Kapitel 33

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Obwohl wir uns allmählich der Grenze zu Acerum näherten, war es weiterhin seltsam, nur noch zu dritt zu reisen. Ich bemerkte, wie Rosena mir ab und an unsichere Seitenblicke zuwarf, den Mund öffnete, sich dann doch auf die Lippe biss und schwieg.

Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und zügelte Farah, sodass sie direkt vor Isa stehen blieb. Rosena riss erschrocken die Augen auf und wirkte wie ein verschrecktes Reh.

„Was ist los?", fragte ich sie.

„Was sollte los sein?", fragte sie zurück, aber ihre Stimme zitterte leicht.

„Erklär du es mir."

Sie seufzte und sah zur Seite. Ich wartete ab und auch Wladi, der wie immer hinter der jungen Frau saß, schwieg.

„Du bist der Kronprinz", meinte sie schließlich.

„Möglicherweise", gab ich zu.

„Wenn wir diesen Krieg gewinnen sollten, dann wirst du gekrönt."

„Vielleicht. Aber vielleicht kann ich auch einfach in den Hintergrund treten. Du und die anderen - ihr als Edelsteine werdet diesen Krieg beenden und am Ende werdet ihr die Oberen vernichten. Ich hingegen werde nicht erwähnt werden. Es wird heißen, das Königsgeschlecht sei ausgestorben. Vielleicht könnt ihr so ein System, wie Erza inzwischen entwickelt hat, etablieren. Bloß ohne König."

„Und was ist mit Elisa und ihrer Familie? Sie wissen von dir."

„Ich werde sie bitten, darüber zu schweigen."

„Was, wenn das alles nicht funktioniert? Dann wirst du der wichtigste Mann im ganzen Land sein. Du wirst Scharen an Adeligen und Würdenträgern, reichen Händlern und Beratern anlocken und in deinem Palast leben. Wirst du dich dann überhaupt noch an uns erinnern?"

Erst jetzt verstand ich, was Rosena in Wahrheit beschäftigte. „Sollte es so weit kommen, dass ich vergesse, wem ich so vieles zu verdanken habe, dass ich euch und das einfache Volk vergesse, würde ich mich in keinster Weise von all den Tyrannen unterscheiden, die es auf dieser Welt gibt. Dann wäre ich verloren. Ich bitte dich um eines: Sollte es wirklich darauf hinauslaufen, sorge dafür, dass die Welt von einem derartigen Menschen befreit wird. Denn ich bin viel zu gefährlich, als dass man mir freie Hand lassen dürfte. Ich vertraue auf dich."

Rosena schluckte. „Das wollte ich nicht hören" gab sie zu.

Ich trieb Farah an. „Keine Sorge, es wird nicht passieren. Denn ich werde nach dem Krieg untertauchen."

Was die junge Frau antwortete, hörte ich nicht mehr.


Später am Abend schlug ich vor, Rast zu machen. Wir hatten sämtliche Dörfer gemieden, da ich keine unliebsamen Überraschungen wollte. Da nun Sphen nicht mehr bei uns war, hatte ich selbst ein paar Hasen gefangen und Wladi den Umgang mit Pfeil und Bogen gelernt.

Der Junge begriff schnell und stellte sich überaus geschickt an, sodass ich ihm erlaubt hatte, selbst für unser Essen zu sorgen.

Wladi ergriff bereits den Köcher, der an meiner Satteltasche befestigt war. „Warte", hielt ich ihn auf. Er erstarrte und drehte sich langsam um. „Pass auf, dass du niemandem begegnest und geh nicht zu weit weg. Wenn du keinen Hasen entdeckst oder ihn nicht triffst, komm zurück. Wir haben noch genug Proviant. Es wird bald zu dunkel, du verirrst dich sonst noch."

Wladi seufzte ergeben. „Ja, ich werde aufpassen."

Kaum war er verschwunden, setzte ich mich neben Rosena auf einen Baumstamm und beobachtete die Pferde beim Grasen.

Die junge Frau kicherte. „Du behandelst Wladi, als wäre er dein Sohn."

Ich runzelte die Stirn.

Sie lachte, ob meines Blickes. „Keine Sorge, das ist nichts Schlimmes. Ich finde es süß."

Mein Stirnrunzeln vertiefte sich.

„Dein Acerianisch ist ziemlich gut geworden", meinte Rosena schließlich ernster.

„Sofern ich keine Rede halten muss, wird es reichen", bestätigte ich.

