* Kapitel 10 *

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Licht fiel durch eins der Glasfenster und Veras Augenlied zuckte. Die Sonne war bereits aufgegangen, was bedeutete ein neuer Tag im endlosen Trott der Diener war angebrochen. Ihr warmes Yackfell rutschte von ihrem Oberkörper als sie sich mechanisch aufsetzte.

Das aus Häuten genähte und mit Federn befüllte Gebilde unter ihr sank unter ihrem Gewicht ein. Noch nie in ihrem Leben hatte Vera auf etwas anderem geschlafen als bloßen Fellen. Zusammengekauert mit den Familienmitgliedern, um sich zu wärmen.

Hier im Palast hatte sie ihr eigenes Bett, eine „Matratze", so hieß das seltsame Gebilde und teilte sich den Raum nur mit drei weiteren Frauen. Das Zimmer, um sie herum schlief noch, doch das Eis der Wände trug ihr hektische Schritte hunderter Diener zu, die bereits wach waren.

Sah man von der Tatsache ab, dass sie Leibeigene Zukunftslose Gefangene waren, waren einige Dinge am Dienerdasein eine wirkliche Verbesserung zu ihrem vorherigen Stand als Bürgerin.

Eine davon Ciara, die ihr Bestes gegeben hatte ihr beim Einleben zu helfen.

Wenn sie sich denn hätte einleben wollen.

Die täglichen Gespräche mit Ciara und ihrem Bruder, der immer häufiger versuchte sie alleine zu erwischen und sie an Heron erinnerte, waren zwar Lichtblicke, doch Vera versank.

Und sie wusste es.

Sie tat es ganz bewusst. Gab sich dem Sog hin.

Sie hatte aufgegeben.

Gedankenverloren band sie ihre Haare mit dem Lederstreifen zu einem hohen Knoten auf dem Apex ihres Kopfes. Nicht ihr üblicher geflochtener Zopf, der ihr bis auf die Taille hing. Hier hatten die Diener eine vorgeschriebene Frisur und Kleidung, weiß-grau verstand sich, um noch mehr mit der Umgebung zu verschmelzen. Diener sollten nicht gesehen werden. Das war gut.

Unsichtbar sein konnte sie.

Vera trat in den Gang, schob das Fell über die Türöffnung und begann ihren Tag.

Zuerst die Jagdbeute auftauen und für das erste Mahl der Wächter zubereiten.

Sie trat die Treppen zur Küche hinauf.

Die Gänge und Gemächer der Diener befanden sich drei Stockwerke unterhalb des Schlosses und waren dem Stein abgerungen. In den untersten Quartieren schliefen die Wächter, da diese von den warmen Strömen in den Wänden natürlich beheizt wurden. An guten Tagen spürte man es in Veras Zimmer im Boden, wie die Wärme aufstieg und die Füße ein wenig wärmte. Wie die Eiswände darum herum noch stehen konnten, wäre ein Wunder gewesen, hätte Vera nicht die kleine Gestallt im dritten Thron aus dem Gerichtsaal gesehen.

Die Gerüchte waren wahr und das spürte und wusste hier jeder. Die Macht der Prinzessin allein war der Grund davor, dass dieses Schloss noch stand.

Gewundene Treppen führten in schier endlosen Spiralen in die Höhe. Veras Kopf schwirrte noch immer jedes Mal, wenn sie die Stufen zur Küche hinauftrat. Monde waren vergangen, doch daran hatte sie sich nie gewöhnen können.

Sie betrat den geschäftigen Raum, zwängte sich am Yackfell und mit Töpfen und Messern beladenen Köchinnen vorbei an ihren Arbeitsplatz. Jeder war mit sich beschäftigt, hatte ein Aufgabe und einen Platz. Niemand beachtete sie. Zumindest die Blicke hatten aufgehört, zumindest nachdem Hain eines Nachmittags beim Zwischenmahl verkündet hatte, dass sie nicht in der Küche zum Berserker werden würde. Nur vor den Obrigkeiten. Hatte er betont und damit ein paar Schmunzler und hochgezogene Lippen seiner Arbeiter geerntet.

Er wusste schließlich nicht, dass sie dem Töten von Menschen grundsätzlich abgeschworen hatte und auch nicht dumm genug war den König anzugreifen.

Jagen ließ man sie trotzdem nicht. Doch das machte nichts, schließlich würde sie sich nie wieder einen Vogel selbst erjagen müssen, da war es nicht schlimm, wenn sie aus mangelnder Übung nicht mehr hätte treffen können.

