Von Lügen und Wahrheiten

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Bevor Lehrion oder einer der anderen den Mund aufmachen konnten, beschloss Acarion, dass es für ihn nur von Nachteil sein konnte, sie die Situation erklären zu lassen.

„Ein Verox ist hier eingedrungen und hat Beran und seine Hunde ermordet. Ich wollte unserem Gastgeber zu Hilfe kommen, war aber zu spät. Der Verox ist entwischt." Beinahe überraschte es ihn selbst, wie nüchtern seine Stimme klang. „Zu dem Zeitpunkt kamen diejenigen, deren Reaktion bedauerlicherweise langsamer war als meine, ebenfalls in die Stube und sind seitdem der Auffassung, ich wäre ein Mörder. Ein Mörder ohne Motiv, wohlgemerkt."

„Man sollte nicht meinen, dass dir jemand ein Messer an die Kehle hält", sagte Yona trocken. Wie um das zu bestätigen, griff Vion fester in Acarions Haare und zwang seinen Blick nach oben.

„Er hat uns alle von Anfang an belogen", stieß Kilias hervor und Acarion musste ihm zugutehalten, dass der Vorwurf fast wie eine Bitte an Yona klang, ihm das Gegenteil zu beweisen.

„Ach", antwortete die und klang einigermaßen interessiert. „Inwiefern?"

„Er hat die ganze Zeit verborgen, dass er neun Ringe hat! Und – wahrscheinlich heißt das, er muss auch als Magier deutlich mächtiger sein, als er zugegeben hat."

Welche Reaktion auch immer Kilias erwartet hatte, ein Lachen war es sicherlich nicht gewesen.

„Und das werft ihr ihm vor?" Acarion konnte sich sehr gut vorstellen, wie Yona die Haare aus dem Gesicht schüttelte. „Leute, ganz ehrlich, wenn er das nicht verbergen würde, liegt er entweder an einem Morgen mit aufgeschlitzter Kehle an einer Straßenecke oder ist von so vielen Speichelleckern umgeben, dass er sich nicht mehr rühren kann."

Nicht ganz die Worte, die er selbst gewählt hätte, aber immerhin. Acarion wünschte, er hätte den Kopf drehen können, um die Gesichtsausdrücke der anderen zu sehen, doch durch den Griff an seinen Haaren blieb ihm nichts anderes übrig, als weiter an die Decke zu starren.

„Was euren anderen Streitpunkt angeht", sagte Yona und klang dabei plötzlich ernst. „Ich habe den Verox zwar nicht gesehen, aber ich weiß von ihm. Ron will ihn finden."

„Und woher willst ausgerechnet du das wissen?", fragte Lina scharf.

„Ich habe ihn belauscht", antwortete Yona nach kurzem Zögern.

Was?", fuhr es aus Acarion heraus. Den ganzen Tag hatte er auf eine Gelegenheit gelauert und Yona, die sonst wenig auf ernsthafte Dinge gab, hatte das herausgefunden, was Ron und Beran so offensichtlich vor den Reisenden verbergen wollten?

„Tu doch nicht so nobel, Caron", zischte sie, seinen Tonfall offensichtlich missverstehend. Etwas an der Art, wie sie seinen falschen Namen betonte, führte dazu, dass er tatsächlich schwieg.

„Jedenfalls", fuhr Yona fort, „erzählt Caron euch in dieser Hinsicht die Wahrheit. Es gibt tatsächlich einen Verox in der Gegend."

„Diese Art zu Töten ist nicht menschlich." Acarion hatte Malia nur selten sprechen hören, sie versteckte sich gewöhnlich hinter Vion und Niva.

„Vielleicht war es ein Mensch, der für eine gewisse Zeit seine Menschlichkeit verloren hat", wandte Lehrion ein, aber es klang ein wenig jämmerlich.

„Ich kann euch versichern", sagte Acarion gereizt, „dass ich auch mit einem Abschluss von Akkron nicht in der Lage bin, einen Hund praktisch verschwinden zu lassen."

Zumindest war er das im Moment nicht.

Kurz trat Stille ein.

„Das wäre der Moment, um mich loszulassen", half Acarion nach. Und tatsächlich, dieses Mal lockerte sich der Griff aus seinen Haaren und das kalte Metall der Klinge verschwand von seinem Hals. Einen Moment später löste Vion den Knoten des Seils und gab Acarions Handgelenke frei.

Dankbar ließ der die Schultern kreisen. Dann streckte er fordernd die Hand aus. „Meine Handschuhe, bitte."

Er hätte sich kaum weniger darum scheren können, sie zurückzubekommen, sie wiesen längst Abnutzungsspuren auf und waren nun auch noch von Radons Blut befleckt. Aber es ging darum, eine Botschaft zu vermitteln.

Vion gab sie ihm zögerlich zurück, ohne ihn anzusehen.

„Besser", sagte Acarion kühl, während er sie sich über die Finger streifte. Dann bückte er sich und hob seinen Degen auf, der vergessen auf dem Boden lag. „Dann mache ich mich jetzt auf den Weg, Ron und seine Freunde aus der Misere zu holen."

Kurz trat verblüffte Stille ein. Yona war es, die sie brach. „Bist du bescheuert?"

Acarion schnaubte. „Es war keine Ausrede, als ich behauptet habe, ich könnte ihm helfen."

Aber Yona war noch nicht fertig. „Ich meine, du stellst dich hierhin und behauptest, du bist auf den Verox getroffen. Gut, herzlichen Glückwunsch, dass du noch lebst. Aber er ist dir nicht nur entkommen. Wie es aussieht, hat er dich vorher noch entwaffnet und zumindest einmal am Schädel erwischt, wenn du dich danach in die Situation hast bringen lassen, aus der ich dich gerade befreien durfte."

„Mir stehen Waffen zur Verfügung, die ich hier drinnen nicht anwenden konnte", wiegelte er ab.

„Oh schön, sehr mysteriös", spottete Yona. „Entschuldige, wenn ich davon nicht so überzeugt bin wie du. Ich komme mit."

„Nein."

„Ich wollte das jetzt eigentlich nicht so direkt sagen, aber ich laufe im Zweifelsfall schneller als du." Sie nickte kurz zu Acarions verletzten Bein hin. „Und Ron ist der Befehlshaber hier, nicht du. Es steht dir also überhaupt nicht zu, das zu entscheiden."

Frustriert umklammerte Acarion den Griff seines Degens. Er konnte Yonas Anwesenheit in dieser Geschichte nicht gebrauchen, sie war ein unnötiges Risiko. Auch wenn sie ihn gerade aus einer ungünstigen Situation befreit hatte.

„Dann hättest du auch gleich mit Ron gehen können, anstatt mir ein Klotz am Bein zu sein", fuhr er sie an.

„Rons Möchtegern-Soldaten sind ein Haufen Idioten", erwiderte sie trocken. „Vielen Dank, da bin ich lieber mit einem einzelnen Lügner unterwegs. Und ich bin durchaus fähig, mich selbst zu verteidigen."

„Ich komme auch mit", kam da eine vorsichtige Stimme von hinter ihnen. Yona und Acarion fuhren herum. Kilias war noch immer leichenblass und umklammerte den letzten Pfosten der Treppe, aber seine Miene war entschlossen. „Ich glaube ... ich glaube, das ist das Richtige. Ich will dieses Mal das Richtige tun. Nicht, wie bei ..." 

Er beendete den Satz nicht.

Acarion stöhnte. „Willst du jetzt ihre Argumente auch noch einmal auflisten?"

„Das ist nicht nötig. Er kann selbst entscheiden, was er tun will", steuerte Yona wenig hilfreich bei.

„Na schön, von mir aus", resignierte Acarion. Besser, er unterband diese Diskussion jetzt, bevor noch mehr seiner Mitreisenden ihren Heldenmut entdeckten und ihm zwischen den Füßen herumstolpern würden. „Es ist euer persönliches Risiko, wenn ihr euer Leben aufs Spiel setzen wollt."

Yona verschränkte die Arme und ein schiefes Grinsen erschien auf ihrem Gesicht. „Jetzt verstehen wir uns."

„Ich möchte nur eine Sache dazu sagen." Alenas Stimme war nicht viel lauter als die von Kilias, aber deutlich fester. Sie war an das Geländer im oberen Stockwerk getreten und blickte zu ihnen herunter, Sorge im schmalen Gesicht. „Ich glaube wie Kilias, Ron kann jede Hilfe gebrauchen, die er kriegen kann. Normalerweise würde ich mit euch gehen, aber ... es sollte auch jemand hier bleiben, der mit der Klinge umgehen kann. Wer weiß, was noch auf uns zu kommt."

Sie zögerte kurz.

„Es tut mir leid, Caron", sagte sie dann. „Ich denke, die Angst hat aus vielen von uns gesprochen."

Kurz ließ Acarion seinen Blick über die Anwesenden schweifen. Kilias war schon beinahe symbolisch zu ihm herübergetreten, als wollte er besonders deutlich machen, dass er dieses Mal nicht fliehen würde, und Lina war bereits wieder verschwunden. Niva und Malia musterten ihn, aber nicht feindselig. Vion starrte auf seine Füße.

Lehrion dagegen sah nicht so aus, als hätte er seine Meinung geändert. Der alte Mann musterte Acarion, als wäre er ihm am liebsten an die Kehle gesprungen. Nun, an diese Blicke war er gewöhnt.

Ohne einen weiteren Augenblick zu verschwenden, drehte er sich herum und verließ Berans Gaststätte, gerade in dem Moment, als Bedai'an, der rote Mond, verblasste und der grauen Morgendämmerung Platz machte.


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