„Das kann ja ich übernehmen."

Ich nickte und sie wurde rot vor Stolz. Es schien ihr gut zu tun, etwas besser zu können als alle anderen.

Als Wladi mindestens genauso stolz mit einem Hasen zurückkam, bereitete ich ein einfaches, aber sättigendes Mahl zu.

„Was werden die anderen jetzt wohl machen?", fragte Rosena.

„Ich vermute, sie sitzen in einem Gasthaus. Schließlich kann keiner von ihnen kochen."

„Meinst du, sie werden unerkannt bleiben?"

Ich zögerte einen Moment und dachte darüber nach. „Nein", meinte ich schließlich. „Unserem Land geht es so schlecht und Alyn wird nicht zusehen können, wie unschuldige Menschen vor ihrem Auge sterben."

„Was, wenn die Oberen sie abfangen?"

Damit sprach sie genau die eine Sache aus, die mir regelmäßig Albträume bescherte. „Ich hoffe, sie werden sich zu wehren wissen. Die letzten Edelsteine... meine Mutter... Ich denke, sie wurden überrascht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Oberen mächtiger sein sollten. Vielleicht wurden sie auch irgendwie erpresst. Möglicherweise haben sie Leute aus dem Volk als Geiseln genommen. Ich weiß es nicht. Vielleicht wird es auch nie jemand herausfinden, denn die Oberen haben darüber geschwiegen und sämtliche Angehörige der anderen Partei sind tot."

„Was ist mit dem Grafen?"

„Du kannst ihn ja fragen."

Sie verzog den Mund. „Willst du es nicht auch wissen?"

Ich zuckte mit den Schultern. „Vielleicht sollte man die Vergangenheit ruhen lassen."

„Aber dann können wir nicht aus unseren Fehlern lernen. Das sagst du doch immer."

Ich lächelte. „Du hast recht. Trotzdem solltest du ihn fragen."

Bevor Rosena antworten konnte, stand ich auf und löschte das Feuer. Ich wollte nicht, dass irgendjemand den Lichtschein sah. Die Nächte waren zwar immer noch recht kühl, aber nicht mehr so empfindlich kalt wie vor einigen Wochen. Der Frühling hatte endgültig die Herrschaft über Seyl ergriffen und den Winter für die nächsten Monate verdrängt.

„Die Zukunft birgt viele ‚Vielleichts'", stellte Rosena schließlich fest.

„Genau das macht sie ja so aufregend", erwiderte ich. „Nichts ist in Stein gemeißelt. Alles liegt in unserer Hand." Dann blickte ich auf Wladi, der erschöpft eingeschlafen war. „Übernimm du die erste Wache."

Rosena nickte. Ich hatte ihren Argumenten nachgegeben, als sie meinte, ich könne wohl kaum die nächsten Wochen ohne Schlaf auskommen und es sowieso unwahrscheinlich sei, dass wir auf Banditen oder feindliche Trupps träfen. Dieser Logik musste ich mich beugen und seitdem teilte ich sowohl sie als auch Wladi für den Wachdienst ein. Beide nahmen das mit Stolz zur Kenntnis und ignorierten dabei die Tatsache, dass ich weiterhin den größten Teil der Nacht übernahm.

Es fiel mir immer noch schwer, einzuschlafen und Rosena einfach zu vertrauen. Allerdings wusste ich, dass ich irgendwann damit beginnen musste, mich auf andere zu verlassen. Auch wenn ich die Hoffnung noch nicht aufgegeben hatte, irgendwie aus dieser Thronerben-Sache wieder herauszukommen, sollte ich trotzdem versuchen, mich mit dem Gedanken anzufreunden. Damit war eine Reihe von Bedingungen verknüpft, die ich nur schwer erfüllen können würde.

Ich drehte mich auf die Seite und betrachtete Rosenas Rückenansicht. Die junge Frau starrte aufmerksam in die Ferne. In der Hand hielt sie einen ihrer Stifte, die sie von Elisa bekommen hatte. Gedankenverloren spielte sie damit. Ihr Block war sicher in der Tasche verstaut, denn auch wenn keine Wolken den Mond und die Sterne verbargen, war es doch zu dunkel.

Schließlich schlief ich ein.

Irgendwann wachte ich wieder auf und löste Rosena ab. „Du hättest ruhig weiterschlafen können", flüsterte die junge Frau müde. „Ich hätte dich geweckt."