Mit einem gezielten Hieb zerteilte sie das Fleisch vor ihr in kleine Stücke. Es war halb angefroren, doch das machte nichts. Mit ein bisschen Kraftaufwand war das schnell überspielt. Außerdem konnte man sie präziser arbeiten.

Hain trat in die Küche, wie er es jeden Morgen tat und nahm sich seine Ration.

Er sah zu ihrem Platz und nickte ihr zu. Sie bemerkte, wie ihr die Schläge leichter fielen und ihre Gedanken angenehm frei wurden.

Vera nickte zurück, dann war er schon wieder verschwunden und ging seinen Pflichten nach, wie es jeder hier tat.

Die schönsten Momente verbrachte sie mit Ciara und ihm. Gestohlene Augenblicke. Auch wenn er und diesem Punkt erinnerte er sie jedes Mal schmerzlich an Heron, häufig seiner Kritik an der Königfamilie jede Zufriedenheit zu Nichte machen konnte.

Leere Gedanken, ein voller Magen, Gespräche mit Menschen, die keine Aufgabe von ihr erledigt haben wollten und genug zu tun um die Zeit des Tages zu füllen. Für ihre Familie sorgte sie nebenbei auch noch.

War das was es hieß frei zu sein? Frei von der ständigen Verantwortung und den Sorgen?

Hain hätte gelacht, wenn er ihre Gedanken gehört hätte.

„Man ist hier nie frei", hatte er eines Abends nach ein paar zu starken Gläsern an Eiswein gemurmelt und war mit grimmigem Gesicht seiner Wege gegangen.

„Vera, die Herrschaften sind aufgestanden", rief Mi die oberste Garderobiere durch die Küche.

Richtig, sie musste los.

Nachdem die bis dato für die Zimmer der Wächter zuständig gewesen war, hatte man ihr nun als Vertrauensprobe zum ersten Mal das Zimmer einer der Königlichen zugeteilt. Als würde das einen Unterschied machen. Eine Schlafstätte war eine Schlafstätte, unabhängig davon wer darin schlief.

Sie legte ihr bearbeitetes Fleisch in die Schüssel zu den anderen Materialien, die die anderen Küchenhelfer schnitten, legte die Hände kurz in das Kochende Wasser über dem Feuer und trocknete sie sich anschließend an der Schürze ab.

Sie öffnete die Schleifen und hängte die Schürze an ihren Harken. Die Bänder schleiften über ihre Kleidung. Sie war weit von maßgeschneidert entfernt und ihr eigentlich zu klein, aber etwas Besseres war nicht auf Vorrat gewesen. Bald würde sie das Loch an der linken Schulter noch einmal stopfen müssen, doch für jetzt musste es genügen. Hastig strich sie die Rockfalten glatt und begab sich schnellen Schrittes auf den Weg in die Türme der Königsgemächer. Mit ihr huschten mehrere Gestallten in weiß-grau an den Wänden aus Eis vorbei. Ihre Knoten wippten im Gleichtakt, schwarze Haare und leere Augen, die zu einem eintönigen glanzlosen Braun verschwammen. Ohne jeden Ausdruck, ohne jedes Funkeln, jede junge Frau nicht mehr als ein Schatten ihrer Selbst.

Hier sprach niemand laut und gelacht wurde nur unter der Erde, in den Gängen, die nur ihnen gehörten. Sobald man den Eispalast betrat, setzte man eine unerschütterliche Maske auf, völlig ausdruckslos.

„Lass sie nie sehen, was du denkst", Ciaras erste Lektion.

„Lass deine Taten für dich sprechen. Gedanken sind nur Gedanken. Taten sind Realität", Hains oberste Regel und der Grund für seine gute Position.

Vera atmete aus und betrat das oberste Turmzimmer des Ostflügels, wie ihr zugetragen wurde.

Die Dienerin vor ihr hatte bereits die alten Felle zum Waschen entsorgt, eine zweite legte gerade neue hin.

Das junge Mädchen, mit der Haut wie Porzellan nickte ihr nach getaner Arbeit flüchtig zu und verschwand schnellen Schrittes aus dem Raum.

Vera nahm die Felle auf und legte das dünnste davon auf die Matratze, nachdem sie diese ausgeklopft und von herausstechenden Federkielen befreit hatte. Energisch strich sie die Ecken glatt. Wessen Zimmer dies war wusste sie nicht, wessen Bett sie folglich gerade machte, auch nicht. Sowohl ihr als auch der Person, die heute Nacht in diesem Bett schlafen würde war das egal.

Ein dickes Fell zum Zudecken und eins, dass mit Lederriemen zu einer zusätzlichen Rolle gebunden und unter das Kissen gelegt wurde. Sichere gezielte Handgriffe verrichteten die simple Arbeit. Schnell und effizient, man hatte sie gut eingelernt.

Erst als die Arbeit getan war, gestattete sich Vera einen kurzen Blick in den Raum.

Maßlos, das gesamte Zimmer war maßlos.

Von der Decke hingen kristallene Halter für kleine Kerzen. Und die Möbel waren nicht aus Stein, sondern aus Holz, tatsächlichem Holz, wie es nur von der Insel Rejik her importiert sein konnte. Sonst wuchsen in ganz Musashia keine Pflanzen, die die Größe von Bäumen erreicht hätten. Auf der Insel der Sternengeister und der der verloren Seelen vielleicht, aber von dort kam nie jemand zurück, der hätte erzählen können.

Sie strich über den kleinen Beistellstich mit verschnörkelten Mustern neben dem Bett. Das Material fühle sich glatt und weich, teuer, unbezahlbar im Grunde. Alt und jung zu gleich, tot und gleichzeitig noch irgendwie lebendig, als wäre noch ein Restleben der Pflanze darin, ein Rest wärme.

Aud dem kleinen Tisch lag ein Gegenstand, den Vera noch nie gesehen hatte. Leder in einer eckigen Form mit mehreren dünneren Lederblättern darin. Außen war es mit rot und blau Tönen eingefärbt, wie man die blaue Farbe erzeugt hatte konnte Vera sich nicht erklären. Es war ihr unmöglich sich zu beherrschen, sie musste dieses Novum berühren, vielleicht verriet es ihr dann seinen Zweck.

Die Prägung bildete Wulste im Leder und zusammen mit seiner Farbe war der Gegenstand einfach wunderschön, ganz unabhängig davon ob und zu was er nutzte. Vera hob ihn auf, nahm ihn in beide Hände.

„Das ist ein Buch", ertönte eine schwache Stimme hinter ihr, aber mit so viel Selbstsicherheit, dass sie gebieterisch klang.

Vera schnellte herum, ging in Kauerstellung, hob die Fäuste und ließ dabei das „Buch" fallen. Es schlug dumpf auf den Boden auf. Die Luft im Raum wurde zu wenig. Sie kannte diese Stimme, auch wenn sie sie bisher nur einmal gehört hatte, im Gerichtssaal.

„Es tut mir Leid, erschreck dich nicht. Ich sollte noch nicht hier sein, das konntest du nicht wissen. DU hast nichts falsch gemacht."

Vor ihr stand niemand geringeres als die knochige Gestallt der Prinzessin, die stehend noch zierlicher wirkte als in ihrem riesigen Thron. Dennoch hatte die junge Frau etwas an sich, dass sie Raum einnehmen ließ.

Sie entschuldigte sich bei ihr? Vera stand in ihrem Zimmer, betastete ihre Sachen. Vera war die Person, die sich hätte entschuldigen müssen, doch sie sagte nichts, wartete ab, wie es gute Jäger taten.

„Ich bin früher vom Essen hochgekommen. Niemand hat etwas bemerkt oder gesagt."

Vera stutzte. Die mächtigste Person stand vom Tisch auf und niemand kommentierte oder nahm es überhaupt zur Kenntnis?

„Sind sie blind?"

Die Prinzessin lachte. „Es ist wirklich bemerkenswert, wie blind Menschen sein können, wenn sie es wollen."

Vera legte den Kopf schief. Seriolia zuckte mit den Schultern.

„Ich schätze es ist ihnen einfach egal. Ich, bin ihnen egal, wenn sie nicht gerade Angst vor mir haben."

Ihre blanke Ehrlichkeit und scharfe Auffassungsgabe machten das Unmögliche möglich. Mit diesen wenigen Sätzen hatte sich die Prinzessin Vera sympathisch gemacht, aber sie wirkte sehr einsam.

Vera hob den Gegenstand auf und reichte ihn ihr.

„Das ist deins. Ich hätte es nicht anfassen dürfen."

Die Prinzessin schnaubte nur.

„Ach daran liegt mir nichts, es steht sowieso nichts darin, dass mir hilft."

„Wonach suchst du?"

„Antworten", kam die schnelle Erwiderung. Sie war nichts sagend und allumfassend zugleich und Vera bekam das Gefühl, dass sie wahre Macht der Prinzessin mehr als das Eis. Vielleicht sogar etwas ganz Anderes.

