48. Niedlichkeit

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Angespannt sah ich über den kleinen Platz. Meine Augen suchten nach Cosmo. Seine braunen Haare schienen in der Menge unterzugehen und die grelle Sonne erschwerte mir zusätzlich das Sehen. Meine schwarzen Haare hingen mir leicht in die Stirn und genervt pustete ich sie weg. Körperpflege kam hier auf der Straße eben manchmal zu kurz.

Die Hitze tat meiner hellen Haut nicht sonderlich gut, weswegen ich mich in den Schatten eines langsam zerfallenden Gebäudes zurückgezogen hatte und geduldig abwartete.

Mein kleiner Bruder übte zwar schon seit einiger Zeit das Stehlen, aber das musste noch perfektioniert werden. Um hier zu überleben, reichte es noch nicht. Und genau aus diesem Grund waren wir heute mal wieder unterwegs, um seine Fähigkeiten zu verbessern und nebenbei unseren Unterhalt zu verdienen.

„Worauf wartest du denn?", riss mich eine Stimme aus meinen Gedanken und ich zuckte überrascht zusammen als sich ein Paar Hände über meine Augen legten.

Um meine Überraschung zu verstecken, stöhnte ich gestresst auf und befreite meinen Kopf aus der Umklammerung. „Was willst du?"

„Nicht so mürrisch!", wies mich Clarissa zurecht.

Augenverdrehend wandte ich den Blick ab und sah wieder auf den Marktplatz. Cosmo hatte mindestens genauso viele Erfolge wie Misserfolge im Stehlen und damit war er schon mal erfolgreicher als ich damals. Naja, ich musste mir auch alles selbst beibringen. Zu zweit ging es für gewöhnlich auch besser. Nur Cosmo schien noch ein zusätzliches Ass im Ärmel zu haben. Niedlichkeit. Etwas, was mir fehlte, aber unglaublich hilfreich war. Vor allem bei alten Leuten.

„Bringst du ihm das etwa immer noch bei?!", wollte Clarissa fassungslos wissen, die meinem Blick gefolgt war.

Ich nickte nur. „Natürlich."

„Mach wie du denkst."

Beleidigt zog ich die Stirn kraus. „Was soll ich deiner Meinung nach sonst tun, hm? Ihn auf den Strich schicken?"

Clarissa sagte erst nichts und viel zu spät erkannte ich die Verletzung in ihren Augen und reumütig rutschte ich etwas näher. „Sorry."

„Du bist manchmal echt ein Arsch, Ace", fauchte die Blondine, rückte etwas ab und warf ihre Haare über die Schultern, wobei ich sie erstmal ins Gesicht bekam. Gereizt zog ich sie mir aus dem Gesicht und verschränkte meine Arme vor der Brust. Das junge Mädchen neben mir war etwas älter als Cosmo, aber immer noch jünger als ich und verkaufte bereits ihren Körper. Schon krass was Verzweiflung anrichten konnte. „Was ist eigentlich mir dir?", wollte sie plötzlich wissen.

Abwesend verrenkte ich mir den Hals, um Cosmo noch sehen zu können, der wahrscheinlich einen neuen Rekord aufstellen wollte beim Thema, wie viele Äpfel in eine Kapuze passten. Wenigstens war er kreativ. „Was soll mit mir sein?"

„Seit ich dich kenne, gibt's für dich nur Cosmo. Du hast bis auf Überleben keine Hobbys und..."

„Und?"

Clarissa stieß die überflüssige Luft aus. „Interessiert dich denn niemand?"

„Nein?" Irritiert sah ich sie an. Ich hatte keine Zeit für Dinge, die nicht lebenswichtig waren. Dazu zählten auch Beziehungen. „Du hast doch auch niemanden!"

„Das kann man nicht vergleichen", hielt sie dagegen.

„Ach?"

„Ja!" Eindringlich und irgendwie traurig sah sie mich an. „Bei den ganzen kranken Männern, die jeden Tag zu mir kommen... da vergeht einem echt der Appetit. Aber du... Ich versteh einfach nicht, wieso du dein Leben so wegwirfst." Ich wollte gerade protestieren, doch sie sprach einfach weiter. „Ich weiß, dass ihr es auch nicht einfach habt. Nur, wolltest du nie mehr? Mehr vom Leben?"

Mein Gesicht verhärtete sich. „Das stand nie zur Debatte und jetzt lass mich mit diesem Mist in Ruhe!", knurrte ich.

Ich konnte aus dem Augenwinkel sehen, dass sie gerne etwas erwidert hätte, doch sie hielt glücklicherweise ihren Mund. Ich mochte andere Menschen für gewöhnlich nicht. Clarissa war eine Ausnahme. So wie Tai. Meine Geduld sollte sie daher nicht auf die Probe stellen. Mein Leben ging auch niemanden etwas an! Und solche Fragen wollte ich mir nicht stellen! Sie schmerzten nur.

