16 - Wenn Wünsche wahr werden

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„Wow, was für ein Tag!", seufzt Mister Krakenstein, als wir uns gemeinsam in den lauwarmen Sand legen. Über unseren Köpfen erstreckt sich ein Dach aus Palmenblättern, das zwischendurch die Sicht auf den glitzernden Sternenhimmel freigibt.

Natürlich hätten wir uns auch einen Schlafplatz in den neu erbauten Hütten suchen können, aber das wollte ich nicht. Es ist mir wichtig, diese besondere Nacht mit Mister Krakenstein allein zu verbringen, bevor dann morgen ein großer Tag ansteht, der alles verändern wird.

Zwar versuche ich, nicht zu viel über Nerinas Entscheidung nachzudenken, doch die Zahnräder unter meiner Schädeldecke laufen auf Hochtouren. Obwohl ich das gar nicht möchte!

„Ja, was war echt der Wahnsinn!", pflichte ich Mister Krakenstein schließlich bei. „Wir waren ein tolles Team!" Ich lächele. „Und damit meine ich nicht nur unsere Gruppe, sondern alle verlorenen Schätze."

Jeder hat mitangepackt und Verantwortung übernommen. Nur deshalb ist es uns so schnell gelungen, das Chaos der Insel zu beseitigen.

Jeder einzelne von uns kann verdammt stolz auf sich sein.

„Frankie?" Ich runzele überrascht die Stirn, denn es ist nicht Mister Krakensteins Stimme, die meinen Namen ausspricht. „Bist du noch wach?"

Wie vom Blitz getroffen befreie ich mich aus den blauen Stofftentakeln und richte mich auf. Nur ein paar Meter entfernt von mir erkenne ich Marlo, der sich verlegen am Nacken kratzt. Obwohl er müde und erschöpft aussieht, zupft ein Lächeln an seinen Lippen, als sich unsere Blicke treffen.

„Habe ich dich etwa geweckt?", möchte er wissen, während er den Abstand zwischen uns überbrückt.

„Nein!", antworte ich schnell. „Mister Krakenstein und ich haben gerade darüber gesprochen, wie genial dein Plan aufgegangen ist."

Kurz verrutscht Marlos Lächeln. Statt etwas auf meine Aussage zu erwidern, fragt er mich: „Hast du vielleicht Lust, mich noch für ein paar Stunden zum Wasserfall zu begleiten?"

Mein Herz macht einen aufgeregten Hüpfer. Auch wenn es wahrscheinlich albern klingt, hatte ich in den letzten beiden Tagen enormen Marlo-Entzug, weil wir kaum miteinander gesprochen und uns meistens nur aus der Ferne gesehen haben.

Allerhöchste Zeit, mein Marlo-Barometer wieder aufzufüllen.

„Natürlich hat Frankie Lust!", übernimmt Mister Krakenstein das Antworten für mich. Gleichzeitig macht er eine wegscheuchende Bewegung mit seinen Tentakeln, womit er Marlo und mich zum Schmunzeln bringt. „Ich warte im Traumland auf dich." Mit diesen Worten rollt sich der Oktopus zusammen und schließt seine lila Glitzer-Glubschaugen. Außerdem täuscht er laute Schnarchgeräusche vor, um mich loszuwerden.

„Schon gut, schon gut", lache ich. „Bin ja schon weg!"

Ganz der Gentleman hilft mir Marlo beim Aufstehen. Händchenhaltend schlendern wir durch den Sand und genießen die Stille, die uns umgibt. Das silbrig-weiße Schimmern des Mondes weist uns den Weg und begleitet uns bis zum Wasserfall. Dort angekommen, setzen wir uns nebeneinander ins Gras und schauen auf die glänzende Oberfläche, die das Sternenmeer widerspiegelt.

„Ich habe dich vermisst", gesteht Marlo leise.

Ohne es verhindern zu können, klopft mein Herz schneller. Und aufgeregter. „Ich dich auch", erwidere ich genauso leise. „Du glaubst gar nicht, wie stolz ich auf dich bin, Marlo! Die neue Insel haben wir ganz allein dir zu verdanken!"

„Ach was!" Marlo macht eine wegwerfende Handbewegung. „Ich hatte vielleicht die Idee, aber bei der Umsetzung haben alle geholfen." Tiefe Furchen graben sich nun in seine Stirn und er presst seine Lippen zu einer schmalen Linie zusammen. Irgendwie sieht er gerade unzufrieden aus. Und nachdenklich. Und traurig.

„Ist ... Ist alles okay?", erkundige ich mich verunsichert bei ihm.

Habe ich womöglich etwas Falsches gesagt?

Marlo legt seine Hand auf meine und malt kleine, wirre Muster auf meine Haut. Sofort reguliert sich mein panischer Herzschlag. „Ich weiß zwar nicht, wie du darauf reagieren wirst, aber ich muss dir etwas sagen, Franny."

Mit einem Mal kehren die Angst und Nervosität zurück. Mein Magen verkrampft sich zu einem fleischigen Klumpen und ich balle meine freie Hand zu einer Faust. Auch wenn ich keine Ahnung habe, was Marlo auf der Seele brennt, habe ich das Gefühl, dass es etwas Negatives ist.

„Mein ganzes Leben hat sich immer nur um dich gedreht", beginnt er gedämpft zu sprechen. „Im Grunde genommen existiere ich ja auch nur, weil du mich mit deiner Fantasie erschaffen hast."

Scheiße! In welche Richtung soll dieses Gespräch führen?

„Nachdem ich damals auf dieser Insel gelandet bin, ist meine ganze Welt zusammengebrochen." Marlos Stimme klingt heiser und erstickt. Als würde er gegen seine aufkommenden Tränen ankämpfen. „Du warst alles, was ich brauchte, um glücklich zu sein, doch plötzlich warst du weg. Nicht mehr da."

Automatisch macht sich mein schlechtes Gewissen bemerkbar.

„Wir waren erst acht Jahre alt, aber das hat den Verlust nicht einfacher gemacht. Zumindest nicht für mich", gesteht Marlo. „Jahrelang habe ich versucht, wütend auf dich zu sein und dich aus meinem Kopf zu verbannen, aber oh Wunder, es hat nicht funktioniert."

Ich schlucke schwer. Mit Mühe und Not gelingt es mir, das Erdbeben in meinem Körper zu unterdrücken und nicht in Tränen zu zerfließen.

Marlos Worte berühren mich. Sie graben sich in mein Herz und nisten sich dort wie ein Bienenschwarm ein.

„Also habe ich die Insel erkundet, um irgendwie einen Ausweg zu finden. Um zurück zu dir zu kommen." Marlo richtet seinen stechenden Blick auf mich, doch vor lauter Schuldgefühlen schaffe ich es nicht, ihn zu erwidern. „Wie du dir wahrscheinlich denken kannst, hat das nicht geklappt. Ich war auf dieser Insel gefangen. Für immer." Er seufzt. „Dafür habe ich aber eines Tages die Glaskuppel gefunden."

Mit jeder Sekunde, die verstreicht, fällt es mir schwerer, ruhig sitzen zu bleiben.

„Auch wenn ich die Kuppel nicht betreten konnte, hatte ich Glück, mich trotzdem mit Nerina unterhalten zu können", fährt Marlo fort. „Sie hat meinen Schmerz und meine Sehnsucht erkannt und mir deshalb einmal im Monat Trost gespendet."

„Wie ... Wie meinst du das?", hake ich verwirrt nach.

„Einmal im Monat hat sich ein magisches Portal vor meinen Augen geöffnet. Nicht lange. Höchstens für fünf Minuten", erklärt mir Marlo. „In dem Portal konnte ich dich sehen, Frankie. Wie es dir geht und was du in dem Monat alles erlebt hast."

Wie bitte?!

Während ich vermutlich keine Ahnung mehr hatte, dass Marlo überhaupt existiert, hat er mich die ganze Zeit beim Aufwachsen beobachtet?

„Diese fünf Minuten waren mein absolutes Highlight. Nur deshalb bin ich jeden Morgen aufgestanden und nicht verrückt geworden", verrät mir Marlo mit einem traurigen Lächeln. „Als du dann vor ein paar Tagen hier angekommen bist, war ich total überfordert. Alte Wunden sind aufgerissen und haben den Schmerz zurück an die Oberfläche gespült. Das ist auch der Grund, warum ich am Anfang so kalt und abweisend zu dir war."

Ich nicke, denn ich kann Marlo verstehen. Es ist sowieso ein kleines Wunder, dass er nicht mehr nachtragend ist und mir so schnell meinen Fehler verziehen hat.

„Eigentlich möchte ich gar nicht so weit ausholen", lacht er nun verlegen. „Ich komme einfach mal zum Punkt, okay?"

