41 | Das belauschte Gespräch

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„Jamie?", hörte ich jemanden fragen. Müde öffnete ich die Augen. Verschlafen setzte ich mich auf. „Jamie, bist du da drin?", hörte ich Michas Stimme vor dem Zelt und kroch aus meinem Schlafsack. Gähnend öffnete ich den Reißverschluss und blickte in Michas Gesicht, der vor dem Zelteingang hockte. „Ja?", fragte ich.

„Wo warst du denn? Du hast deine Surfstunde verpasst! Wir haben uns Sorgen gemacht", sagte Micha leicht vorwurfsvoll. „Ich war müde", gab ich unbeeindruckt zurück. Michas Sorge auf seinem Gesicht wich einem Hauch von Wut.

„Hättest ja mal Bescheid sagen können", sagte er verärgert.

„Warum?", gab ich bissig zurück. „Schien dich ja vorhin auch nicht zu interessieren, dass ich weg war!" Micha schien nicht zu wissen, was er darauf erwidern sollte. „Es gibt gleich Abendbrot", teilte er mir mit. „Ich habe keinen Hunger", antwortete ich patzig.

„Na schön", sagte Micha. „Selbst schuld", meinte er und erhob sich. Er versuchte nicht mal, mich zum Mitkommen zu überreden. Beleidigt zog ich den Reißverschluss wieder zu und ließ mich zurück auf den Schlafsack fallen. Die Minuten vergingen und ich wartete darauf, ob er vielleicht zurückkommen und sich entschuldigen würde. Aber er kam nicht.

Ich spürte, wie meine Wut im Bauch größer wurde und musste unbedingt etwas Dampf ablassen. Also schlüpfte ich in meine Badehose und lief zum Strand hinunter, der um diese Zeit fast menschenleer war. Zügig lief ich im seichten Wasser Richtung Steilküste, bis mir das Atmen schwerfiel und ich das Surfcamp nicht mehr sehen konnte. In diesem Moment begann es zu regnen.

Dicke Tropfen prasselten vom Himmel herab und ich schaffte es gerade noch, mich bei einem Baum unterzustellen. Mein Shirt war bereits nass und klebte an meinem Oberkörper. Kalter Wind kam auf und kühlte angenehm meinen Kopf, der vom Laufen noch ganz heiß war.

Schöner Mist, dachte ich, da der Regen immer mehr zunahm und ich ein paar Kilometer vom Campingplatz entfernt war. Ein paar Minuten stand ich unschlüssig unter dem Baum, nicht sicher, ob ich bleiben, oder wieder zurücklaufen sollte.

Als der erste Blitz den dunkel gewordenen Strand erhellte, entschied ich vernünftigerweise, den Rückweg anzutreten.

Das Wasser der Dusche prasselte heiß und angenehm auf meinen Körper und spülte die Gedanken der letzten Stunden, zusammen mit dem Schweiß und dem Regen, von meiner Haut und ließ sie im Abfluss verschwinden. Energisch drückte ich den letzten Rest Shampoo aus der Flasche, als ich zwei Stimmen hörte, die das Badezimmer betraten.

„Und wo ist er jetzt?", fragte eine Stimme, die eindeutig Saschas war.

„Keine Ahnung", gab Micha zurück, während er sich die Hände wusch. „Interessiert mich auch nicht", sagte er dann und versetzte mir mit seinen Worten einen Stich. „Kann ich mir mal dein Gel ausleihen?", fragte er dann.

„Das meinst du doch nicht so", sagte Sascha versöhnlich.

„Doch, tue ich", sagte Micha und hörte, wie er den Tubendeckel öffnete. „Darf ich nachher vielleicht auch mal den Bus fahren?", fragte er dann, vom Thema abweichend.

„Nur wenn du mir sagst, was eigentlich euer Problem ist", pokerte Sascha.

„Ach", stieß Micha geringschätzig aus. „Jamie versteht einfach nicht, dass ich ein bisschen mehr Zeit brauche. Er hatte ja schon ein paar Freunde und kapiert nicht, dass ich von einer Beziehung mehr erwarte, als Sex", urteilte er.

„Ich denke nicht, dass er nur das Eine von dir will, Micha" verteidigte mich Sascha. „Er begehrt dich einfach. Das ist doch schön!"

„Ach, Jamie will doch nur seinen Schwanz irgendwo reinstecken!", sagte Micha und ich war geschockt, als ich die Wut in seiner Stimme hörte. Ungebeten traten mir Tränen in die Augen, als ich hörte, was er wirklich von mir dachte. Mit aller Kraft versuchte ich den dicken Kloß in meinem Hals herunterzuschlucken, als ich hörte, dass die beiden Stimmen sich entfernten.

„Ich finde das ein bisschen unfair von dir", hörte ich Sascha noch sagen, als die Tür aufging und die beiden das Waschhaus verließen. Weinend brach ich in der Dusche zusammen.

