Interlog - Hannes Burgfeld

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Der schmale Sichermond ließ die Silhouette einer Burg majestätisch auf einem Hügel thronen. Über den Himmel zogen bloß ein paar einsame Wolken, wie verirrte Schafe. Nur vereinzelt brannte hinter einigen Fenstern derBurg noch ein Licht. Die Ställe neben dem beeindruckenden Gebäude lagen in vollkommener Dunkelheit. Die Laterne, die sie vermutlich beleuchten sollte, flackerte schwach. Aus den hölzernen und steinernen Gebäuden drangen einige Geräusche. Man konnte ein leises Grunzen und das schaurige Lied eines Vogels hören. Die Muffliato-Zauber, die einmal über dem Gelände gelegen hatten, schienen eine Auffrischung dringend nötig zu haben.

Auf der Mauer, die um die Burg und die Ställe gebaut worden war, stand ein kräftiger Mann. Man konnte im schwachen Licht nur wenig von ihm erkennen. Sein Kopf war mit einer Jagdmütze bedeckt, sein Oberkörper mit einem Karohemd. In der Hand hielt er einen leuchtenden Stab, mit dem er über einen Holzklotz fuhr. Es sah ganz so aus, als würde er etwas schnitzen, denn an einigen Ecken waren bereits Vertiefungen im Holz sichtbar. Er warf prüfend einen Blick auf den Wald, der vor ihm lag. In ihm herrschte noch eine größere Finsternis als auf dem bebauten Gelände. Die Baumkronen absorbierten auch das wenige Licht, das der Mond auf die Erde warf. Der Mann wandte sich wieder seiner Schnitzarbeit zu. Was weiter hinten im Wald geschah, konnte er auch nicht sehen.

Dort brach gerade ein Licht durch die Baumkronen. Es war vorne an einem Besen befestigt, der rasant durch die Lüfte flog. Auf dem Besen saß ein Junge. Auch von ihm war nur der Umriss seines schlanken Körperbaus, sowie seiner zerzausten Frisur zu sehen. Während seine eine Hand den Besenstiel fest umklammert hielt, war in seiner anderen ein ähnlicher hölzerner Stab, wie der des schnitzenden Mannes.
Sobald der Junge die Bäume verlassen hatte, machte er eine ruckartige Lenkbewegung und steuerte seinen Besen nach rechts. Ein roter Lichtblitz kam zwischen den Bäumen hervor und landete genau dort, wo der Junge vor seinem Wendemanöver noch geflogen war.

»Verfluchte Vandalen«, schimpfte er und drehte sich in die Richtung um, aus der er gekommen war. Von dort aus kam erneut ein Lichtblitz, diesmal ein grelloranger. Der Junge wich der Gefahr gekonnt aus, konnte aber nicht verhindern, dass sein Schuh getroffen wurde und sofort in Flammen aufging.

»Warum bringen die uns nicht mal einen Zauber bei, um Feuer zu löschen«, presste er mit schmerzverzerrtem Gesicht hervor und zog rasch den brennenden Schuh aus und ließ ihn in die Tiefe fallen. Dadurch war er allerdings nicht auf die nächste Attacke seiner Angreifer vorbereitet. Ein Windstoß kam zwischen den Bäumen direkt auf ihn zu. Der Besen wurde in der Luft herumgewirbelt, sodass der Junge seinen Halt verlor und fast herunterfiel. Nur noch mit einem Arm und einem Bein hielt er sich auf dem taumelnden Stiel. Panisch sah er auf den Wald, in der Angst, dass von dort aus jeden Moment ein neuer Angriff kommen könnte. Sein Besen schwankte gefährlich in der Luft umher. Ohne einen Führer geriet das Gerät langsam außer Kontrolle. Der Junge wusste, wenn er noch etwas tun wollte, dann musste er das jetzt machen. Andernfalls würde er gleich in die Tiefe stürzen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht zog er sich nach oben. Zuerst bekam seine linke Hand den Besen wieder zu fassen, dann konnte er auch sein linkes Bein wieder nach oben ziehen.

Sobald er wieder richtig saß, setzte er seinen Weg fort. Genau im richtigen Moment. Erneut verfehlte ein Lichtblitz ihn nur knapp. Der Junge begann schneller zu atmen. Immer wieder warf er besorgte Blicke nach hinten und konzentrierte sich nur noch halbherzig auf den Weg, der vor ihm lag.

Erneut sah er zurück in den Wald. Mit Schrecken musste er feststellen, dass nun mindestens ein Dutzend Pfeile auf ihn zugeflogen kamen. Sie flogen breit gestreut, sodass ein Ausweichen unmöglich war. Für den Schüler gab es nur eine Möglichkeit.
»Protego!«

Mit erhobenem Zauberstab stellte er sich den Pfeilen entgegen und sah sie angespannt an. Die Gruppe der tödlichen Geschosse kam näher. Vielleicht waren sie noch 10 Meter entfernt. Noch fünf Meter. Doch auf einmal prallten die Pfeile ab. Es war, als würden sie gegen eine unsichtbare Mauer fliegen. Teilweise mit gebrochenen Spitzen flogen sie zu Boden.
Doch da er seine ganze Konzentration auf die Pfeile gerichtet hatte, merkte er nicht, was unter ihm geschah. Mittlerweile hatte er den Wald hinter sich gelassen und flog nun über das Schulgelände – in das Blickfeld des schnitzenden Mannes herein. Und ehe der Junge etwas dagegen tun konnte, war er in eine weiße Blase gehüllt und wurde darin zu Boden gezogen, bis er neben dem Mann zum stehen kam. Der musterte ihn kritisch.

»Na, wen haben wir denn da?«, fragte er mit einem ärgerlichen Unterton in der Stimme. »Habe ich dir nicht noch gestern das Licht an deinem Besen repariert? Hannes Burgfeld, richtig? Hätte ich gewusst, dass du ihn dafür nutzen willst, hätte ich dir das ganz gewiss nicht gemacht.«

»Ach ja«, er seufzte tief. »Dann bringe ich dich mal wieder nach drinnen. Dafür muss ich nur schnell eine Nachricht an Witold senden, damit er die Tür kurz öffnet.«
Der als Hannes angesprochene Junge sah sorgenvoll zum Wald.
»Herr Jeffer, ich habe es zu eilig«, sagte er ernst. »Meine Freunde sind im Wald und brauchen Hilfe.«

Er kletterte bereits wieder auf seinen Besen und wollte sich abstoßen, aber der Lehrer hielt ihn zurück.
»Da sind noch mehr?«, fragte er und deutete auf den Wald. Hannes nickte.
»Ach ja«, machte Herr Jeffer wieder. »Warum müsst ihr denn auch meinen, dass es eine gute Idee ist, es alleine mit irgendwelchen Schwerverbrechern aufzunehmen?«
Unruhig trat Hannes von einem Fuß auf den anderen.

»Herr Jeffer, ich erkläre Ihnen alles, wenn das hier vorbei ist«, meinte er so sachlich wie möglich. »Jetzt geht es um Leben und Tod. Meine Freunde brauchen mich. Und ich brauche Sie, Ihr Vertrauen. Lassen sie mich gehen, damit ich die anderen Lehrer rufen kann.«
Der Lehrer bewegte unruhig seinen Holzklotz in der Hand umher.

»Du kannst überzeugend reden, das muss ich dir lassen. Ich lasse dich fliegen. Ich weiß zwar nicht wohin, aber ich glaube dir mal, dass du einen Plan hast.«
Hannes nickte dankbar. »Sie werden es nicht bereuen.«
Dann stieß er sich vom Boden ab

Der Mann sah ihm noch eine Weile lang hinterher und es sah ein wenig so aus, als würde er den Kopf über sich selbst schütteln. War es ein Fehler, was er getan hatte?

Hannes flog unterdessen einmal um die halbe Burg herum bis er einen Fensterrahmen entdeckte, in dem die Fensterscheibe fehlte. Der Junge machte eine ruckartige Drehung und flog genau hindurch. Es folgte ein unsanftes Poltern und ein dumpfes Krachen. Hannes lag ungesund verdreht auf dem Boden, irgendwo zwischen seinen Knien klemmte noch sein Besen, dessen Licht in unregelmäßigen Abständen flackerte.

»Jetzt habe ich den Flug draußen überlebt und sterbe beim durchs Fenster Fliegen«, moserte er und zog den Besen unter sich hervor und legte ihn neben sich.

»Hannes! Ist alles gut bei dir?«, ertönte da plötzlich eine Stimme aus einer Ecke des Raumes, in dem er gelandet war. Der Junge zuckte erschrocken zusammen. Er sah in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Als er die Person dahinter erkannte, atmete er erleichtert auf.

»Anna, du bist es!«
»Aber natürlich«, entgegnete die und sah ihn verwundert an. »Wer sollte sich denn sonst in euer Zimmer geschlichen haben«
»Ich... Ich weiß auch nicht. Ich schätze, ich bin ein wenig durcheinander.«
Er betrachtete seine verrenkten Beine.
»Ich muss zu Tuplantis«, erinnerte er sich dann. »Kannst du mir hochhelfen.«
Er streckte seine Hand ihr entgegen.
»Zu Herrn Tuplantis?«, wiederholte Anna und sah ihn erschrocken an. »Hannes, was um alles in der Welt habt ihr gemacht?«

Während Hannes sich bemühte, Anna in Kürze von den Geschehnissen im Wald zu erzählen, spielten sich auf der anderen Seite der Burg, ein Stockwerk tiefer ganz andere Sachen ab. Wäre der Raum nicht mit einem speziellen Zauber versehen gewesen, um neugierige Schüler nicht mit Wissen zu versorgen, das sie nicht haben sollten, so hätte man möglicherweise die Stimmen manchmal noch bis zum Zimmer der beiden Schüler gehört. Zwar schrien die dort sitzenden Erwachsenen nicht, aber in der Tat sprachen sie alle recht aufgebracht miteinander. Es schien ganz so, als stünde ein sensibles Thema im Raum.

Die Personen hatten in einem runden Turmzimmer Platz genommen und saßen dort an einem langen Tisch. An dem Ende des Tisches, das vom Burginneren wegzeigte, saß ein Mann mit einem schwarzen Anzug. Sein einst blondes Haar kräuselte sich in Locken über seine Ohren und warmittlerweile fast vollständig ergraut. Er sah konzentriert aus, bemüht um Ruhe und um eine Lösung. Die Frau neben ihm hingegen wirkte eher angespannt und hatte einige Papiere vor sich liegen, auf denen sie sich immer wieder Notizen machte. Von Zeit zu Zeit tauschte sie mit ihrem Sitznachbarn flüsternde Worte aus.

»Als Mathematikerin ist es mir ... etwas zuwider, in eine so unberechenbare Kalku... äh, ich meine Operation aufzubrechen«, meldete sich gerade eine kleinwüchsige, jung aussehende Frau zu Wort, die ein paar Plätze von ihnen entfernt saß. Es war deutlich zu erkennen, dass sie sich um eine gehobene Sprache bemühte. Dadurch baute sie allerdings auch immer wieder unprofessionelle Redepausen mitten im Satz ein. »Wir wissen weder die Anzahl noch die, ähm, Fähigkeiten unserer Gegner. Es gibt zu viele Unbekannte in unserer Gleichung, ähm, in unserer Planung.«
Als sie geendet hatte, bemühte sie sich, selbstbewusst in die Runde zu blicken.

»Ich kann deine Bedenken nachvollziehen, Alina.« Eine ebenfalls etwas kleinere Frau hatte nun das Wort ergriffen. Trotz ihrer farbkräftigen, blonden Haare wirkte sie älter als ihre Vorrednerin. Ihr Gesicht war bereits von einigen Falten geziert. »Allerdings dürfen wir auch die andere Seite nicht außer Acht lassen. Wir wissen ebenso wenig, was passiert, wenn wir nicht eingreifen. Aber ich persönlich kann mir nicht vorstellen, dass es gut ausgeht. Diesen toten Schüler heute in meinen Armen halten zu müssen, das hat etwas mit mir gemacht, das man nicht beschreiben kann. Noch nie in meinen Jahren hier musste ich so etwas so nah miterleben. Ich will nicht, dass sich das wiederholt.«
Ihre Stimme klang ruhig und sanft, aber dennoch hatte sie einen eindringlichen Unterton.

»Vielleicht empfindet ihr meine Bemerkung als unangemessen«, schaltete sich da ein Mann ein. Er sprach mit einem überaus starken österreichischen Akzent, dem manche Buchstaben und somit auch teilweise die Verständlichkeit des Satzes zum Opfer fielen. »Aber so wie ich des verstanden hab, wollten wir warten bis des Zaubereiministerium misstrauisch wird und dann mit denen gemeinsam arbeiten. Ich weiß jetzt nicht, warum wir unsere gesamte Planung umschmeißen müssen.«

Mit der Bemerkung des Mannes kam Tumult im Raum auf. Die Frau am äußeren Tischende notierte aufgebracht etwas auf ihrem Papier und flüsterte ihrem Sitznachbarn etwas zu.

