56. Alles vorbei?

Màu nền
Font chữ
Font size
Chiều cao dòng

Ich riss meine Augen auf. Welchen Freund meinte er bitte?! Doch nicht etwa- Ein ungutes Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus und ich drohte zu ersticken.

„Wen meinst du?"

Sein Mund verzog sich zu einem Grinsen. „Du kannst dich glücklich schätzen, er hat dich bis zur letzten Sekunde verteidigt. Dich nicht verraten. Wollte dich sogar warnen. Aber etwas naiv war er. Telefonate kann man immerhin abhören."

Telefonate? Verwirrte kniff ich die Augen zusammen. Cosmo und ich hatte doch gar nicht- Mir fiel es wie Schuppen von den Augen. Tai.

„Du scheinst zu wissen, wen ich meine", murmelte er selbstgefällig. „Aber keine Sorge, er hatte einen schnellen Tod. So wie du auch."

Das kalte Metall drückte kräftiger gegen meine Stirn und meine Augen füllten sich unweigerlich mit Tränen. Tai hatte das nicht verdient. Es war doch meine Schuld. Meine! Nie wollte ich ihn da mit hineinziehen. Ich wollte nie irgendjemanden mit hineinziehen! Er war meinetwegen tot. Und dabei wollte er mir nur helfen. Hatte dafür sein Leben aufs Spiel gesetzt als er mich damals angerufen hatte. Und so wurde ihm seine Treue gedankt.

Gequält schluchzte ich auf. Meine Schwäche war ja so erbärmlich. Früher wäre es mir egal gewesen, doch jetzt hatte ich etwas, wofür es sich zu kämpfen lohnte. Mein Leben hatte einen Sinn, ich wollte es nicht einfach wegwerfen!

Nur hatte ich kein Mitspracherecht.

Kalt sahen mich die blauen Augen meines Gegenübers an. Strahlten dabei puren Hass aus. Aber noch mehr als das. Leid. So unglaublich großes Leid und tiefe Trauer, als wäre er gebrochen. Als hätte er jedes Licht und jede Hoffnung verloren. Und in dem Moment wurde es mir klar. Wir waren nicht nur unglaublich ähnlich, er war quasi ich. Nur ohne Gott.

„Jetzt kann dir dein Gott auch nicht mehr helfen. Ruf ruhig nach ihm, es bringt dir nur nichts", knurrte er mir entgegen.

Seine Finger streckte er nochmal aus, legte sie dann an den Abzug und sah mir tief in die Augen.

Sofort kniff ich sie zusammen. Wünschte mich an einen anderen Ort. Wollte den Knall nicht hören. Den Schmerz nicht spüren. Den Mafiosi nicht mehr sehen. Was würde wohl Cosmo denken, wenn er morgen allein in unserem Bett aufwachen würde? Was würde Aarón sagen, wenn ich nicht zum Frühstück kommen würde? Wenn ich gar nicht mehr auftauchen würde und man irgendwann meine Leiche in den Bergen finden würde?

Ich wollte diese Vorstellung nicht. Wollte mir nicht vorstellen, dass ich sie wahrscheinlich alle nie wiedersehen würde und meine letzte Tat wohl war, dass ich ihnen Kummer bereitete.

Meine Atmung hatte ich eingestellt. Ich hörte nur die schnellen Luftzüge meines baldigen Mörders. Ich war dem Tod so nahe und verspürte dennoch eine innere Ruhe. Frieden. Zwar wollte ich mein irdisches Leben nicht loslassen, aber der Gedanke daran, dass es nach dem Tod weiterging und ich gerettet wäre, ließ mein Herz wieder langsamer schlagen.

Leicht bewegte sich die Pistole auf meiner Stirn. Ich hörte etwas Klacken. Vielleicht eine Sicherung?

Dann drückte er ab.

Trotz der Vorbereitung zuckte ich zusammen. Spürte das leichte Zittern meiner Hände, die neben mir im Gras lagen. Moment, meine Hände? Ich spürte meinen Körper noch? Irritiert öffnete ich die Augen und sah zu dem Mafiosi auf. Ich lag noch immer im Gras auf dem Plateau. Spürte den Streifschuss im Oberarm und die Pistole auf meiner Stirn. Was zum-

„Wie?" Ebenfalls schockiert nahm mein Angreifer die Pistole von meiner Stirn und schüttete sie. „Das kann doch nicht wahr sein!"

Fluchend stand er von mir auf. Öffnete seine Waffe und sah nach der Ladung. Anhand seines Gesichtsausdrucks konnte ich mir schnell denken was los war. Er hatte keine Munition mehr. Oder sie war kaputt, was eher unwahrscheinlich war. Doch egal was es war, am Ende schmiss er sie schreiend einige Meter weiter weg.

Ich atmete auf. Legte den Kopf zurück ins Gras, schloss die Augen und als wäre alle Last abgefallen, entspannte sich mein ganzer Körper. Endlich konnte ich wieder richtig atmen, bis in den Bauch hinunter. Der Schrei des Mafiosis noch in den Ohren, der im Tal widerhallte.

