Von Ernsthaftigkeit und Albernheit

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Am Abend saßen Acarion und Yona gemeinsam an einem kleinen Feuer, das Acarion entfacht hatte, und trockneten ihre feuchten Mäntel. Der Regen hatte nicht nachgelassen. Yona war damit beschäftigt, sich kleine Zöpfe in die Haare zu flechten, die sie dann so zurückband, dass ihr die Mähne nicht mehr andauernd ins Gesicht fiel.

Acarions Gedanken schweiften ab zu der ungeheuren Größe der Aufgabe, die er sich selbst gestellt hatte. Unvorhergesehene Schwierigkeiten stürmten von allen Seiten her auf ihn ein. Er hatte sich daran gewöhnt, sich auf seine Fähigkeiten verlassen zu können. Sie waren seine Stütze gewesen, seine Sicherheit. Bis auf dieses eine Mal, das ihn bis heute noch verfolgte. Und das nicht nur mit einem schmerzenden Bein.

Doch heute war er beinahe an seine Grenzen gestoßen. Er hatte einen Fehler gemacht. Würden noch weitere Fehler folgen? Welche Entscheidungen würde er treffen müssen, um sie wiedergutzumachen?

Er seufzte. Seltsamerweise verspürte er den Drang, Yona einfach alles zu verraten. Es würde gut tun, jemandem von der immensen Aufgabe zu erzählen. Dass die Verox ohne ihren Führer kopflos und unorganisiert sein würden. Dass jemand Rox töten musste. Dass niemand außer ihm bereit zu sein schien, die notwendigen Schritte dafür zu unternehmen.

Aber das Schweigen zwischen ihm und Yona dehnte sich aus und irgendwann sah Acarion sich genötigt, wieder ein Gespräch zu beginnen. „Du hast meinen Namen für dich behalten", sagte er schlicht.

Knack. Acarion warf einen Blick nach hinten, doch es war nur Yonas Pferd gewesen, der auf einen spitzen gräulichen Ast getreten war, der aus dem Erdboden herausragte.

Als er sich wieder nach vorne wandte, wirkte Yonas Gesicht erstaunlich unbewegt, aber sogar im flackernden Licht der Flammen konnte Acarion das Gewitter erkennen, das in ihren Augen tobte.

„Und aufgeflogen bin ich ... weil?", fragte sie.

„Weil du dich nicht unter Kontrolle hast, wenn du dich aufregst."

Sie schnaubte nur. „Und das erzählst du mir, nachdem du dich vor Raverion ... König Raverion ... so sehr aufgeregt hast, dass du direkt aus der Stadt gerannt bist."

Acarion seufzte. Eigentlich war es klar gewesen. Eigentlich hatte er von Vornherein nicht damit rechnen können, so lange unter einem Decknamen reisen zu können. „Mit wie vielen Leuten hast du darüber geredet?"

„Mit niemandem", antwortete Yona leise. „Es war deine Sache. Und ... ich habe das Gefühl, alle, denen ich es hätte erzählen können, sind jetzt tot."

Du bist ein Monster, hallte Alenas Stimme erneut in Acarions Kopf nach.

„Wenn wir jetzt aber reinen Tisch machen", sagte Yona und ein Hauch ihrer sonstigen Fröhlichkeit schlich sich zurück in ihre Stimme, „kannst du mir ja doch erzählen, was dich jetzt eigentlich wirklich hierher treibt. Worüber hast du dich mit Raverion gestritten?"

„Das ist meine Sache", erwiderte Acarion kühl. Er würde der Versuchung nicht nachgeben. „Aber wenn wir reinen Tisch machen, wäre es eine Möglichkeit, dass du mir erzählst, was du in Yara nachts gemacht hast."

Yona verdrehte die Augen. „Wie ich dir und Kilias", ihre Stimme brach kurz weg, „bereits gesagt habe –"

„Du hast uns angelogen", stellte Acarion fest. „Du bist nicht der Typ dafür, sich in einem Dorf als Erstes ein fremdes Bett zu suchen."

Sie warf einen Stock in die Flammen und beobachtete, wie er funkensprühend Feuer fing. „Du weißt nichts über mich, Acarion. Vielleicht sind wir uns in dieser Hinsicht ähnlich."

„Dann erleuchte mich." Er hätte nicht zu sagen vermocht, warum er nachhakte, ob es tatsächlich mit Misstrauen oder mit Interesse zusammenhing.

Yona seufzte. „Also schön. Ich hatte in meinem Leben noch nie einen Rak'ysch gesehen."

Acarion zog die Augenbrauen hoch. „Außer während der gesamten Reise."

„Ja, aber da war immer die Sache mit den Wachen und dem befestigten Lager ... jedenfalls hatte ich nicht so richtig die Gelegenheit, sie mir näher anzuschauen. In Yara dann aber schon, also habe ich mich in den Stall geschlichen." Nun vermied sie seinen Blick. „Und ich bin eingeschlafen. Ja, während ich einen Rak'ysch gestreichelt habe. Wie du dir unschwer vorstellen kannst, war es mir ein wenig peinlich."

Tatsächlich wollte sich ein Lächeln auf Acarions Gesicht schleichen. Diese Erklärung klang mehr nach etwas, das Yona widerfahren würde.

„Lach nur", brummte sie, aber die Stimmung zwischen ihnen hatte sich aufgehellt, trotz des unablässig fallenden Regens. „Bin ich jetzt dran?", wollte sie wissen. „Erzählst du mir, was du überhaupt vor hast?"

„Nein."

Yona schnaubte. „Also schön Meister Ich-weiß-immer-eine-Sache-mehr-als-du. Deine Entscheidung. Aber mir ist langweilig, du bist kein guter Gesprächspartner und mir fehlt Vions Musik. Und da habe ich mich gefragt, ob du schon einmal Schlag-den-Hirsch gespielt hast."

Acarion stöhnte, aber immerhin hatte sie das Thema gewechselt. „Ob ich bitte was schon einmal gespielt habe?"

„Schlag-den-Hirsch. Das ist ein Kartenspiel."

„Was für ein grauenhafter Name."

Yonas Lippen umspielte ein Lächeln. „Ich habe den Eindruck, dass du es lieber hast, wenn die Dinge gar keinen Namen haben als einen, der vielleicht ein bisschen albern ist."

„Kommt von derjenigen, die ihr Pferd Ofri genannt hat." Er hatte mitbekommen, wie sie dem Pferd mit diesem Namen eine gute Nacht gewünscht hatte.

„Na klar", sagte Yona, während sie aus dessen Satteltaschen einen abgegriffenen Stapel Karten herauskramte. „Wie viele idiotische Kriegshelden gibt es, die ihrem Lieblingsschwert einen Namen geben. Da werde ich ja wohl mein Pferd nennen dürfen, wie ich will." Ein schelmisches Blitzen trat in ihre verschiedenfarbigen Augen. „Und wenn du deinem nicht auch bald einen gibst, werde ich es Gustav nennen."

„Und ich dachte, nach Ofri könnte es nicht mehr schlimmer kommen." Dieses Mal hoben Acarions Mundwinkel sich tatsächlich.

„Siehst du. Und wenn du nicht willst, dass dein Pferd einen wirklich albernen Namen bekommt, suchst du dir besser selber einen aus." Yona schüttelte die braune Haarmähne zurück. Offensichtlich erfüllten die kleinen Zöpfe ihren Zweck nicht. „Um zu albernen Namen zurückzukommen. Schlag-den-Hirsch. Ich dachte mir schon, dass du sicherlich zu hochgebildet bist, um das Spiel zu kennen."

Kurze Zeit später saßen sie sich neben dem Lagerfeuer gegenüber, Yona im Schneidersitz, Acarion auf einem umgekippten Baumstamm, der trotz der verkohlten Rinde sein Gewicht trug. Die Flecken würde man auf seinem schwarzen Mantel ohnehin nicht sehen.

Insekten flirrten um ihr Feuer und die tanzenden Flammen verbreiteten eine so angenehme Atmosphäre, dass es beinahe möglich war, die abgebrannten Baumskelette um sie herum zu ignorieren.

Schlag-den-Hirsch, so stellte sich für Acarion heraus, war ein Spiel, das ihn einiges an Frustration kosten würde. Einerseits galt es, anhand von gutem Beobachten und taktischem Spiel herauszufinden, welches Blatt der Gegner auf der Hand hatte. Dieser Teil fiel Acarion leicht und bevor Yona ihn in die Regeln des zweiten Teils einführte, konnte er schnell einige Siege erringen.

Der zweite Teil des Spiels jedoch bestand darin, dem Gegner möglichst unbemerkt Karten zuzuspielen, die er dann in seine Hand mit aufnehmen musste. Gestoppt werden durfte der Gegner nur, wenn er genau beim Unterschieben der Karten erwischt wurde.

Es war Acarion unbegreiflich, wie er immer wieder Karten in seiner Nähe fand, ohne, dass Yona sich auch nur nennenswert zu bewegen schien. Sobald sie diese Regeln beachteten, verlor er jede Runde, so sehr er auch über die angeblichen Taschendiebtricks fluchen mochte.

Yona schien ihren puren Spaß an der Sache zu haben, ihre Augen blitzten und der Missmut des Tages verschwand aus ihren Zügen. Irgendwann aber, als Acarion zum etwa zwanzigsten Mal eine neue Runde forderte, hob sie die Hände.

„Du wirst mich nicht besiegen, nur weil ich am Feuer einschlafe", sagte sie lachend. „Das war's für heute."

Acarion ergab sich. „Wir reiten morgen direkt nach Sonnenaufgang weiter."

Yona gähnte und rollte sich ohne ein weiteres Wort neben dem langsam herunterbrennenden Feuer zusammen. Acarion hätte schwören können, dass es keine zehn Herzschläge dauerte, bis sie eingeschlafen war. Er stand auf, klopfte seinen Mantel ab und nahm sich eine Decke. Ihm fiel es bei Weitem nicht so leicht, einzuschlafen.


Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro