19 - Ein Tag voller Entschuldigungen

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Als ich am Montagmorgen die Küche betrete, werde ich von Bauchschmerzen und Magenkrämpfen heimgesucht. Normalerweise ist das ein Anzeichen dafür, dass ich meine Periode bekomme, aber dieses Mal haben die Schmerzen einen anderen Ursprung.

Die ganze Nacht konnte ich kein Auge zu tun, weil sich meine Gedanken ausschließlich um Duke gedreht haben – genauso wie in der Nacht zuvor.

Gestern war es kein Problem, ihm aus dem Weg zu gehen, aber heute werde ich ihn im Heaven wiedersehen. Ich kann nur beten, dass er nicht mehr wütend auf mich ist und erkannt hat, dass ich ihm bloß die wahre Seite von Liana zeigen wollte.

„Wie siehst du denn aus?", begrüßt mich Cyrus, sobald ich mich auf den freien Stuhl neben ihn plumpsen lasse. Seine eisblauen Augen mustern mich skeptisch, bis sie irgendwann an meinen Haaren hängen bleiben. „Ist das da ein Vogelnest auf deinem Kopf?"

„Ha ha", mache ich. „Sehr witzig."

Genervt von meinem kleinen Bruder schnappe ich mir ein Brötchen, das ich mit Nutella beschmiere. Eigentlich bevorzuge ich eher Käse oder Wurst, aber jetzt gerade brauche ich etwas Süßes als Nervennahrung.

Ohne Zucker werde ich die nächsten Stunden nicht überleben!

„Ist alles okay, Herzchen?", schaltet sich nun auch Thomas ein. „Du siehst wirklich nicht so gut aus."

Ich seufze.

Um ehrlich zu sein fühle ich mich miserabel. Ständig muss ich daran denken, dass ich Liana in den Rücken gefallen bin und sie vor ihrem eigenen Freund in einem schlechten Licht dastehen lassen wollte.

Ich habe mich wie eine eifersüchtige Furie verhalten, die anderen Menschen kein Glück gönnen kann – nicht einmal ihrer besten Freundin.

Ich wünschte, ich könnte meine Eifersucht einfach mit einem Knopf ausschalten, aber leider kann ich das nicht.

Meine Gefühle für Duke haben solch eine starke Intensität erreicht, dass ich ihm am liebsten keine einzige Sekunde von der Seite weichen würde. Ich möchte ihn umarmen, ihn küssen und seine Körpernähe spüren.

Vielleicht habe ich mich am Anfang dagegen gesträubt, doch nun bestehen keine Zweifel mehr: Ich habe mich in Duke Norman verliebt – in den Freund meiner besten Freundin.

Scheiße!

Was soll ich denn jetzt machen? Ich habe Angst davor, noch mehr Chaos anzurichten und am Ende nicht nur mein eigenes Herz zu brechen.

Verzweifelt raufe ich mir die Haare. Welcher Idiot hat eigentlich beschlossen, dass die Liebe so schmerzhaft sein kann?

„Ach, ich habe einfach nur schlecht geschlafen", sage ich meiner Familie schließlich die halbe Wahrheit.

Insgeheim denke ich, dass das Thema damit erledigt ist, aber Cyrus muss natürlich weiter darauf herumreiten. „Hast du Liebeskummer, Harly?", fragt er mich neugierig.

„Nein!", antworte ich schnell – scheinbar zu schnell, denn meine Väter ziehen überrascht ihre Augenbrauen in die Höhe. Um meine Glaubwürdigkeit zurückzuerlangen, setze ich ein freches Grinsen auf, ehe ich an Cyrus gewandt sage: „Im Gegensatz zu dir schreibe ich nicht heimlich Liebesbriefe an eine Person, die schon vergeben ist. Also nein: Ich habe keinen Liebeskummer, Bruderschatz."

Eingeschnappt verschränkt Cyrus die Arme vor der Brust.

Ich weiß, dass er gerne leugnen würde, Liebesbriefe an Liana zu schreiben, doch erst gestern habe ich ihn wieder dabei erwischt, wie er ein Gedicht aus dem Internet umgetextet hat.

Einerseits ist es süß, dass er sich so viel Mühe gibt, andererseits tut er mir leid, weil seine Gefühle unerwidert bleiben werden.

Ich esse noch schnell mein Brötchen auf, bevor ich im Badezimmer verschwinde und mich für die Arbeit fertigmache. Passend zu meiner Regenwetterlaune ziehe ich mir ein schwarzes T-Shirt und eine schwarze Jeans an. Meine Haare flechte ich zu zwei Zöpfen, damit sie mir nicht in die Stirn fallen.

Obwohl ich mal wieder viel zu spät dran bin – mein Handydisplay zeigt halb elf am Morgen an – fange ich noch damit an, mich zu schminken.

Gewöhnlich verlasse ich auch ohne Eyeliner und Lidschatten das Haus, doch heute versuche ich möglichst viel Zeit zu schinden, um das Aufeinandertreffen mit Duke weiter aufzuschieben.

Ich habe Angst vor seiner Reaktion, wenn er mich sieht.

Am liebsten würde ich die Arbeit im Heaven schwänzen, aber das könnte ich nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Meine Großmutter braucht mich und verlässt sich darauf, dass ich aushelfe.

Augen zu und durch, richtig?

Je eher ich das Gespräch mit Duke hinter mich bringe, umso besser.

Vollgepumpt mit neuem Mut husche ich um elf Uhr aus dem Haus und fahre mit meinem Rad zum Heaven. Da die Sonne schon hoch oben am Himmelszelt steht und erbarmungslos auf mich niederscheint, bilden sich nach wenigen Minuten die ersten Schweißperlen auf meiner Stirn.

Ausschließlich schwarze Kleidung anzuziehen, war wohl keine gute Idee ...

Trotz der Hitze und meinen Gedanken, die sich nach einer Abkühlung am Meer sehnen, vergeht die Fahrt zum Heaven wie im Flug. Schneller als mir lieb ist, stelle ich mein Rad ab und betrete dann das Café.

Zum Glück funktioniert die Klimaanlage heute, sodass ich von einer angenehmen Brise empfangen werde.

Angesichts des guten Wetters ist das Heaven fast leer. Nur ein älteres Ehepaar hat sich an die riesige Fensterfront gesetzt und beobachtet die Vögel, die sich draußen an einem Springbrunnen versammelt haben.

Ein paar Minuten schaue ich den Vögeln ebenfalls dabei zu, wie sie sich in dem Wasser baden oder gemeinsam einen Tanz in der Luft aufführen, bevor ich mit hämmerndem Herzen den Aufenthaltsraum anvisiere. Je näher ich der Tür komme, umso mehr Übelkeit wallt in mir auf.

Ich weiß, dass ich Samstagabend einen Fehler gemacht habe, doch ich habe keine Ahnung, wie ich das Duke erklären soll. Die Wahrheit werde ich ihm auf jeden Fall nicht sagen können!

„Willst du hier nur blöd herumstehen oder bewegst du dich endlich mal, Harlow?", ertönt plötzlich eine genervte Männerstimme hinter mir, weshalb ich zusammenzucke.

Der gefühlskalte Unterton sorgt dafür, dass sich eine Gänsehaut auf meinem Körper ausbreitet und ich schwer schlucken muss.

Duke ist noch wütend auf mich – das verrät mir der Klang seiner Stimmfarbe.

Ganz langsam drehe ich mich um. Wie in Zeitlupengeschwindigkeit treffe ich auf Dukes graue Sturmaugen und ertrinke in den Fluten seiner Emotionen.

Unsicherheit, Angst, Begierde, Sehnsucht, Zorn: Da schwimmen so viele Gefühle in Dukes Blick, dass mir schwindelig wird.

Wie gerne ich jetzt einfach davonlaufen würde, doch ich beschließe, mich meiner Furcht zu stellen.

„H-Hey", krächze ich überfordert. Das Lächeln, das ich mir währenddessen auf die Lippen zwinge, ähnelt wahrscheinlich dem gruseligen Grinsen des Jokers. „Können wir kurz reden?" Meine Stimme zittert vor lauter Nervosität und verliert sich schon nach wenigen Sekunden in der Luft.

Duke erscheint mir gerade wie ein Buch mit sieben Siegeln. Ich habe keinen blassen Schimmer, was er denkt, und das macht mich wahnsinnig!

„Solltest du nicht eher mit Liana reden?", stellt mir Duke eine Gegenfrage. „Du hast sie mit deinem Verhalten ganz schön verletzt, Harlow."

Mein Herz zersplittert in tausend Einzelteile.

Auch wenn ich mich am Samstag bewusst dazu entschieden habe, Liana ein Messer in den Rücken zu rammen, bereue ich es mittlerweile, mich von meiner Eifersucht leiten lassen zu haben.

Liana hat es verdient, glücklich zu sein. Ich muss weniger egoistisch denken und handeln und mich mehr für meine Freundin freuen.

„Ich-Ich kann das erklären, Duke", stammele ich, obwohl das gelogen ist.

Mein Gegenüber seufzt, ehe er seine Hand auf die untere Partie meines Rückens legt und mich dann sanft in den Aufenthaltsraum schiebt. Wie immer, wenn mich Duke berührt, flattern die Schmetterlinge aufgeregt durch meinen Magen und entfachen ein Kribbeln unter meiner Haut.

Ob Liana wohl dasselbe spürt, wenn sie in Dukes Nähe ist?

„Du musst mir nichts erklären. Ich weiß genau, warum du dich Samstagabend so danebenbenommen hast", meint Duke, nachdem er sich auf das Sofa gesetzt hat. Als würde er bei sich zuhause im Wohnzimmer hocken und nicht in einem Restaurant, legt er seine Füße auf dem Glastisch ab und verschränkt die Arme hinter seinem Kopf.

Ich hingegen stehe weiterhin verloren im Raum. Mein Blick wandert überall hin, nur nicht zu Duke.

„Ach ja?", schaffe ich es irgendwann, zu fragen. „Und warum?"

Duke schnaubt einmal. „Du warst eifersüchtig."

Seine Worte schlagen wie eine Bombe in meinem Herzen ein und bringen mich aus der Fassung.

Nie im Leben hätte ich damit gerechnet, dass er mich so einfach durchschauen kann. Hoffentlich hat er Liana nichts von meiner Eifersucht erzählt – vorausgesetzt natürlich, dass sie das selbst noch nicht realisiert hat.

„Denkst du etwa, ich würde nicht merken, wie du mich anschaust und wie dein Körper in meiner Nähe reagiert, Harlow? Ich bin nicht blöd!"

Je mehr Wörter aus Dukes Mund strömen, umso unwohler fühle ich mich. Der Knoten in meinem Magen zieht sich zusammen und die Übelkeit nimmt immer mehr an Größe zu. Zusätzlich wird mir schwindelig, sodass ich mich auf den Boden hocken muss, um nicht wie ein Kartenhaus in mir zusammenzubrechen.

Ist es wirklich so offensichtlich, dass ich Gefühle für Duke habe?

Scheiße! So weit wollte ich es überhaupt nicht kommen lassen!

„Von meiner Seite aus gibt es keinen Klärungsbedarf mehr", spricht Duke nach einer Weile des Schweigens weiter. „Ich rate dir aber dringend, dich bei Liana zu entschuldigen, denn das, was du getan hast, ging eindeutig unter die Gürtellinie."

Benommen nicke ich. Es fällt mir schwer, Dukes Worte zu verarbeiten, denn ich muss ständig daran denken, dass er mich wie ein offenes Buch lesen kann.

„Und noch etwas: Solltest du mich jemals so hintergehen, wie du es bei Liana gemacht hast, dann wärst du sofort für mich gestorben, Harlow!" Mit diesen Worten erhebt sich Duke von dem Sofa, klopft mir kurz auf die Schulter und verlässt schlussendlich den Aufenthaltsraum.

Oh Gott! Wie zum Teufel soll ich diesen Tag bloß lebendig überstehen?

🌧🌧🌧

Ich habe keine Ahnung, wie ich es geschafft habe, Duke im Heaven aus dem Weg zu gehen, aber irgendwie ist es mir gelungen. Die ganze Zeit habe ich über seine Worte nachgedacht, sodass ich mich dazu entschlossen habe, meine besten Freundinnen um ein Gespräch zu bitten.

Um halb acht am Abend treffen wir uns am Hafen von Silver Fields, wo wir uns auf einer Treppe am Ufer niederlassen, die rechts und links mit bunten Blumen geschmückt ist.

Die Sonne färbt den Horizont in ein leuchtendes Orange und spiegelt sich auf der Wasseroberfläche wider. Möwen fliegen über unsere Köpfe hinweg und der Geruch von Fischbrötchen wabert wie ein Schleier durch die Luft.

Auch wenn ich selten am Hafen bin, mag ich die entspannte Atmosphäre hier.

Am liebsten würde ich einfach nur den Sonnenuntergang genießen und den letzten Fischerbooten dabei zusehen, wie sie wieder anlegen, doch ich muss mich endlich dazu durchringen, meine Freundinnen – allen voran Liana – um Verzeihung zu bitten.

Fast fünf Minuten sitzen wir schweigend nebeneinander, bis ich mich traue, die unangenehme Stille zu brechen.

„Es tut mir leid, dass ich mich Samstag so dämlich benommen habe", beginne ich zögerlich. „Es war falsch von mir, dich vor Duke bloßzustellen, Lia."

Die himmelblauen Augen meiner Freundin, die mit Enttäuschung gefüllt sind, richten sich auf mich.

„Warum hast du das gemacht, Harlow?", möchte Liana von mir wissen. „Ich weiß, dass du Duke nicht so gerne magst, aber das gibt dir kein Recht dazu, einen Keil zwischen uns zu treiben. Ich bin sehr glücklich mit ihm und das ist alles, was zählt!"

Während Marley und Kaylee zustimmend nicken, spielt Ariella wie immer die neutrale Schweiz.

„Wenn es dich stört, dass ich mit Duke zusammen bin, dann sag mir das einfach, okay?"

Bei Lianas Worten bildet sich ein riesiger Kloß in meinem Hals.

Sie denkt tatsächlich, dass ich mich so blöd verhalten habe, weil ich Duke nicht mögen würde. Dass genau das Gegenteil zutrifft und ich eifersüchtig auf sie war, scheint ihr zum Glück nicht bewusst zu sein.

„Duke ist sehr speziell – ich weiß – aber wenn man ihn besser kennt, dann ist er ein sehr lustiger und vor allem liebenswerter Mensch", beteuert Liana das, was mir bereits bewusst ist. „Ihr müsst keine besten Freunde werden, aber ich fände es schön, wenn ihr irgendwie miteinander auskommen würdet, okay? Sprich doch einfach mal im Heaven mit ihm, um etwas mehr über ihn und seine Person zu erfahren."

Der flehende Ausdruck in Lianas Augen verpasst mir eine unangenehme Gänsehaut.

Jetzt ist der Moment gekommen, in dem ich meine Notlüge, die ich mir während meiner Schicht im Heaven überlegt habe, abfeuern muss.

„Es lag nicht an Duke, dass ich so blöd drauf war", gebe ich ehrlich zu. „Irgendwie habt ihr mich Samstagabend ziemlich stark an Valentin und mich erinnert, wodurch alte Wunden wieder aufgerissen sind. Es tat weh, euch beide glücklich zu sehen, und gleichzeitig zu wissen, dass ich dieses Glück vor einigen Monaten verloren habe."

Liana lächelt mich mitleidig an. Mit ihren Fingern malt sie kleine Kreise auf meinen Handrücken, während sie sagt: „Dein Traumprinz wird auch noch kommen, Harly! Und bis es so weit ist, hast du ja noch uns!"

Tränen brennen wie ein Feuer hinter meinen Lidern und kämpfen sich wenig später einen Weg an die Freiheit.

Ich fühle mich verdammt schlecht, meine besten Freundinnen anzulügen, aber leider bleibt mir keine andere Wahl. Die Wahrheit würde eine so große Kluft zwischen uns reißen, dass wir uns danach wahrscheinlich nie wieder vertrauen könnten.

Es ist besser, wenn niemand von meinen Gefühlen für Duke weiß.

„Gruppenkuscheln?" Liana breitet ihre Arme aus.

Obwohl der Felsbrocken auf meinem Herzen immer schwerer wird und mich mein schlechtes Gewissen beinahe erdrückt, nicke ich.

„Gruppenkuscheln!"

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