„Ich weiß", sagte ich nur.

Diese Worte tauschten wir nahezu jedes Mal aus. Sie schüttelte nur den Kopf und legte sich hin. Kurz darauf war sie eingeschlafen und ich lauschte ihren ruhigen Atemzügen.

Ich fühlte mich ausgeruht und erfrischt. Am liebsten wäre ich sofort weiter geritten, doch ich wusste, dass den Pferden die Pause gut tat und auch Rosena und Wladi sie dringend benötigten. Also blieb ich sitzen und horchte nach Gefahren, bis ich kurz vor der Morgendämmerung Wladi weckte, damit er die letzte Wache übernehmen konnte. Ihm zuliebe schloss ich die Augen, obwohl ich nicht mehr schlafen konnte.

Als wir schlussendlich wieder auf den Pferden saßen, war jeder guter Dinge. Bis wir uns einem Dorf näherten.

„Althorst", sagte ich.

„Du kennst den Ort?" Rosena blickte auf die Ansammlung an Gebäuden, deren Dächer teilweise noch mit Stroh abgedeckt waren. Im Hintergrund erhoben sich drohend die südlichen Ausläufer des Kardgebirges.

„Ich war noch nie zuvor hier. Es ist ziemlich abgelegen."

„Wieder diese seltsame Magie."

Ich zuckte mit den Schultern, während ich die alten, einfachen Häuser betrachtete.

„Sollten wir es nicht lieber meiden?", wollte Rosena wissen.

„Nein, es ist perfekt."

„Perfekt wofür?", fragte Wladi.

„Für unseren Probedurchlauf." Ich wandte meinen Blick zu Rosena. „Du wirst mich zu einer Frau machen."
Sie wurde bleich. „Eine Frau?", fragte sie mit brüchiger Stimme.

Ich nickte.

„Warum?"

„Weil alle Männer im Krieg sind. Die Menschen sind verzweifelt. Was werden sie denken, wenn ich auftauche? Mein Schicksal liegt in deiner Hand." Ich zwinkerte ihr zu und sie wurde noch blasser, sofern das überhaupt noch möglich war.

„Ich bin mir nicht sicher, ob ich das kann."

„Du schaffst das schon. Zudem wird schon nichts passieren. Das sind überwiegend Frauen und Kinder. Ich bin mir sicher, dass sie sich zu wehren wissen, aber ich bezweifle, dass sie mir gewachsen sind. Es sei denn, eine von ihnen hätte eine ausgezeichnete Kampfausbildung genossen."

Rosena seufzte. „Ich werde es versuchen."

„Ich werde deine Dienerin sein."

Wladi kicherte bei meinen Worten und es freute mich, dass der Junge sein Lachen noch nicht vollständig verloren hatte.

„Du wirst reden müssen. Ich denke, das ist am einfachsten. So musst du nicht auch noch dafür sorgen, dass meine Stimme weiblich klingt."

„Ich soll sprechen?", rief Rosena entgeistert aus. „Bist du dir sicher? Ich glaube, es wäre besser, wenn du redest." Sie senkte den Kopf.

„Falls nötig werde ich natürlich einspringen. Wladi ist zu alt, um als dein Sohn durchzugehen, aber er könnte dein jüngerer Bruder sein. Wir sind aus dem Westen gekommen, auf der Flucht vor dem Krieg und irren seitdem umher. Deshalb werden wir uns dem Dorf jetzt auch von links nähern. Ich habe keine Seele bemerkt, also wird uns hoffentlich niemand gerade beobachten."

„Bist du wirklich sicher, dass das notwendig ist?"

„Ja", entgegnete ich leicht ungehalten.

Sie seufzte und raffte sich. Das Unheimliche an der Magie der Edelsteine war, die vollkommene Lautlosigkeit, mit der sie geschaffen wurde. Ich hatte beobachtet, wie Lapislazuli die Arme dazu bewegte und Sphen unsichtbare Fäden mit seinen Fingern spann, aber Rosena tat nichts. Manchmal benutzte sie ihre Hand, als würde sie malen, aber dieses Mal stand sie einfach nur da und starrte mich an.

Erst als Wladi einen überraschten Schrei ausstieß, wusste ich, dass es funktioniert hatte. Ich betrachtete meine Arme, aber statt auf schlanke Frauenhände, starrte ich auf meine eigenen.

„Anscheinend wirkt er bei mir nicht", stellte ich fest.