Obwohl mein Herz wie ein Maschinengewehr in meinem Brustkorb pulsiert, stimme ich ihm mit einem gestammelten „J-Ja" zu. Was mich jetzt erwartet? Ich habe keinen blassen Schimmer!

Bevor Marlo weiterspricht, legt er vorsichtig seinen Zeigefinger unter mein Kinn und drückt langsam mein Gesicht in die Höhe. Unsere Augen treffen wie zwei Kometen aufeinander und halten sich gegenseitig gefangen.

Endlich kehrt das Lächeln zurück auf seine Lippen und erhellt seine dunklen Iriden.

„Ich liebe dich, Frankie!", lässt Marlo die Bombe platzen. „Schon seit vierzehn verdammten Jahren!"

Boom! Seine Worte explodieren in meinem Herzen und setzen dort einen Schwarm aus flatternden Schmetterlingen frei. Mein ganzer Körper beginnt zu kribbeln und ich habe plötzlich das Gefühl, frei und schwerelos zu sein.

„Du ..." Meine Stimme bricht ab. „Du liebst mich?"

„Ja!" Marlo nickt. „Von Kopf bis Fuß und mit all deinen Macken und Fehlern!" Seine Fingerspitzen wandern von meinem Kinn zu meinen Wangen und hinterlassen auf ihrem Weg eine feurige Spur auf meiner Haut.

Ich bin so überfordert, dass ich nicht klar denken kann. Alles dreht sich und verschwimmt zu einem bunten Farbbrei.

In diesem Moment bin ich einfach nur glücklich. Und das ist alles, was zählt, oder?

Außer Atem beuge ich mich Marlo entgegen. „Ich kann zwar nicht so schöne und emotionale Reden schwingen wie du, aber ich würde dich wirklich gerne küssen, Marlo", hauche ich leise in die Dunkelheit hinein.

Für ein paar Sekunden halten sich unsere Blicke noch gefangen, ehe wir der Leidenschaft zwischen uns nachgeben und unsere Lippen zu einem zärtlichen Kuss vereinen.

Ein Feuerwerk explodiert in meinem Magen und die Schmetterlinge fliegen aufgeregt durcheinander.

Marlos Lippen sind weich und warm. Sie passen perfekt auf meine eigenen. Als wären sie nur dafür erschaffen worden, mich zu küssen.

Viel zu schnell lösen wir uns wieder voneinander. Marlo lehnt seine Stirn gegen meine und lächelt mich glücklich an. Tränen der Freude schwimmen in seinen Augen und unterstreichen seine intensiven Gefühle.

„Das war wunderschön, Frankie", wispert er.

„Oh ja", bestätige ich. „Bekomme ich noch einen Kuss?"

Marlo lacht. Dann schüttelt er allerdings den Kopf und sagt: „Erst muss ich dir noch mein kleines Geheimnis verraten."

Ich versuche mir meine Enttäuschung nicht ansehen zu lassen und nicke. „O-Okay."

Da ich für Marlo wie ein offenes Buch zu lesen bin, stupst er mir aufmunternd auf die Nasenspitze, womit er mir zumindest ein kleines Lächeln entlocken kann. „Erinnerst du dich noch daran, als ich unbedingt eine neue Sternschnuppe mit dir suchen wollte?"

„Natürlich!"

„Ich wollte mir einen Kuss von dir wünschen", gesteht Marlo schüchtern, „aber wie es scheint, brauchte ich dafür gar keine Sternschnuppe."

Ich erwidere sein Lächeln und verknote danach meine Hände in seinem Nacken. Marlos heißer Atem prallt an meinem Mund ab und beschert mir eine kribbelnde Gänsehaut. „Wenn du möchtest, bekommst du sogar noch einen zweiten Kuss", raune ich ihm verschwörerisch und mit einem frechen Zwinkern zu.

Kurz sieht es so aus, als würde ein trauriges Flackern in Marlos Augen aufglimmen. „Ein letzter Kuss, okay?"

Wäre ich nicht in meinem rosaroten Herzchen-Nebelschleier gefangen, würden mir bestimmt seine verkrampfte Körperhaltung und sein ängstlicher Unterton in der Stimme auffallen.

„Ein letzter Kuss", stimme ich grinsend zu. Mit dem Hintergedanken, mir in dieser Nacht noch viel mehr Küsse von Marlo zu klauen.

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