KAPITEL 11 - VIVIANNE (1)

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DAS SCHLOSS VON ISMATHIEL, IN DEN EHRENWERTEN HALLEN DER GILDE DER MAGIER

Seit ihrer Vision von der Rückkehr der Prinzessin konnte sich Vivianne nicht mehr richtig auf ihre Arbeit konzentrieren. Während sie Visionsberichte ihrer Kollegen las, verglich und eine umfassende Prognose zur näheren Zukunft Ismathiels erstellte, mischten sich immer wieder Bilder aus ihrem nächtlichen Traum zwischen die dicht beschriebenen Zeilen. Deshalb war der Papierschwan, der von Magie geleitet auf ihren Schreibtisch flatterte, eine unerwartete, aber willkommene Abwechslung. Normalerweise mochte Vivianne ihre Arbeit, es gab ihr das Gefühl, ihren Beitrag für diesen zauberhaften Ort zu leisten, der sie noch immer ins Staunen versetzte. Doch ausgerechnet heute wollte sie nichts anderes tun, als ihre eigene Vision zu analysieren. Immer und immer wieder, bis sie jedes kleinste Detail festgehalten hatte. Der Blick in Lucideons Augen bei ihrem Gespräch am Morgen hielt sie jedoch davon ab, auch nur ein Wort über deren Inhalt aufzuschreiben, geschweige denn groß darüber nachzudenken. Lucideon hatte sie darum gebeten und sicher hatte er seine Gründe dafür.

Als Vivianne nun den Schwan auseinander faltete, um die Nachricht darin zu lesen, erkannte sie sofort, dass sie von ihrem alten Lehrmeister stammte.

   Wir müssen unbedingt die Berichte der Seher durchgehen. Triff mich umgehend in meinem Arbeitszimmer und bringe etwas Zeit mit! L., stand da bloß.

Verwirrt las Vivianne den Satz noch ein weiteres Mal und noch einmal. Was war so wichtig an den Berichten? Sonst sprach Lucideon nie mit ihr darüber, es schien ihn überhaupt nicht zu kümmern. Kopfschüttelnd strich Vivianne über die dunkle Tinte fuhr die feinen Linien nach, die  die Worte unbedingt und umgehend unterstrichen. Lucideon zeichnete sonst keine seiner Nachrichten aus, egal wie dringlich sie auch sein mochten. Entweder man erlaubte sich gerade einen Spaß mit ihr oder es war ihrem Lehrmeister sehr ernst. Ernster noch als sonst, wenn er Vivianne zu sich rief.

Um ganz sicher zu sein, dass die Nachricht auch von ihm kam, schloss sie die Augen, schob all die Fragen, die in ihrem Geist tobten, beiseite und konzentrierte sich auf die schwachen Spuren der Magie, die noch immer am Papier hafteten und winzige Fäden in der Luft bildeten. Die Nachricht war ganz eindeutig von Lucideon. Vivianne war zwar nie gut darin gewesen, den Magiewirkenden zu bestimmen, aber die Zauberkraft ihres Lehrmeisters kannte sie beinahe so gut wie ihre eigene. Sie fühlte sich an wie das Tosen eines Wintersturms an der Nordküste Arthels, der Heimat ihrer Familie, weit weg von Ismathiel.

So schnell sie konnte schob Vivianne ihre Unterlagen zusammen, um zumindest für ein bisschen Ordnung auf ihrem chaotischen Schreibtisch zu sorgen. Sie hatte es nicht gerne, wenn alles kreuz und quer verteilt lag, doch fehlte ihr dank der Dringlichkeit in Lucideons Nachricht die Zeit, so aufzuräumen, wie sie es immer tat, wenn sie ihr Arbeitszimmer in der Gilde verließ.