„Ace!", hörte ich meinen Bruder rufen und sofort schoss mein Blick zu ihm.

Mit einem stolzen Grinsen auf dem Gesicht kam er auf mich zugelaufen. Dabei sah er aus wie eine überfütterte Kuh. In seinem Pulli, seiner Kapuze und vermutlich auch in seinen Hosentaschen waren allerlei Sachen. Schien ja heute echt ein Glückstag. Fast. Auf den letzten Metern klatschte es ihn hin und vor meine Füße rollten zwei rote Äpfel.

„Dreistigkeit 10. Geschicklichkeit eher 0", meinte ich amüsiert.

Clarissa gab mir einen Klaps auf den Hinterkopf. „Sei nicht so gemein!"

Schnell rappelte sich Cosmo auf, verlor dabei noch einige Sachen mehr und setzte sich schließlich auf meine andere Seite, nachdem er alles eingesammelt hatte. Dabei klaute ich mir einen der Äpfel und biss hinein.

„Ey!", schimpfte er und versuchte mir seine Beute wieder abzunehmen.

Ich lachte nur. „So funktioniert nun mal das Leben, Kleiner."

„Hör nicht auf ihn!", entgegnete Clarissa nur und nahm mir den Apfel schließlich weg, nur um selbst hineinzubeißen! Cosmo hingegen betrachtete die eigentliche Nute mit einem komischen Blick. Ihre Freizügigkeit kannte er nicht. Es war für ihn auch eine neue Erfahrung. Dabei war er eigentlich noch viel zu jung! Ihre großen Brüste, die bemalten, aufgespritzten Lippen und das enge Kleid schienen ihm aber zu gefallen.

Sofort verdeckte ich seine Augen. „Das ist noch nichts für dich, Kumpel."

„Man, Ace!", protestierte er erneut und versuchte meinen Arm wegzudrücken.

Doch ein Klingeln riss mich aus meinen Gedanken. Verwundert zog ich das alte Handy aus meiner Hosentasche, welches mir Mors bei unserer letzten Begegnung gegeben hatte. Er war auch der Einzige, der die Nummer hatte. Es konnte nur er sein. Und das bedeutete ein neuer Auftrag. Ich stöhnte auf, ließ Cosmo gehen und entfernte mich von den beiden, ehe ich ranging.

„Ja?"

Die Stimme am anderen Ende war bei weitem nicht mehr so freundlich wie bei unserem ersten Treffen. „Komm und beeil dich!"

„Wohin?"

„Wie beim letzten Mal!", fauchte Mors mir durch das Gerät entgegen und legte auf. Ich vergrub nur meine Hände in meinen Haaren, während ich das Ding in meine Hosentasche steckte. Beim ersten Mal sollte ich nur zusehen, beim letzten Mal sollte ich ihn selbst töten. Natürlich unter Beobachtung. Doch ich war mir sicher, dass ich dieses Mal allein wäre. Mors hatte es angedeutet. Ich sollte selbstständig werden. Ein selbstständiger Killer.

„Was ist los?", fragte Clarissa besorgt. Vielsagend sah ich sie an. Sie verstand sofort.

„Cosmo, komm", befahl ich und anhand meiner Tonlage verstand er den Ernst der Lage und kam sofort mit seiner Beute zu mir. „Wir sehen uns", verabschiedete ich mich von Clarissa und lief mit meinem Halbbruder zu einem anderen Teil von Tepito. Eine ältere Dame lebte dort. Sie war ebenfalls obdachlos und aufgrund einer Beinverletzung nicht mehr wirklich in der Lage sich selbst zu versorgen. Nur betteln konnte sie.

Mit seiner fehlenden Erfahrung wollte Cosmo sie damals ebenfalls bestehlen. Sie war ein leichtes Opfer. Hatte aber nichts, was man sich nehmen konnte und als sie den kleinen Schlumpf bemerkt hatte, hatte sie nur gelacht.

Von da an hatten wir immer mal wieder Kontakt zueinander. Wir brachten ihr manchmal etwas mit, wenn es gerade gut lief und im Gegenzug dazu passte sie manchmal auf Cosmo auf. Er war zwar nicht mehr so klein, dass er einen Babysitter brauchte, aber hier in Mexiko ließ ich ihn ungern allein. Deswegen sah ich sie auch dankend an als ich meinen Bruder bei ihr ließ. Den seltsamen Blick, den sie mir hinterherwarf, bemerkte ich gar nicht.

Stattdessen lief ich geradewegs in mein Unglück hinein. Noch heute würde jemand durch meine Hand sterben. Das hatte ich im Gefühl. Und auch, wenn das mehr als erschreckend war, so wusste ich, dass das Geld uns von der Straße holen würde.

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