Wütend begann ich meine Sachen zu packen. Mein Rucksack lag geöffnet vor mir und ich stopfte meine gebrauchten Shirts und die Unterwäsche in die große Seitentasche. Wenn ich nur an Michas Ordnungswahn dachte, breitete sich eine unangenehme Gänsehaut auf meinem Rücken aus. Seine Worte hatten mich tief verletzt und ich konnte nicht begreifen, wie er so etwas nach der letzten Nacht überhaupt sagen konnte.

Hatten wir nicht Pläne für unsere Zukunft geschmiedet? Hatte ihm nicht auch gefallen, wie ich ihn überall geküsst hatte? War er es nicht gewesen, der gesagt hatte, dass er mich liebt?

Während ich mir die Tränen von den Augen wischte, fiel mein Blick auf die kleine Plastiktüte, die ich beim Einkaufen mitgenommen hatte. Zielstrebig griff ich danach und zog die volle Flasche Whiskey daraus hervor. Es war so verlockend. Vielleicht würde ich den Schmerz ja nicht mehr so stark spüren, wenn ich ihn betäubte?

Ich drehte den Deckel ab und nahm einen Schluck aus der Flasche. Eigentlich hatte ich den Whiskey gekauft, um ihn mit Micha zu trinken. Ich nahm noch einen Schluck und schüttelte mich. Beißend lief mir der Whiskey die Kehle hinunter und breitete sich dann angenehm in meinem Magen aus.

Micha war mit den anderen in die Stadt gefahren und amüsierte sich sicher prächtig. Vielleicht erzählte er jetzt allen, was für ein notgeiler Arsch ich doch war. Voller Selbstmitleid trank ich noch ein paar Schlucke, bis mein Magen sich kurz umdrehte und mich zum Aufhören zwang.

Ich packte den Rucksack beiseite, da ich heute Abend eh nicht mehr nach Hause kommen würde und legte den Schlafsack über mich. Draußen war es inzwischen sehr dunkel geworden und ich griff gedankenverloren nach meinem Handy. Keine Nachricht von Carsten.

„Ich mache mir nur Sorgen um dich! Ich weiß doch, wie sehr du das brauchst!"

Selbst Carsten hatte angedeutet, dass ich wohl sehr fordernd war. Vielleicht erwartete ich wirklich zu viel von Micha.

Nach einem weiteren Schluck aus der Flasche, wählte ich Carstens Nummer. Ein leises Tuten verriet mir, dass die Leitung frei war.

„Hallo?", hörte ich Carstens Stimme fragen.

„Hi Carsten", sagte ich und stellte fest, dass ich ein wenig lallte.

„Jakob", erkannte er. „Ist alles gut bei dir?", erkundigte er sich besorgt. Ich schüttelte den Kopf. Als mir bewusstwurde, dass er es ja gar nicht sehen konnte, antworte ich: „Eigentlich nicht."

„Hast du getrunken?", fragte Carsten und ich hörte, dass er sich Sorgen machte. Ich nickte und nahm noch einen Schluck. „Was ist denn los, Jamie?", fragte Carsten liebevoll und es schnürte mir fast die Luft ab, als er sich so einfühlsam nach mir erkundete.

„Ich habe mich mit Micha gestritten", sagte ich aufgewühlt und spürte wie die Gefühle der letzten Stunden mich zu übermannen schienen.

„So schlimm?", hakte Carsten nach.

„Er hat gesagt, dass ich ja bloß meinen Schwanz irgendwo reinstecken will", wiederholte ich das belauschte Gespräch und versuchte nicht zu heulen.

„Und? Willst du nicht?", fragte Carsten belustigt zurück.

„Carsten!", schimpfte ich wütend und enttäuscht. „Du weißt genau, dass ich so nicht bin!"

„Tut mir leid", entschuldigte er sich und für ein paar Sekunden herrschte Stille.

„Und warum rufst du mich dann an?", fragte er schließlich verwirrt.

„Ich wusste nicht, mit wem ich sonst darüber reden sollte", gab ich zu.

„Soll ich dich abholen?", fragte Carsten ernst. Ich schluckte. Carsten traute ich zu, dass er sich sofort ins Auto seines Vaters setzen und mich abholen würde. Aber wollte ich das wirklich?

„Ich bin total verliebt in ihn", brachte ich schließlich hervor.

„Ach herrje", hörte ich Carsten am anderen Ende der Leitung stöhnen. Nun begann ich doch zu heulen.

„Jakob", hörte ich ihn ernst sagen und griff dann nach der halbleeren Whiskeyflasche. Als ich nicht antwortete, versuchte er es noch einmal etwas fürsorglicher.

„Jamie! Du hörst jetzt erst einmal auf dich so volllaufen zu lassen und dann legst du dich schlafen. Wir telefonieren dann morgen noch..." Weiter hörte ich nichts. Das Gespräch war weg. Ich starrte auf mein Handy und sah, dass es sich ausgeschaltet hatte. Der Akku war leer.

„So eine scheiße", fluchte ich laut und versuchte das Telefon wieder zu starten. Der Bildschirm blieb schwarz. Hektisch suchte ich nach dem Aufladekabel und fand es schließlich unter der Dreckwäsche. Dann gönnte ich mir einen letzten Schluck Whiskey und lief im Regen zum Waschhaus hinüber.

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