* Kapitel 9 *

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Die Königin blickte sie unverhohlen grimmig an. Die Prinzessin schien zufrieden und der König war unbeteiligt.

Ihm war diese Entscheidung egal, wer war sie schon für ihn. Ein Niemand.

Ein Niemand, der ihn von nun an bedienen würde.

Seth schien, als wollte er am liebsten Galle spucken und Vera starrte nur auf ihre Hände. Drehte sie von links nach rechts, immer in der Erwartung die Zeichnungen würden verschwinden, wenn sie nur einen Moment nicht hinsah. Bei jedem Blinzeln erwartete sie blanke Haut und wurde stattdessen von dunkelrot schimmernden Linien begrüßt.

Die Farbe würde nach und nach matter werden, bis die Berge auf ihren Händen so dunkel-grau waren, wie deren Originale mehrere Tagesmärsche entfernt.

Berge, die sie nie wieder sehen würde. Diener verließen nur selten das Schloss. Für Botengänge gab es die jungen Laufburschen, die Anwärter der Wächter und für wichtigere Aufgaben, die Wächter selbst. Ihre Gedanken und Gefühle konnten ihr noch nicht in diese unwirkliche Situation folgen. Vera fühlte sich taub.

„Bring sie mir aus den Augen." Die Königin winkte mit einer Hand. Wischte den Schmutz vor ihren Augen weg. Offensichtlich hatte sie genug von Vera und der Farce ihre Verurteilung. Die Königin war eine Frau, die daran gewöhnt war, dass alles so lief wie sie das wollte, erwartete und plante, dass eine Mörderin nicht starb, passte da nicht ins Bild und musste umgehend übertüncht werden.

„Natürlich meine Königin." Seth verneigte sich tief, griff Veras Hände und zog sie weg.

Auf dem Weg durch die eisigen Gänge wurde ihnen Platz gemacht. Zum Teil war es vermutlich Seths grimmiger und zum anderen Teil Veras mörderischer Blick Schuld.

„Ich habe keine Ahnung, wie du das gemacht hast, aber sei versichert, dein Hals ist noch nicht gerettet, wenn ich dich mal allein erwische", zischte Seth ihr zu. Eine Dienerin mehr oder weniger würde niemanden interessieren, das machte er damit sehr deutlich. Derzeit war sie sich noch nicht sicher, ob das hier besser war als der Tod. Den Monstern auf dem Thron dienen. Wie ein unterwürfiger unsichtbarer Hund? Wenn ein Diener verschwand war es mit Sicherheit allen egal.

Im absoluten Bauch des Schlosses traten sie in einen großen Raum, in dem es nur so von geschäftigem Treiben wimmelte. So viele Menschen auf einmal kannte Vera nicht. Innerhalb dieser Wände hätte die gesamte Bevölkerung ihres Dorfes Platz gehabt. Plus die Leute aus den Bergen.

Jeder schien eine eigene Aufgabe zu verfolgen. Alles bewegte sich, wie die wogenden Wellen des Meeres. Ein perfekt geordnetes Chaos.

Von der Decke baumelten Häute und Fleischstücke wurden über kleineren kontrollierten Feuern geräuchert. In die Wände waren Aussparungen für Ablagen geschlagen worden, auf welchen Töpfe, Schüsseln und Pfannen aus Stein standen. Hinter durchsichtigen Eisstücken konnte Vera Flecken von gefrorenem Fleisch vermuten. Vorräte. Fünf Frauen waren damit beschäftigt Steintafeln, die die Form von Tellern aufwiesen zu schrubben. Ihre Hände waren bereits rot und aufgeweicht vom kochenden Wasser, mit dem sie arbeiteten.

Vera stand mitten in der Küche.

„Hier, eine neue für euch. Frisch vom Sternengericht. Eine Mörderin". Seth streute diese Information mit Sichereit bewusst, das war ihr klar.

Man hörte erschrecktes Keuchen aus einigen Ecken der Küche. Vera konnte jedoch auch das eine oder andere versteckte Grinsen entdecken und manche versuchten nicht einmal es zu verstecken.

Seth stieß sie in den Raum voller Menschen und machte auf dem Absatz kehrt. Mit Sicherheit war er froh, dass das Kapitel Vera für ihn nun beendet war. Nun konnte er in Ruhe trauern. Feuerrauch gemischt mit Wasserdampf vernebelte ihr die Sicht und machte es unmöglich alle Gesichter zu erkennen. Sie hustete leicht benommen. Eins war jedoch klar.

Alle versuchten ebenfalls ihr Gesicht zu erkennen. Alle anwesenden Diener des Schlosses starrten sie an.

„Hallo", sprach sie in den chaotischen Raum hinein ohne sich tatsächlich an jemanden zu richten. Diese Menschen hatten ihr nichts getan. Sie waren wie sie. Aus allen Winkeln des Landes. Unterlegende Spielfiguren der Obrigkeiten. Mit ihnen konnte sie auch freundlich sein.

Eine Frau, die die Mitte ihres Lebens bereits überschritten hatte, trat auf sie zu. Falten zierten die Ränder ihrer Augen, ihr schwarzes Haar hatte sie mit einem Tuch zurückgebunden und über ihre unscheinbare Kleidung hing eine Schürze.

„Keine Sorge ich tu dir nichts Kleines." Ein Schnauben entschwand Veras Lippen, über die Ironie, wenn hier jemand fähig war etwas zu tun, dann war sie das. Die Frau ließ sich nicht beirren.

„Wie heißt du?"

„Vera", Veralia zögerte ihr mehr zu sagen, doch sie wurde nur geduldig und abwartend angesehen. Die Frage war offensichtlich damit nicht zu genüge beantwortet.

„Vera Ristossorio." Ihren gesamten Vornamen würde sie nicht aussprechen, denn ihr war mehr als bewusst, dass man sie nur zum Teil, wegen ihres Mordes anstarrte. Zum Großteil starrten, diese abergläubischen Irren wegen ihrer Haare.

Unwirsch, versuchte Vera sie in ihrer Kleidung zu verstecken.

„Lass Mädchen. Das ist hier unten egal."

Vera glaubte, dass Alte das so sah, jedoch konnte sie nicht für den Rest der Dienerschaft sprechen. Die Frau sah ihre Zweifel.

„Hier in meiner Küche zumindest." Ein sicherer Ton, der fast, wie ein Befehl klang. Das weckte Veras Interesse. Vor ihr stand nicht einfach nur eine ältere Dame, sondern die Küchenchefin. Erst jetzt bemerkte sie, wie die anderen Diener einen respektvollen Schritt zurück traten, während die Frau sie durch den Raum führte.

Mit rauen Arbeiterhänden, die jedoch noch immer Wärme ausstrahlten, griff sie nach Veras kalten Fingern und drückte beruhigend zu. So skeptisch das Mädchen mit den Augen des Meeres auch sein wollte, sie konnte nicht anders als die Köchin ins Herz zu schließen. Freundlichkeit an einem Ort der Ungerechtigkeit zu bewahren war eine Kunst und dafür allein gebührte der Dame Respekt.

„Ciara?", ein Mädchen in etwa im Alter ihrer nächsten Schwester drückte sich durch die Herumstehenden. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und neigte knapp den Kopf vor der Älteren.

„Ja, Zue?" Ihre dünnen Haare hingen in einem zerzausten Zopf über ihre senige Schulter. Mehrere Enden stachen zu allen Seiten hinaus.

„Du wirst unseren Neuzugang herumführen."

„Natürlich, Zue." Sie verneigte sich erneut knapp und griff nach Veras Händen, doch Vera entriss sie ihr.

„Ich kann alleine gehen", als sie den verletzten und leicht schockierten Blick des Mädchens sah ergänzte sie ein beschwichtigendes „bitte."

Ihr Gegenüber nickte knapp und bemühte sich ihr zuzulächeln, auch wenn klar war, dass sie sich noch nicht schlüssig war, was sie von Vera halte sollte.

Verdenken konnte man es ihr nicht.

„Zue ist für die Küche zuständig und Bree koordiniert die Zimmermädchen und Garderobieren." Eine Frau etwas jünger als die Köchin, aber dennoch etwa im Alter ihrer Mutter, nickte ihnen zu. Ihr Gesicht wirkte streng. Ihre Kleidung schien ordentlicher zu sein als die der Küchendiener. Keine Schürze umspannte und verdeckte gleichzeitig ihren Körper. Sie war jemand, der von den Herrschern auch angesehen wurde und nicht in den Schatten des Schlosses versank. Vera machte sich eine innerliche Notiz sich mit dieser Frau gut zu stellen. Sie schien einen gewissen Spielraum innerhalb der gesetzten Grenzen des Dienerdaseins zu besitzen.

„Und das ist mein Bruder Hain. Er leitet die Handwerker."

Das Mädchen blieb neben einem jungen Mann stehen. Nervös wischte sie sich die Hände an der Schürze ab. Mit Sicherheit hatte sie besseres zu tun als die Neue herumzuführen. Ihre Hände sehnten sich danach, wieder ihre Arbeit aufzunehmen.

Vera sah zu der großen Person vor ihr auf und konnte nicht anders als zugeben, dass er viele markante Züge aufwies, die ihr gefielen. In ihrem Dorf hatte es niemanden gegeben, dessen Gesicht nicht mindestens von einem Flaum bedeckt war. Sobald sich ein Bartwuchs zeigte, war man ein Mann, durfte mit auf die Jagt und wurde mit mehr Respekt behandelt. Jeder Mann, den sie kannte ließ ihn wachsen. Ein Bart half gegen die Kälte, aber es ließ das Gesicht aussehen, wie das eines Bären.

Hain trug keinen Bart.

Er Hatte glatte Haut, hohe Wangenknochen und einen spitzen Zug um den Mund, der List verriet. Seine klaren hellen Augen blitzen vor Raffinesse. Seine schwarzen Haare trug er kurz.

Im Gegensatz zu den beiden älteren Frauen, Zue und Bree, schien er noch viel zu jung, um einen so wichtigen Posten innezuhaben. Älter als sie, aber nicht um viele Monde.

„Eine Mörderin also. Wen hast du getötet?" Während er sprach neigte er den Kopf, wie ein Greifvogel und beugte sich leicht zu ihr hinunter. Seine direkte Art überraschte sie noch mehr als seine Attraktivität. Niemand anderes hätte es gewagt so mit ihr zu sprechen. Doch seine Frage schien interessiert, fast schon spielerisch. Es reizte sie diesen Mann zu necken und ein wenig hinzuhalten, auch wenn ein Mord nichts war, über das man Scherze machte.

„Das wird dir der Wind zuflüstern, wenn ich schon wieder weg bin", denn sie würde die Abwesenheit der Wächter ausnutzen. Diese Unachtsamkeit war ihr Schlüssel in die Freiheit. Sie würde ihre Familie wiedersehen und diese ganze Geschichte würde in Vergessenheit geraten.

Hains Augen blitzten, wie die eines Falken und er trat einen Schritt näher, doch Ciara schien nicht amüsiert.

„Hey, Vera. Jetzt hör mir mal genau zu." Ciara griff simultan ihre Hand und die Muster verschwammen unter dem festen Griff ihrer dünnen Finger.

„Es gibt genau drei Arten, wie du dieses Schloss wieder verlassen kannst und keine davon ist gut. Den Ort hier verlässt man entweder tot, verbannt, mit zwei Wächtern im Schlepptau, die dich zur Insel bringen oder vogelfrei, was ziemlich schnell zu tot werden wird und dem somit im Grunde gleichkommt."

Falls sie ihre Berge wiedersehen würde, dann nur auf der Reise zur Insel der verlorenen Seelen. Schlimmer als der Tod war nur das Urteil der Verdammung. Den Alten Schauergeschichten zur Folge konnte man auf der Insel der verlorenen Seelen, die von allen nur „die Insel" genannt wurde noch die klagenden Stimmen derer finden, die dort elendig zu Grunde gegangen waren und nun auf ewig als ruhelose Seele durch die kargte Landschaft schweiften. Auf die Insel wurden Menschen geschickt für, die der Tod zu einfach war.

Verräter, Serienmörder und Verrückte.

Beim Gedanken daran schluckte Vera Galle hinunter. Sie würde keinen Tag auf der Insel überleben, aber dieses Schloss konnte sie überleben.

„Mich würde man nicht kriegen. Das Eis ist mein Verbündeter", dennoch der Gedanke an Freiheit saß tief. Vera wusste, dass sie die Wahrheit sprach und gleichzeitig log. Das Eis würde ihr helfen und vermutlich würde man sie nicht fangen, aber was war dann? Ihr Fehlen würde bemerkt werden und der erste Gang wäre natürlich der zu ihrer Familie. Sie bezahlte immer noch eine Schuld. Eine Schuld, die sich keiner aus ihrem Dorf oder ihrer Adoptivverwandtschaft leisten konnte. Sie nütze denen, die sie liebte am meisten, wenn sie blieb. Freiheit war nichts, wenn sie zum Preis vom Leid Unschuldiger kam.

Erkenntnis rollte über sie, wie ein grollender Schneesturm.

Und mit dem Erkennen kam die Hoffnungslosigkeit.


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