Kapitel 35 - Im Wald

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

»Wie sollen wir deinen Bruder in dieser Dunkelheit nur finden?«, fragte Jan vorsichtig, während Levi seinen Besen etwas auf den Waldboden zusteuerte und geschickt zwischen den Baumkronen hindurchflog. Ein Blick nach hinten verriet Jan, dass die anderen Levis Kurs folgten. Er war beeindruckt vom Zusammenhalt seiner Freunde und war so unfassbar glücklich von solchen treuen Menschen umgeben zu sein. Besonders über Linas und Hannes' Mitkommen war Jan mehr als überrascht. Auch wenn Lina ihr Verhalten meistens nur spöttisch belächelte und Hannes viel mehr Zeit mit seinen Freunden aus Ehura verbrachte als mit seinen Hauskameraden, so waren sie doch beide jetzt, wo ihr Freund sie brauchte, für ihn da. Nur kamen in Jan immer mehr Zweifel auf, ob sie wirklich auch nur den Hauch einer Chance hatten.

Der Wald war in eine tiefe Dunkelheit getaucht. Jan war der festen Überzeugung, dass er eine so düstere Szene in einem Film vorgespult hätte. Jetzt ging das nicht. Und auch wenn ihm das Herz bis zum Hals schlug, er wollte es auch gar nicht. Jetzt war die Gelegenheit, etwas für Levis Großherzigkeit zurückzugeben, und die wollte er nutzen.

Levi verlangsamte sein Tempo und kam schließlich auf einer schmalen Lichtung zum Stehen. Sie war umringt von hochgewachsenen Bäumen, deren Zweige sich wie die Umhangsfetzen von Dementoren auf die Lichtung ausstreckten. Auch die Besen von Filio und Hannes, sowie von Lina und Marina landeten dort.

»Ich habe mir etwas überlegt«, erklärte Levi leise und kramte in seiner Jackentasche herum. In dieser Zeit entstand eine unheimliche Stille. Jedes allzu kleine Geräusch im Gebüsch ließ Jan zusammenzucken. Er war erleichtert, als Levi etwas aus seiner Tasche zog und wieder zu reden begann.
»Das ist ein Calinus«, erklärte er und hielt etwas in die Höhe, das im Licht von Hannes' Zauberstab, wie ein gewöhnlicher Kieselstein aussah. »Noah hat ihn mir gegeben, als er für sein erstes Jahr nach Winterfels gegangen ist. Je weiter er sich von mir entfernt, umso wärmer wird der Stein. Ich hatte gehofft, dass er auch kälter wird, wenn wir uns ihm jetzt nähern.«

»Aber?«, fragte Lina angespannt. Es war offensichtlich, dass Levis Satz noch etwas fehlte.
Im spärlichen Licht konnte man sehen, wie Levi niedergeschlagen seine Mundwinkel hob.
»Er ist schon seit wir über den Wald fliegen ziemlich kalt«, antwortete er. »Ich kann beim besten Willen nicht erkennen, ob er seitdem nun noch kälter oder wieder wärmer geworden ist. Es hat nicht zufällig jemand von euch ein übernatürliches Gespür dafür?«
Jan sah zu den anderen. Er wusste das Levis Frage nicht wirklich auf eine Antwort abzielte. Dennoch hätte es ja sein können, dass es so etwas in der Welt der Zauberer gab. Doch dann meldete sich zu seinem Überraschen Filio zu Wort.

»Ich habe zwar kein übernatürliches Gespür, aber ein Laserthermometer«, meinte der vorsichtig. »Ich kann es schnell holen. Wobei...« Er warf einen Blick auf die Besen, mit denen er noch immer nicht wirklich vertraut war. »Vielleicht wäre es besser, wenn ihr es holt. Es ist in der zweiten... ne, in der dritten Schublade von meinem Rollcontainer. Neben der Stoppuhr.«
Hannes hob bereits seinen Besen. Doch dann schaltete sich Lina ein.
»Man könnte meinen, du wärst ein Muggel«, stichelte sie. »Nicht alles, dass du dein Ding zu Fuß holen willst. Wie heißt das gute Teil nochmal?«
»Laserthermometer.«
»Laserthermometer«, wiederholte Lina hörbar konzentriert. Dann glaubte Jan zu erkennen, wie sich ihren Zauberstab in die Höhe hielt und auf die Burg richtete. »Accio Filios Laserthermometer!«

