nein. Und das wissen Sie genau." Zum ersten Mal verwendete ich das ungewohnte Pronomen.

„Vielleicht haben Sie ein Gespräch belauscht", meinte die erste Wache, die sich mir nun doch wieder zugewandt hatte.

„Ach ja, und wo?"

„Im Palast."

„Wenn ich im Palast ein Gespräch belauscht haben sollte, ist es mir doch offensichtlich möglich, dort hineinzukommen, ohne dieses erniedrigende Gespräch zu führen."

„Dann haben Sie vielleicht eine Kontaktperson innerhalb dieser Mauern."

„Und was bringt mir das? Dann würde diese wohl die Königin töten oder das tun, was auch immer Sie mir hier unterstellen."

„Die Bediensteten werden vor Arbeitsbeginn durchsucht."

„Sie können mich gerne durchsuchen, aber Sie werden nichts finden."

„Warum sollten wir das tun?"

Allmählich begann ich, meine Geduld zu verlieren. Wenn ich gewollt hätte, würden diese Einfaltspinsel längst tot auf dem Pflaster liegen. Auch ohne Waffen.

„Wenn es mir nicht ernst wäre, hätte ich längst die Nerven verloren. Niemand, der halbwegs bei Verstand ist, lässt sich so etwas gefallen."

„Das ist ein Schuldeingeständnis. Terroristen sind allesamt wahnsinnig. Henry, ruf Verstärkung."

Die vierte Wache, die bisher noch nichts gesagt hatte, verzog den Mund. „Ich bin mir nicht sicher..."

„Los mach schon", unterbrach ihn einer der anderen Männer.

Ich straffte mich. Wenn sie vorhatten, mich in irgendeine Arrestzelle zu werfen, dann konnten sie sich auf etwas gefasst machen. Vielleicht wäre ich zuvor schnell verschwunden, jetzt war ich aber längst über die Herablassung und Arroganz dieser Gardisten erzürnt, sodass ich ihnen nur zu gerne eine Lektion erteilen wollte. Auch ohne Waffen.

Auf einmal stahl sich Erleichterung in die Miene Henrys. „Da kommt Dassler."

Ich sah auf und erblickte den Diener, der uns gestern zu Nepomuk geführt hatte.

Der Mann trat näher und nickte den Wachen zu. „Ich soll mich im Auftrag seiner Herrschaft erkundigen, ob..." Er unterbrach sich und erblickte mich. „Ach, hier sind Sie. Professor Hasenberg wartet bereits ungeduldig auf Sie." Leichter Vorwurf hatte sich in seine Stimme geschlichen.

„Ich wurde nicht eingelassen", eröffnete ich mit gewisser Befriedigung, als ich sah, wie die Wachen erbleichten.

Der Diener warf einen finsteren Blick auf die Wachen. „Ich werde das Ihrem Vorgesetzten melden müssen. Sie hatten die Anweisung, diesen Mann einzulassen."

Henry öffnete die kleine Pforte und winkte mich eilig durch.

„Jetzt aber hurtig", meinte der Diener und eilte voraus. Ich folgte ihm hastig.

Er führte mich durch zahlreiche Gänge, bis wir schließlich am Fuß einer Treppe standen, die in einem Kellergewölbe endete. Der Diener öffnete eine Türe und der Geruch von altem Papier stach mir in die Nase. An einem einsamen Schreibtischpult saß eine Frau mittleren Alters und las konzentriert in einem Dokument. Als sich der Diener räusperte, blickte sie auf.

Mit einer für ihr Alter eleganten Bewegung erhob sie sich und schüttelte mir die Hand. „Sie müssen Senn sein. Ich bin Selena Hasenberg."

Wieso hatte ich mir bloß immer einen Mann vorgestellt? Ich musste allmählich lernen, von meinem festen Gedankenkonstrukt abzuweichen, wenn ich mich in Erza nicht blamieren wollte. „Angenehm", erwiderte ich etwas lahm.

Der Diener nickte uns zu und verschwand wieder. Professor Hasenberg setzte sich wieder an den Schreibtisch. „Hier unten sind die Sitzgelegenheiten recht spärlich. Ich werde dieses Dokument nur noch schnell zu Ende durchgehen, dann können wir uns in die Bibliothek begeben."

Ich nickte und wartete geduldig, bis sie wieder von ihrer Lektüre aufblickte und das Dokument vorsichtig in eine Schachtel legte. „Ich befürchte, unsere Aufbewahrungsmethoden sind nicht die Besten. Aber das ist nebensächlich. Hier, können Sie das mal halten?" Sie drückte mir drei dicke Folianten in die Hand, ohne meine Antwort abzuwarten.

Ich wartete, bis sie die Schachtel in einem Regal mit einem Dutzend weiteren verstaut hatte, dann folgte ich ihr aus dem Raum.

Wieder eilte ich durch die Gänge des Palastes. Ich begann mich zu fragen, wie lange es noch dauern würde, bis ich mich dort unweigerlich auskannte.

„Die Palastbibliothek ist zwar viel kleiner als unsere großen öffentlichen Bibliotheken. Allerdings ist ihre Bandbreite an alten, guterhaltenen Büchern beachtlich. Sie bietet einen guten Rechercheansatz. Möglicherweise müssen wir auf einige Dokumente aus der Universitätsbibliothek von Londburg zusätzlich zurückgreifen, aber das glaube ich eigentlich nicht", erklärte mir die Frau, bevor sie vor einer Tür stehenblieb.

Im Raum dahinter befanden sich tausende Bücher, fein säuberlich in Regalen aufgereiht, die sich wiederum auf drei Stockwerke verteilten. „Alphonse, der Bibliothekar, hat heute frei, aber ich war inzwischen schon so oft hier, dass ich mich recht gut auskenne. Trotzdem freue ich mich jedes Mal, wenn ich einen zwingenden Grund habe, hierher zu kommen. Selbst mir wird der Zutritt zum Palast nur zu oft verwehrt."

Wieso überraschte mich das nicht?


Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro