20. Noch eine Chance

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Eine leckere Mahlzeit und einige Minuten später, stand dann Aarón im Türrahmen. „Wie geht's dir, Ace?", fragte er freundlich und langsam konnte ich die Frage nicht mehr hören.

Ich wusste nicht recht, wie ich mich verhalten sollte und stellte stattdessen den Teller auf den Nachttisch. Immerhin wusste ich nicht, was mich jetzt erwarten würde, und somit begab ich mich in eine Art Verteidigungsmodus.

Auch Aarón wirkte unsicher, denn er behielt keinen Blickkontakt und kratzte sich immer mal wieder am Kinn. „Ich denke du weißt, worüber ich mit dir reden möchte."

Schluckend nickte ich. Und wie ich das wusste.

Er setzte sich auf die Bettkante. „Ace, hör zu... ich möchte nicht, dass du dich unwohl fühlst, aber..." Scheinbar fehlten ihm die Worte. „Ich will einfach, dass es jeden in diesem Haus und unter meiner Obhut gut geht und auch, wenn wir uns noch nicht lange kennen, so gehören du und Cosmo auch zu uns. Deswegen kann ich es auch nicht ignorieren, wenn es dir schlecht geht oder ich ein blutgetränktes Handtuch im Bad finde."

Aufmerksam hörte ich dem älteren Mann zu und versuchte anhand seiner Mimik und Stimmlage herauszufinden, wie er über die Situation dachte und wie ich am besten Handeln sollte. Doch so sehr ich auch suchte, ich konnte keine bösen Absichten erkennen. Nur Sanftheit und Wohlwollen...

„Mir war schon gestern klar, dass es dir nicht gut geht und, dass da mehr dahintersteckt. Nur wollte ich mir mein eigenes Bild machen und dir die Chance geben, dich zu erklären."

Erwartend sah er mich an. Natürlich wollte er eine Antwort von mir. Auch wollte er meine Reaktion sehen und mein Denken darüber verstehen. Nur wusste ich nicht, wie ich ihm all das erklären sollte.

Sollte ich ihm all meine Probleme vor die Füße werfen? Ihm sagen, wie ich bisher gelitten hatte und wie hart das Leben in den letzten Jahren zu uns war? Oder sollte ich ihm vielleicht sagen, dass er mit unserer Aufnahme seine ganze Familie in Gefahr gebracht hatte und es noch nicht einmal wusste?

Nein. Dann würden wir nur wieder auf der Straße enden!

„Ich kann verstehen, dass du mir nicht voll vertraust. Wie auch? Wir kennen uns erst ein paar Tage", erklärte er weiter, da ich schwieg. „Nur möchte ich dich bitten, es wenigstens zu versuchen. Ich werde euch nicht rauswerfen, nur weil du mir die Wahrheit sagst, Ace. Glaub mir, als ich euch aufgenommen hatte, war mir klar, auf was ich mich da einlasse."

Klar...

„Ihr wart zwei Jungs ohne viel Gepäck, die keinen Plan hatten, was sie hier wollen und was sie hier erwartet", fuhr er fort.

Ich schnaubte. „Und da hast du eins und eins zusammengezählt. Du hattest Mitleid mit uns. Arme Jungs von der Straße einzusammeln ist eine gute Tat in Gottes Augen, oder?" Irgendwie fühlte ich mich angegriffen. Meine Stimme war vorwurfsvoll und meine Worte ließen Aarón erschrocken den Blick heben.

„Du denkst, ich habe euch nur deswegen aufgenommen? Um vor Gott gut dazustehen?" Seine Augen fixierten mich verletzt und augenblicklich verspürte ich Reue. Er hatte mir nie etwas getan. Und dennoch machte ich ihm Vorwürfe.

„Nein, so war das nicht gemeint. Ich... tut mir leid, Aarón", fügte ich noch niedergeschlagen hinzu. Würde er uns jetzt rauswerfen, wäre das wahrscheinlich mein Ende.

Doch der Mann lächelte. „Ich bin dir nicht böse, Ace. Mir ist klar, dass ihr eine nicht besonders schöne Vergangenheit habt und auch, dass ihr uns wahrscheinlich nie einen Einblick gewähren werdet. Nur hatte ich gehofft, dass ihr wenigstens eine bessere Zukunft haben könntet und die Grundlage dafür wollte ich euch einfach bieten. In der Hoffnung, dass ihr dann..." Er brach ab und seine Finger fuhren nervös durch seine Haare. Ich wurde aus dem Mann nicht schlau.

„Was willst du mir damit sagen?", hakte ich nach.

Doch Aarón reagierte nicht weiter auf die Frage, stattdessen wollte er wissen, „Wie geht es deiner Verletzung?"

„Besser. Der Schmerz ist weniger."

„Darf ich sie sehen?" Aufbauend sah er mich an. Er versuchte mir dadurch Sicherheit zu vermittelt, aber mir gefiel es dennoch nicht, mich schutzlos einem anderen Mann zu präsentieren. Sicher würde er mir nichts tun, aber ich konnte mein Misstrauen nicht einfach innerhalb weniger Tage abschalten.

Nur zögerlich nickte ich und hob mein Shirt an. Darunter zeigte sich ein dicker Verband, der von einem riesigen Pflaster zusammengehalten wurde und sehr straff saß. Scharf zog Aarón die Luft ein. Wahrscheinlich hatte er nicht damit gerechnet, dass sie so groß war. Dabei sah er sie noch nicht mal direkt.

„Was hat Daniela gesagt?", fragte er und ich brauchte einen Moment, um dem Namen einer Person zuordnen zu können.

„Sie hat gesagt, dass ich eigentlich ins Krankenhaus müsste und, dass wir die Wunde in Ruhe lassen sollen. Außerdem soll ich viel schlafen und eine Salbe wegen der Entzündung hat sie mir auch mitgegeben", zählte ich auf.

Der Mann vor mir seufzte und meinte schließlich, „Sie hat sich auch entzündet?" Ich nickte wieder nur. „Ich nehme an, du wirst mir die Entstehung der Verletzung nicht sagen wollen", setzte er an, woraufhin ich den Kopf schüttelte. „Aber hast du etwas dagegen, wenn ich für dich bete?"

Das traf mich vollkommen unvorbereitet. Er wollte für mich beten? Nochmal? So, wie er das immer am Tisch tat? Aber das brachte doch nichts!

Aarón bemerkte meinen zweifelnden Blick. „Natürlich nur, wenn du einverstanden bist. Ich kann dir nur sagen, dass es dir helfen wird und du nichts bereuen wirst."

„Als du gestern Abend für mich gebeten hast, hat es doch auch nichts gebracht. Im Gegenteil es hat sich sogar verschlimmert!", warf ich ihm an den Kopf. Ich hatte ja schon vorher keinen Glauben für Wunder, aber nachdem es ja sogar schlimmer geworden war, wollte ich das nicht nochmal ausprobieren.

Aarón legte nachdenklich den Kopf zur Seite. „Hast du denn an die Heilung geglaubt?"

Ertappt senkte ich den Blick. „Nicht wirklich."

„Vielleicht solltest du das. Wie soll ein Wunder geschehen, wenn du selbst noch nicht einmal daran glaubst?", fragte er mich.

Ratlos zuckte ich mit den Schultern. „Das klappt doch eh nicht. Ich versuch es lieber auf natürlichem Wege."

„Und wie hat das bisher geklappt?", hielt er dagegen. „Offenbar ja gut. Dein Bruder musste ja nur ein ganzes Handtuch mit deinem Blut tränken und entzündet hat sie sich auch."

„Dein Gebet hat es aber auch nicht besser gemacht!", keifte ich gereizt. Was wollte er von mir?! Wollte er, dass ich einfach so an Gott glaubte? Obwohl er mir nie geholfen hatte? Früher auf der Straße, dort hätte ich ihn dringend gebraucht! Wo war er da?!

Eine Weile sahen wir uns an. Aarón, der über seine weiteren Worte nachdachte und ich, der von ihm und seiner Sicht der Dinge gereizt war.

„Würdest du mir denn noch eine Chance geben? Oder Gott? Lass mich nochmal für dich beten und dann kannst du urteilen." Seine Stimme klang versöhnlich. Ganz anders als die meines Vaters. Seine war rau und hatte immer einen aggressiven Unterton. Nicht nur selten hatte er mit Dingen nach mir geworfen. Durch ihn hatte ich auch eine gute Abwehrhaltung entwickelt. Hatte eine Mauer aufgebaut, lernte das Verhalten von Menschen zu meinem Schutz zu analysieren und sie einzustufen.

Nur bei Aarón war alles anders. Er verurteilte mich nicht von vornherein, sondern machte sich ein eigenes Bild und gab mir eine Chance. Eine, die ich eigentlich gar nicht verdient hatte.

Erschrocken über die Tatsache, dass ich Aarón mit meinem Vater verglichen hatte, riss ich die Augen auf.

„Ace?", holte mich Aarón wieder in die Realität zurück. „Was sagst du?"

Ich ließ mir seine Worte nochmal durch den Kopf gehen und wog die Vor - und Nachteile ab. Ich nickte zögerlich. „Aber wenn es wieder nicht klappt, dann lässt du mich damit in Ruhe!"

„In Ordnung", meinte er und kam mir näher.

Ich machte mich schon auf sonst was gefasst und spannte die Arme an, doch er legte seine Hand nur auf meine Seite. Federleicht lag sie auf dem Verband und berührte mich beinahe nicht, so als habe er Angst, mir weitere Schmerzen zu bereiten. Und tief in meinem Inneren war ich ihm dankbar dafür.

Kurz sammelte er sich und schloss seine Augen. „Herr, du kennst Ace und auch seine Geschichte. Ich weiß, dass er dir nicht egal ist und du ihn liebst, auch wenn er das vielleicht noch nicht gespürt hat." Wieder hielt er an und seine Augenbrauen kniffen sich leicht zusammen. „Du siehst, dass es ihm nicht gut geht und er deine Hilfe braucht. Eigentlich müsste er ins Krankenhaus und wenn das dein Wille ist, dann werden wir ihn dort auch hinfahren. Doch ich bitte dich, dass du Ace deine Nähe und Liebe zeigst. Ich bitte dich, dass du seine Verletzung heilst. Von der Entzündung soll nichts mehr zu sehen sein und er wird frei sein von jeglichem Schmerz."

Mein Blick glitt automatisch zu den Schmerztabletten.

„Bitte zeig ihm, zu was du in der Lage bist und heile ihn... Amen." Warum beendete er jedes seiner Gebete so? Er atmete einmal tief durch und nach einer kurzen Pause öffnete er die Augen. „Aber du musst auch daran glauben, Ace."

Tat ich das? Naja, ein Versuch war es wert. „Hm."

„Okay, dann gute Nacht und bis morgen." Damit verabschiedete er sich und klopfte mir ein letztes Mal leicht auf die Schulter, ehe er den Raum verließ und Cosmo hereinkam. Hatte er etwa vor der Tür gewartet?

„War er sehr sauer wegen der Verletzung?", fragte mein Halbbruder unsicher.

Nachdenklich schüttelte ich den Kopf und lächelte. „Nein, im Gegenteil. Er war besorgt."

Ich verstand es selber nicht. Aber irgendetwas in meinem Inneren war seltsam ruhig und vermittelte mir ein Gefühl von Geborgenheit. Vielleicht war Aarón ja doch kein Spinner, der an etwas Unsichtbares glaubte.

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