Eine Zeit lang geschah nichts, außer, dass Lina ihren Zauberstab sinken ließ und dafür ihre Hand ausgestreckt in die Luft hielt.
Dann kam auf einmal ein L-förmiger Gegenstand mit einem Surren genau auf sie zugeflogen, sodass sie es problemlos fangen konnte. Zufrieden reichte sie es Filio.
»Aber... aber so einen Zauber hatten wir doch noch gar nicht«, staunte der begeistert. »Danke!«
»Den würdest du auch können, wenn du so einen vollen Kosmetikschrank hättest wie Lina«, lachte Marina.

Danach wurden sie allerdings wieder ernst. Die entspannte Lockerheit wich schneller, als sie eben gekommen war und überließ sie wieder der schaurigen Finsternis. Im Schein von Hannes' Licht hielt Filio sein Laserthermometer über Levis Stein.
»10,8 Grad«, las Filio vor.
»Und jetzt?«, fragte Hannes.
»Jetzt laufen wir in eine Richtung und schauen, ob der Stein wärmer oder kälter wird«, erklärte Levi. »Ich würde vorschlagen, wir gehen nach rechts, weil in der Richtung auch das Loch im Bann liegt. Es wäre am logischsten..., wenn Noah dort wäre.«
Während er redete wurde er immer unsicherer und das besorgte Jan. Levi konnte normalerweise nichts die Hoffnung nehmen. Jetzt aber schien auch ihn die Angst überkommen zu haben.

Dennoch machte er sich nun mutig auf den Weg. Den Besen seines Bruders hatte er über seine linke Schulter gelegt, seinen Zauberstab hielt er fest in der rechten Hand. Auch er entzündete damit nun ein Licht, das den finsteren Wald ein wenig erhellte.

Nach einer Weile hielt er Filio den Stein wieder hin.
»10,7 Grad«, las der.
Marina seufzte.
»Ich freue mich zwar, dass wir auf dem richtigen Weg sind, aber es wäre mir echt lieber gewesen, wenn der uns nicht direkt zu unseren Belagerern geführt hätte.«
Bei diesen Worten drehte Levi sich noch einmal zu seinen Freunden um.

»Vermutlich hast du Recht, Marina«, stimmte er zu. »Es ist absolut wahnsinnig, dorthin zu gehen. Uns könnte alles Mögliche passieren. Ich bringe das alleine zu Ende.«
»Das machst du definitiv nicht«, widersprach Lina und ging einfach an dem Jungen vorbei. »Ich bin nicht aus purer Langeweile durch ein Fenster ausgebrochen und durch die Nacht geflogen. Ich wollte dir helfen und das mache ich jetzt auch.«

Jan hätte gerne gesehen, ob Levi jetzt lächelte oder eher verzweifelt aussah, aber die Dunkelheit hielt seinen Gesichtsausdruck verborgen. Jan konnte nur erkennen, dass auch er sich wortlos wieder umdrehte und versuchte, Lina zu folgen.

»10,2 Grad«, las Filio vor. Einige Schritte über den bewaldeten Berghang waren vergangen und bereits ein paar Messungen durchgeführt worden. Es schien so, als kämen sie ihrem Ziel immer näher. Zwischenzeitlich waren sie etwas zu weit nach unten gestiegen, aber nach einer leichten Erwärmung des Steins hatten sie rasch ihren Kurs korrigiert.

Jetzt waren sie nicht mehr weit von Noah entfernt, da war sich Jan sicher. Nicht mehr lange und aus dem Stein würde sonst ein Eisklotz werden. Doch mit jeder Minute wurden er und seine Freunde erschöpfter. Die unheimliche Atmosphäre raubte ihnen immer mehr ihre Kräfte, ihre Motivation und erst recht ihren Mut. Jan zitterte am ganzen Körper. Er war sich sicher, dass er in diesem Zustand nicht in der Lage wäre, auch nur einen einzigen Satz lesbar auf ein Blatt Papier zu bringen.

»Woher weißt du eigentlich, dass dein Stein so genau funktioniert?«, fragte Lina spitz. »Kann es nicht auch sein, dass er einfach kälter wird, weil es nachts auch kälter wird.«
»Das bringt uns doch jetzt nicht weiter«, versuchte Filio dazwischenzugehen. »Wenn Levi sagt, der Stein funktioniert, dann glaube ich ihm das.«
»Ich will ja auch gar nicht sagen, dass er lügt«, erwiderte Lina. »Aber es kann ja auch immer mal was kaputtgehen. Die Zauber bei so Sachen halten auch nicht für alle Ewigkeit.«
Jan überlegte gerade, ob er etwas erwidern sollte, als er plötzlich ein Zischen hörte.

»Hallo?«, flüsterte eine Stimme. »Wer ist da?«
Sein Herz begann schneller zu schlagen. Zwar lag in den Worten mehr eine interessierte, ja vielleicht sogar verzweifelte Betonung, aber das konnte genauso gut eine List sein. Hier im Wald, so nah beim Lager ihrer Widersacher, musste man mit allem rechnen. In seinem Augenwinkel sah er Marina sich ruckartig umdrehen. Lina schnappte erschrocken nach Luft. Hannes löschte reflexartig das Licht seines Zauberstabs. »Nox!«

Nur Levi schien keinen Zweifel daran zu haben, was es mit der Stimme auf sich hatte.
»Noah?«, fragte er und seine Stimme bebte vor Hoffnung.
»Psst«, kam es daraufhin zurück. »Kommt mal her!«

Zögerlich sah Jan zu den anderen. Levi allerdings lief direkt in die Richtung, aus der die Worte kamen. Mit seinem Zauberstab verließ sie die einzige Lichtquelle, die sie noch hatten. Daher folgten sie ihrem Freund, auch wenn Marina unterwegs ein Licht an der Spitze ihres Zauberstabs entzündete.

Als sie bei Levi ankamen, hockte der bereits neben einer auf dem Boden liegenden Person - seinem großen Bruder Noah. Er lag unter einem Wacholdergestrüpp und außer dem Kopf war nichts von ihm zu sehen. Jan fragte sich, was er nur hier tat. Seine Haltung erinnerte ihn an einen Soldaten in geheimer Mission. Er wollte doch nicht ernsthaft versuchen, die Belagerer alleine aufzuhalten.

»Seid ganz leise!«, flüsterte er, als sie bei ihm angekommen waren. »Sie könnten jeden Moment hier auftauchen. Aber sagt mir: Was bei Lilienthals Zauberbuch macht ihr hier?«
In Jans Kopf drehten sich die Gedanken. Was war hier los, dass Noah wusste, dass sie bald hier sein konnten. Und wer waren überhaupt sie?
»Wir haben dich gesucht«, erklärte Levi leise und senkte den Kopf zu seinem Bruder. »Wir wollten dich retten. Aber was machst du hier, unter einem Strauch versteckt?«

»Einer von denen hat mit seinem Zauber eine Gerölllawine ausgelöst«, antwortete Noah, gerade so, dass man ihn verstand. »Die hat mich so überrumpelt, dass ich meinen Zauberstab verloren habe und mir mindestens ein Bein gebrochen habe. Ich wusste, dass ich so keine Chance habe, bis zur Burg zu kriechen, deshalb habe ich mich versteckt. Ich wollte heute Nacht los, wenn mich keiner sieht. Nur ist jetzt eben einer von denen hier vorbeigekommen und hat meinen Zauberstab gefunden. Damit ist er zurückgegangen.«

Jan schluckte. Also hatte Filios Maschine Recht gehabt. Jemand hatte das Gebiet innerhalb des Bannzaubers betreten. Und dieser jemand könnte jeden Moment zurückkommen. Seine Atmung beschleunigte sich. Sie mussten schnell sein, wenn sie nicht in eine ernsthafte Gefahr geraten wollten.
»Levi, flieg du mit Noah zur Burg!«, schlug er daher vor. »Wir kommen hinter euch her.«

Durch zu seiner Überraschung schüttelte der den Kopf.
»Mit Noahs Bein können wir keinen Besen fliegen«, widersprach er. »Das klappt nicht. Außerdem müssen wir mal unsere Lichter ausmachen. So können wir von jedem direkt gesehen werden.«

Mit zwei »Nox!«, wurde es schlagartig dunkel im Wald. Das wenige Licht, das der Sichelmond am Himmel spendete, wurde von den Baumkronen vollkommen abgefangen.
Dafür aber erschien in einiger Entfernung am Waldboden nun ein Licht, das so hell war, als würde jemand ein Flutlicht mit sich tragen.
»Da sind sie«, keuchte Filio.

