47. You are my anchor

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Heute Morgen in der Dusche hatte ich noch das Gefühl, dass Vergebung das Einzige war, was ich bräuchte. Und das dringend. Doch jetzt, wie ich so mit Aarón über die verwüstete Straße lief, überkamen mich Zweifel.

Meine Schuld zweifelte ich nicht an. Garantiert nicht! Aber ich machte mir Sorgen, dass sie womöglich zu groß war, als das Gott sie vergeben könnte. Vor allem, da es kein Versehen war, oder eine einmalige Sache, oder etwas, was man erklären könnte. Ich hatte mehrmals mit voller Absicht und bei klarem Verstand gemordet. Die ganzen Diebstähle zählte ich da ja noch gar nicht mit rein. Oder die ganzen Lügen, die ich erzählt hatte, um in den verschiedenen Situationen meine Haut zu retten. Sowie all die Einbrüche.

„Wir müssen Das hier nicht tun, wenn du noch nicht breit bist", versuchte Aarón mich zu beruhigen, der mein gestresstes Verhalten bemerkte.

Gepresst atmete ich aus. „Nein, ich will es."

„Aber irgendetwas bedrückt dich doch."

Vorsichtig sah ich ihn von der Seite aus an. „Bist du dir sicher, dass Gott... naja, einem alles vergibt?"

Aarón runzelte die Stirn. „Wieso zweifelst du Das an? Was hast du denn angestellt?", fragte er halb lachend. Ich schwieg. Daraufhin atmete Aarón einmal durch und blieb schließlich stehen. „Ich bin mir sicher, dass Gott uns alles vergibt, Ace. Da musst du dir keine Sorgen machen. Jesus selbst hat bei einer Auseinandersetzung mit den Pharisäern gesagt, dass den Menschen alle Schuld vergeben wird. Alles. Sogar wenn sie schlecht über ihn reden. Nur, wer gegen den Heiligen Geist spricht, dem wird nicht vergeben werden."

„Was wenn-", fing ich besorgt an, doch Aarón unterbrach mich.

„Keine Sorge. Eine Sünde gegen den heiligen Geist begeht man nicht einfach so. Es ist eine bewusste Herzenseinstellung und wessen Herz so verhärtet ist, macht sich über Sünden, die er womöglich begangen hat, keinen Kopf." Beruhigend tätschelte mir Aarón die Schulter. „Wir können ein anderes Mal gern weiter darüber reden, aber ich glaub für heute haben wir uns schon genug vorgenommen."

Zustimmend brummte ich und lief mit ihm weiter. Ich hätte das Ganze lieber zuhause im Warmen durchgezogen, doch die Kinder wären viel zu laut und die Arbeiten liefen im Hof noch auf Hochtouren.

Deshalb hatte Aarón einen kleinen Spaziergang vorgeschlagen, solange es noch hell war. Über die schnelle Heilung meiner Schussverletzung, die ich mitgebracht hatte, war ich mehr als froh. Mit der hätte ich es unmöglich hier hoch geschafft. Denn Aarón war ein Freund der Berge und wollte, wenn wir schon mal zu zweit unterwegs waren, auch etwas sehen. In dem Fall einen guten Ausblick über das kleine Aribe Village.

Bei dem kleinen Plateau mit dem glänzenden See, welchen ich eines Nachts entdeckt hatte, hielten wir an und setzten uns ins Gras. Sonderlich hoch war es hier nicht, einen schönen Ausblick gab es aber trotzdem.

„Was wolltest du eigentlich mal werden, Ace?", fragte Aarón plötzlich unerwartet und warf mich damit ordentlich aus der Bahn.

„Wie?"

„Was für Zukunftsvorstellungen hattest du? Was waren oder sind deine Ziele oder Träume?" Sein Blick musterte mich wieder so sanft, dass ich für einen Augenblick ihn wieder mit einer Vaterfigur verglich. Nur verschreckte mich dieser Gedanke dieses Mal nicht ganz so.

„Keine Ahnung."

„Nichts, was du jemals werden wolltest?"

Ich wusste nicht, woher dieses Gefühl kam, aber ich fühlte mich von einer Sekunde auf die andere angegriffen und zog die Schultern etwas hoch. „Worauf zielt die Frage? Auf meine nie vorhandenen Chancen oder auf die Tatsache, dass ich wohl nichts erreicht habe, da ich jetzt hier bin."

Besänftigend hob Aarón die Arme hoch. „Nein, ich will dich nur besser kennenlernen. Es interessiert mich einfach... Du interessierst mich. Ihr wohnt schließlich bei uns und auch, wenn ich mir sicher bin, dass ihr uns niemals in eure Vergangenheit einweihen werdet, so hab ich doch die Hoffnung, dass ich irgendwann mehr von euch erfahre."

„Irgendwann mal, okay?", seufzte ich.

„Okay", entgegnete er. „Aber fühl dich zu nichts gedrängt", ergänzte er noch und sah hinab auf das Tal.

Einerseits dankbar, dass Aarón keine Antworten aus mir herauszwang und anderseits nervös, weil ich keine Antwort auf seine Frage hatte, rupfte ich einige Grasbüschel aus. Ich hatte nie präzise Zukunftsvorstellungen. Auch keine Träume. Das lag vielleicht daran, weil ich wusste, dass meine Chancen begrenzt waren. Allerdings hatte ich auch nie so weit gedacht. In Mexiko musste ich immer nur die nächsten Tage planen. Mehr konnte ich ohnehin nicht tun. Selbst die Begegnung mit Mors hatte mir keine wirklichen Ziele in den Kopf gesetzt.

Im Inneren wusste ich aber auch, dass ich mich nicht mit dem Thema auseinandersetzen wollte. Ich hatte es nicht nötig und es war ohnehin zu spät.

„Wie genau machen wir das jetzt?", fragte ich irgendwann.

„Was?"

Beinahe hätte ich aufgestöhnt. „Na... Die Vergebungssache."

„Bereust du denn wirklich alles, was du gemacht hast? Was auch immer es ist?"

Aaróns Blick lag nun wieder auf mir und nachdenklich starrte ich aufs grüne Gras. Natürlich fühlte ich mich schuldig und Reue empfand ich auch... Aber ein kleiner Teil in mir hielt noch immer an der Theorie fest, dass ich das Richtige getan hatte. Ich wollte überleben. Wollte Cosmo versorgen. Da gab es nie eine andere Möglichkeit!

Ein schweres Seufzen entwich mir und meine Arme streckte ich auf meine angewinkelten Knie aus. Darauf legte ich meinen Kopf.

Es gab eine andere Möglichkeit. Ich hatte nur den einfachen Weg gewählt, auch, wenn er sich wie der Schwierigere angefühlt hatte. All die Jahre hatte ich mich als ein Opfer der Gesellschaft gefühlt, selbst als ich Mors kleiner Auftragskiller war, hatte ich nicht unbedingt einen höheren Stand. Ich war nur Mittel zum Zweck, hatte ja aber auch etwas dafür bekommen. Geld.

Ich hatte mich verkauft, das wurde mir plötzlich klar. Der Gedanke sackte so tief wie noch nie.

Natürlich hatte ich schon vor dem Deal mit Mors eine ganze Liste mit Sünden angesammelt und die wurden mit der Zeit nicht gerade weniger, aber dennoch hatte ich mich immer besser gefühlt als Tai, der Drogen nahm, weil er mit seinem Leben nicht mehr klarkam und damit wahrscheinlich irgendwelchen Geistern oder Dämonen die Tür geöffnet hatte. Oder als Clarissa, die ihren Körper an fremde Männer verkaufte, weil sie sonst kein Geld hatte und die Verzweiflung sie als junges Mädchen dazu getrieben hatte.

Eine unglaubliche Schwere legte sich auf meinen Brustkorb und das Gefühl, welches ich in der Dusche hatte, kam zurück. Nur dieses Mal heftiger. Als würde ich ersticken und zusammenbrechen. Dabei saß ich ja schon.

Mir wurde in dem Moment erst einmal bewusst, welch ein Scheiterhaufen mein Leben war. Und zum ersten Mal ließ ich den Gedanken auch zu.

„Was ist das?", murmelte ich kraftlos und so leise, dass Aarón es vermutlich nicht hörte.

Ich spürte aber dennoch seine Hand auf meiner Schulter, die sanft entlangstrich und merkte, wie er näher an mich heranrutschte. „Was meinst du?"

„Dieses erdrückende Gefühl."

„Du bereust", antwortete er leise. „So fühlt sich Schuld an, Ace." Ohne ihn anzusehen, konnte ich seinen mitleidigen und zugleich liebevollen Blick spüren. „Ich weiß nicht, was passiert ist, was ihr alles durchmachen musstet oder wozu ihr vielleicht gedrängt wurden seid, aber eins kannst du mir glauben, Ace, Gott liebt dich! Und Vergebung macht frei."

Einmal tief durchatmend sah ich ihn nun doch an. „Aber wird er Mord auch verzeihen?"

Auf Aaróns Gesicht fror plötzlich alles ein. Seine Pupillen weiteten sich etwas und am liebsten hätte ich meine Worte wieder zurückgenommen. Dennoch zog er überraschenderweise seine Hand nicht zurück und einen Moment später, sah er wieder so entspannt wie vorher aus. „Wie gesagt, ich weiß nicht, was passiert ist. Aber seine Gnade ist grenzenlos. Und wenn du bereust und zu ihm kommst, wird er dich als Vater garantiert nicht abstoßen."

„Ich bereu es ja! Aber..." Verzweifelt stieß ich erneut die Luft aus, weil das beengende Gefühl zu stark wurde. „Was hätte ich denn tun sollen?!"

Leidend nahm Aarón mich auf einmal in den Arm. „Ich weiß es nicht", flüsterte er und ich konnte die Tränen nicht mehr zurückhalten. „Seinen Plan kenn auch ich nicht. Aber er hat dich nie aufgegeben oder aus den Augen verloren, nie." Seine Arme legte er um mich und ich ließ es zu, dass er mich sanft an sich drückte. „Was glaubst du, weshalb ihr hier seid? Er hat dich geführt, wenn auch auf komische Art und Weise."

Mit geschlossenen Augen unterdrückte ich ein kleines, schmerzhaftes Lächeln. Würde Aarón nur alles wissen.

„Ich will nicht länger im Dunkeln tappen." Innerlich so erschöpft wie noch nie, ließ ich mich von Aarón halten. „Ich kann das einfach nicht mehr", gab ich zu und ließ meine Schultern nach unten sacken. All die Verantwortung, die Sorge, die Ahnungslosigkeit... das sollte ein Ende haben.

„Das musst du auch nicht", entgegnete Aarón. „Übergib Jesus die Führung und er wird dich leiten. Vertrau ihm und alles wird gut. Denn er ist der Weg und die Wahrheit und das Leben."

Schmerzhaft schluckte ich. Ich wusste, dass Aarón Recht hatte. Es war eine innere Überzeugung. Und augenblicklich als ich mich mit dem Gedanken, Jesus mein Leben zu übergeben, angefreundet hatte, wurde der Druck leichter, mein Herzschlag ruhiger und die Last fiel von meinen Schultern.

„Nimmst du Jesus als deinen Erretter an?", fragte Aarón leise, der meine Entspannung bemerkte.

Ich nickte. „Ja." Mit der rechten Hand wischte ich mir über die Augen, während ich mich langsam von ihm entfernte und halbherzig lächelte. „Ich will, dass er übernimmt. Ich kann und will nicht länger so leben. Mein Leben gehört ihm... Und ich will diese Last nicht länger", ergänzte ich mit kratziger Stimme.

„Das musst du auch nicht", lächelte Aarón und setzte sich mir endgültig gegenüber. Seine Hand fand ihren Platz wieder zu meiner Schulter und als er seinen Kopf senkte, begriff auch ich, dass er beten wollte. „Herr... du siehst, dass Ace dich in sein Leben lassen möchte. Und ich bitte dich, dass du ihm mit all deiner Liebe begegnest. Ihm den Weg zeigst..."

Auch wenn ich meine Augen geschlossen hatte und voll und ganz zuhörte, so verinnerlichte ich seine Worte dennoch auf eine andere Art und Weise. Irgendwie intensiver.

„Du siehst, was in ihm wirklich vorgeht und ich bitte dich aus ganzem Herzen um Vergebung für alles, was bisher geschehen ist. Lass ihn deine Gnade spüren."

Meine Stirn legte ich auf meine gefalteten Hände. Eine Geste, die ich bisher nicht wirklich ernst genommen hatte und selbst nicht oft annahm. Doch jetzt hatte ich irgendwie das Bedürfnis danach. Mein Geist fokussierte sich vollkommen auf Gott und Aaróns Worte. Ich wollte in dem Moment nichts sehnlicher als Vergebung und Gottes Liebe. Ich wollte, dass Jesus übernahm.

Und wie Aarón um meine Vergebung betete, so bat ich im Stillen Gott ebenfalls um Vergebung.

Vergebung für all die Einbrüche. Die vielen Diebstähle. Für all die Lügen, die ich teils zu meinem Schutz, ohne nachzudenken, anderen Leuten aufgetischt hatte. Vergebung für mein skrupelloses Handeln, um mich und Cosmo am Leben zu halten. Vergebung für die Verachtung und den Hass, den ich für meine Eltern übrig hatte. Vergebung für das, was ich damals den Mann, der Clarissa festhielt, und vielen anderen, angetan hatte.

Und Vergebung für den Mord an meinem Vater.

Der flehende Wunsch nach Vergebung war so stark, dass ich wieder die Tränen spürte, die durch meine geschlossenen Augen wollten. Der Drang mich Jesus hinzugeben so stark, dass ich beinahe laut nach ihm gerufen hätte.

Ich tat es aber nicht. Nur still für mich. Dennoch spürte ich plötzlich eine übernatürliche Wärme, die mich umhüllte. Und die kam mit Sicherheit nicht von der Sonne, denn hier oben war es mehr als kalt. Es war eine Wärme anderer Art. Wärme in Form von Liebe und Annahme. Gnade. Mir kamen endgültig die Tränen. Aber nicht vor Trauer und Reue, sondern vor Freude und Erleichterung. Als hätte ich eine Gewissheit, dass mir vergeben wurde.

Reue machte Frei. Und meine Seele war frei. In dem Moment als ich Jesus angenommen hatte. Und es war das schönste Gefühl, welches ich jemals hatte.

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