50 - Langusten in Centuri

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Ein knappes Jahr später

(Chris)

Ich sitze mit Emil auf dem Asphalt. Unsere Füsse baumeln über dem wiegenden Wasser. Die Hitze des Bodens ist selbst durch den dicken Stoff unserer Shorts zu spüren. Wir betrachten in aller Ruhe die Fischerboote, wie sie in den winzigen Hafen von Centuri einfahren. Es ist ein verdammt heisser Tag auf Korsika, aber die sanfte Meeresbrise, die uns um den Nacken spielt, kühlt genügend.

„Siehst du das", sage ich an meinen Sohn gerichtet und deute zu den kleinen Koggen, die mit qualmenden Motoren ankommen. „Das sind Langustenfischer."

Emil folgt meinem Blick und kneift die Augen zusammen. Er mustert die alten Korsen fasziniert, wie sie mit braungebrannten Armen und einst weissen, stark beschmutzten T-Shirts ihre Körbe vom Bug an Land hieven.

„Was sind Langusten, Papi?", will Emil wissen und reckt den Kopf seitlich zu mir hoch.

„Langusten sind wie Krebse, nur länger und dunkler in ihrer Farbe", antworte ich ihm.

„Haben die auch so Zangen und eklige Beine?", höre ich Emma hinter uns fragen. Sie ist endlich von unserer Unterkunft zurückgekehrt.

Emil verzieht sein Gesicht zu einer Grimasse beim Gedanken an Krabbelbeine. Er streckt die Zunge raus und kreischt laut: „BÄÄÄÄH!". Genau wie ich, ist er von Kreaturen, die mehr als vier Beine besitzen und sich in dunklen Ecken verstecken, nicht so begeistert.

„Ah, du bist zurück!", begrüsse ich meine Freundin und erhebe mich.

Den Staub des Bodens klopfe ich mir von den Shorts. Hier ist es so trocken. Uns wurde gesagt, dass dieser Sommer in Korsika besonders regenarm war, weshalb die Insel an einer akuten Dürre leidet. Nichtsdestotrotz ist es hier wunderschön.

Ich war selbst zwar oft in Frankreich, hatte es aber noch nie bis nach Korsika geschafft. Es war Emmas Idee und ich muss ehrlich gestehen, ich bin begeistert. Alleine schon die Reise hierhin war atemberaubend. Über die Alpen, durch die Lombardei bis ans ligurische Meer.

Sie brachte den Vorschlag, als ich ihr zu ihrem Geburtstag eine Reise mit Emil und mir schenkte.

Korsika ist unser erster gemeinsamer Urlaub. Nachdem Emma ihren Job an den Nagel gehängt hatte und sich eine Zeit lang neu orientierte, war eine Reise für uns einfach nicht möglich. Nun ist es aber offiziell: Emma startet nächsten Monat in ihrem neuen Job als Praktikantin in einer kleinen Marketingagentur und so beschloss ich, ihr dieses Geschenk zu machen.

Für eine Person, die noch nie wirklich gereist ist, war ich erstaunt zu hören, dass sie einen solch spezifischen Ort wählen wollte. Den Grund, weshalb sie dieses verschlafene und vom Tourismus kaum berührte Städtchen auf der rauen Insel kannte, wollte sie mir nicht verraten.

„Hast du dich eingecremt?", forsche ich nach, denn mit ihrer Porzellanhaut holt die sich garantiert nach fünf Minuten einen Sonnenbrand.

Erst letztens musste ich ihren ganzen Körper mit einer After-Sun Lotion einschmieren, weil sie in meinem Garten in der Sonne eingeschlafen war.

„Von Kopf bis Fuss", sagt sie und macht einen Schmollmund.

Ich grinse. Sie hat wohl darauf gehofft, mal braun zu werden.

„Ich will ja nicht, dass du so rot wie die Krebse wirst, die wir heute essen wollen", gebe ich ihr zu verstehen.

Sie nickt und stellt sich auf die Zehenspitzen, um ihre wundervoll weichen Lippen auf meine zu drücken. Ich liebe es, wenn sie sich meine Zuneigung ungefragt holt. Ihre dunklen Augen schimmern fordernd im Licht der Sonne. Diese zwei Haselnüsse haben mich sofort umgehauen, seit dem ersten Mal, als die mich so erwartungsvoll und mit einem Hauch von Belustigung gemustert haben.

„Warum musst du immer recht haben?", raunt sie an meine Lippen.

Ich küsse sie und ziehe sie an der Taille näher zu mir heran. Das rote Sommerkleid, das sie trägt, schmiegt sich so schön an ihren Körper, dass mir nicht nur von der Hitze des Tages heiss wird. Von dieser Frau kann ich einfach nicht genug bekommen.

„IGITT, PAPI! IHR SEID EKLIGER ALS DIE BEINE DER LANGOSTEN!", ruft Emil und knallt sich die Hände vor die Augen, um nicht mitansehen zu müssen, wie wir uns einen für meine Verhältnisse recht unschuldigen Kuss schenken.

Emma löst sich von mir.

„Langusten, Emil", korrigiert sie ihn lachend.

Emil zieht seine Beine an und setzt sich in den Schneidersitz. Mein Sohn hat sich sehr schnell daran gewöhnt, dass ich eine andere Frau an meiner Seite habe. Dennoch tauschen Emma und ich Zärtlichkeiten sehr verhalten vor ihm aus. Auch einfach, weil wir nicht wollen, dass Emil seiner Mutter von unseren Liebkosungen erzählt. Julia hat lange genug gebraucht, um zu tolerieren, dass Emma und ich zusammen sind und das auch bleiben wollen. Solche Schilderungen würden das sowieso schon schwierige Verhältnis mit meiner Exfrau nicht besser machen.

„Schmecken die eigentlich lecker?", will Emil wissen und blinzelt mich an.

Ich muss lächeln. Es macht mich unglaublich stolz, diese natürliche Neugierde in meinem Sohn zu sehen. Eins der wenigen Dinge, die ich und Julia zusammen wirklich gut hinbekommen haben, muss ich gestehen. Wir wollten immer, dass Emil sich für das, was die Welt ihm zu bieten hat, interessiert.

Emma blinzelt verwirrt ab dieser Frage und reibt sich am Kinn. Sie hat offensichtlich noch nie Langusten probiert. Wie auch? Es wurde ihr noch nie gezeigt. Sie senkt den Blick und starrt auf ihre Zehen. Ihre Geniertheit spürt man förmlich, als wäre es ein Verbrechen, nicht alles zu wissen.

„Wie wäre es, wenn wir das gemeinsam herausfinden?", sage ich und strecke meinem Sohn die Hand hin.

„OH JAAAA!", kreischt Emil begeistert.

Er greift danach und ich hieve ihn hoch. Dann schlinge ich meinen Arm um die schmale Taille meiner Freundin.

„Äh ... Chris, ich hatte noch nie ...", beginnt Emma sich zu rechtfertigen, aber ich unterbreche sie sogleich.

„Vertraust du mir?"

Diese eine Frage, die ich ihr damals schon gestellt habe und die uns näher zueinander gebracht hat, zaubert ein strahlendes Lächeln auf ihre Lippen. Sie weiss es nicht, aber wenn sie lächelt ist sie wunderschön. Auf ihren Wangen bilden sich die zwei süssesten Grübchen und ihre Augen glänzen, dass es fast ansteckend ist.

Diese Frau hat eine magische Ausstrahlung. Sie tritt in einen Raum und die Leute drehen sich zu ihr um. Diese Wirkung, die sie auf ihre Umwelt und Mitmenschen hat, bleibt ihr selbst leider vollkommen verborgen. Sie ist sich dessen gar nicht bewusst, oder sie will es einfach nicht wahrhaben. Sie hat zwar den Mut, die Dinge so zu tun, wie sie es will, jedoch drückt die Furcht, anderen nicht zu genügen, immer wieder durch.

Was mich aber besonders an ihr fasziniert, ist ihr Lebenshunger. Den habe ich von Anfang in ihren Augen schimmern gesehen. Sie ist definitiv eine Person, die mit Neugierde und einer Spur Aufregung auf Abenteuer wartet, welche das Leben zu bieten hat.

Ein Abenteuer so wie unseren ersten gemeinsamen Ausflug mit Kind zum Beispiel. Für Emma eine Premiere in zweierlei Hinsichten: Einerseits, weil sie nur ein Mal im Ausland war und andererseits, weil sie noch nie für das Wohlergehen eines Kindes verantwortlich sein musste.

Sie behauptet zwar, dass sie mit Kindern nicht umgehen könne, aber Emil hat sie wegen ihrer authentischen, humorvollen Art schon längst in sein Herz geschlossen.

„Ich vertraue dir", antwortet sie und schenkt mir ein Augenzwinkern. „Wenn du mir versprichst, dass du die Schalentier-Teile auffängst, die wegen mir durch die Luft fliegen werden, weil ich nicht mit der Hummerzange umgehen kann, ja?"

Ich nicke und kann das Glucksen, das meiner Kehle entspringt, nicht zurückhalten. Sie schafft es ständig, mich zum Lachen zu bringen. Ganz besonders mit ihrer niedlichen Tollpatschigkeit.

„Werde ich, keine Sorge", verspreche ich und drücke sie näher zu mir, während wir zu dritt dem Ufer von Centuri entlang schlendern und vom Streiten der Möwen, die sich über die frisch gefischten Fische hermachen wollen, begleitet werden.

„Glaubst du, dass es in diesem Dorf hier überhaupt ein Restaurant gibt?", fragt Emma besorgt.

Eine berechtigte Frage.

Ich lasse den Blick über die Anlegestelle schweifen und scanne die kleinen Häuser ab, die sich an den Hafen schmiegen. Bei den knapp 200 Einwohnern wird es hier keine grossen Restaurantketten geben.

Da erblicke ich jedoch ein blaues, von der Sonne leicht verblichenes Schild. Beim näheren Hinsehen kann ich den dunkelroten Schriftzug lesen, welcher auf dem Vordach aus Stoff im Wind flattert: Le Langoustier.

Perfekt.

„Da vorne hat es ein Langustenrestaurant. Lasst es uns dort versuchen", sage ich und deute mit dem Kopf auf die andere Seite des Hafens, dort, wo die Fischer unterhalb des Restaurants ihre Kisten stapeln.

Ein Gefühl sagt mir, dass uns dieses Haus mit vergilbter Fassade eine komplett neue Welt der Meerestiere und ihrer französischen Zubereitungsart eröffnen wird. Es sind meist solche unscheinbare Orte, die einem die grössten Schätze dieser Welt enthüllen.

Arm in Arm schlendern wir die kleine Strasse entlang. Die Meeresbrise windet uns den Geruch von Algen und Salz in die Nase. Ich atme tief ein. Das ist der Geruch von Freiheit für mich, wie ich ihn vom Reisen kenne.

Ich hoffe so, dass meine zwei Begleiter dies ebenso empfinden. Ob Geschmack, Gefühl, Geräusch oder Geruch. Die Welt ist faszinierend und unsere Sinne sind dafür da, sie in allen Facetten wahrzunehmen.

Ich kann es kaum erwarten, all diese Dinge mit meiner neuen kleinen Familie zu entdecken.

✵✵✵✵✵

Ende

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