Kapitel 32

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Ohne Senn herrschte verbissenes Schweigen. Alyn schonte die Reisegefährten nicht. Sie ließ Turrim die ganze Strecke bis zum Dorf galoppieren. Sie konnte die Berührung Lapislazulis spüren, die dicht hinter ihr saß. Die Dschungelkriegerin hielt sich nicht an ihr fest, aber sie saßen so dicht aufeinander, dass sich Teile ihrer Körper unweigerlich aneinander pressten.

Erst als Mal zu ihnen aufschloss und ihnen etwas zurief, zügelte Alyn ihr Reittier. „Was ist los?", fauchte sie und bereute es sogleich wieder. Die Erzanerin konnte nichts für die wahnwitzigen Entscheidungen eines wahnsinnigen Mannes.

Ihr unangemessener Tonfall schien an Mal jedoch abzuprallen. Stattdessen deutete sie auf Sphen, der neben ihnen hergeflogen war. „Wollen wir uns offenbaren?"

Alyn zögerte. Es bestand das Risiko, dass ihre Anwesenheit so bis zu den Oberen drang, und das wollte sie noch verhindern. Eine Sache nach der anderen. Zumindest hatte Senn das einmal zu ihr gesagt. Oder Andrée, wie er eigentlich wirklich hieß. Ein Teil von ihr hasste ihn dafür. Dass er ein Prinz war, nein, gar der Thronerbe. Er war der rechtmäßige Herrscher ihres Heimatlandes und sie hasste es, dass dieses Bild so perfekt passte.

„Nein. Lasst uns noch warten, bis wir auf Feinde treffen. Ich möchte nicht von den Le'Hag aufgehalten werden, bevor wir die sonst unvermeidbare Niederlage Seyls nicht abgewendet haben."

Den Rest des Weges legten sie im Schritt zurück.

Das Dorf war nicht befestigt. So konnten sie einfach in die Mitte des kleinen Weilers reiten, ohne aufgehalten zu werden.

Dort jedoch sahen sie sich zahlreichen misstrauischen Blicken ausgesetzt. Abgekämpfte Frauen hielten die Arme skeptisch verschränkt, hinter ihren Röcken versteckten sich kleine Kinder. Sie musterten die prächtige Kleidung, die sie in Erza bekommen hatten. Sowohl Alyn als auch Mal trugen Hosen und Lapislazulis Rock war so kurz, dass er ihre Knie entblößte.

Alyn rügte sich dafür, dass sie nicht mehr daran gedacht hatte, dass in Erza wesentlich modernere Weltanschauungen galten. Sie fühlte sich in ihrer derzeitigen Kleidung äußerst wohl und würde nur ungern auf die Hosen verzichten.

„Was macht ihr hier?", fragte eine alte Frau und die Feindseligkeit war deutlich in ihrer Stimme zu hören.

„Wir sind auf der Durchreise", erklärte Alyn wahrheitsgemäß.

„Ihr seht nicht wie Flüchtende aus", bemerkte eine andere Frau. Ihr Gesicht war richtig ausgezehrt und an der Hand hielt sie einen Jungen, dessen stumpfer Blick in die Ferne gerichtet war.

„Wir flüchten auch nicht", erklärte Mal.

„Niemand reist in diesen Zeiten", widersprach die Frau.

„Und doch tun wir es."

„Wir sind unterwegs nach Krylanid", fügte Alyn hinzu.

„In die Hauptstadt? Was wollt ihr da? Es dauert nicht mehr lange, dann wird sie genauso überrannt, wie der Nordwesten."

Alyn tauschte einen Blick mit den anderen aus. Wie viel durften sie preisgeben, ohne sich zu verraten?

„Nun sagt schon. Was wollt ihr da?"

Bevor jedoch einer der Gefährten antworten konnte, kam ein aufgeregter Junge ins Dorf gerannt. Auf dem Rücken trug er einen selbstgemachten Bogen geschnallt. Alyn vermutete, dass er auf der Jagd nach Hasen gewesen war.

„Ich hab es gesehen!", rief er völlig außer Atem. Keuchend stützte er sich mit den Händen auf den Knien ab. „Ich habe es gesehen", wiederholte er wieder, während sich seine dürre Brust heftig hob und senkte.

„Junge, was ist?", raunzte ihn die alte Frau an.

„Der Mann, er... er ist ein Magier." Anklagend deutete der Junge auf Sphen, der sich bisher im Hintergrund gehalten hatte.

Jetzt jedoch fand er sich im Zentrum der Aufmerksamkeit. Er ließ es ungerührt über sich ergehen, die Arme entspannt herunterhängend. Nur sein kleiner Finger tippte unablässig gegen seinen Oberschenkel.

„Das soll ein Magier sein? Du kommst nicht aus Seyl, oder?"

Sphen schüttelte den Kopf. „Skaramesch", erwiderte er mit starkem Akzent.

„Aber er ist geflogen!", rief der Junge aus. „Ich habe es gesehen."

„Magier können nicht fliegen", widersprach die jüngere Frau. Die anderen Dorfbewohner schwiegen weiterhin.

„Doch", murmelte die alte Frau. „Manche können es. Wenn sie sehr begabt sind. Aber es erfordert sehr viel Kraft und Vorbereitung. Habe ich zumindest gehört."

„Kannst du fliegen?", wandte sich die jüngere Frau direkt an Sphen.

Der schwieg. Vermutlich hatte er die Frage nicht verstanden.

„Er kann es. Ich hab mir das nicht eingebildet. Die anderen sind galoppiert und er ist geflogen."

Alyn wusste nicht viel über Magie. Sie hatte jedoch gehört, dass es in der Tat eine der schwersten Herausforderungen an einen Magier war zu fliegen, da er die Luft so manipulieren musste, dass sie sein Körpergewicht trug. Das erforderte einiges an Kraft, Konzentration und entsprechender Vorbereitung. Dann auch noch dafür zu sorgen, dass sich der Körper bewegte, verlangte wahres Können. Ihre Gedanken glitten zu Alastair Verdun. Sie fragte sich schon längere Zeit, wie er es geschafft hatte, Senn in Skaramesch aufzuspüren. So etwas hatte sie zuvor für ein Ding der Unmöglichkeit gehalten. Der Graf musste sehr mächtig sein.

„Das kann nicht sein."

„Es war aber so."

„Mein Tim lügt nicht", mischte sich nun eine weitere Frau ein. „Wenn er sagt, dass der Mann geflogen ist, dann glaube ich ihm das."

Alle starrten Sphen an, als wäre er ein Rätsel, das unbedingt gelöst werden musste.

„Ich habe es gesehen", wiederholte der Junge namens Tim stur.

„Ich wusste nicht, dass das möglich ist", bemerkte die ältere Frau. „Ich möchte es sehen."

Alyn zögerte, während Sphen darauf wartete, dass sie für ihn übersetzte.

„Sonst werden wir den Le'Hag melden, dass ein Magier aus Skaramesch hier sein Unwesen treibt." Tims Mutter versuchte es mit einer Erpressung.

„Ihr solltet mehr auf Eure Worte achten", ermahnte Lapislazuli sie. „Ihr besitzt nicht genug Wissen, um diese Situation richtig zu beurteilen. Solltet Ihr die Le'Hag benachrichtigen wollen, nur zu. Allerdings werdet ihr mit einem Messer in der Kehle sterben, merkt Euch das."

Das Erschreckendste an ihren Worten war die Emotionslosigkeit, mit der sie vorgetragen wurden.

„Lapis! Du machst ihr Angst", schimpfte Alyn.

Sie konnte spüren, wie sich die Frau hinter ihr versteifte. „Nenn mich nicht so. Mein Name ist Lapislazuli. Deine Abkürzung wird dem nicht gerecht. Außerdem habe ich nur die Wahrheit gesagt. Wir können es uns nicht leisten, so kurz vor dem Ziel enttarnt zu werden."

Alyn schüttelte den Kopf. Erstaunlich, dass die Jamarin sich nicht besser mit Sphen verstand. Sie hatten teilweise ähnlich radikale Ansichten.

Die Dorfbewohner hatten mit weit aufgerissenen Augen ihren Wortwechsel verfolgt.

„Seid ihr Umstürzler? Aufständische?"

Alyn lächelte. „Das kann man wohl sagen." Sie hatte entschieden, dass sie genauso gut mit offenen Karten spielen konnten. Schließlich konnten sie wohl kaum ein ganzes Dorf vernichten. Auch wenn Lapislazuli das vermutlich anders sah. Zum ersten Mal war sich Alyn der Härte bewusst, die die jüngere Frau zuweilen an den Tag legte.

Der Dschungel war ein gnadenloser Lehrer und stand seiner großen Schwester der Wüste in mancher Hinsicht in Nichts nach.

Alyn wandte sich an Sphen und bat ihn, eine Runde um das Dorf zu fliegen.

Der Mann zuckte mit den Schultern, aber die Bereitwilligkeit, mit der er der Aufforderung nachkam, verriet, dass er Spaß an der Sache hatte.

Die Dorfbewohner verfolgten das Spektakel staunend.

„Die Magier in Skaramesch müssen sehr mächtig sein", stellte die jüngere Frau fest. Ihre Miene wirkte nicht mehr ganz so verkniffen wie zuvor, stattdessen hatte sich Faszination breitgemacht.

„Es sei denn, er ist mehr als nur ein gewöhnlicher Magier." Die alte Frau trat einen Schritt näher heran. „Sagt, kann er uns etwas zu Essen herbeizaubern?"

Alyn schüttelte den Kopf. „Ich fürchte, wir können Euch nicht helfen."

„Doch", widersprach Mal. Sie schwang sich vom Rücken ihres Pferdes und trat auf die Frau zu. „Sie haben doch bestimmt schon die Frühjahrssaat ausgetragen, oder?"

Die Frau nickte. „Ja, aber die Pflänzchen sind noch klein. Es wird dauern, bis sie wachsen."

„Ich kann das ganze beschleunigen." Mal ließ sich von der Frau zu einem Acker außerhalb des Dorfes leiten. Ihr Pferd folgte ihr brav, obwohl Mal ihm keine Beachtung schenkte.

„Hier." Die alte Frau riss sich von einer anderen los, die ihr als Stütze gedient hatte. „Aber ich verstehe immer noch nicht."

Obwohl Mal gerne redete, ersparte sie sich dieses Mal eine Antwort. Stattdessen hob sie einfach ihre Hand und die Pflanzen begannen zu wachsen und zu gedeihen. Sie grub eine davon aus und hielt dann der alten Frau etwas in ihrer geöffneten Handfläche hin. Eine Kartoffel. „Das ist meine Gabe", erklärte sie.

Jetzt schien der Alten ein Licht aufzugehen. „Bei den Göttern", flüsterte sie heiser. Ihre Hand zitterte als sie die Kartoffel in Empfang nahm. „Ihr seid die Edelsteine. Ihr seid tatsächlich zurückgekommen, um unser Land zu retten. Ich habe es nicht glauben wollen, als ich die Gerüchte gehört habe. Man sagt, der König sei zurückgekommen, um die Edelsteine zu vereinen."

Sie blickte sich um. „Es heißt nicht umsonst, jedes Gerücht habe seinen wahren Kern."

Alyn schwang ein Bein über Turrims Hals und sprang ab. „Ich weiß nicht, wer dieses Gerücht in die Welt gesetzt hat, aber es ist vollständig wahr."

„Der König? Er ist hier?"

Alyn musste lächeln, als sie sich vorstellte, wie Senn heftig widersprechen würde. Ich bin kein König. Dazu fehlt mir die Krone, hätte er mit ziemlicher Sicherheit erwidert.

„Nein. Er muss eine andere Angelegenheit regeln. Gemeinsam mit dem weißen Edelstein. Aber er wird zurückkommen."

„Dann hat er alle Edelsteine gefunden. Bei den Göttern. Das Wunder ist eingetreten."

Alyn zog es vor zu schweigen. Sie wusste nicht, was die Frauen von einem schwarzen Edelstein halten würden.

„Ihr müsst unbedingt mit uns speisen", rief eine andere Frau aus. Sie war ebenfalls bereits älter und ihr Rücken krümmte sich vom jahrelangen Schleppen schwerer Last. Trotzdem strahlten ihre Augen inmitten ihres faltigen und runzligen Gesichts in einem klaren und ungebrochenen Blau.

Die Gefährten tauschten untereinander Blicke. „Essen klingt gut", meinte Sphen auf Skara.

Mal legte den Kopf schief. „Ich könnte noch Gemüse wachsen lassen. Andernfalls werden wir ablehnen müssen. Was sollen wir denn essen? Schaut euch die Leute an - keiner von ihnen hat auch nur ein bisschen Fleisch am Leib. Sie tragen alle eindeutig Hungererscheinungen." Sie schüttelte den Kopf. „Was sollen wir denn essen?", wiederholte sie.

Alyn wandte sich an die Frau. „Also schön. Aber nur wenn ihr meiner Freundin zeigt, welche Pflanzen sie noch wachsen lassen kann."

Später als das karge Mahl angerichtet war, griffen die Dorfbewohner gierig zu. Der Hunger hatte sie ihre Manieren vergessen lassen. Niemand hatte die Geduld gehabt, zu warten, bis die nährhafte Gemüsesuppe richtig heiß war. Stattdessen löffelten sie so schnell sie konnten und schluckten, ohne das nur grob geschnittene Gemüse überhaupt zu kauen.

„Senn hat einmal zu mir gesagt, dass Menschen, die richtig hungerten, langsam essen würden. Weil sie jeden Bissen genießen und ihr Magen auch nicht mehr aufnehmen kann", meinte Alyn mit Blick auf die ausgezehrten Gestalten.

„Sie essen wie die Tiere", meinte Lapislazuli.

Alyn nickte. „Es ist mitleiderregend."

„Nein", widersprach der blaue Edelstein. „Menschen sind auch nur Tiere. Wir sollten unsere Verwandtschaft offen zur Schau tragen und nicht versuchen mit allen Mitteln zu verbergen."

Sprachlos starrte Alyn auf die jüngere Frau. Dann schüttelte sie den Kopf und schwieg, so wie es ihre beiden übrigen Reisegefährten ebenfalls taten.

Mal schien müde zu sein. Sie war tief in ihren Stuhl zurückgesunken und ihr Teller war als einziger noch reichlich gefüllt. Alyn setzte sich neben sie. „Das war großartig", sagte sie.

„Das ist meine Gabe. Das ist nichts Besonderes."

„Niemand sonst könnte das tun."

„Ja, aber für mich ist es keine besondere Leistung. Würde ich die Leute auf einmal verstehen, dann wäre das eine besondere Leistung, aber warum sollte ich ein Lob entgegennehmen für etwas, das mir so leicht fällt, wie das Gehen oder Sprechen?

Alyn schwieg verdattert. Manchmal fragte sie sich, ob ihre Reisegefährten die seltsamen Menschen waren, oder ob nicht in Wahrheit sie diejenige war, die nicht der Norm entsprach. Dann starrte sie auf ihre Hosen und seufzte. Eigentlich sollte sie sich dazu zählen können, aber manchmal hatte sie einfach das Gefühl, die anderen Edelsteine nicht zu verstehen.

Sie vermisste Senn, der ein natürliches Gespür für sie alle besaß. Zumindest schien er zu jedem immer genau das Richtige zu sagen.

„Du brauchst dich nicht zu bemühen", sagte Mal unvermittelt.

„W-Wie?"

„Ich sagte, du brauchst dich nicht zu bemühen."

„Das habe ich verstanden. Aber was meinst du?"

„Niemand hat sich je die Mühe gemacht, mich zu verstehen", meinte Mal schulterzuckend. „Also brauchst du es auch nicht tun."

„Ich möchte es aber."

Jetzt stahl sich ein Lächeln auf das Gesicht der Königstochter. Sie schwieg jedoch und wandte sich ihrem Essen zu.

Alyn jedoch hing ihren Gedanken nach. Sie wusste nicht, wie sie es schaffen sollte, diese bunt zusammengewürfelte Gruppe an Menschen auf ein Schlachtfeld zu führen, um einen Krieg zu wenden. Allerdings gehörte sie nicht zu denjenigen, die sich durch eine nahezu aussichtslose Situation unterkriegen ließ. Ein Lächeln stahl sich auf ihre Lippen.

Eigentlich war heute doch ein schöner Tag. Sie hatten einem ganzen Dorf geholfen und das würden sie sicherlich auch in einem größeren Maßstab schaffen.

Sie waren so weit gekommen, da würden sie auch das letzte Hindernis überwinden.

Alyn drehte den Kopf zu einer der Dorfbewohnerinnen, die ihr ehrfürchtig eine Frage gestellt hatte. Nach nur kurzer Zeit hingen alle an ihren Lippen. So fiel ihr auch nicht auf, dass Lapislazuli die Kinder mit Wasserspielen am nahegelegenen Bach unterhielt, während Sphen mit stoischer Miene an einer Hauswand gelehnt stand und seine Klingen schärfte. Mal hingegen war zu den Pferden verschwunden. Inmitten der Reittiere saß sie auf dem Boden und zeichnete mit einem Stock etwas in den Sand.

Kurz warf sie einen sehnsüchtigen Blick auf die Menschengruppe, in deren Mitte Alyn sich hervorragend unterhielt. Dann schüttelte sie den Kopf und konzentrierte sich wieder auf die unfertige Gleichung auf dem Boden.


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