„Wirklich? Du siehst aus wie eine Frau. Ich habe versucht, dir das Aussehen eines Dienstmädchens zu geben und dich auch zierlicher und kleiner zu machen. Für mich scheint es funktioniert zu haben."

„Wladi?"

Der Junge nickte. „Du bist eine Frau", sagte er. „Das ist unheimlich."

Statt einer Antwort trieb ich Farah an.

Bevor wir das Dorf erreichen, zögerte ich. „Ich werde mich hinter euch halten. Ihr beiden seid die Herrschaften. Wenn wir sagen, dass ihr so Schreckliches erlebt habt, dass ihr euch nicht mehr trennen wollt, wundert sich keiner, warum ich auf dem zweiten Pferd sitze, anstatt zu laufen."

Wladi schüttelte den Kopf. „Das ist verwirrend. Du redest sogar mit der Stimme einer Frau."

„Dann wird es funktionieren."

Wir passierten eine unfertige Mauer. Es schien, als hätte man angefangen sie zu bauen und wäre plötzlich unterbrochen worden. Vermutlich war der Krieg gekommen und die Männer, die die Kraft hatten, diese Steine zu schleppen, waren eingezogen worden. So führte die Mauer mit beklemmender Deutlichkeit vor Augen, wie schlecht es um unser Land stand.

Nur ein Weg führte ins Dorf hinein. Dieser war so steinig wie die ganze Gegend. Hier im Schatten des Gebirges, war Ackerbau kaum mehr zu finden. Die Bewohner finanzierten ihr Dasein durch Vieh. Nur war von diesem nicht viel zu sehen.

Überhaupt wirkte das Dorf recht verlassen. Niemand lief auf der Straße umher. Nicht einmal Geflügel oder streunende Katzen. Kein Hund bellte. Nur in der Luft kreischte ein Habicht.

„Wohnt hier überhaupt jemand?", fragte Rosena mit leiser Stimme.

Ich trieb Farah auf Höhe von Isa. Dann wies ich auf ein Fenster. Dahinter wurde mit rascher Bewegung eine Gardine vorgeschoben.

„Sie verstecken sich. Wir sind nahe der Grenze zu Acerum."

Rosena parierte Isa und ich tat es ihr nach. Farahs Ohren zuckten angespannt hin und her. „Ist da jemand?", rief Rosena mit zittriger Stimme.

Niemand antwortete. „Vielleicht sollten wir wieder gehen", schlug die junge Frau an mich gewandt vor.

„Du bestimmst", warnte ich sie leise.

Sie zögerte. Gerade als sie Isa wieder antreiben wollte, öffnete sich nun doch eine Tür. Ein blonder Kopf schob sich durch den Spalt. „Was wollt Ihr hier?"

Ich erkannte, wie schwer es Rosena fiel, laut zu sprechen. „W-wir sind auf der Flucht. Wir kommen aus dem Westen. Der Krieg – er hat mir und ... meinem Bruder alles genommen. Unsere Familie, unser Heim und unsere Freunde. Wir...", sie warf mir einen hilfesuchenden Blick zu und ich nickte kaum merklich. „Wir haben nichts mehr und wollen nur noch weg. Irgendwo neu anfangen. Wo wir sicher sind und unsere Erfahrungen verarbeiten können."

Die Miene der Frau hellte sich auf. Durch ihre Unsicherheit hatte Rosena unbeabsichtigt eine äußerst überzeugende Darstellung dargeboten. Die Frau kam nun hervor. „Der Krieg ist grausam. Auch wir haben viel verloren. Wir müssen hungern, aber noch viel schlimmer ist nicht zu wissen, wie es um unsere Männer und Söhne steht. Sei froh, dass dein Bruder noch zu jung ist, um eingezogen zu werden. Aber wer weiß, wie lange noch. Inzwischen verlangen sie nach Jünglingen, noch halbe Kinder ohne Bartwuchs und Flausen im Kopf. Und wozu? Um sie als Futter für die feindlichen Truppen zu verwenden. Vielleicht waren wir einmal begeistert. Vielleicht dachten wir, wir werden siegen. Aber wir waren Narren und nun ist unser Land zerstört und ebenso die Leben derer, die in ihm wohnen." Sie machte eine Pause, das Gesicht voller Gram. „Aber wer bin ich, mich nicht vorzustellen. Mein Name ist Susanne."