Dann war alles still.

Keiner sagte auch nur ein Wort. Nur unser Atem war in der Nacht zu hören. Erst, als er einen Schritt in meine Richtung machte, öffnete ich die Augen und setzte mich ruckartig auf.

„Du miese Ratte, glaub ja nicht, dass ich eine Waffe für deinen Tod brauche", spuckte er mir entgegen und verstohlen wanderte mein Blick zum See hinter ihm. Theoretisch konnte er mir auch einfach das Genick brechen, mich zu Tode prügeln oder aber mich im See ertränken. Das war nicht wirklich besser als der Tod durch einen schnellen Schuss.

Ich spürte mein Herz wieder kräftig in meiner Brust schlagen, zog mich mit den Armen etwas weiter nach hinten, sah mich nach etwas Hilfreichem um. Doch ich fand nichts.

„Nur deinetwegen ist er tot! Er hat nichts falsch gemacht. Nichts! Und dann kommst du eines Nachts daher und bringst ihn um. Wieso?!"

Schwer schluckte ich die Schuldgefühle hinunter. „Es war-"

„Was?!"

„Es war ein Versehen!", schrie ich ihn an und konnte nicht verhindern, dass weitere Erinnerungen an die verhängnisvolle Nacht vor meinem inneren Auge aufblitzten. „Ich... Er sollte es nicht sein. Er war... wohl einfach zur falschen Zeit am falschen Ort. Es war ein Missverständnis."

Hysterisch lachte er auf. „Ein Versehen? Ist das dein Ernst?!"

Leidend verzog ich das Gesicht. Atmete schmerzhaft ein, versuchte die Erinnerungen loszuwerden und drängte die Tränen zurück. „Ich weiß, du glaubst mir nicht... aber mir tut das alles aufrichtig leid."

Wut flammte in seinen Augen auf. „Dir tut es leid?"

„Ja. Allein die Vorstellung, dass jemand... meinen Brüder töten würde... Ich würde durchdrehen. Nicht mehr wissen wo unten und oben ist. Nach Rache dürsten. Glaub mir, ich bereue es so sehr wie nichts anderes. Es ist keine Entschuldigung, nichts rechtfertigt das, ich weiß. Aber ich würde alles dafür geben, wenn ich es rückgängig machen könnte."

Verbittert sah er mir konstant in die Augen. „Du kommst aus einer Szene, die nur Dunkelheit bringt. Mein Bruder war nicht dein erstes Opfer." Er atmete einmal tief durch. „Also wie zum Geier kommst du jetzt zu dieser Wandlung?!"

Ohne es verhindern zu können, schlich sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen. „Ich bin Gott begegnet."

„Gott?", keifte er irritiert. Ich nickte und seine Augen weiteten sich überrascht. Dann verfinsterte sich jedoch sein Ausdruck und plötzlich drückte er mich wieder ins Gras. Seine Hände dabei um meine Kehle gelegt. Röchelnd schnappte ich nach Luft. „Du glaubst also an ihn?", wollte er wissen. Wieder ein Nicken meinerseits. „Dann glaubst du auch, dass du ihn wiedersiehst, wenn ich nicht loslasse?"

Angst kroch in meinen Körper, doch nach außen hin bewahrte ich Ruhe. „Früher oder später... sehen wir ihn eh alle", röchelte ich leise, versuchte seine Hände wegzudrücken.

Nachdenklich verzog er das Gesicht. Innerhalb kürzester Zeit huschten unzählige Emotionen durch sein Gesicht. Wut, Trauer, Enttäuschung, Verwirrung, Sehnsucht und Hass. Er war gebrochen, das sah ich genau. Zwar verschwamm mit der Zeit meine Sicht und mein Kopf platzte wahrscheinlich gleich aufgrund des Sauerstoffmangels, aber ich verstand. Verstand ihn und sein Handeln und vergab ihm sofort.

„Dann sag mir, wieso hat dein Gott das zugelassen, hm?", flüsterte er plötzlich kraftlos. „Den Tod meines Bruders... dein Leid. Und meines."

Überfordert und nicht klardenkend, schnappte ich erneut nach Luft. Versuchte nicht das Bewusstsein zu verlieren. „Ich kann dir darauf... keine klare Antwort geben... aber er weiß, was er tut. Und wir Menschen... haben ja auch noch irgendwo einen freien Willen, oder?", hustete ich und war mir nicht ganz sicher, ob er mich überhaupt verstand. „Wir sind keine... Marionetten."

Sein Mund verzog sich zu einem Strich. „Du scheinst schon so verzweifelt, dass du einen Gott brauchst, um alles zu begründen. Wie erbärmlich. Wieso hilft er dir dann nicht jetzt?"

„Hat er doch." Mein Oberkörper bäumte sich auf und gequält suchten meine Lungen nach weiterem Sauerstoff. „Ich lebe noch."

„Nicht mehr lange."

Erschöpft schlossen sich meine Augen. „Dann sehe ich ihn im Himmel wieder... auch keine schlechte Option."