Vivianne eilte die weißgetünchten Gänge entlang, vorbei an allerlei sonderbaren Türen, die in die Arbeitszimmer ihrer Kollegen führten, erklomm die Treppen, die sie zu Lucideons Korridor brachte und stand schließlich vor der mitternachtsblauen Tür. Als sie den Knauf berührte funkelten die kleinen Glassteinchen kaum merklich auf, als spürten sie Viviannes eigene Magie. Es verging kaum mehr als eine Sekunde, ehe die Tür aufschwang und sie in Lucideons prall gefülltes Arbeitszimmer trat. Für jedes der Jahre, die er im Lande der Lebenden verbracht hatte fanden sich hier mindestens zwei Bücher, Schriftstücke und der gleichen mehr. Vivianne würde es hier nicht länger als nötig aushalten, wäre es ihr Arbeitszimmer. Es war einfach zu vollgestopft und scheinbar ohne jegliche Ordnung. Ein solches Schicksal würde ihr und ihrem Arbeitszimmer jedoch erspart bleiben. Als Mensch, selbst mit solch großen magischen Fähigkeiten, würde sie nur ein Bruchteil der Jahre verleben, die Lucideon bereits hinter sich hatte. Nur einen Bruchteil der Bücher anhäufen. Nur für einen Bruchteil des Chaos sorgen.

   „Ah, meine Liebe! Schön, dass du es einrichten konntest, mit mir über die Berichte zu sprechen", begrüßte sie Lucideon und neigte das Haupt. „Schließ' die Tür, Kindchen! Schließ' die Tür! Wir wollen doch niemanden mit der Zukunft langweilen, nicht wahr?"

Was auch immer der alte Zauberer im Schilde führte, er wirkte ganz normal. Sein neugieriger Blick hielt Vivianne gefangen, zumindest für einen Moment, ehe er sich abwendete und einige seiner Papiere vor sich studierte, als wäre es ihm einerlei, was sie schließlich tat. Vivainen wusste nicht, was sie sagen oder tun sollte, also schloss sie die Tür und erschauderte, als sich damit der Schutzzauber aufbaute, der verhinderte, dass auch nur ein Laut nach außen drang.

   „Was hat dich aufgehalten, Kindchen? War meine Nachricht nicht deutlich genug?", fragte Lucideon plötzlich ungeduldig und deutete auf den einzig freien Stuhl im Zimmer.
Vivianne musterte den alten Zauberer verwirrt wegen seiner Worte und der gesamten Situation, ehe sie seiner stummen Aufforderung nachkam und sich setzte. Noch nie war sie aus Lucideons Launen schlau geworden, aber je eher man tat, was er von einem verlangte, umso eher erhielt man Antworten.

   „Sie war so undeutlich wie keine Nachricht zuvor", entgegnete Vivianne und verschränkte die Arme vor der Brust. „Bisher haben dich die Berichte doch noch nie interessiert."
Lucideon runzelte die Stirn und legte den Kopf schief.
   „Berichte?", fragte er verwirrt und fuhr sich durch den langen silbergrauen Bart.
   „Die Berichte der Seher, über die du mit mir sprechen wolltest", erklärte Vivianne und war sich nicht mehr ganz so sicher, ob die Nachricht nicht doch von jemand anderem gekommen war.

   „Ach so, das! Es war nur ein Vorwand, Tarnung, wenn man so will", entgegnete Lucideon und sein Gesicht hellte sich auf. Die Fältchen um seine grauen, müden Augen wurde noch tiefer, als er verschmitzt lächelte. „Eine ganz schön langweilige Nachricht für jemanden, der auf eine Sensation aus ist, nicht?"

Lucideon kicherte und rieb sich begeistert die Hände, als hätte er gerade jemandem einen großen Streich gespielt. Vivianne schüttelte bloß den Kopf.
   „Aber wen würde es denn interessieren, was in diesen Nachrichten steht, Lucideon?", fragte sie und konnte die Besorgnis nicht ganz aus der Stimme halten. Vielleicht wurde der Zauberer auf seine alten Tage ja doch verrückt, oder noch verrückter als er bei Zeiten schon war.
   „Kindchen, es wird jeden interessieren. Jedes noch so kleine denkende Individuum wird sich schon in Kürze auf diese Neuigkeit stürzen", sagte er in einem Tonfall, als wäre das längst offensichtlich.

   „Welche Neuigkeit?" Vivianne lehnte sich auf ihrem Stuhl vor. Entweder war sie durch all die Fragen, die ihre Vision in ihr aufriefen, schon völlig durcheinander und bekam nur noch die Hälfte mit, oder aber Lucideon hatte nun endgültig den Verstand verloren. Wäre ja nicht das erste Mal, dass er in Rätseln sprach.
   „Ach, du bist heute aber wirklich sehr langsam, Mädchen", entgegnete der Alte kopfschüttelnd und stützte sich mit den Armen auf dem Tisch ab. Seine grauen Augen leuchteten im Schein der magischen Lampen um ihn herum geheimnisvoll, verschwörerisch. Unwillkürlich breitete sich eine Gänsehaut auf Viviannes Armen aus. Was ging hier vor sich?

   „Sie ist längst zurückgekehrt", sagte Lucideon schließlich und ein breites Grinsen durchzog sein faltiges Gesicht.
Vivianne blinzelte, schloss die Augen und öffnete sie erneut. Hatte sie sich gerade verhört?
   „Was hast du gesagt?", fragte sie tonlos. All die Fragen, die ihre Vision in ihr aufgeworfen hatte, waren plötzlich aus ihrem Geist verschwunden. Es war, als wäre ihr die gesamte Luft aus den Lungen gewichen. Für einen kurzen Moment hatte sie das Atmen vergessen.

   „Wer ist hier das Alterchen von uns beiden, Vivianne? Du bist heute wirklich schwer von Begriff." Lucideon seufzte theatralisch und ließ sich in einer einzigen fließenden Bewegung auf seinen Stuhl zurückfallen. Staub wirbelte auf und für einen Moment schien auch ihr Gegenüber Probleme mit dem Atmen zu haben.

   „Prinzessin Lilliana ist heute zurückgekehrt", sagte er langsam und betonte jedes Wort, als wäre sie schwerhörig.
Vivianne sog die Luft ein musste husten, als sich der aufgewirbelte Staub auf ihre Lunge legte.
   „Sie ist zurückgekehrt? Von wo?", fragte sie. Ihre Verwirrung steigerte sich allmählich ins Unermessliche. Dass Lucideon aber auch immer so viele Informationen zurückhielt!

   „Sie braucht jetzt jemanden wie dich", murmelte Lucideon, ohne auf ihre Frage einzugehen, und kratzte sich den Kopf mit der einen Hand, während er mit der anderen durch seinen Bart fuhr.
Vivianne verstand kein Wort, doch schien er auch nicht wirklich mit ihr zu sprechen. Es klang mehr so, als würde er nachdenken.

Sein Blick klärte sich, als er zu ihr aufsah. Ein entschlossenes Lächeln vertiefte wieder die Falten um Mund und Augen. Ein schelmisches Glitzern lag in seinem Blick, was Vivianne etwas beunruhigte. Was hatte er vor?

   „Es ist so, dass die beiden Königskinder wesentlich stärker sind als alles andere auf den Welten. Wir nehmen an, dass ihre Existenz mit einer Prophezeiung verknüpft ist, die einen Angriff vorausgesagt hat, sollten sich die Kinder während ihrer Kindheit auf Ismathiel befinden. Also haben wir sie auf die Erde, einen unbedeutenden, magielosen Planeten gebracht, um sie zu schützen", begann Lucideon und vermischte altbekannte Tatsachen mit Informationen, die Vivianne bisher nicht bekannt gewesen waren. 

Vivianne hatte immer gewusst, dass man die Königskinder gleich nach ihrer Geburt in Sicherheit gebracht hatte, aber nicht wovor und vor allem weshalb man sie nicht in Ismathiel behalten und dort beschützt hatte. Nun kannte Vivianne einige Antworten auf all die Fragen, die sie bereits ihr ganzes Leben beschäftigten und nicht nur sie, sondern auch all die anderen, die von dem seltsamen Verschwinden der Königskinder wussten. Also im Prinzip jeder in ganz Marren. Selbst heute nach so vielen Jahren rätseln seriöse Zeitungen und die Klatschblätter über die Hintergründe des Verschwindens der Königskinder. Nicht mehr lange, wie es scheint.

   „Ich habe lange Zeit allein geforscht und bin immer wieder auf neue Teile der Prophezeiung gestoßen. Irgendwann musste ich meine Erkenntnisse und Fragen mit einem Experten teilen, weil ich nicht mehr weitergekommen bin. Das war einige Jahrzehnte vor Lillianas und Tristans Geburt. Und ich habe deinen Großvater um Hilfe gebeten, Vivianne", fuhr Lucideon fort.

Vivianne vermochte kaum sich zu bewegen, hörte die Worte zwar, doch konnte sie nicht glauben, dass sie tatsächlich wahr waren, dass er ihr von diesem alten Geheimnis erzählte. Gerade ihr, wo es doch so viele andere gab, die mächtiger waren als sie.

   „Mein Großvater?", flüsterte Vivianne und hob den Blick.
Lucideon nickte und Lächelte leicht. „Feiner Kerl, ein außerordentlich guter Seher und Experte in der Deutung von Prophezeiungen. Aus diesem Grund ist deine Familie überhaupt erst nach Ismathiel gekommen", erklärte er und lieferte Vivianne nur noch einen Grund zur Sprachlosigkeit. Lucideon wusste um einiges mehr über ihre eigene Familiengeschichte als Vivianne selbst.

   „Ich wusste ja, dass wir ursprünglich aus Arthel stammen, aber nicht, weshalb wir hierher gekommen sind. Ich hatte immer angenommen, dass es am guten Ruf der Gilde lag ...", murmelte sie und fuhr such durch das lange schwarze Haar. Ihre Finger strichen über vereinzelte weiße Strähnen, die Opfer, die die Zukunft forderte, sobald sie Vivianne wieder eine Vision vom Tod eines Wesens geschenkt hatte.

   „Es lag wohl eher an meiner Bitte und den Versprechungen, Teil von etwas Großem zu werden, sollte es tatsächlich das sein, für das ich es hielt", entgegnete Lucideon.
   „Für was hast du es denn gehalten?" Viviannes Stimme war brüchig, aber er schien sie trotz seines schlechten Gehörs verstanden zu haben.
   „Für unsere Zukunft geboren aus der Vergangenheit", erwiderte der Alte und zwinkerte ihr zu.
   „Geht es auch etwas unkryptischer?"

   „Die Prophezeiungen sprechen von einer ... nun ja, ich weiß nicht, wie ich es formulieren soll ... Von einer gottgleichen Macht?" Lucideon schien in diesem Punkt sehr zögerlich. Vivianne konnte ihn verstehen, schließlich gehörte sie wie er zu den Glaubenskritikern. Für sie und Lucideon mochte es einst eine Macht gegeben haben, die alles geschaffen hatte, doch wo immer sie auch war, ganz sicher nicht in Ismathiel oder auch nur in der Nähe dieses Planeten. „Es ist schwierig zu beschreiben, wenn man es nicht selbst gelesen hat."

Vivianne nickte bloß und blickte hinab auf den Schreibtisch, der mit Dokumenten übersät war. Für einen Moment dachte sie an ihr eigenes Arbeitszimmer, das sie so chaotisch hinterlassen hatte. Auch auf ihrem Tisch lagen Dokumente, die von der Zukunft sprachen, doch schienen sie weniger bedeutend, als das, wovon Lucideon ihr gerade erzählte. All diese Berichte, die sie täglich ordnete wirkten mit einem Mal so nichtig, dass sich Vivianne vollkommen nutzlos vorkam.  Kein Vergleich mit den Dingen, die Lucideon oder ihr eigener Großvater im Dienste Ismathiels und der Tallions geleistet hatten.


NÄCHSTES UPDATE FOLGT AM 20. JANUAR 2018

Hallo ihr Lieben!

Heute gibt es gleich zwei Gründe zum Feiern, also packt schon mal eure Partyhüte aus! 🎉🎉🎉

1. Ab morgen Abend sind die Störungen auf Wattpad hoffentlich behoben. Zumindest soll das neue Update das erreichen. Wir werden sehen, aber das sind doch schon mal gute Neuigkeiten :)

2. Ich habe heute meine mündliche Abschlussprüfungen bestanden und bin jetzt offiziell Meidenkauffrau Digital und Print bzw. Marketingassistentin. Es kam genau das dran, worauf ich gehofft hatte und ich konnte mit meiner Kreativität punkten. Yay! Ich freue mich so mega-mäßig, ihr Lieben! Danke für all eurer Daumendrücken.

Spontane Soundtrack-Empfehlung: Ich liebe, liebe, liebe den Soundtrack zu The Immitation Game. Alexandre Desplat ist einfach ein Genie!

Kate

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