10 - Hoch hinaus

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Obwohl ich am nächsten Morgen hundemüde bin, würde ich die gemeinsame Nacht mit Marlo gegen nichts auf dieser Welt eintauschen. Zwar haben wir keine Sternschnuppen am Himmelszelt entdeckt, aber dafür haben wir viel miteinander gesprochen und die Nähe des jeweils anderen genossen.

Es freut mich, dass wir uns mittlerweile so gut verstehen und auf derselben Wellenlänge schwimmen.

„Na Frankie, alles fit im Schritt?", begrüßt mich Mister Krakenstein mit einem breiten Grinsen. Zusätzlich wackelt er mit seinen Stoffaugenbrauen und macht alberne Kussgeräusche.

„Äh ..." Ich kratze mich verlegen am Nacken. „Wir ... Wir haben uns nicht geküsst, falls du das denkst."

„Was?!" Mister Krakensteins Augen nehmen die Größe von Untertassen an und füllen sich mit einem ungläubigen Funkeln. „Warum das denn nicht?"

„Es hat sich einfach nicht ergeben", antworte ich ehrlich. Außerdem wäre es in Anbetracht unserer Startschwierigkeiten noch zu früh für einen Kuss gewesen, oder? Abgeneigt bin ich definitiv nicht, aber Marlo muss den ersten Schritt machen.

„Oh man." Der Oktopus schüttelt den Kopf. „Ich dachte immer-"

Mitten im Satz wird er von Bade-Berta unterbrochen, die gerade in unsere Richtung watschelt und motiviert in die Hände klatscht. „Kommt ihr?", ruft sie uns entgegen. „Wir wollen weiterziehen!"

Da es mir ohnehin unangenehm ist, mit Mister Krakenstein über Marlo und unseren Nicht-Kuss zu sprechen, nehme ich die Ablenkung dankend an und schließe die Lücke zwischen Bade-Berta und mir. „Los geht's!", säusele ich übertrieben euphorisch, wofür ich mir einen skeptischen Seitenblick von der Quietscheente einfange.

Anders als am Vortag übernimmt Marlo heute die Führungsposition. Leider wird er dabei die ganze Zeit von Licht-Luigi und Pack-Paul belagert, sodass es für mich unmöglich ist, seine Nähe zu suchen und ein Gespräch zu starten.

Na ja, bestimmt haben wir später nochmal die Gelegenheit für etwas Zweisamkeit. Hoffe ich zumindest!

Während Mister Krakenstein und Bade-Berta Ich sehe was, was du nicht siehst spielen, betrachte ich die Natur, die sich um mich herum in ihrer vollen Pracht erstreckt. Überall wachsen bunte Blumen aus dem Boden, die einen süßen Duft absondern. Vereinzelt fliegen Libellen und Schmetterlinge durch die Luft und die Vögelchen trällern ein Guten-Morgen-Lied. Die Sonne schiebt sich Stück für Stück höher an den Horizont und erwärmt die Erde mit ihren goldenen Strahlen.

Fast eine Stunde lang folgen wir dem Kiesweg, der zwischen den Palmen verläuft. Dann erreichen wir eine Klippe, die mindestens zwanzig Meter in die Tiefe hinabführt.

Begleitet von meinem polternden Herzen stelle ich mich an den Rand und schaue nach unten. Zwischen den Nebelschwaden erkenne ich einen reißenden Fluss, der mit mehreren Felsen gespickt ist. Außerdem bilde ich mir ein, die gefährlich glänzenden Schuppenkleider mehrerer Krokodile zu sehen.

„Sag jetzt nicht, wir müssen da runter ..." Mein Blick schweift zu Marlo. Er hockt auf einem Baumstumpf und wirkt angespannt. Seine Lippen sind zu einer schmalen Linie zusammengepresst, seine Brust hebt und senkt sich in viel zu schnellen Abständen und ein dünner Schweißfilm bedeckt seine Stirn.

„Schön wärs ...", erwidert er krächzend. „Wir haben jetzt genau zwei Möglichkeiten."

Aufmerksam höre ich Marlo zu. Auch Mister Krakenstein, Licht-Luigi, Pack-Paul und Bade-Berta hängen gebannt an seinen Lippen.

„Entweder wir nehmen einen Umweg von etwa einem Tag in Kauf, um die Felsenschlucht zu umgehen", erklärt uns Marlo, „oder wir passieren den Klippenpfad." Seine Hand zittert, als er in die Ferne deutet. Genau dorthin, wo sich eine riesige Hängebrücke über die Felsenschlucht spannt. Da es sehr windig ist, schaukelt die Brücke gefährlich von rechts nach links.

„Dann mal nichts wie los, ihr Abenteurer!", grinst Mister Krakenstein vorfreudig. „Einen Umweg von einem Tag zu nehmen, wäre ja wohl völliger Quatsch."

Marlo schweigt.

Und auch Pack-Paul ist verdächtig still.

„Oder?", hakt Mister Krakenstein deshalb verunsichert nach.

„Ich bin auch dafür, dass wir über den Klippenpfad gehen", sagt Licht-Luigi.

„Ich auch", stimmt ihm Bade-Berta zu. „Ich bin nämlich noch nie über eine Wackelbrücke gegangen. Das ist bestimmt voll cool!"

Mein Blick landet erneut auf Marlo und Pack-Paul, der neben Marlos Füßen im Gras hockt. Wenn mich nicht alles täuscht, würden sich die beiden am liebsten auf der Stelle übergeben. Zumindest verraten mir ihre angespannten Gesichter, wie unzufrieden sie mit der aktuellen Situation sind.

„Wisst ihr was?", wende ich mich nach kurzer Bedenkzeit an Mister Krakenstein, Licht-Luigi und Bade-Berta. „Geht doch schon mal vor, ja? Wir kommen dann gleich nach."

Zum Glück sind die drei voller Energie und Tatendrang, sodass sie mir nicht widersprechen und gutgelaunt in Richtung Hängebrücke hopsen. Ich hingegen hocke mich besorgt vor Marlo und lege vorsichtig meine Hand auf sein Knie. Erst jetzt merke ich, dass sein Körper von einem Erdbeben erschüttert wird.

„Was ist los?", erkundige ich mich bei ihm. „Du bist total blass im Gesicht." Meine Augen springen zu Pack-Paul hinüber, der am ganzen Rucksackleib zittert. „Und du siehst auch nicht gerade besser aus, mein Lieber."

Innerlich rechne ich nun mit einem bissigen Konter, aber Pack-Paul schweigt. Stattdessen schwirrt einen Wimpernschlag später Marlos heisere Stimme durch die Luft. „Wir, na ja", zögert er, „wir haben fürchterliche Höhenangst."

Was?! Perplex blinzele ich. Und nochmal. Und nochmal.

„Oh." Das ist alles, was mir dazu einfällt.

Wenn Marlo und Pack-Paul Höhenangst haben, werden sie wohl kaum über die Hängebrücke gehen, oder? Aber warum haben sie das nicht früher gesagt? Dann hätten wir einfach den Umweg nehmen können.

Jetzt ist es allerdings zu spät, denn Mister Krakenstein, Licht-Luigi und Bade-Berta haben bereits ein Drittel der Hängebrücke hinter sich gelassen. Obwohl das Gestell von dem Wind hin und her geschubst wird, höre ich ihr losgelöstes Lachen, das wie eine harmonische Melodie in meinen Ohren widerhallt.

Schön, dass wenigstens die Drei ihren Spaß haben ...

Während Marlo und Pack-Paul betreten zu Boden schauen, denke ich fieberhaft nach, wie wir dieses Problem mit der Hängebrücke lösen könnten. Leider fällt mir aber nur eine Idee ein, die den beiden Jungs wahrscheinlich nicht gefallen wird.

„Pack-Paul?" Der Rucksack schaut nervös zu mir hoch. „Wenn du möchtest, kannst du dich auf meinen Rücken setzen. Dann kannst du deine Augen zumachen und bekommst gar nicht mit, wie wir über die Hängebrücke laufen."

Pack-Paul zögert. Die Angst ist ihm wie ein Kunstwerk ins Gesicht gemeißelt und lähmt ihn. Es dauert ein paar Sekunden, bis er mich verunsichert fragt: „Und du lässt mich auch ganz sicher nicht fallen, Frankie?"

„Nein, natürlich nicht!", versichere ich ihm. „Nochmal mache ich nicht denselben Fehler und verliere dich. Versprochen!"

Ich kann sehen, wie viel Überwindung es ihn kostet, doch schließlich nickt der Rucksack. „Und was ist mit Marlo?"

Meine Aufmerksamkeit richtet sich auf den Mann mit den kaffeebraunen Augen und den schwarzen Locken. Es bricht mir das Herz, seine angespannte Haltung und die Furcht in seinen Iriden zu sehen, denn bisher habe ich ihn ausschließlich als einen sehr mutigen Menschen kennengelernt.

„Vertraust du mir, Marlo?", frage ich ihn leise.

Ohne zu zögern antwortet er mir: „Ja!"

„Gut. Dann komm mit." Ich strecke Marlo meine Hand entgegen und warte, bis er unsere Finger miteinander verknotet hat. Anders als sonst ist seine Haut kalt und schweißnass.

Gemeinsam nähern wir uns der Hängebrücke, die leise im Wind knackt. Mister Krakenstein, Licht-Luigi und Bade-Berta haben bereits die gegenüberliegende Seite erreicht und winken uns aufgeregt zu.

Auch wenn ihr aufgedrehtes Herumgehüpfe süß aussieht, ignoriere ich die drei, denn Marlo und Pack-Paul haben jetzt gerade oberste Priorität.

Ich knie mich langsam auf den Boden, damit Pack-Paul auf meinen Rücken klettern kann. Seine Finger bohrt er wie zwei Schraubstöcke in meine Schultern. Wahrscheinlich, um nach Halt und Sicherheit zu suchen.

„Alles klar da hinten?", erkundige ich mich bei ihm.

„Mhm", kommt es zittrig zurück. „Ging schon mal besser ..."

Um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, wende ich mich direkt an Marlo. Sein Körper bebt und steht unter Strom. Als hätte er in eine Steckdose gefasst. „Gib mir bitte deine Hand", fordere ich ihn möglichst einfühlsam auf. „Und dann machst du deine Augen zu, ja?"

„W-Was?!" Marlo starrt mich entgeistert an.

„Du vertraust mir doch, oder?", erwidere ich lächelnd. „Dir kann nichts passieren."

Für ein paar Sekunden kämpft Marlo gegen seine inneren Dämonen an, ehe er seine Hände in meine legt und seine Lider zuflattern lässt.

„Sehr gut", lobe ich ihn.

Der Anfang ist schon mal gemacht. Jetzt folgt der schwierige Part.

Mit Pack-Paul auf dem Rücken und Marlo an der Hand betrete ich langsam die Hängebrücke. Das Holz gibt ächzend unter unserem Gewicht nach und sendet leise Hilferufe in die weite Welt hinaus.

Ungefähr achtzig Meter trennen uns von der gegenüberliegenden Seite.

Da es noch immer sehr windig ist, schaukelt die Hängebrücke von rechts nach links. Im Gegensatz zu den beiden Jungs genieße ich das Gefühl der Schwerelosigkeit und würde am liebsten meine Arme ausbreiten, um mich so frei wie ein Vogel zu fühlen.

„Scheiße, ist das wackelig!", keucht Marlo mit zittriger Stimme.

„Ganz ruhig", murmele ich aufmunternd, „du musst einfach nur einen Fuß vor den anderen setzen. Du machst das richtig gut, Marlo. Wirklich!"

Der Mann mit den schwarzen Locken schnaubt. Als würde er mir nicht glauben.

Millimeter für Millimeter kämpfen wir uns über die Hängebrücke. Der Wind zerrt an meinen Haaren und umwebt meinen Körper mit einem durchsichtigen Spinnennetz. Aus der Tiefe steigt das Rauschen des Flusses zu uns hinauf und vermischt sich mit dem Kreischen einzelner Möwen, die über dem Dschungel aus Palmen kreisen.

„Wie lange dauert es denn noch, Frankie?", möchte Marlo ängstlich von mir wissen.

„Nicht mehr lange", lüge ich, obwohl wir erst fünf Meter geschafft haben.

Irgendwie müssen sich die Jungs ablenken. Ansonsten lassen sie sich zu sehr von ihrer Panik leiten.

„Wie habe ich dich eigentlich damals verloren, Pack-Paul?", versuche ich, ein Gespräch zu starten.

Ich höre das leise Seufzen des Rucksacks und spüre, wie sein Atem meinen Nacken hinabkriecht. Sofort breitet sich dort eine unangenehme Gänsehaut aus Nadelstichen aus.

„Du warst mit deinem Dad in einem Fußballstadion und hast mich vor der Mädchentoilette abgestellt", beginnt Pack-Paul zu erzählen. Überraschenderweise klingt seine Stimme fest und stark. Und natürlich vorwurfsvoll. „Nachdem du fertig mit deinem Geschäft warst, hast du mich vergessen." Der Rucksack stößt einen verletzten Laut aus. „Ich habe noch eine ganze Woche in der Fundgrube auf dich gewartet, doch du bist nicht gekommen, um mich abzuholen."

„Das tut mir leid. Es war bestimmt nicht meine Absicht, dich in dem Stadion zurückzulassen", behaupte ich.

„Das will ich auch mal schwer für dich hoffen!", keift Pack-Paul. „Einen besseren Rucksack als mich gibt es ja auch überhaupt nicht!"

Bei seiner Aussage muss ich lachen und die Augen verdrehen. Scheint so, als wäre meine Taktik aufgegangen, denn von der Angst, die noch vor wenigen Minuten seinen Körper dominiert hat, ist nichts mehr zu spüren.

Auch Marlo hat sich ein klitzekleines bisschen entspannt. Ganz tapfer und mutig setzt er einen Fuß vor den anderen und überquert langsam die Hängebrücke. Schritt für Schritt.

Damit die Jungs nicht allzu viel über ihre derzeitige Situation nachdenken können, plappere ich planlos drauf los: „Habe ich euch eigentlich schon mal gesagt, wie wunderschön ich eure Insel finde? Die ganzen Blumen und Pflanzen ... Wow! Und das Meer und der Strand ... Eure Insel ist ein richtiges Paradies!"

Angesichts ihrer Nervosität erhalte ich weder von Marlo noch von Pack-Paul eine Antwort. Schlimm ist das aber nicht. Hauptsache sie verfallen in keine Panikattacke.

Die nächsten fünf Minuten rede ich über den leckeren Kicher-Kolada, Mister Krakensteins Tentakel und die kleine Blase, die sich an meinem rechten Zeh gebildet hat und ein bisschen wie ein Stern aussieht. Währenddessen kommen wir dem Ende immer näher.

„Nur noch ein paar Schritte, dann haben wir es geschafft!"

Wie von selbst beschleunigt Marlo sein Tempo, sodass er beinahe über seine eigenen Füße stolpert und einen Eins A Bauchklatscher auf der Hängebrücke hinlegt. In letzter Sekunde kann ich ihn aber noch auffangen und somit einen Kuss mit den Holzbrettern verhindern.

„Nicht so stürmisch!", tadele ich ihn lachend. „Ich weiß, dass du hier unbedingt wegwillst, aber ein bisschen musst du dich noch gedulden."

Daraufhin folgen zehn kleine Tippelschritte und ein großer Monstersatz und schon haben wir das Ende der Hängebrücke erreicht.

„Ihr könnt eure Augen wieder aufmachen!", teile ich den beiden Jungs stolz mit, sobald wir festen Boden unter den Füßen haben. „Ihr habt es geschafft! Wahnsinn!"

„Oh mein Gott!", stößt Marlo sofort ein erleichtertes Keuchen aus. Seine Augenlider flattern auf und pure Dankbarkeit spiegelt sich in seinen Iriden wider. Ohne zu zögern zieht er mich in seine Arme und vergräbt sein Gesicht in meiner Halsgrube. Nicht nur seine Locken kitzeln meine Haut, sondern auch sein warmer Atem, der über mein Schlüsselbein streicht.

„Du bist meine Heldin, Frankie!", wispert mir Marlo leise ins Ohr.

Es ist schön, ihm so nahe zu sein und seinen Körper zu spüren. Wie jedes Mal, wenn wir uns berühren, tanzen winzige Ameisen unter meiner Haut und mein Herz schlägt mehrere Salti.

Verrückt, wenn man bedenkt, dass wir uns erst seit zwei Tagen kennen ... Wahrscheinlich ist es aber auch unserer Vergangenheit zu verschulden, dass wir so vertraut miteinander umgehen.

„Und du bist mein Held, Marlo", erwidere ich schließlich genauso leise.

„Boah, jetzt übertreibt mal nicht!", zerstört Pack-Paul diesen innigen Moment, indem er würgende Geräusche von sich gibt. „Wenn ich nicht aufpasse, rutsche ich gleich auf euren Schleimspuren aus!" Im Einklang mit seinen Worten hopst er von meinem Rücken. Dann zwickt er mir leicht ins Bein, sodass ich notgedrungen von Marlo ablasse und zu ihm herumwirbele.

Dieses kleine Biest!

„Na warte ...", raune ich gefährlich in seine Richtung.

Leider zeigt sich Pack-Paul von meinem bösen Gesichtsausdruck unbeeindruckt und schneidet stattdessen eine alberne Grimasse. „Fang mich doch, du lahme Ente!", provoziert er mich. Keine zwei Sekunden später sprintet er zu Mister Krakenstein hinüber und versteckt sich hinter seinen Tentakeln.

„Na los!", grinst mich Marlo von der Seite an. „Hol dir den kleinen Frechdachs!"

„Hilfst du mir?"

Marlos Grinsen wird breiter. „Nichts lieber als das!"

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