»Zwei von euch stützten Noah so, dass ihr zu dritt zur Burg fliehen könnt!«, entschied Levi eilig. »Ich halte euch hier so gut es geht den Rücken frei. Die anderen können sich aussuchen, ob sie auch fliehen wollen oder mir helfen.«

Eine kurze Zeit lang herrschte Stille.
»Marina und ich stützen Noah«, flüsterte Lina dann.
»Und ich bleibe hier und helfe dir«, kam es von Hannes. Filio stimmte zu.
»Und ich auch«, entschied sich auch Jan. Sie mussten das jetzt gemeinsam durchstehen, um gemeinsam zu überleben.

Ein lautes Rascheln ertönte. Jan vermutete, das Noah gerade unter dem Gebüsch hervorkam. Bersorgt sah er auf das immer näher kommende, blendende Licht. Die Fremden durften sie auf keinen Fall bemerken. Eilig tastete er den Boden nach einem Stein ab, nahm den größten, den er finden konnte, in die Hand und warf ihn so weit von ihnen weg, wie möglich. Er hörte schließlich in einiger Entfernung ein dumpfes Poltern, dort wo der Stein vermutlich gegen einen Baum schlug. Gefolgt wurde es von einem lauten Rascheln. Der Stein war jetzt wahrscheinlich am Waldboden angekommen und rollte nun den Hang hinab. Zu Jans Erleichterung wendete sich der gleißende Lichtkegel tatsächlich in diese Richtung und von ihnen ab. Doch schon bald übertönte das Geräusch, das Noahs Aufrichten von sich gab das Rollen des Steins erheblich.

Das Licht drehte sich wieder, genau in ihre Richtung. Schritte wurden hörbar, genauso wie einige Stimmen.
Jan konnte zwar nicht sehen, was seine Freunde gerade taten, aber den Geräuschen nach zu urteilen, begannen Marina und Lina gerade erst damit, mit Noah davonzugehen. Und es hörte sich nicht gerade so an, als würden sie dabei schnell vorankommen.

»Wir sind zu langsam«, fluchte er verzweifelt.
Daraufhin herrschte ein betretenes Schweigen.
»Du hast Recht«, stimmte Levi schließlich zu. »Wir können die Angreifer nicht hindern, den dreien zu folgen, sondern sie nur ein wenig aufhalten. Wir brauchen Hilfe.
Hannes?«
»Ja?«
»Bitte schnapp dir deinen Besen und flieg nach Winterfels«, forderte er den Jungen auf. »Ruf die Lehrer um Hilfe. Wenn Tuplantis hört, dass so viele Schüler in Gefahr sind, muss er uns einfach helfen.«

»Bist du dir sicher, dass ich das machen soll?«, fragte Hannes vorsichtig. »Ich meine, ich war das ganze Jahr nie wirklich bei euch, sondern nur bei den Ehuras. Willst du diese Aufgabe nicht einem richtigen Freund anvertrauen?«
»Allein, weil du heute Abend für mich mitgekommen bist, bist du ein richtiger Freund, Hannes«, erklärte Levi entschieden. »Ich wüsste niemanden, dem ich das jetzt lieber anvertrauen würde.«

Jan bedauerte es fast, die Gesichtsausdrücke der beiden in der Dunkelheit nicht sehen zu können. Denn auch wenn sie gerade in höchster Lebensgefahr schwebten, zauberte dieser starke Zusammenhalt ihm ein Lächeln aufs Gesicht. Und er konnte sich nicht vorstellen, dass es bei den beiden anders war.
Er hörte, wie Hannes seinen Besen zwischen die Beine klemmte, dessen Beleuchtung anschaltete und vom Boden abhob. Das Licht seines Besens verschwand zwischen den Bäumen und wurde immer kleiner. Das Licht hingegen, das von der anderen Seite auf sie zukam, das wurde immer größer. Ihre Feinde kamen näher.

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro