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Der Wald hielt den Atem an. Ein Wind fuhr durch die kahlen Wipfel und brachte mehr als die winterliche Kälte, welche die Bäume wie in einem Traum aus Schnee und Dunkelheit gefangen hielt. Cassaya schritt langsam zwischen den Stämmen vorbei, berührte dabei flüchtig die Rinde und versuchte zu erspüren, woher die Unruhe stammte, von denen die Wurzeln flüsterten. Bei jeder Bewegung begleitete sie das Knirschen des Schnees, ansonsten war kein Laut zu hören. Etwas zog sie zum Rande des Ahnenhains, wo die jüngeren Elfenbäume standen. Ein ungewöhnlicher Duft lag in der Luft. Cassaya blähte ihre Nasenflügel und zog den aromatischen, beinahe scharfen Geruch ein. Ihr Herz begann zu trommeln, als ihr Körper verstand, was sie wahrnahm. Frisch geschlagenes Holz.

Cassaya rannte los. Zweige wichen ihr aus, als sie die verschiedensten Stämme umrundete. Hinter zwei stämmigen Elfenbäumen, die ihre Äste beinahe wie in Tauer hängen ließen, fand sie das Gerippe eines dritten Stammes. Der Stumpf endete dich über dem Boden. Tiefe Spuren im Holz zeigten an, dass jemand mit harten Materialien auf ihn eingeschlagen hatte. Der lange Stamm war frei von Ästen, lediglich die Wunden am Stamm zeigten, wo sich vor kurzem noch welche befunden haben mussten. Cassaya kniete sich neben den Baum und berührte die Rinde mit zitternden Händen. Nichts. Vor ihr lag nur noch ein leerer Körper, einfaches Holz. Hibis war fort. Tränen traten in ihre Augen, liefen Cassaya über die Wange und gefroren, noch bevor sie die Lippen erreichten. Ihr Herz trommelte immer weiter und sie schloss ihre Augen. Der Schnee hatte feuchte Stellen an ihren Knien gebildet und obwohl sie ihre wärmste Winterkleidung trug spürte sie trotzdem, wie sich Kälte ausbreitete. Cassaya zwang sich zum Aufstehen und sah sich um. Trauer half niemandem. Sie musste herausfinden, was hier geschehen war, damit sie dem Elfenrat berichten konnte.

Der Stumpf war umgeben von Spänen. Gefrorene Harzklumpen klebten an den Bruchstellen. Ohne Spuren zu verwischen bewegte sich Cassaya über den festgetretenen Schnee. Sie beugte sich näher und sog den ganzen grausigen Anblick in sich auf. Eine Axt oder eine andere Schlagwaffe hatte diese Spuren verursacht. Die Rinde am liegenden Stamm war aufgerissen und zeigte die Spuren einer Kette. Jemand hatte den Baum zusätzlich zur brachialen Kraft auch noch niedergezogen. Cassaya zog größere Kreise um den toten Baum und die Spuren im Schnee wurden seltener. Schließlich fand sie nur noch einzelne Schuhabdrücke, die sich vom Ahnenhain entfernten. Sie biss sich auf die Unterlippe. Eine laubbraune Haarsträhne fiel ihr ins Gesicht und sie griff nach einem einzelnen Haar und zupfte es aus. Ihrer Erinnerung nach standen hier direkt neben ihr andere Ahnen, die verholzten Körper der Keimbrüder Veit und Vitus. Sie griff nach einem der Zweige des linken Baumes, zog ihn ein Stückchen herab und band ihr Haar dicht hinter eins der zapfenförmigen Früchte. Dann fuhr sie den Ast entlang bis zur Rinde, ließ ihre Fingerspitzen über die schwarzbraunen Schuppen der Borke gleiten, bis sie einen winzigen Riss spürte, der breit genug für ihre Nagelspitze war. Vorsichtig berührte sie das Innere des Elfenbaumes. Tiefe Trauer schwappte über, aber auch das Gefühl von Wut und Hilflosigkeit. Der Baum begann, ihr einfache Bilder zu schicken, die sich schemengleich vor ihrem inneren Augen zeigten. Mehrere Gestalten schlichen umher, klopften die Stämme ab und banden schließlich eine Kette um Hibis Holz. Einer trat hervor und stieß immer wieder mit einem scharfen Gegenstand zu. Dann fiel der Älteste und die Gestalten umringten ihn, um die Äste zu ernten.

»Warum?«, wisperte Cassaya, doch niemand antwortete ihr. Über die Wipfel der verbliebenen Bäume zogen Wolken. Der Duft nach neuem Schnee lag in der Luft. Was immer sie vorhatte, sie würde sich beeilen müssen. Cassaya drückte ihre Daumen, Zeigefinger und Ringfinger gegeneinander, um ihre Sinne zu ordnen. Die Wut verbannte sie gemeinsam mit dem Funken Angst aus ihrem Herzen. Es würde eine Zeit kommen, in der sie beides brauchen würde, doch nicht jetzt. Sie sog die Luft ein und drehte sich in Richtung der Lichtung. Dort könnte sie Hilfe holen. Es war eine Angelegenheit der Ältesten.

Laut atmete sie aus. Das Geräusch schreckte einen Winterling auf, der zeternd die Flügel ausbreitete und in den Himmel hinauf schoss. Mit den Augen folgte sie den Spuren, die in Richtung Grenze führten. Jeder Zeitverlust konnte dazu führen, dass die Täter entkamen und ihr Verbrechen vom Neuschnee verdeckt wurde.

Cassaya band sich ihre Deckhaare in einen festen Zopf, damit sie ihr beim Laufen nicht die Sicht versperrten. Mit einer schnellen Bewegung zog sie ihren Rucksack vom Rücken und leerte ihn bis auf den Wasserschlauch, das Wurzelbrot ihrer Mea und ihren geflochtenen Kapuzenschal, der die schlimmste Kälte abhalten würde. Sie ging zu den Keimbrüdern und verbeugte sich. Als sie wieder aufblickte, hörte sie ein Knacken. Zwei Äste, breit wie ihre Unterarme, stürzen aus den Baumkronen zu Boden. Cassaya verneigte sich erneut und hob beide Hölzer auf. Sie lagen gut in der Hand, waren fest und biegsam, als ob sie noch immer mit ihren Bäumen verbunden waren. Freiwillig gegebenes Holz war um so vieles mächtiger als gestohlenes. Mit einem grimmigen Lächeln steckte Cassaya die Hölzer an die Seiten ihres Rucksackes und eilte den Spuren im Schnee hinterher.

Der Tag ging bereits zur Neige, als aus dem Himmel dicke Flocken hinab fielen. Immer mehr, bis Cassayas Haar von dicken Schicht bedeckt war und sich Schneekristalle an ihren Wimpern bildeten. Sie ignorierte die Kälte und beschleunigte ihren Schritt. Hinter einer Hügelkuppe fand sie die letzte Spur unter den Ausläufern einer Steinlinde. Sie seufzte. Es wäre wohl auch zu einfach gewesen, wenn sie den Abdrücken bis zu den Tätern hätte folgen können. Aber sie trug das Blut der Elfen in ihr. Man nannte ihr Volk nicht ohne Grund die Kinder des Waldes.

Cassaya breitete ihre Arme aus und streckte die Finger. Mit geschlossenen Augen wandte sie das Gesicht zum Himmel. Immer mehr Schnee sackte herab und sie spürte die sanfte Berührung des Winters auf ihrer Haut. Tief sog sie die Luft in ihre Lungen, fühlte das Eis und die Unbarmherzigkeit, die diese Jahreszeit stehts begleitete. Sie sandte ihren Geist aus, konzentrierte sich auf das fremde, das ihre Heimat besudelt hatte.

Immer weiter zog sie einen Halbkreis in Jagdrichtung, damit ihr nichts entgehen konnte. Dann, kurz vor der Grenze, fühlte sie die Essenz von Fremden. Eine Gruppe, die nur langsam voranzukommen schien. Cassaya öffnete die Augen. Die Geistessuche hatte sie Kraft gekostet, aber das war unwichtig. Ein Lächeln schlich sich erneut auf ihre Lippen. Die Gruppe hatte einen schlechten Weg gewählt, direkt durch ein enges Tal. Sie wusste genau, wie sie die Täter einholen konnte.


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