11 - Leben nach dem Tod

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Lutejan, dieses Lutejan, war anders. Ganz sicher darüber, was sie sich vorgestellt hätte, war Ioanne sich nicht. Doch der Ort den sie mehr als alles andere mit dem Tod in Verbindung brachte, vibrierte an Leben.

Menschen bewegten sich geschäftig über breite Straßen und durch Gassen, die tiefer in die Winkel hoch aufragender Gebäude führten. Kinder rannten lachend rundem Spielzeug hinterher, dass sie mit Stöcken führten, zogen kleine, hölzerne Kreaturen auf Rädern mit sich oder warfen sich gegenseitig verschiedenste Bälle zu. Irritiert sah Ioanne dabei zu, wie eines der Kinder sein Spielzeug – ein kleines Schiff – an einer Frau in Uniform weiterreichte und diese Magie darauf wirkte, so dass es mit einem Mal schwerelos an der schmalen, daran befestigten Leine zu schweben schien. Niemand kam und kreischte. Die Kinder lachten, statt panisch zu weinen und die anderen uniformierten Gestalten stießen der Hexe kameradschaftlich gegen die Schulter, statt sie zu Boden zu werfen.

Magie wimmelte an allen Ecken der Stadt, als wäre es das normalste auf der Welt. Sie schimmerte in den überall hängenden, bunten Wimpeln. Flatterte in Spielzeug oder Windspielen vor den Eingangstüren zu Häusern und surrte in den Kutschen oder eigenartigen Fahrzeugen, die über die Straße rollten.

Mit jedem neuen Anblick der sich ihr bot, schlug Ioannes Herz heftiger. Es hallte ihr bereits in den Ohren und ließ die Geräusche um sich herum untergehen wie in einem Sturm. Auch als die Kutsche hielt und der Mann vorne auf wieder den Blick zu ihr wand, um mit ihr zu sprechen, registrierte sie es kaum. Ioanne kam sich vor, als wäre sie in einen Traum gefallen. Eine Vision voller Wunder und Schönheit. Nur dass sie sich nicht darüber freuen konnte. Genauso hatte sie es sich doch all die Zeit gewünscht. Gemeinsam, friedlich, harmonisch. Aber nun, da sie es sah, kam es ihr vor wie ein verzerrtes Trugbild. Übelkeit lag bitter auf ihrer Zunge und bohrte sich grob durch ihren Magen.

Nur warum sie sich so fühlte, wusste sie nicht.

War es die Trauer über das dennoch allein durch die Zeit Verlorene? Die Wut, die sich über Jahre hinweg in ihren Leib gefressen hatte und nun weigerte zu verschwinden? Oder war sie eifersüchtig und entsetzt davon, dass all das ohne sie hatte entstehen können?

Absurde, verwirrende Gedanken rauschten ihr durch den Kopf. Dann wurde sie an der Schulter von einer Hand berührt und zuckte erschrocken zusammen. Sofort fuhr sie herum, griff nach einem Arm und einfach so aus der Gewohnheit des Schrecks, kribbelte Magie unter ihren Fingern.

„B...Bitte nicht!", keuchte der entsetzte Schäfer als er spürte wie ihm etwas unter die Haut fuhr und heiße Kälte in seinen Knochen biss.

Sofort ließ sie wieder los. Er stieg hastig taumelnd von seinem Kutschbock herab und sah sie an mit schwerem Schlucken.

„Verzeihung", presste Ioanne hervor. „Ich werde nicht gerne... Ich war in Gedanken."

Etwas schwaches, zitterndes lag in ihrer Stimme wie in dem Beben einer ausgesetzten Katze, die allein aus Angst mit ausgefahrenen Krallen um sich schlug.

Der Schäfer schien ihre Entschuldigung anzunehmen. Er sagte nichts weiter dazu aber er nickte zaghaft ehe er die Hand diesmal hob um fahrig auf die Umgebung zu deuten.

„Also wir sind hier. Lutejan. Ich muss hier meine Wolle abliefern." Er deutete auf ein Gebäude mit breitem, offenen Tor vor dem ein paar geschäftige Arbeiter breite Rollen mit Stoff ächzend verluden. „Aber wenn ich noch weiter..."

Ioanne unterbrach sein nervöses Angebot ehe er es ganz ausgesprochen hatte und in die Peinlichkeit geriet, dass seine Hoffnung sie würde ablehnen, zu deutlich wurde.

„Das reicht. Danke." Sie sprang von der Kutsche herab. Das ungewohnte Kleid flatterte um ihre Beine. Es passte nicht zu ihren Stiefeln und es passte nicht zu ihr. Sie strich sich ein paar dunkle Strähnen hinter ihr Ohr.

Als sie auf den Schäfer zutrat, rieb der sich den eben erst gepackten Arm, wich aber sonst nicht vor ihr zurück. Diesmal war sie leiser als sie sprach. „Die Sache mit eurem Sohn." Eine ängstlich weiß-grüne Farbe strich über seine Züge. „Von mir wird niemals jemand etwas erfahren."

Es fühlte sich falsch an mit dem Versprechen zum Schweigen über ein Geheimnis, dessen Bedeutung sie nicht genauer kannte, für die außergewöhnliche Gastfreundschaft und Hilfe zu bezahlen, doch etwas anderes als ihr Wort, besaß sie nicht. Allerdings war ihr Wort – wie sie selbst in grauenvoller Schuld nur zu gut wusste – nicht unbedingt immer so viel wert.

Sie verabschiedete sich von dem Mann, der so ahnungslos versucht hatte, eine Tote zu retten. Vielleicht sah er ihr noch hinterher und grübelte über die eigenartige Gestalt. Vielleicht beeilte er sich aber auch ganz schnell in dem Gebäude zu verschwinden und sie einfach zu vergessen.

Ioanne drehte sich nicht noch einmal um. Sie tauchte ein in die Menge einer unbekannten Zukunft.

Die Kleider waren anders, die Gebäude waren anders, selbst die Art wie sie sprachen war eine Andere. Alles schien bekannt und irgendwie doch auch nicht. Manchmal meinte sie in ihrem Augenwinkel einen Schatten zu sehen der ihr bekannt vorkam. Dann drehte sie sich um und da war doch nur wieder das fremde Unbekannte.

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