„Ein Leben nach dem Tod gibt es nicht", fauchte er leise an mein Ohr. „Gäbe es ihn, würde er mich doch schon längst töten, um dich zu beschützen."

„Wieso sollte er... dein Leben meinem vorziehen?" Alles wurde schwummriger. „Und überhaupt, wenn du dir so sicher bist... wieso diskutierst du dann noch mit mir? Etwa, weil du weißt, dass... ich recht hab?"

Alles war plötzlich still. Ich hörte nichts mehr. War ich schon bewusstlos? Tot? In einer anderen Welt? Vielleicht im Himmel? Selbst den Druck spürte ich kaum noch an meinem Hals. Als würde ich langsam der Realität entzogen werden. Meine Augenlider waren seltsam schwer, doch kurz bevor ich das Gefühl hatte, dass alles vorbei war, nahm der Druck ab.

Kräftig zog ich den Sauerstoff ein. Als wäre ich ewig unter Wasser gewesen und konnte endlich auftauchen.

Hustend verlangten meine Lungen nach Luft. Mein Körper wurde regelrecht durchgeschüttelt. Kämpfte sich zurück ins Leben. Krämpfe durchzogen meine Brust bis in den Bauch, quälten mich, doch gleichzeitig durchströmte mich eine unglaubliche Erleichterung. Ich atmete. Ich war noch am Leben!

Flatternd öffnete ich meine Augen. Sah in den spärlichen Sternenhimmel. Die Kälte um mich herum nahm ich kaum wahr. Nur die dunkle Gestalt neben mir.

„Kaum zu glauben, wie ein Mörder an einen Gott glauben kann", flüsterte er seltsam kraftlos. Mit eingesunkenen Schultern saß er neben mir im Gras. „Ich will es auch gar nicht wissen." Sein Kopf sackte nach unten. Seine Hand fuhr durch seine Haare und sein zittriger Atem löste wieder dieses Mitleid in mir aus. Als könnte ich sein Leid selbst spüren.

Immer noch keuchend richtete ich mich auf. Saß mit etwas Abstand neben ihm und sah ihn schuldbewusst an. Wie kurios konnte eine Situation bitte sein? Eben noch hatte er mich gewürgt, versucht mich zu töten, doch ich hatte keine Angst vor ihm.

„Du und dein Gott, ich will davon nichts hören. Keine Ahnung, was mit dir passiert ist... was damals in dieser Nacht passiert ist... aber ich brauche einen verdammten Abschluss. Ich dachte dein Tod würde mir den Frieden geben, aber ich kann es nicht. Ich kann es einfach nicht!", schrie er in die Nacht. Klagte den Sternen sein Leid. Und ich hörte stumm zu. „Ich kann einfach nicht mehr. Ich will nicht mehr."

Schmerzhaft biss ich mir auf die Unterlippe, zog den ersehnten Sauerstoff ein, konnte ihn nur zu gut verstehen.

„Dich interessiert es vielleicht nicht, aber ich hab das auch alles nur für meinen Bruder getan. Damit wir von der Straße runterkonnten. Endlich ein Leben hatten." Schwer atmete ich aus. „Dabei hatte ich aber nie das Recht, das Leben eines anderen Menschen zu nehmen."

Ein trockenes Lachen entkam meinem Sitznachbarn. „Dieser Aarón...", ich hörte ihn schlucken, „Er hat euch aufgenommen?"

„Ja." Die Anspannung ließ langsam nach. „Er hat uns entgegen aller Vernunft aufgenommen. Und jetzt... Wir sind eine Familie."

„Und er weiß auch von-"

Schnell unterbrach ich ihn. „Nein. Naja teilweise," murrte ich und fragte mich noch im selben Moment, wieso ich ihm das überhaupt anvertraute.

„Dann sorg dafür, dass es auch so bleibt", befahl er mir streng und stand urplötzlich auf. „Ich habe keine Ahnung, was hier passiert ist und irgendwo ist es mir auch egal. Deine Angst war hoffentlich Strafe genug", brummte er und ich stimmte innerlich sofort zu. „Ihr habt vielleicht die Chance auf etwas, was ich nie hatte oder haben werde, bewahrt euch das. Das findet man nicht oft." Dann wurde sein Blick dunkler. „Glaub aber ja nicht, dass ich dir vergebe. Für den Tod meines Bruders gibt es keine Entschuldigung, aber ich will nicht denselben Fehler machen wie du. Dann würde ich nur deinen Bruder bestrafen."

Seine Knochen knacksten als er sich streckte. Lautlos hob er seine Waffe auf, drehte sie nachdenklich in der Hand hin und her.

„Wir werden uns gewiss nicht wiedersehen." Damit verschwand er in der Dunkelheit des Waldes und hinterließ bei mir ein Gefühl der absoluten Fassungslosigkeit.

Perplex ließ ich mich zurück ins Gras fallen. Bewegte mich keinen Millimeter und brachte keinen klaren Gedanken zusammen. Was war Das gerade bitte?!

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen2U.Pro