»Wenn ein Plan nicht wirkt, ist es durchaus angebracht, zu überlegen, ob es vielleicht der falsche war und eine Alternative zu suchen.« Ein Mann auf der gegenüberliegenden Tischseite sah den Österreicher misstrauisch an.

Ehe sich noch weitere Kontroversen ergeben konnten, ergriff der Mann am Tischende nun selbst das Wort.
»Ich sehe, dass es wohl heute unmöglich ist, eine konsensuale Meinung zu finden«, fasste er zusammen und stellte seine Tasse auf den Tisch. »Daher werden wir uns wohl um einen Kompromiss bemühen müssen.«
Er machte eine Pause in seiner Rede, jedoch nicht aus Unsicherheit, wie die junge Frau wenige Minuten vorher. Er schien sie ganz bewusst als rhetorisches Mittel einsetzen zu wollen.

»Wir müssen uns aber im Klaren sein, dass es die ideale Lösung nicht gibt. Freiheit und Sicherheit gemeinsam können wir wohl kaum erringen oder beibehalten. Entweder, wir verlassen unsere Sicherheitszone, um für die Freiheit zu kämpfen. Oder aber wir halten an unserer Sicherheit fest, opfern unsere Freiheit dafür und so viel mehr, was uns kostbar ist. Ich frage euch, liebe Lehrer. Sind wir dann wirklich sicher? Wissen wir, dass uns nichts passieren kann, wenn wir auf unserer Burg bleiben und uns vor unserem Feind verstecken?«

Er nahm seine Tasse in die Hand und trank einen tiefen Schluck. Seine Worte ließ er einen Moment lang ruhen. Ihr Funken war ohnehin schon in die Köpfe der Anwesenden gesprungen und hatte dort ein Gedankenfeuer entfacht.

»Wir alle wissen, dass dies ganz und gar nicht sicher ist«, fuhr er schließlich fort. »Wir leben seit Wochen in Ungewissheit, weil wir, mich eingeschlossen, Angst hatten, uns unseren Belagerern zu Wehr zu setzen und diese Angst mit dem Deckmantel der Sicherheit als gerechtfertigt verschleiert haben. Ich denke, es ist an der Zeit...«

Der Mann machte erneut eine Pause, aber diesmal nicht aus rhetorischen Gründen. Ein Klopfen an der Tür hatte ihn aufhorchen lassen. Die Versammelten drehten ihre Köpfe zur Geräuschquelle.

»Herein«, rief der Redner mit einer Stimme, die es schaffte, Freundlichkeit und militärische Strenge in einer Tonlage zu vereinen.
Ganz langsam öffnete sich die Tür. Herein trat ein Junge mit windgepeitschter Frisur, schlammbedeckten Schuhen und Schrecken in den Augen.

»Hannes!«, rief einer der Anwesenden überrascht.
»Bitte entschuldigen Sie die Störung«, begann der Junge formal und sah den Lehrern dabei ernst in die Augen. »Im Wald sind einige unserer Feinde gerade auf dem Weg zu einigen Schülern. Sie sind in großer Gefahr und benötigen Hilfe.«

Bei diesen Worten stand der in schwarz gekleidete Mann am Ende des Tisches erschrocken auf.
»Es sind Schüler im Wald, sagst du«, wiederholte er. »Wie viele sind es.«
Der Junge zählte kurz an seinen Fingern ab.
»Es sind sechs, Herr Tuplantis«, antwortete er dann.

Der Mann stellte resigniert seine Tasse auf dem Tisch ab. Er schloss die Augen und man konnte sehen, wie er einmal tief durchatmete.

»Ich bin der Schulleiter dieser Schule«, sagte er dann, mit Entschlossenheit und Tatendrang. »Es ist meine Pflicht, dafür zu sorgen, dass es den Schülern wohlergeht. Und dafür werde ich jetzt sorgen. Wer mitkommen möchte, der darf mich gerne begleiten.«
Er schob seinen Stuhl an den Tisch und machte sich auf den Weg zur Tür. Dann hielt er noch einmal inne und drehte sich zu den restlichen Versammelten um.

»Falls ihr noch unschlüssig seid, dann möchte ich noch ein weiteres Argument in eure Waagschale werfen. Sollte diesen Schülern etwas zustoßen, dann wird diese Schule mit hoher Wahrscheinlichkeit geschlossen. Es geht hierbei also nicht nur um Freiheit und Sicherheit, sondern auch um euren Arbeitsplatz.«

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