Von Wahrheiten und Lügen

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Yona hob ihre Ruhka, obwohl sie sich bei weitem nicht sicher war, sowohl sich als auch Acarion schützen zu können. In einer Bewegung, die beinahe gelangweilt wirkte, holte der Mann mit dem Messer aus und schleuderte es. Yona riss ihre Waffe hoch, instinktiv, blindlings.

Die Klinge des Wurfmessers verfehlte sie um Längen. Und grub sich zielgenau in Faréns Auge. Sofort erstarb das schrille Wiehern des Tieres. Dumpf schlug der Pferdekörper auf dem Boden auf. Stille trat ein.

Entsetzt starrte Yona den Mann an, der nun vollständig aus der Falltür geklettert war. Er schenkte ihr nicht die geringste Beachtung, sondern schob sich langsam auf das tote Pferd zu. Dabei begann er, in einem nicht abreißenden Wortschwall zu plappern. „Gutes Pferd, schönes Pferd, nett von dir, vorbeizuschauen. Wirst den alten Novrion eine ganze Weile ernähren, nicht wahr mein Liebes, das wirst du, wirst du ..."

Mit einem schmatzenden Geräusch zog der Alte sein Messer aus Faréns Auge und leckte es ab. Blut und eine gallertartige Masse tropften auf den Boden. Übelkeit stieg in Yona auf, die Ruhka in ihrer Hand begann zu zittern. „Hast eine Menge schöne Sachen mitgebracht, nicht wahr, Pferdchen ..."

Wie Würmer fuhren die mageren Finger über Faréns Satteltaschen. „Wollen einmal sehen, was du dem alten Novrion schenken willst ..."

Neben Yona regte sich Acarion und öffnete die Augen. Die Welle der Erleichterung, die Yona durchströmte, wurde durch den Argwohn begrenzt, mit der sie den Irren beobachtete, der sie offenbar noch immer nicht wahrgenommen hatte. Etwas Dunkles schien sich zu nähern.

Sie packte Acarion, der sich gerade vorsichtig aufrichtete, an der Schulter, gleichermaßen Zusicherung, dass bei ihr alles in Ordnung war und Warnung, kein Geräusch von sich zu geben. Der Alte, bei dem es sich um Novrion zu handeln schien, schlug mittlerweile seine wenigen verbliebenen Zähne in einen Laib Brot, den er in den Satteltaschen gefunden hatte. Tropfen von Spucke und Brotkrümeln verteilten sich auf dem Boden und vermischten sich mit Faréns Blut.

Acarion erhob sich vorsichtig, aber sein Stand war wackelig und Yona fürchtete, dass er wieder stürzen würde. Wir sollten gehen, dachte sie, auch wenn es ihr widerstrebte, die Hälfte ihrer Vorräte zurückzulassen. Bevor er uns bemerkt.

Sie suchte Acarions Blick und ruckte mit dem Kopf in Richtung Ausgang. In diesem Moment gab Ofri, der bis dahin erstaunlich still hinter ihnen gestanden hatte, ein unruhiges Schnauben von sich.

Der Kopf des Alten schoss hoch.

Für einen Herzschlag betrachtete er irritiert Faréns Maul, als könne der Laut von dort gekommen sein, doch dann fanden seine dunklen Augen Yona. Mit einer Agilität, die seine Erscheinung Lügen strafte, sprang der Mann auf.

Zu ihrem Glück war Yona vorbereitet. Als das Messer auf sie zugeflogen kam, stieß sie Acarion zur Seite und riss mit der anderen Hand ihre Ruhka hoch. Ein helles Klirren ertönte, als Metall auf Metall traf. Yona blieb keine Zeit, stolz auf ihre Leistung zu sein.

„Verox!", kreischte der Mann und eiskalte Schreckensschauer durchfuhren Yona. „Verox im Turm vom alten Novrion! Verox werden hier nichts finden, oh nein, Verox werden wieder gehen und den alten Novrion in Ruhe lassen, nicht wahr, Verox tun dem alten Novrion nicht weh, bitte, es gibt nichts, was der alte Novrion den Verox noch sagen könnte!"

Yona fühlte sich wie an dem Tag, als Acarion ihr die Lippen zusammengebunden hatte, genauso unfähig, auch nur ein Wort von sich zu geben. Was konnte sie sagen, wie konnte sie erklären –

Stattdessen trat Acarion vor, der offensichtlich sein Gleichgewicht wiedergefunden hatte, die Hände beschwichtigend erhoben, die Augen fest auf Novrion gerichtet.

„Beruhige dich", sagte er, die Stimme ruhig und gefasst. Sämtliche Benommenheit war aus seinem Auftreten gewichen. „Wir sind keine Verox und wir sind nicht gekommen, um dir Schaden zuzufügen. Wir haben lediglich Schutz vor dem Unwetter draußen gesucht und wir werden dich nicht wieder behelligen."

„Lügen!", schrie Novrion, spuckte aus und kam nun auf Acarion zu, der sicherlich zwei Köpfe größer war. „Oh, alle lügen sie immer den alten Novrion an, nicht wahr. Aber der alte Novrion weiß es, nicht wahr, er weiß es immer, er spürt die Anwesenheit fremder Seelen, er kann die Verox erkennen, wenn sie in seinen Turm kommen!"

Acarions Hand fuhr zu seiner Halskette und ein kurz flackerte ein entgeisterter Ausdruck in seinen Augen.

„Du irrst dich", sagte er bestimmt. „Was du spürst, ist ein Schmuckstück von mir, mit Energie aufgeladen. Ich habe es selbst entwickelt und ich kann dir versichern, dass ich kein Verox bin."

„Er sagt, er hat keine Seelen gefangen", brabbelte Novrion, „der Fremde tut so, als sei er Wissenschaftler, nicht wahr, als sei er Erfinder. Aber wenn er kein Verox ist, dann will er die Geheimnisse vom alten Novrion finden und stehlen, nicht wahr, da ist der alte Novrion sich sicher."

Yona konnte sehen, wie zwei der größten Antriebe Acarions miteinander rangen. Da war der alte Irre, der andeutete, im Besitz bedeutender Geheimnisse zu sein, und da war seine Aufgabe, für die er sich weigerte, jede Verzögerung in Kauf zu nehmen.

„Lass uns gehen", versuchte Yona, ihm die Entscheidung abzunehmen. Novrion verursachte ihr eine Gänsehaut. Da war etwas an dem alten Mann, das nichts mit seinem offensichtlichen Wahnsinn zu tun hatte, etwas, das ihr riet, möglichst viel Abstand zwischen sich und diesen Turm zu bringen. „Ich glaube nicht, dass er seine Geheimnisse noch aussprechen kann."

Acarion runzelte die Stirn und warf ihr einen kurzen Blick zu.

„Niemand hier will Euch Eure Geheimnisse stehlen, Novrion." Yonas Augenbrauen schossen in die Höhe, als sie bemerkte, dass er zu einer höflicheren Anredeweise gewechselt war. „Aber Wissen ist vergänglich, das wisst Ihr sicher auch. Wenn Ihr es nicht weitergebt, wie soll es dann jemals Bestand haben?"

Novrion versuchte nun offensichtlich, Acarion zu fokussieren, aber etwas schien seine Augen davon abzuhalten, dieses Kunststück zu vollbringen. „Nein das kann der alte Novrion nicht, sein Wissen ist heilig, nicht wahr, und die Verox haben ihm schon so viel davon geklaut."

„Dann solltet Ihr es doch erst recht als Eure Aufgabe erachten, dass das Wissen auch an jemanden weitergegeben wird, dessen Hände die richtigen sind."

„Jaja, das Böse kommt in den Turm, nicht wahr und es sucht den alten Novrion", bestätigte der Alte, während er langsam wieder von Acarion zurückwich, der ihn scharf im Blick behielt.

Yona schielte zum Ausgang.

„Was wären denn dann Eure Geheimnisse noch wert, wenn Ihr sie ausschließlich in die Hände des Bösen geben müsst."

„Der alte Novrion weiß Bescheid, nicht wahr, der alte Novrion hat gelernt. Er weiß, dass er sich nur im Keller zu verstecken braucht, wenn das Böse kommt, und dass es ihn dann in Ruhe lässt, nicht wahr." Ein irres Kichern drang aus der Kehle des Alten. „Nichts erreicht den alten Novrion da unten, nicht wahr, kein Erdrutsch, kein Verox."

Für einen Augenblick war der Blick des Alten noch leerer, als er zuvor gewesen war, dann stierte er wieder in den Raum. Er hatte die Falltür fast erreicht.

Offenbar hatte das auch Acarion erkannt, denn er wechselte zu einer neuen Strategie.

„Ihr werdet sterben, Novrion." Seine Stimme war hart und klar. „Ihr seid alt und Eure Tage gezählt."

Die schmale Brust Novrions hob und senkte sich heftig, als wollte er Acarion das Gegenteil beweisen.

„Wenn Ihr mir Euer Wissen anvertraut", beschwor Acarion den irren Mann, „dann schwöre ich bei jedem Gott, den Ihr mir nennt, dass ich es in die richtigen Hände weitergeben werde."

„Außerdem", sagte Yona, um auch etwas beizutragen, „wenn die Verox das Wissen doch sowieso schon besitzen, schadet es ja auch nicht, es noch jemandem zu sagen, oder?"

Novrion hatte die Schwelle zu seiner Falltür erreicht.

Nun, da sie so dicht davorstanden, konnte Yona den widerlichen Geruch riechen, der daraus aufstieg. Unwillkürlich bog sie den Kopf nach hinten, um möglichst wenig davon einzuatmen. Unterdessen stand Novrion an der Kante und schwankte leicht hin und her. Er schien buchstäblich hin- und hergerissen zwischen seinen Möglichkeiten.

„Das Mädchen ist gierig", wisperte er, „nicht wahr, der alte Novrion kann es spüren. Es ist nicht so kühl wie der andere, jaja, der mit den klugen Worten." Er stockte. „Der alte Novrion wird es beiden zeigen, er wird euch mitnehmen."

Acarion warf Yona einen deutlich verärgerten Blick zu. Sie zuckte jedoch nur mit den Schultern. Es war schließlich nicht ihre Schuld, wenn ein durchgeknallter Alter sie lieber mochte.

Novrion machte sich unterdessen daran, die klapprige Leiter hinabzusteigen.

„Immer hinterher, Fremde, der alte Novrion lädt euch ein."

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro