KAPITEL 9 - LUCIDEON (1)

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DAS SCHLOSS VON ISMATHIEL, IN DEN EHRENWERTEN HALLEN DER GILDE DER MAGIER

Die Einsamkeit und Ruhe seines Arbeitszimmers war ihm eine willkommene Abwechslung nach all dem Trubel der letzten Stunden. Als sich Lucideon auf seinen Lehnstuhl fallen ließ und sich in dem staubigen Zimmer umblickte, wurde ihm bewusst, wie alt er wirklich war. Tausende Jahre Nachforschungen hatten sich hier angesammelt, stapelten sich in Form von Büchern und Schriftrollen auf Stühlen und Regalen, sodass kaum mehr Platz war. Sein Leben war erfüllt von Wissen, von Erlebnissen und all den Wesen, die er während dieser vielen, vielen Jahre kennengelernt hatte. An vieles konnte er sich nicht mehr erinnern, eine der Auswirkungen seines hohen Alters. Und auch wenn ihm die Entfernung von Prinzessin Lillianas Hülle mehr Kraft gekostet hatte, als er sich selbst eingestehen wollte, war er noch nicht bereit, von dieser Welt zu gehen.

Müde streckte Lucideon sich aus, ließ seine alten Knochen knacken und lehnte sich ächzend zurück. Er brauchte etwas Ruhe, ein paar Stunden, um seine Reserven wieder aufzuladen. Vielleicht sogar einige Tage, bis er all seine Magie zurück hatte. Noch so eine Beobachtung, die er in den letzten paar Jahrhunderten gemacht hatte: Je älter man wurde, umso schwerer schien es der Magie zu fallen, zu ihm zurückzufinden. Als leuchtete seine Seele nicht mehr so hell, wie noch vor zwei oder dreitausend Jahren. Als würde auch sie langsam verwelken und zugrunde gehen, so wie es sein Körper tat.

   „Bei allen Mächten!", knurrte er und schlug sich die Hand vor die Augen. „Reiß dich zusammen, alter Junge. Sie brauchen dich. Wenn sie dich auch noch verlieren, dann ..."
Lucideon hielt inne und richtete sich in seinem Stuhl auf. Was würde dann geschehen? Würde sein Tod die Tallions tatsächlich so tief treffen, wie er vermutete?
   „Tiefer noch, als du glaubst, Lucideon", sagte eine vertraute Stimme direkt neben ihm. Magie knisterte in der Luft, als sich blaue Nebelschwaden langsam im Halbdunkel des Arbeitszimmers verflüchtigten.
   „Tristan, mein Junge, was machst du hier? Solltest du nicht bei der Prinzessin sein?", fragte Lucideon verwirrt und sah zum Prinzen hinüber. Tiefe Sorgenfalten durchfurchten dessen junges Gesicht, ließen ihn um mindestens ein Jahrzehnt altern. Bis auf die Augen glich er seinem Vater in diesem Moment mehr als dem alten Zauberer lieb war. Oder die schlechten Lichtverhältnisse spielten Lucideon einen Streich.
   „Denk so etwas nicht, Lucideon. Es wird sicher besser werden", antwortete Tristan auf seine Gedanken. „Sie ist schließlich erst seit ein paar Stunden hier ..."
   „Ein paar Stunden?", fragte Lucideon überrascht und sah sich im Zimmer um. War er eingeschlafen, ohne es zu merken? Spielte ihm sein alter Verstand einen Streich?
   „Vermutlich. Dein Verstand ist ein genauso schlimmer Scherzbold wie du." Tristan lächelte zwar, doch blieben seine Augen und Stirn weiterhin von Sorge gezeichnet.
   „Du wusstest, dass es so kommen würde. Die Chancen, dass sie es von Anfang an verstehen würde, waren verschwindend gering." Lucideon hob seine Hand und tätschelte dem Prinzen den Arm. „Nimm es dir nicht zu sehr zu Herzen. Sie wird sich daran gewöhnen."

Tristan nickte, schien allerdings nicht überzeugt. Statt Lucideon anzusehen, betrachtete er einige der Schriftrollen und aufgeschlagenen Bücher auf dem chaotischen Schreibtisch des Zauberers. Nur vereinzelt schimmerte noch das nachtblau gestrichene Holz der Arbeitsplatte durch.
   „Handelt das alles hier von uns?", wollte der Prinz wissen und strich über einen der Verse, der das Schicksal der Königskinder enthielt.

Lucideon nickte und schob einige Bögen beiseite, um seine aktuellsten Aufzeichnungen zum Vorschein zu bringen.
   „Seitdem ich die ersten Verse entdeckt hatte, war ich fasziniert. Sie sind so zahlreich wie die Sandkörner am Ufer unserer geliebten Insel. In jeder Kultur gibt es unzählige Versionen davon, doch vieles ist in Vergessenheit geraten", erklärte er dem Prinzen.

Erst jetzt fiel ihm auf, dass sie in den drei Jahren seit dessen Rückkehr nie wirklich darüber gesprochen hatten. Natürlich wusste Tristan von den Prophezeiungen, die Lucideon zusammengetragen hatte, aber er hatte ihn nie danach gefragt. Warum nur?
   „Ich glaube, es ist besser, sein Schicksal nicht zu kennen. Man ist weniger ängstlich und kann das Leben besser genießen", antwortete der Prinz auf Lucideons Gedanken und wendete sich von den vielen Seiten Papier ab, kehrte seinem Schicksal den Rücken zu. „Außerdem ist es so viel aufregender, weil man nie wissen kann, was als nächstes kommt."
   „Warum kommst du gerade jetzt zu mir, wenn du nicht wissen willst, was dein Schicksal für dich bereithält, Jungchen?"
   „Weil ich wissen will, was ihres bereithält", entgegnete Tristan leise, so leise, dass Lucideon meinte, es sich eingebildet zu haben. Noch so etwas, das das Alter mit einem anstellte: Hin und wieder hörte oder sah man Dinge, die nicht wirklich da waren. Oder man hörte gar nichts mehr ...

   „Du kennst sie kaum und doch sorgst du dich um ihr Wohlergehen ..." Lucideon lächelte. In diesem Moment erinnerte der junge Prinz ihn an die Könige in jüngeren Jahren. Wie sehr sie sich doch um das Wohl ihrer Liebsten gesorgt hatten, wenn sie ihnen nicht gerade einen Streich gespielt haben.
   „Sie ist nicht meine Liebste, Lucideon, aber sie ist Teil meiner Familie und deswegen muss sie beschützt werden", entgegnete Tristan verärgert und schüttelte sich. Offenbar hatte Lucideon gerade einen wunden Punkt getroffen. Oder bildete er sich auch das ein?
   „Bald schon wird sie sich selbst beschützen können. Sie braucht nur die richtigen Lehrer." Lucideon hoffte, den Jungen damit ein wenig zu beruhigen. Die Sorgenfalten auf Tristans Gesicht glätteten sich allerdings nicht.

   „Genau deswegen bin ich hier, Lucideon. Sie braucht jemanden, der sie lehrt, ihre Magie zu nutzen." Nun richteten sich Tristans dunkle Augen direkt auf Lucideons, schienen jede noch so kleine Regung zu registrieren. Neben der Sorge fand der alte Zauberer noch etwas darin. Hoffnung.
   „Und du kommst damit zu mir weil du glaubst, dass ich dir bei deiner Suche helfen kann." Es war eine Feststellung, keine Frage und dennoch wartete Lucideon auf eine Bestätigung vonseiten des Prinzen. 

Tristan schüttelte den Kopf.
   „Den Lehrer habe ich längst gefunden, Lucideon. Du hast mir so viel beigebracht, hattest so viel Erfahrung. Sie braucht jemanden wie dich", entgegnete der Prinz und die Hoffnung in seinem Blick wurde noch größer.
Ihn so zu sehen und zu wissen, dass er den Jungen enttäuschen musste, war wie ein Schlag in die Magengrube für Lucideon.
   „Ich kann nicht ...", stieß er hervor. All die Luft war aus seinen Lungen gewichen und nun schien sein Körper sogar vergessen zu haben, wie man einatmete.
Enttäuschung flackerte in Tristans Blick auf, aber auch Verständnis. Es tat Lucideon in der Seele weh, den Prinzen abweisen zu müssen. Er wünschte, er könnte Lilliana unterrichten, doch wenn er es tat, würde er noch viel schneller aus dieser Welt scheiden, als ihm lieb war.

   „Das verstehe ich", sagte Tristan nach einer ganzen Weile und legte dem Zauberer eine seiner starken Hände auf die Schulter. 

Der Junge hatte sich so sehr verändert in den letzten Jahren. Aus einem schmächtigen, halbwahnsinnigen Kind war ein starker und selbstbewusster junger Mann geworden.
   „Wenn du wüsstest ...", murmelte Tristan und wendete sich ab. Wie sein Onkel auch, hatte Tristan sich angewöhnt, durch die Gegend zu laufen, wann immer ihm etwas auf dem Herzen lag und ihn beschäftigte.
   „Aber ich werde dir bei der Suche helfen, versprochen", versicherte Lucideon, als er es nicht mehr aushielt, den Jungen so zu sehen. Fast konnte er spüren, wie ihn seine Sorge innerlich zerriss. Lucideon teilte sie mit ihm, weil er wusste, wie gefährlich Lilliana und ihre Magie wirklich waren. Wenn sie nicht schnell lernte, ihre innere Macht zu kontrollieren, würde weit mehr zu Bruch gehen als nur ein paar Blumenvasen oder Spiegel.

   „Danke, für alles." Tristan hielt inne und schenkte dem alten Zauberer ein schwaches Lächeln. Lucideon hatte gehofft, dass die Zusicherung seiner Hilfe reichen würde, um den Prinzen wenigstens etwas zu beruhigen. Nur ein kleines bisschen mehr Entspannung in dessen Leben zu bringen, doch schien Tristan noch immer mit sich zu hadern.
   „Was beschäftigt dich noch, Jungchen? Es ist nicht bloß die Suche nach einem passenden Lehrer, nicht wahr?", fragte Lucideon, weil Tristan nicht auf seine Gedanken antwortete.
   „Sie ist noch immer wütend und will zurück. Egal was ich ihr gesagt habe, sie will nicht bleiben", begann Tristan und ließ sich schließlich auf den letzten freien Stuhl fallen. Genau den Stuhl, auf dem auch Vivianne am Morgen gesessen hatte. 

   Vivianne? Hmmm ...
Das brachte Lucideon zum Nachdenken, auch wenn er den Großteil seiner noch vorhandenen Aufmerksamkeit seinem Gespräch mit Tristan widmete.

   „Du wolltest auch nicht bleiben", sagte Lucideon. Erinnerungsfetzen drangen in sein Bewusstsein. Er sah wie Tristan tobte, wie seine Magie außer Kontrolle geriet und wahllos Dinge zerstörte, die nicht niet und nagelfest waren.
   „Ich weiß, und genau deswegen ist es so schwer, das mit anzusehen. Und nicht nur das. Ich kann fühlen, wie es sie zerstört. Nicht so wie ich es bei dir oder irgendwem sonst fühlen würde, aber es ist da, irgendwo am Rande meiner Wahrnehmung, selbst wenn ich alles andere aussperre", erklärte er und schüttelte den Kopf. „Es ist kaum auszuhalten."

   „Ihr scheint eine tiefe Verbindung zu haben, was nur natürlich ist, schließlich gehört ihr irgendwie zusammen", entgegnete Lucideon und wühlte in seinen Papieren, bis er fand, was er suchte. Ein weiterer Vers, den er zwischen den Seiten eines alten Astrologielehrbuchs gefunden hatte.
   „Sie werden kommen, als eins und doch getrennt, und sie werden verbunden sein", las er vor und lächelte. Es war wirklich zum Haareraufen, weil keiner dieser Sätze wirklich Sinn ergab und nur weitere Fragen aufwarf.
   „Bitte, Lucideon. Ich will das nicht hören!" Tristan vergrub das Gesicht in seinen Händen. Er hatte schlanke Finger wie all die anderen Tallions auch, fast so schlank wie Knochen und bleich noch dazu. Der Tod war um ihn herum, selbst dort, wo es nur so vor Leben strotzte.

   „Aber wenn du nun hier bist, wer ist dann bei ihr? Du musst zurück zu ihr, um ihr zu zeigen, dass das hier nun ihre Heimat ist", entgegnete Lucideon, als ihm plötzlich bewusst wurde, dass sie gerade wertvolle Zeit verschwendeten. „Geh, Jungchen, sie braucht dich jetzt. Ich kümmere mich um den Lehrer."
Tristans Blick schnellte hoch. Neben der Verzweiflung lag etwas anderes darin. Unsicherheit, fast schon Angst. Sofort wusste Lucideon, dass Tristan etwas getan hatte, was er nicht hätte tun sollen. Der Zauberer kannte diesen Blick, hatte ihn unzählige Male auf unzähligen Gesichtern gesehen, hauptsächlich auf denen der Könige.

   „Hast du sie wieder verzaubert?", fragte Lucideon langsam, vorsichtig, weil er wusste, dass ein in die Ecke Getriebener um sich schlagen konnte. In dieser Hinsicht war jedes Wesen wie ein Tier, ganz gleich wie nobel und vornehm man sonst zu sein glaubte. Es lang in jederwesens Instinkt.
   „Nein, ich habe sie nicht verzaubert, Lucideon. Mit Magie kommen wir bei ihr nicht weiter." Tristan schluckte schwer, fuhr sich mit der Hand übers Gesicht, ehe er wieder den Blick hob und Lucideons begegnete. „Ich habe ihr ein Versprechen gegeben, das ich nicht halten kann."

Lucideons Miene verfinsterte sich. Ein Versprechen, das nicht gehalten werden kann, war genauso gut wie jede Lüge. Und davon hatte die Prinzessin genug gehabt für mehrere Menschenleben.
   „Was hast du ihr versprochen, Tristan?" Lucideons Stimme war ruhig, doch spürte er wie sich der Ärger langsam in seinem Inneren aufbaute. Seine verbleibende Magie regte sich, floss langsam durch seine Adern und ließen seine Haut kribbeln.

   „Ich habe ihr versprochen, dass ich sie zurückbringe, wenn ich sie nicht zum Bleiben überreden kann", gestand der Prinz schließlich, seine Stimme voller Verzweiflung und Angst.


NÄCHSTES UPDATE FOLGT AM 10. JANUAR 2018

Einen magischen Montag wünsche ich euch!

Mir geht es ein kleines bisschen besser und ich war heute auch brav beim Arzt. Das Ergebnis war wie zu erwarten: Viel trinken, viel schlafen, Schleimlöser, Kopfschmerztabletten, nicht arbeiten :(

Ach, hätte ich doch Magie und könnte mich selbst heilen ... Glaubt ihr eigentlich daran, dass positive Gedanken Krebs oder irgendwelche anderen Krankheiten heilen können, wenn man nur fest daran glaubt? Soll es ja angeblich geben, aber ich weiß ja nicht ...

Danke übrigens an alle neuen Kommentatoren, Leser und Voter. Ihr seid spitze, auch wenn man mir die Benachrichtigungen erst Stunden (oder Tage) später anzeigt ... Wattpad hat anscheinend gerade technische Probleme. Mal schauen, ob mein Buch auch gleich gelöscht wird, so wie es bei ein paar anderen der Fall war 😞😦😲

Kate

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