31. Arya

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Zum ersten Mal seit mehr als vier Jahren entschied ich, das Baumhaus aufzusuchen.
Unsere gesamte Familie hatte dieses Konstrukt seit Brans Unfall gemieden. Mum hatte es abreißen lassen wollen, doch letzten Endes hatten wir uns dagegen entschieden.
Das Baumhaus war einfach ein Träger von so vielen Erinnerungen. Die Nostalgie der vergessenen Momente schien in jedem Holzbrett, in jedem Nagel festzuhängen, wie eine Spinnwebe auf dem Knauf einer unbenutzten Kellertür.
Die Leiter war entfernt worden, der Stamm der Eiche wies jedoch so viele Unebenheiten auf, dass ich locker die Plattform erreichte, die den Boden des Baumhauses bildete.
Das Holz war morsch und feucht, und ich ließ mich auf eine halbwegs trockene Stelle neben dem quadratischen Durchlass nieder, der als Fenster diente.
Im Augenblick war die Atmosphäre in unserem Haus sehr angespannt.
Jon war seit der Rückkehr aus Eagle verschlossen und eigenbrötlerisch, er sprach nicht einmal mit mir, und ich hatte das Gefühl, dass in ihm eine dumpfe Wut vor sich hin köchelte. Ygritte war die einzige, die etwas anderes als unwirsche Antworten und zynische Kommentare aus ihm hervorlocken konnte, aber auch sie wollte mir nicht mitteilen, was ihn so wütend gemacht hatte.
Es war kein Geheimnis, dass es etwas mit Dad zu tun haben musste.
Dieser war immer noch nicht zu Hause gewesen, seit Jon und Ygritte auf ihre Expedition aufgebrochen waren, aber andererseits war das auch erst zwei Tage her gewesen.
Mum wurde ebenfalls von Tag zu Tag gereizter, das Finale rückte näher, und auf die Endrunde konnten wir uns nicht vorbereiten. Es sollte die Spontanität unseres Zusammenhalts beweisen und war somit die letzte zu überwindende Bürde. Außerdem musste Bran eine Reihe an Voruntersuchungen über sich ergehen lassen, bevor er schließlich im Februar zur endgültigen Operation kommen würde.
Bran war so tapfer, aber ich hatte trotzdem Angst um ihn.
Die Operation würde versuchen die motorischen Zellen seiner Wirbelsäule wieder zu verbinden und so mit viel Ausdauer und Training vielleicht einen Zustand zu erreichen, in dem er mit viel Mühe wieder laufen konnte.
Die Chancen, dass diese Operation Wirkung zeigte, waren gering, da es sich um eine relativ neu entdeckte Methode handelte, die jedoch trotz ihrer Neuentdeckung schon einige Wunder bewirkt hatte.
Ich wusste, wie gerne Bran wieder laufen können wollte.
Ich war nicht blind, ich sah die Blicke, die er mir zuwarf, wenn ich Nymeria hinterher tollte und ich wünschte mir mit jeder Faser meines Herzens, dass er zu so etwas ebenfalls irgendwann einmal wieder fähig sein würde.
Das Haus war gerade fast leer.
Sansa war bei Margaery, Rickon und Bran waren mit Mum beim Arzt, um Brans Muskelschwund zu messen.
Wo Jon war, wusste ich nicht. Wahrscheinlich beim Footballtraining.
Robb lernte in seinem Zimmer, und ich hatte mich nicht dazu aufraffen können, ihn in seiner Konzentration zu stören und ihn über meine Depri-Stimmung zu informieren.
Daher das Baumhaus.
Mit meinem Finger fuhr ich die Gravuren im Holz nach, die wohl Jon und ich vor Ewigkeiten dort angebracht hatten.
Ich lächelte, und begann leise ein eher langsames Weihnachtslied zu singen, um wenigstens ein bisschen in die Stimmung zu kommen.
Nur noch ein paar Tage und der Wettbewerb würde vorüber sein, Heiligabend würde gekommen sein. Hoffentlich war bis dahin alles wieder in Lot.
Weihnachten war schon so schlimm genug.