Rosena stellte sich und Wladi vor, dann zögerte sie. „Das ist... äh..."

„Ich bin Senna", stellte ich mich vor. „Ich begleite, die beiden jungen Herrschaften. Aber sagt – Ihr drückt Euch ungewöhnlich gewählt aus?"

Die Frau lachte bitter. „Das ist keine Überraschung. Auch ich stamme eigentlich aus dem Westen. Ich bin zwar nicht von Adel, doch genoss ich eine gute Erziehung. Aber der Krieg macht vor nichts und niemandem halt. Zuerst waren wir noch euphorisch, als Acerum behauptete, Hilfe zu schicken, um unser gebeuteltes Land zu unterstützen und dass die Kriegserklärung allein an die Oberen gerichtet war. Als wir dann die Soldaten sahen, verstanden die meisten, dass wir einer Lüge aufgesessen waren. Mein Bruder war ein Idealist. Er glaubte, die Soldaten wären gekommen, um die Oberen zu stürzen. Er war einer der Ersten, die starben. Meine Mutter, meine Schwestern und ich flohen. Mein Vater und meine übrigen Brüder blieben zurück, in der Hoffnung, unser Land zu retten."

Sie schüttelte den Kopf. „Eure Geschichte ist vermutlich nicht anders als die meine. Die Dorfbewohner hier haben uns alle aufgenommen. Inzwischen werden Stimmen laut, die uns vertreiben wollen. Anfangs gab es noch genug zu essen, dann aber haben die Oberen alles einsammeln lassen. Um unsere Soldaten zu ernähren. Dabei haben sie jedoch vergessen, dass auch die Zivilbevölkerung Essen braucht. Wir hungern alle. Wir essen alles, was uns zwischen die Finger kommt. Da alles Vieh beschlagnahmt wurde, verspeisten wir in unserer Verzweiflung die Hunde, Katzen und schließlich auch die Ratten."

Inzwischen waren weitere Frauen hervorgekommen. Dürre Haut spannte sich über die Knochen, während sie uns aus tiefliegenden Augen anstarrten.

„Ihr habt Pferde", meinte die eine. „Ihr dürft gerne bleiben. Die zwei Rösser könnten uns satt machen."

Farah tänzelte unruhig auf und ab, als hätte sie die Worte verstanden.

„Warum jagt ihr kein Wild?", fragte Rosena, die sich sichtlich unwohl bei dem Gedanken fühlte, Isa zu schlachten.

„Ab und an geht uns ein mageres Karnickel in die Falle", erklärte Susanne. „Aber wir sind Frauen. Keine von uns hat das Jagdhandwerk erlernt. Peri, der Sohn des Tischlers hat es geschafft, einen einigermaßen brauchbaren Bogen zu fertigen, denn alle Waffen wurden beschlagnahmt. Sogar die Mistgabeln nahmen sie mit. Außerdem gehört das Wild den Oberen, die Dorfbewohner durften sich nicht daran vergreifen. Ach, was sag ich, sie dürfen es immer noch nicht. Aber inzwischen ist uns das egal."

Fast hätte ich mich angeboten, in den Wald zu gehen, denn auch ich wollte unsere Pferde auf keinem Teller sehen. Dann jedoch wurde mir bewusst, dass ich nur Misstrauen geweckt hätte. Schließlich gab ich mich als Frau aus. So warf ich Wladi einen vielsagenden Blick zu. Der Junge bemerkte es und schwang sich von Isa. Klugerweise schwieg er, nahm sich nur den Köcher und verschwand mit umgeschnallten Bogen aus dem Dorf.

„Mein... Bruder ist ein guter Jäger. Vielleicht kann er etwas aufspüren", erklärte Rosena, während ich mich bemühte, nicht allzu frustriert dreinzublicken. Dann jedoch begann ich mich zu fragen, ob das einen Unterschied gemacht hätte. Konnte Rosena auch meine Mimik kontrollieren? Wie schaffte sie es, die weiblichen Gesichtszüge an meine Ausdrücke anzupassen? Ihre Gabe war mir nach wie vor ein Rätsel.

Ich starrte Wladi nach. Rosena schwang sich von Isa. „Er wird etwas finden", sagte sie mit Zuversicht.

Susanne schüttelte den Kopf. „Hoffen wir's. Andernfalls werden wir wohl über euch herfallen."

Rosena lachte unsicher, aber ich war mir nicht so sicher, ob es sich um einen Scherz handelte.


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