41 - Bittere Wahrheit

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„Emma?", fragt Patrick, als ich stumm an ihm vorbeigehe. „Emma, was ist passiert?"

Ich laufe zu meinem Tisch und packe meine Sachen. Zum Reden habe ich keine Lust mehr. Jetzt nicht und wahrscheinlich auch den Rest meines Lebens nicht mehr.

„Ich gehe heim", verkünde ich und werfe mir die Tasche über die Schulter.

Meine Stimme klingt merkwürdig fremd, so als wäre es nicht mehr ich, die sprechen würde. Patrick läuft mir hinterher, während ich auf die Aufzüge zusteuere. Mein Brustkorb brennt und es jagt mir immer mehr Tränen in die Augen.

Nein! Ich darf es nicht nach aussen lassen. Nicht hier.

„Emma, was ist los? Was hat Frau Gerber gesagt?", fragt Patrick nochmal.

„Nichts."

Er bleibt stehen und packt mich am Arm, sodass ich zurückgerissen werde. Ich schnaube genervt ab seiner Grobheit.

„Das ist nicht Nichts. Dein Gesicht. Du ...", murmelt er.

Ich sehe, dass mein Verhalten ihn verunsichert. Dass er nicht versteht, was hier vorgeht und er damit absolut überfordert ist. Seine Augen jagen zwischen meinen hin und her.

„Was ist mit meinem Gesicht?", frage ich.

„Du bist mega bleich und irgendwie. Irgendwas stimmt nicht", meint er.

Er kann meinen Kummer wahrscheinlich sehen. Sowas ist auch schwierig in Worte zu fassen, wenn man es an einem Menschen sieht. Ich habe es schon einmal gesehen. An Jonas.

„Ich fühle mich nicht gut, Patrick. Ich glaube, ich werde krank", lüge ich und löse meinen Arm aus seinem Griff.

Ich gehe zu den Aufzügen und drücke ungeduldig auf den Knopf. Diese Aufzüge strapazieren auch immer meine Nerven. Insbesondere dann, wenn man schleunigst hier rauswill, fahren die extra langsam. Wahrscheinlich halten sie auf dem Weg nach unten noch in jedem Stock, um mich zu ärgern.

Patrick steht hinter mir. Er will einfach nicht locker lassen.

„Bist du dir sicher?", hakt er nach.

„Mhm."

„Wenn ich irgendwas für dich tun kann, dann sag es mir bitte ..."

Endlich öffnet sich eine der Aufzugtüren und ich rette mich in die Kabine. Patrick folgt mir nicht hinein, sondern blickt mich bloss bekümmert an, die Hände vor der Brust verschränkt und die Stirn in Falten. Sein Blick ist ernst.

„Emma."

„Lass gut sein", sage ich.

Die Türe schliesst sich. Meine Finger krallen sich in die Eisenstange an der Wand des Aufzuges. Sie gibt mir Halt, denn meine Beine sind müde, zittern, wollen nicht mehr stehen, wollen aufgeben.

Der Lift setzt sich in Bewegung und ich seufze erleichtert auf. Allerdings muss ich aufpassen, denn meine Fassade darf noch nicht bröckeln. Nicht, solange ich mich in diesem Gebäude befinde. Ich schliesse die Augen und versuche meine Atmung unter Kontrolle zu bringen. Von Schauspielern weiss ich nämlich, dass sie über die Steuerung ihres Atems auf Knopfdruck weinen können. Umgekehrt muss das also auch funktionieren. Wenn ich meine Luftzufuhr kontrolliere, breche ich nicht in Tränen aus.

Ich halte den Atem an, aber schaffe es nicht lange genug. Das Brennen in meinem Inneren macht mich wahnsinnig. Schreckliche Gedanken wollen sich in meinem Kopf einnisten, mich verrückt machen. Das darf ich nicht zulassen!

Ich brauche Ablenkung, also öffne ich meine Augen wieder. Den Griff um die Eisenstange verstärke ich, denn mir kommt es so vor, als würde ich gleich den Boden unter meinen Füssen verlieren und in den Aufzugsschacht stürzen.

Ich blicke um mich. Hier drin gibt es nichts, was mich vor den seelischen Schmerzen, die mich verschlucken wollen, ablenken könnte. Stattdessen erkenne ich bloss mein eigenes Spiegelbild im silbernen Metall der Aufzugtüre.

Heilige Scheisse.

Ich bin kreidebleich. Meine Augen sind matt, die Pupillen geweitet. Langsam nähere ich mich meinem eigenen Spiegelbild. Wer ist das? Die sieht nicht wie die Emma aus, die heute Morgen noch hier ins Gebäude getreten ist. Ich sehe unheimlich aus.

Mit zittrigen Händen fahre ich mir über die Haut. Alles ist taub. Ich spüre nichts, als wäre alles Leben aus mir gewichen und in diesem Raum mit Julia zurückgeblieben.

Das laute Ping des Aufzuges lässt mich zusammenzucken. Die Türe öffnet sich und eine Gruppe von Menschen, die aus dem Erdgeschoss in irgendeinen der zwanzig Stockwerke unseres Gebäudes transportiert werden wollen, stehen davor und blicken mich verwundert an. Ich drücke mich an ihnen vorbei und verlasse die Assekura so schnell es geht.

Draussen empfängt mich ein kühler Luftzug. Ich blicke hoch in den Himmel. Ein Gewitter zieht heran, das erkenne ich an der Verfärbung der dunklen Wolken, die sich in der Ferne aufbäumen, sich mit dem starken Wind wälzen und wühlen und immer weiter in die Troposphäre gestossen werden. Der Druck in der Luft steigt an, man kann das Knistern der Blitze schon hören, ja fast fühlen.

Ein Herbstgewitter. Ungewöhnlich.

Ich laufe zur Haltestelle und steige in den Bus, der mich zu meiner Wohnung bringt. Nicht mehr lange und meine Beine lassen mich im Stich. Ich hoffe inständig, dass ich es noch bis zu mir nach Hause schaffe, ohne zusammenzubrechen.

Die Treppenstufen zu meiner Wohnung sind der Horror. Jeder Schritt fühlt sich wie der allergrösste Kraftakt an, denn meine Muskeln sträuben sich gegen diese Anstrengung, als hätten sie den Überlebenswillen verloren. Als ich die Tür aufschliesse und hinter mir zuknalle, atme ich viel zu schnell.

Das Brennen unter meinen Rippen wird unerträglich. Ich stürze in mein Zimmer und werfe mich aufs Bett. Zum Glück hat Tom Semesterferien und ist nicht da. Somit habe ich sturmfreie Bude und kann ungestört in meinem Liebeskummer ersticken.

Ich drücke mir mein Kissen aufs Gesicht und schreie rein. So laut und so fest ich kann, bis sich meine Kehle wund anfühlt. Aber selbst das kann meine Pein nicht lindern. Mein ganzer Thorax schwelt vor Schmerzen, als ätze sich der bittere Verrat durch meinen Körper.

Mein Schädel schwirrt und ich spüre, wie sich Kopfschmerzen anbahnen, mir auf die Schläfen schlagen wollen, um mir das letzte Bisschen meines Verstandes zu rauben.

Ich kann momentan keine klaren Gedanken fassen und muss erst einmal diese bodenlose Enttäuschung, die mich innerlich in Stücke reisst, aus meinem Leib brüllen. Die Tränen, die sich in meinen Augen bilden, werden direkt von meinem Kissen aufgesogen. Meine Mascara verschmiert jetzt sicher auch noch das Bettzeug. Die Schluchzer schütteln mich durch, überkommen mich in regelmässigen Abständen wie die Wellen einer aufgebrachten See.

Ich flehe mein Herz an, nichts mehr zu fühlen, taub zu werden oder einfach mal für einen Moment aufhören so qualvoll zu pochen.

Nach drei Stunden Augen ausweinen, ist mein Körper so ausgetrocknet, dass es keine Träne mehr aus meinen Augenwinkeln schafft. Eigentlich müsste ich etwas trinken. Der Durst hat sich angeschlichen, aber ich ignoriere es. Ich will meinem Körper keinen weiteren Anlass geben, mehr Tränenflüssigkeit zu produzieren. Lieber leide ich trocken.

Mein Kopf funktioniert nun wieder besser. Nachdem ich stundenlang nur geheult habe, kehren die klaren Gedanken zurück.

Ich liege zusammengerollt in meinem Bett und denke darüber nach, was mir Julia offenbart hat. Nachdem ich den ersten Schock nun verarbeitet habe, kann ich endlich meinen Verstand dazu bringen, alles nochmal durchzugehen. Um zu überlegen, wo möglicherweise das Missverständnis liegt.

Es muss doch ein Irrtum sein! Sie muss doch gelogen haben!

Aber so sehr ich darüber nachdenke, ich finde es nicht. Die Heiratsurkunde war eindeutig echt. Da gibt es keine Möglichkeit der Fälschung. Chris und Julia sind noch verheiratet und befinden sich mitten im Scheidungsprozess.

Ich bin so unglaublich enttäuscht, dass Chris mir das nicht einfach sagen konnte. Dass er mir das die ganze Zeit verheimlicht hat. Es hätte mich doch überhaupt nicht gestört, wenn er es mir verraten hätte! Welchen Grund könnte es geben, mir so eine wichtige Information vorzuenthalten? Ich überlege fieberhaft.

Hat er sich nicht getraut, es mir zu sagen, weil er dachte, ich sei für sowas nicht reif genug? Wollte er es mir nicht verraten, weil er sich vielleicht wirklich nicht sicher war, ob er die Scheidung durchziehen möchte? Hat er mich die ganze Zeit bloss als Plan B warmgehalten, für den Fall, dass Julia ihn nicht zurückhaben wollte?

Ich drücke das Kissen, in welches ich mich verkrallt habe, fester an meinen Körper. Mein Verstand sagt mir, dass es nicht sein kann. Chris ist nicht so hinterhältig. Ausserdem hätte er doch nie das ganze Wochenende mit diesem Drachen verbracht. Er mochte sie doch gar nicht mehr!

Das sagt mir mein Bauchgefühl zumindest und normalerweise kann ich mich recht gut auf meine Instinkte verlassen. Allerdings hat mich Julia vollkommen durcheinander gebracht. Ich weiss nicht mehr, was ich glauben soll und was nicht.

War er tatsächlich mit ihr zusammen? Haben sie sich wirklich wiedergefunden?

Ich schüttle den Kopf, denn der Gedanke schmerzt so sehr. Die Vorstellung, Chris und Julia hätten sich wieder vereint, ist abartig und grenzt ans Widerliche. Das kann ich mir kaum vorstellen.

Diese Ungewissheit macht mich total verrückt. Ich muss es einfach von ihm wissen, ob es tatsächlich wahr ist. Wenn ich jemandem Glauben schenke werde, dann ihm. Ich muss ihn fragen.

Ich kann nicht anders. Da scheisse ich auf das, was Julia gesagt hat. Ich soll mich nicht bei ihm melden? Kann die vergessen.

Schnell setze ich mich auf und greife zu meinem Telefon. Auf dem Bildschirm lese ich, dass Patrick mich schon mehrmals zu erreichen versucht hat. Allerdings drücke ich die Anrufe in Abwesenheit weg und öffne den WhatsApp-Chat mit Chris.

Mir ist bewusst, dass er im Moment bei der Arbeit ist und wahrscheinlich kaum Zeit für mich haben wird. Ich werde ihm sowieso bloss eine Nachricht schreiben, denn ich weiss nicht, ob ich es schaffen könnte, mit ihm am Telefon zu sprechen.

Nicht jetzt. Nicht in diesem Zustand.

Mit zittrigen Fingern tippe ich meine Frage, dabei werde ich das Gefühl nicht los, dass ich hier was Verbotenes tue. Ich sollte mich ja von ihm fernhalten. Wird er mir überhaupt noch antworten?

Ich atme einmal tief durch und schicke die Nachricht ab.

Stimmt es, dass du das Wochenende mit Julia verbracht hast?

Es ist geschrieben. Ich warte gespannt darauf, bis die Nachricht bei ihm ankommt. An den blauen Häkchen erkenne ich, dass er meinen Chat gelesen hat.

Mein Herz schlägt mir bis zum Hals.

Augenblicklich schreibt mir Chris zurück. Dafür, dass er anscheinend nichts mehr von mir hören möchte, überrascht es mich. Während ich auf das Erscheinen seiner Antwort bange, werde ich immer nervöser.

Ich hoffe inständig, dass er Julias Behauptung widerlegen wird. Dass er mir sagen wird, er wäre nicht mit ihr zusammen gewesen, sondern sei mit Emil irgendwo weggefahren und sei darum nicht erreichbar gewesen. Mir wäre in dem Moment wirklich alles recht. Selbst ein Ausflug in den Stripclub wäre okay. Alles, nur nicht ein ganzes Wochenende mit Julia.

Ja

Woher weisst du das?

Ungläubig fliegen meine Augen über seine Antwort. Es stimmt also doch! Er war am Wochenende mit ihr zusammen. Mir rutscht das Herz in die Hose, als ich das lese. Meine Augen brennen, denn es wollen sich darin Tränen bilden, aber mir fehlt es an Flüssigkeit.

Aha

Schreibe ich als Antwort. Die bittere Enttäuschung überkommt mich abermals. Er hat mich also nicht nur einmal belogen, sondern mir auch noch das Wochenende mit seiner Ex verheimlicht. So viel zu diesem blinden Vertrauen, das er von mir verlangte.

Chris schreibt weiter:

Können wir reden?

Ich muss dir was sagen

Fassungslos starre ich die Sätze an. Das klingt überhaupt nicht gut! Es muss also tatsächlich etwas zwischen ihnen am Wochenende vorgefallen sein. Was sonst gäbe es da zu besprechen?

Meine Finger beben, ehe ich sie über die Tastatur gleiten lasse, um meine Reaktion auf seine Zeilen zu tippen. Der Kloss in meinem Hals wird wieder stärker. Ich spüre, wie sich der Schluchzer anbahnen will, schlucke ihn allerdings herunter.