"Arya!", ertönte eine wohlbekannte Stimme am Eingang des Baumhauses und ich zuckte zusammen. "Ich wusste doch, ich hatte jemanden singen hören. Was machst du hier?"
Jojen grinste mich an, und er duckte sich, um durch den niedrigen Eingang zu mir ins Baumhaus zu kommen.
Es war mir schleierhaft, wie er sich so lautlos an mich heran schleichen hatte können.
"Nichts.", antwortete ich brüsk. "Die Frage ist eher, was du hier machst."
"Das gleiche wie du, vermutlich. Ich verstecke mich." Er ließ sich gegenüber von mir auf den Boden sinken und sah mich weiterhin wachsam an. Sein blondes Haar war noch verstrubbelter als sonst, während seine dunklen Augen stumpf wirkten.
Ich zog meine Beine näher an mich heran. Obwohl ich eine Jacke trug, ließen mich die eisigen Temperaturen frieren und ich wünschte mir unwillkürlich, ich hätte mir noch eine Decke aus dem Haus mitgenommen.
"Was lässt dich annehmen, dass ich mich verstecke?", fragte ich misstrauisch.
Jojen lachte. "Oh, Arya. Die Stimmung in Winterfell ist gerade wirklich nicht sonderlich angenehm, und ich merke wie dir das zusetzt." Er seufzte. "Ich habe Angst um Bran."
"Inwiefern?"
"Bald wird er operiert und er fühlt sich bei dem Gedanken daran eindeutig nicht wohl." Nervös strich er sich durch die Haare. "Ich glaube, er denkt, dass er es nicht schafft."
Ich fixierte ein Astloch hinter ihm. "Ich weiß."
Jojen atmete tief ein und aus. "Bran ist mir wirklich ans Herz gewachsen. Ihr alle eigentlich."
Er legte den Kopf schief und lächelte mich an. "Als mir die Sozialstunden aufgebrummt wurden, war ich total wütend. Klar, ich hatte sie verdient, aber das habe ich damals nicht gesehen." Sein Grinsen hätte nicht schelmischer sein können. "Bran war aber so nett zu mir. Überhaupt nicht versnobt, oder arrogant, so wie ich mir euch reiche Familien immer vorgestellt habe. Und dann hab ich dich getroffen."
Ich spürte wie ich rot wurde. "Tut mir leid, dass ich dich angebrüllt habe. Ich hatte schlechte Laune."
Er lehnte sich zurück. "Mach dir keine Sorgen, ich war auch nicht sonderlich nett zu dir."
Ich grinste bei der Erinnerung an unsere erste Begegnung.
"Auf jeden Fall", fuhr Jojen fort, "habt ihr Starks mich verändert. Du hast mich verändert."
Mein Herz begann in meiner Brust zu flattern und ich schnappte innerlich nach Luft.
"Ihr habt mir gezeigt, was es bedeutet, eine Familie zu haben, auf die man sich verlassen kann." Sein Blick wanderte aus dem Fenster. "Und du, Arya Lyanna Stark, bist das besonderste Mädchen, welches mir jemals begegnet ist."
Okay, ganz ruhig, Arya. Du bist keine Romantikerin, also fang jetzt bitte bloß nicht an zu sabbern.
"Du bist witzig, intelligent, hübsch, begabt, loyal und schlagfertig." Er strich sich nachdenklich über die Lippen, diese eine Geste, die mich jedes Mal wieder wahnsinnig machte.
Nun wandte er seinen Blick wieder mir zu und sah plötzlich ziemlich verlegen aus. "Arya, Themenwechsel. Ich bin gerade ziemlich durch den Wind wegen Bran und ich muss zugeben, dass fünfundneunzig Prozent dessen, was ich sage, absoluter Schwachsinn ist."
Oh. Na dann.
"Wie geht es dir eigentlich so?", fragte er aus heiterem Himmel, nachdem wir ein paar Minuten schweigend nebeneinander gesessen hatten. "Du bist gut in Physik?"
Ich zuckte mit den Schultern. "Ich hab Dyskalkulie, ich verstehe die Physik, aber ich werde sie niemals anwenden können. Ich scheitere an den Zahlen."
Jojen sah mich mitleidig an. "Bist du sicher, dass du deine Lernschwäche nicht irgendwie überwinden kannst?"
"Ziemlich sicher, ja."
Oh, er war so süß, wie er sich um mich sorgte. Ich hasste mich immer noch für diesen Meinungsumschwung meinerseits. Hatte ich mir nicht irgendwann einmal geschworen, mich niemals auf einen Jungen einzulassen?
Ich änderte meine Meinungen wirklich sehr schnell.
"Und du?", fragte ich der Höflichkeit halber. "Hast du irgendwelche speziellen Interessen oder Fächer, in denen du besonders gut bist?"
Er stand auf, und während er interessiert durch das Baumhaus strich, antwortete er mir: "Nun ja, ich interessiere mich sehr für Verhaltensphysiologie."
"Was?", gab ich verwirrt zurück.
Jojen und irgendetwas Neurologisches? Genau.
"Meera hat immer gesagt, ich müsste eine beliebige Person nur anschauen, und schon wäre mir ihre gesamte Gefühlswelt bekannt."Auf meinen erschrockenen Blick hin, lachte er. "Naja, sie übertreibt. Ich brauche schon einige Minuten und ein kurzes Gespräch."
"So wie Sherlock Holmes?"
"Mit dem Unterschied, dass ich kein Soziopath bin." Wieder grinste er mich frech an, während er die verschiedenen Gravuren in den Wänden begutachtete.
"Was hast du über mich gelesen?", fragte ich misstrauisch, nicht ganz sicher, was ich von seiner Behauptung halten sollte.
"Damals, als wir uns zum ersten Mal gesehen haben?"
Ich nickte.
"Ich hatte den Eindruck, dass du sehr unglücklich warst, unzufrieden mit dir selbst, unsicher. Du warst wütend auf deine Familie, auf euren Lebensstil." Er hatte sich zu mir umgedreht und sah mich nachdenklich an. "Dann hast du dich verändert. Du warst schon immer sehr willensstark, aber du hast an Selbstsicherheit gewonnen, an Lebensfreude."
Ich biss mir auf die Unterlippe. "Du denkst also auch, dass ich zu deprimiert bin?"
"Nein, Arya. Das wollte ich auf gar keinen Fall andeuten." Der Blick aus seinen schwarzen Augen war so intensiv, dass mir unwillkürlich ein Schauder überlief. "Ich denke, dass du perfekt bist."
Mein Herz setzte für einen Augenblick aus, bevor es in doppelter Geschwindigkeit weiterschlug.
"Tut mir leid, dieses Adjektiv ist nicht gerade sehr ausdrucksstark." Er zuckte die Schultern. "Aber es ist das einzige, welches in dieser Beziehung auf dich passt."
Ich spürte, wie ich knallrot wurde.
"Unsere Schule ist nicht unbedingt auf Verhaltensanalytik spezialisiert.", warf ich schnell ein, bloß um vom Thema abzulenken.
"Verhaltensphysiologie, aber ja, da hast du Recht." Offenbar hatte er genug vom Untersuchen der Wände, denn er kam wieder auf mich zu und ließ sich unmittelbar vor mir auf den Boden nieder. "Es gibt eine Fachhochschule in London, die selbst Studenten nehmen, die noch keinen Schulabschluss haben. Allerdings ist es sehr schwer dort hinein zu kommen, denn sie nehmen nur die Besten."
"Hast du dich schon beworben?" Ich war erleichtert, dass er sich so schnell auf meinen abrupten Themenwechsel eingelassen hatte.
"Nein. Ich weiß auch nicht, ob ich sollte. London ist weit weg."
Ich hob meinen Blick und bemerkte, dass er mich immer noch taxierte.
"Robb geht nach Neuseeland, Jon wahrscheinlich nach Florida. Es sieht so aus, als ob unsere Familie bald quer über den Globus verteilt sein wird." Ich versuchte nicht allzu bedauernd zu klingen.
Ich würde die beiden wirklich vermissen, vor allem Jon.
