Noch mehr Briefe

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Paul greift zum nächsten Brief. „Das hier wird euch auch interessieren. Der kommt aus Schweden.

Liebe Katharina!

Du wunderst dich vielleicht, dass ich mich nach so langer Zeit wieder bei dir melde. Aber auch wenn ich hier viele Freunde gefunden habe, bist du mir noch immer als die beste Freundin in Erinnerung, die ich jemals gehabt habe. Und vor allem als eine, die mir das Leben gerettet hat.

Du hast mir damals geschrieben, dass wir abhauen sollen. Mama und Paula haben das nicht geglaubt, aber Tante Leni hat sofort unsere Sachen gepackt. Ich habe lange überlegt, aber dann bin ich mit Tante Leni und meinen Cousinen mitgegangen. Wir sind nach Schweden geflohen, wie du dir wegen der Briefmarken sicher schon gedacht hast.

Meine Mama und Paula hat man einige Monate später abgeholt. Paula ist befreit worden, als die Alliierten gekommen sind und alte Freunde haben ihr geholfen, uns zu finden. Und als Papa aus dem Krieg gekommen ist, ist er auch nach Schweden gekommen. Jetzt könnten wir alle wieder glücklich zusammen sein, wenn Mama auch überlebt hätte.

Aber genug von mir. Bitte schreib mir schnell zurück, wie es dir geht. Bist du schon verheiratet? Wie geht es deinen Brüdern und ist Wernher immer noch dauernd traurig? Hast du schon Kinder? Und schickst du mir bitte Bilder von dir, wie du jetzt aussiehst, damit ich nicht mehr das kleine Mädel mit den ständig halb aufgelösten Zöpfen vor Augen habe?

Deine dankbare Freundin Petra"

„Juhu, Petra hat auch überlebt!" Kirsten hat sich scheints auch Sorgen gemacht.

„Aber ihre Mama nicht", erinnert sie Rasmus. „Ohne eine Mama ist das doch fei voll schwer!"

„Sie hatte ja ihre Tante und später ihren Vater", tröste ich meine zwei Mamakinder. „Der Brief klingt so, als ob sie zwar sehr traurig ist, aber nicht untröstlich. Und sie war da schon erwachsen, da ist die Mama nicht mehr ganz so wichtig."

„Ja", Rasmus schiebt die Unterlippe vor. „Aber ich will nicht ohne Mama sein. Dann werde ich lieber nicht erwachsen."

Ich nehme ihn in den Arm. „Keine Sorge, so schnell wirst du mich nicht los. Soweit es in meiner Macht liegt, werde ich bei dir oder in der Nähe sein und mit dir schimpfen, wenn du deine Geige nicht ordentlich wegräumst."

Rasmus lächelt. „Schimpfen darfst du, aber nicht weggehen."

„Gut, dass sie nach Schweden gegangen sind", bemerkt Paul.

„Warum das?", in neuerer Geschichte kennt sich mein Bruder besser aus als ich.

„Nun, das ist das eine der beiden Länder, die nach der Befreiung der jüdischen Gefangenen bereit waren, diese auch aufzunehmen. Das andere ist Frankreich. Alle anderen Staaten verweigerten den befreiten Juden die Einreise."

„Aber warum haben sie dann erst befreit?" Kirstens Augen werden groß. „Ist doch klar, dass die aus Deutschland weg wollten. Die Deutschen haben die sicher auch noch weiter gemobbt. Ich dachte, die anderen Länder wollten die Juden befreien, aber die haben die auch nicht gewollt?"

„Ja, so siehts leider oft aus", seufzt Paul. „Eine Erklärung habe ich für so ein Verhalten aber auch nicht."

„Erfahren wir jetzt, wie es Hagit und Schulamith ergangen ist?", erkundigt sich Lisette, als Paul den letzten Brief in die Hand nimmt. Der nickt und beginnt:

„Sehr geehrte Frau Avenarius,

ich möchte Ihnen aus tiefsten Herzen Abbitte leisten. Ich muss leider zugeben, dass ich Sie bisher mitsamt Ihrer Familie verflucht habe und Ihnen den tiefsten Platz in der Hölle gewünscht habe – zu Unrecht, wie ich jetzt erfahren habe.

Vermutlich werden Sie sich fragen, wer ich überhaupt bin. Mein Name ist Schulamith Jakob und ich wurde in der Villa Ihrer Eltern geboren. Eventuell kennen Sie mich besser als Susanne Gmeiner, unter diesem Namen wurde ich einige Jahre lang versteckt.

Meiner Mutter und mir ist es viele Jahre lang sehr schlecht ergangen. Nach der Befreiung aus dem Lager hat mich meine Mutter zwar gleich abgeholt, aber es war nicht so einfach, uns beide durchzubringen. Ich wusste bisher nur, dass sie drei Jahre weiter in Ihrer Spinnerei gearbeitet hat, dass sie dann mit mir in den neugegründeten Staat Israel übersiedelt ist und wir dort irgendwie überlebt haben, mitten in neuen Kriegswirren, da die Nachbarstaaten das neue Israel gleich wieder von der Landkarte wischen wollten. Ich kann nicht mehr aufzählen, wie oft wir von einem Ort in den anderen geflohen sind, bis wir endlich eine dauerhafte Bleibe gefunden haben. Ab da konnte ich zur Schule gehen, später studieren und einen Beruf ergreifen, der uns beide gut ernährt und bald auch die Eltern meines Mannes, der es ebenfalls schwer hat, seine Familie durchzubringen. Aber gemeinsam werden wir das schaffen.

Meine Mutter ist seit der Zeit damals sehr schwach und nicht mehr in der Lage zu arbeiten. Wie sie es hinbekommen hat, dass ich überhaupt lernen und studieren konnte, war mir lange Zeit ein Rätsel. Können Sie sich vorstellen, wie oft ich Sie und Ihre Familie verwünscht habe, weil es ja die Zwangsarbeit bei Ihnen gewesen ist, die sie dermaßen gebrochen hat?

Vor einigen Jahren habe ich verschiedene Institutionen in Deutschland angeschrieben, wegen einer finanziellen Entschädigung für meine Mutter – was sie verloren hat, wird ihr auch Geld nicht wiedergeben können, aber es kann ihr einiges erleichtern. Mir wurde jedoch lapidar mitgeteilt, dass die Gaitex von allen Vorwürfen freigesprochen worden sei. Ich konnte mir nur vorstellen, dass Sie das mittels Lügen und Bestechungen erreicht haben.

Gestern nun hat meine Mutter meine Korrespondenz gefunden und mir heftige Vorwürfe gemacht. Und mir alles erzählt. Ich habe sie niemals nach der Zeit damals gefragt, verstehen Sie, weil sie mehrmals schwere Nervenzusammenbrüche hatte, wenn sie nur daran zurückdachte.

Ich weiß nun, dass Sie und Ihre Mutter alles getan haben, was in Ihren Kräften stand, um meiner Mutter ihr Los zu erleichtern und um mein Leben zu bewahren. Dass Sie meine Mutter später weiter beschäftigt haben, nicht weil sie eine billige Arbeitskraft war, sondern um ihr bei einem gerechten Lohn einen Neuanfang zu ermöglichen. Ich glaube, ich erinnere mich sogar an Sie – sind Sie nicht die dunkellockige Dame, die mir erlaubte, ihr jämmerlich kurzstielige Gänseblümchen ins Haar zu stecken? Und ich habe erfahren, dass Sie es sind, die mir Schule und Studium möglich gemacht haben, weil Sie meiner Mutter freiwillig eine hohe Entschädigung gezahlt haben – lange, bevor Sie irgendjemand darauf verklagen konnte.

Frau Avenarius, ich kann Sie für meine bösen Gedanken nur um Verzeihung bitten. Und dankbar dafür sein, dass es Menschen wie Sie gibt.

Schulamith Jakob, in zwei Monaten Goldenblum"

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