Willst du mir etwa verraten, dass ihr noch gar nicht geschieden seid?

Musst du nämlich nicht

Ich weiss es schon

Ich zucke zusammen, als unmittelbar danach Chris' Name auf meinem Display erscheint. Er ruft mich an!

Er will wohl gleich jetzt mit mir reden? Panisch klicke ich den Anruf weg. Nein. Ich kann das noch nicht. Nicht so schnell! Ich will mich noch nicht mit dieser Realität auseinandersetzen müssen.

Seine Worte an Julia haben mir schon so schwer zugesetzt. Diese schreckliche Audionachricht ... Wie soll ich das lebend überstehen, wenn er mir jetzt persönlich per Telefon den Schuh geben will? Wenn er mir erklären will, wie er die Gefühle für seine Frau wiederentdeckt hat? Das würde ich nicht aushalten.

Da ich seinen Anruf nicht entgegennehme, schreibt er mir nochmals:

Emma, nimm bitte ab

Ich möchte es dir erklären

Ich schnaube wütend auf. Was gibt es da noch zu erklären? Ich weiss ja eh schon alles. Die Sprachnachricht an seine Frau war unmissverständlich. Er will zurück zu Julia und zu seinem Kind.

Mir ist schmerzlich bewusst, dass ich mit meiner Wenigkeit nicht gegen eine ganze Familie konkurrieren kann. Emil wird für Chris immer an oberster Stelle stehen und das ist auch richtig so. Das ewige Bündnis, das er mit Julia eingegangen ist und das mit der Geburt von Emil besiegelt wurde – gegen sowas war die Romanze mit mir ein einfacher Flachwitz.

Ich liebe dich, Julia. Schon wieder geistern diese Worte in meinem Kopf herum. Nie hätte ich erwartet, dass es mir komplett den Boden unter meinen Sohlen wegzieht. Obwohl – ich hätte es eigentlich wissen müssen. Ich wusste, dass ich mich viel zu früh in diesen Mistkerl verliebt habe. Dass ich ihm mein Herz quasi angeworfen habe.

Chris hat es in seinen wundervollen Händen einfach zerdrückt. Zerknüllt wie ein Stück Zeitung, das man ins Feuer wirft. Eine einfache Nummer war ich für ihn, mehr nicht.

Es war schon klar, dass Chris irgendwelche Macken haben musste. Macken, die ich nie wirklich erkannt habe. Dass diese aber so scharfkantig sein würden, hätte ich echt nicht gedacht.

Mir ist nicht nach reden

Antworte ich und befördere mein Telefon auf die Bettdecke. Den nächsten Anruf, der sicher wieder von Chris stammen muss, ignoriere ich stur.

Betrogen und belogen zu werden muss wohl in meiner Familie liegen. Erst meine Mutter, dann Jonas und jetzt ich. Wir sind wirkliche Weltmeister im Vertrauen schenken und missbraucht werden. Offenbar ein neues Talent, nebst meiner linkischen Art. Als hätte ich nicht schon genug unnütze Begabungen.

Eine weitere Vibration an meinem Bein lässt mich den Kopf heben. Ich schiele auf das Display. Es ist Viola, die mich sucht. Patrick muss ihr von meinem misslichen Zustand erzählt haben, diese Petze.

Ihren Anruf nehme ich entgegen, denn mir ist bewusst, welch Hölle auf Erden mir blühen würde, wenn ich es nicht täte. Ich warte jedoch nicht darauf, bis sie spricht.

„Ich will mit niemandem reden", sage ich und drücke sogleich auf die Beenden-Taste. Das wird für Viola deutlich genug sein.

Mein Telefon schalte ich aus und werfe es im hohen Bogen in die Ecke meines Zimmers. Niemand soll es wagen, mir nahezukommen. Ganz besonders Chris nicht, dieses Arschloch.

Ich will mit nichts und niemandem jemals wieder etwas zu tun haben. Die Welt kann mir gestohlen bleiben. Es sollen sich alle ins Knie ficken.

Alle.

✵✵✵


Hallo meine Süssen

Ich hoffe, ihr habt euch von Julias giftigen Biss etwas erholt. Emma hat natürlich nicht auf sie gehört und Chris kontaktiert. Aber ob das wirklich schlau war? War ja nicht wirklich das, was sie hören wollte...

Der Countdown beginnt. Mit diesem Kapitel sind es insgesamt noch 10 Kapitelchen, die ihr bekommt. Danach ist HBV beendet. ;-)

Was für ein Ende ich echt geplant habe? hmmm...

Macht's gut!

(Und Kopf hoch! Patrick wird es schon richten)

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