"Arya." Jojens ernste Stimme riss mich aus meinen Gedanken.
"Ja?"
"Ich habe es ernst gemeint, vorhin, in meinem seltsamen Sermon." Er schloss die Augen, und ließ seinen Kopf gegen die Wand sinken. "Du hast mich verändert. Und du bist besonders."
Ich sagte erst einmal gar nichts.
"Du bist für mich mehr, als nur die Schwester meines besten Freundes, und ich glaube, dass du das weißt."
"Ich-"
"Halt, Arya, lass mich ausreden." Er strich sich fahrig durch sein Haar. "Meine Gefühle für dich sind neuartig. Ich weiß nicht so recht, ob ich für dich sehr starke Zuneigung oder tatsächlich so etwas wie Liebe verspüre." Er lehnte sich vor, sodass sein Gesicht nun unmittelbar vor meinem war. "Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich einfach nur in die Luft starre und an dich denke. Wenn ich dich sehe, könnte ich dich stundenlang beobachten, wenn du lachst, denke ich, dass ich mit dir mitlachen muss."
Behutsam nahm er mein Gesicht in seine rechte Hand. "Als ich dich geküsst habe", murmelte er, seine Stimme inzwischen kaum mehr als ein Flüstern, "habe ich innerlich gebrannt, als seist du der Funken gewesen, der mich entzündet hat."
Für ein paar lange Sekunden sahen wir uns einfach nur an, Dunkelbraun blickte in Schwarz, und ich spürte, dass gleich etwas geschehen würde.
Ich war es, die sich schließlich vorlehnte, und meine Lippen zum zweiten Mal in Kontakt mit den seinen brachte.
Das Flattern in meinen Bauch war der endgültige, letzte Beweis dafür, wie sehr ich ihm verfallen war.
Er ließ mein Kinn los, und positionierte seine Hand lieber auf meinem Hinterkopf, wobei er seinen Mund hart gegen meinen presste.
Er schien nicht allzu überrascht, dass ich ihn geküsst hatte, wahrscheinlich hatte er ohnehin längst in mir gelesen wie in einem offenen Buch.
Während unseres Kusses, der viel leidenschaftlicher war, als der erste, rutschte ich langsam in seine Richtung, wodurch ich mich auf seine Seite des Baumhauses zubewegte.
Seine Lippen wanderten für einen Augenblick über die Haut direkt neben meinen Mund und ein Schauer durchfuhr mich, während ich versuchte, möglichst das Atmen nicht zu vergessen.
"Arya? Jojen?", rief eine Stimme, und für einen schrecklichen Augenblick dachte ich, dass uns jemand gesehen hatte. Ein paar Sekunden später, in denen Jojen und ich erschrocken auseinandergefahren waren, wurde mir klar, dass wohl jemand unter dem Baumhaus gerufen haben musste. "Seid ihr hier oben?"
Es war Bran, offenbar war er von dem Arzttermin zurückgekommen und wunderte sich nun über den Verbleib seiner werten Schwester und seines besten Freundes.
"Wir sind hier oben!", quiekte ich und schob sofort den Kragen meiner Jacke höher hinauf.
Jojen warf mir einen letzten Blick zu, bevor er sich hastig erhob und aus dem Baumhaus verschwand.
Als ich ihm ein paar Sekunden später, die ich benötigt hatte, um mich zu sammeln, folgte, war er bereits wieder auf der Rasenfläche unter der Eiche und schob Brans Rollstuhl in Richtung Haus.
Er drehte sich noch einmal rasch zu mir um, und ich glaubte so etwas wie Unsicherheit und Verlegenheit gepaart mit unterdrückten Emotionen in seinem Blick zu erkennen.
Wie aus einem Ballon, aus dem man die Luft ausgelassen hatte, ließ ich mich auf den Boden des Baumhauses sinken und ließ die Beine herunterbaumeln.
Super. Jojen hatte es gerade tatsächlich hinbekommen, die Dinge noch komplizierter zu machen, als sie ohnehin schon waren.
Weil ich auch im Augenblick keine anderen Probleme hatte...

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