Eins stand fest. Sie war mit Sicherheit nicht nur ein Gefäß ihrer Kräfte.

„Du kannst es dir leihen, wenn du magst. Es ist nur eine Abschrift. Die Geschichte der Eislande steht drin." Sie deutete auf den Gegenstand.

„Ich", es war der Jägerin in Dienerkluft sehr unangenehm es zuzugeben, aber Ehrlichkeit verdiente Ehrlichkeit.

„Ich weiß nicht, wie man es benutzt. Ich kann nicht wirklich lesen."

In der Eiswüste war nicht viel mehr nötig als ein Handschlag und das Wort eines Menschen, um zu handeln, dort zählten Fähigkeiten, wie die Geschicklichkeit mit Waffen, nicht mit der Feder.

Der Blick ihres Gegenübers wurde weich. Veras Herz wurde hart, sie hasste Mitleid, schon gar nicht für etwas unwichtiges. Es war nie ein Nachteil gewesen, dass sie nicht viel mehr als die Namen ihrer Familienmitglieder lesen und schreiben konnte, das hatte Knut ihr beigebracht. Sie würde nicht zulassen, dass es jetzt eine Schwäche wurde.

„Du bist die, die Matt umgebracht hat."

Mörderin, das war nicht der Titel, mit dem sie angesprochen werden wollte.

„Ich bin Vera."

Sie hielt ihr weiterhin das Buch hin, auf dass die Prinzessin es endlich nahm und sie wieder verschwinden konnte. Nach diesem Fiasko auch noch zu spät in die Färberei zu kommen wäre unzumutbar. Die einzige Tätigkeit, die ihr tatsächlich gefiel und sie würde wegen tadeligem Verhalten davon ausgeschlossen werden.

Doch die Prinzessin nahm das Buch nicht.

Stattdessen drehte sie nicht zur Seite und machte den Weg frei.

„Ich bin Lia. Du kannst es behalten, gib es mir zurück, wenn du es leid bist auf die Seiten zu starren, ohne sie zu verstehen oder komm vorbei und ich bringe dir bei es zu lesen, wie du magst."

Vera klappte der Mund auf und zu. Die Lia war nicht nur ehrlich, sondern auch noch dreist. Ein gewisses Maß an Dreistigkeit war jedoch manchmal hilfreich, um zu ihr durchzudringen. Im Gegenzug warf man es ihr häufig vor zu direkt zu sein. Zumindest hatte die feinfühlige Zuna das getan.

Vera lächelte nur mit dem rechten Mundwinkel und entspannte zum ersten Mal seit Beginn des Gesprächs. Sie mochte die Frau vor sich, sie hatte Nerven nach Veras Geschmack.

„Danke, Prinzessin."

„Bitte, einfach Lia, reicht vollkommen aus."

Vera ließ das Buch sinken und legte es in ihre Armbeuge. Sie drückte die Kostbarkeit an ihren Körper.

„Dann, danke Lia."

Ihr Gegenüber lächelte auch und ließ die Schultern etwas sinken. Sie ging zu ihrem Bett, an Vera vorbei und setzte sich darauf. Das lange Stehen schien sie anzustrengen. Obwohl sie streng genommen nur im Durchgang gelehnt hatte.

Was musste geschehen, um einen Körper derartig auszulaugen, den Geist, aber wach zu lassen?

Vera überlief ein Schauder. Die Sternengeister verfolgten seltsame Wege.

„Du findest mich die meiste Zeit hier, wenn du so weit bist. Ich gehe nicht viel raus." Sie drehte sich nicht um, als sie es aussprach. Eine dezente Anspielung, wenn man bedachte, dass die Prinzessin, wenn man den Erzählungen oder besser gesagt dem Mangel daran, Glauben schenkte, noch nie das Schloss verlassen hatte. Doch allmählich wurde Vera klar, dass die Frau vielleicht keine Gefangene des Systems war, sondern vielmehr ihres eigenen Körpers.

Wie weit mochten einen Beine so dünn wie ihre schon tragen?

Was hielten Schultern, mit herausstechenden Knochen schon aus? Das Gewicht der Welt allem Anschein nach, so schwer, wie sie nach unten sackten.

„Also dann, du hast mit Sicherheit Dinge zu tun." Eine Entlassung, aber gleichzeitig eine weitere Wahrheit.

Vera nickte, mehr Verabschiedung wusste sie nicht zu sagen, denn sie wusste nicht, ob sie wieder kommen würde, auch wenn Lia sich sehr sicher schien.


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