Kopfkarussell oder: Der ewige Kreis

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Grübeln ist die Fähigkeit, sich über Stunden die gleichen Gedanken über Katastrophen, Misserfolge und Peinlichkeiten zu machen, ohne auch nur einen einzigen Schritt vorwärts zu kommen oder eine Lösung zu finden. Die Gedanken drehen sich dabei nur im Kreis, niemals voran. Und als Krönung hinterlässt das Ganze ein unvergleichlich schlechtes Gefühl im gesamten Körper.

Somit ist es für unsere Zwecke bestens geeignet.

Professionelles Grübeln erfordert einiges an Übung und ist nichts für Anfänger. Netterweise verselbstständigt es sich aber nach den ersten mühsamen Startschwierigkeiten und ist dann nur noch schwer, wenn auch nicht unmöglich zu stoppen. Der „Gedankenstopp" ist eine vielgeübte Technik in Psychotherapien, nicht dass du das jemals wollen würdest. Du willst dir dein Leben ja schließlich versauen und nicht erleichtern.

Auf dem Weg zum professionellen Grübeln beginnt man natürlich, wie immer, mit einem ersten Schritt. Das wäre in deinem Fall zunächst ein kleiner, aktueller Gedanken in einer bestimmten Situation. Dieser wird dann ausgebaut und verallgemeinert, übertrieben und in seiner Schrecklichkeit immer weiter gesteigert. Du wirst sehen, wenn du es lange genug durchziehst, bildet sich in deinem Kopf aus einem kleinen Trampelpfad bald eine ganz neue Straßenkarte.

Idealerweise startest du deine Gedankenspirale anhand einer negativen Erfahrung. Theoretisch könnte man auch mit einer positiven Erfahrung beginnen, aber negatives Denken über positive Erfahrungen will geübt sein und ist eher was für Fortgeschrittene. Was nicht heißt, dass wir uns der Sache nicht auch irgendwann widmen werden, aber zunächst machen wir es dir mal leicht und backen kleine Brötchen.

Von Daher: Such dir eine Erfahrung, am besten eine in der letzten Zeit, bei der du dich an alle schrecklichen, peinlichen und traurigen Details erinnern kannst. Perfekt geeignet sind auch Situationen, in denen du versagt hast, dich lächerlich gemacht hast, oder abgelehnt wurdest.

Damit diese Erfahrungen dann aber auch bleibende Muster hinterlassen, ist es wichtig, möglichst oft über sie nachzudenken. Den Gedanken, den wir zur vierspurigen Autobahn ausbauen wollen, möglichst oft zu wiederholen. Damit aus dem anfangs kleinen, mickrigen, dünnen Trampelpfad eine starke, dicke und stabile Straße wird, die man dann auch nicht mehr so schnell vergisst. Die Bestand hat, auch wenn die eigentliche Erfahrung vielleicht schon lange vorbei und gar nicht mehr aktuell ist.

Ein Stückchen ist das wie beim Vokabeln lernen. Und genau wie beim Vokabel lernen solltest du sicherstellen, dass du dich gut auf dein Vorhaben konzentrieren kannst. Also, vermeide Unterbrechungen oder Ablenkungen, such dir einen stillen Ort an dem du ungestört bist, am besten in einer möglichst tristen Umgebung.

Wahre Profis greifen hier auf das eigene Bett bei Nacht zurück, hier ist man zum einen für sich und von äußeren Einflüssen gefeit, zum anderen bekommt man, wenn man es richtig anstellt, zu den negativen Gedanken auch noch Schlafstörungen gratis dazu. Wie du ja schon gelernt hast, ein wichtiger Beitrag um sich das eigene Leben zur Hölle zu machen. Praktisch ein Freifahrtschein bergab. Und wer wollte denn nicht schon immer zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen?

Ein anderes Wort für Grübeln, und der Begriff ist eine wahre Freude für jeden ironisch angehauchten Menschen auf dieser Welt, ist übrigens Rumination. Außerhalb der klinischen Psychologie bezeichnet Rumination das Wiederkäuen von Nahrung bei bestimmten Tierarten, also das erneute Heraufwürgen von Mageninhalt, um ihn ein zweites oder drittes Mal zu kauen. Vielleicht erinnerst du dich, du hattest es bestimmt irgendwann im Biologieunterricht in Bezug auf Kühe.

Nun: Auch Menschen können Wiederkäuen. Wie gesagt bietet es sich vor allem nachts im Bett an, das Erlebte des Tages noch einmal heraufzuwürgen und erneut durchzukauen. Gerne so lange, bis vom eigentlichen Erlebnis nur noch ein schlechter Geschmack im Mund bleibt, man die Details aber nicht mehr erkennen kann.

Um die Details sollte man sich sowieso nicht so genau kümmern. Zumindest nicht um alle. Schöne, lustige, entlastende oder freudige Erlebnisse sollte man bitte beim Grübeln überspringen. Mit ein bisschen Übung schafft man es aber in der Regel sehr gut, sich nur auf das Negative zu konzentrieren.

Hier zur Unterstützung noch ein paar praktische Fragen, die du dir abends oder auch schon den Tag über stellen kannst, damit du auch ja nichts vergisst und keine Gelegenheit auslässt, um die negativen Gedankengänge so richtig schön breit auszubauen:

Was ist heute alles schiefgegangen? Wo habe ich mich heute so richtig bis auf die Knochen blamiert? Was hat mir heute nicht gefallen? Wer mochte mich heute wieder nicht?

Falls dir nichts einfällt, mach dir ruhig klar, dass das nur dein schlechtes Gedächtnis ist, weil es gar nicht sein kann, dass dir nichts schlechtes, peinliches oder unangenehmes widerfahren ist. Oder du zumindest nicht so viele schöne Dinge erlebt hast, wie du es hättest tun müssen. Schuldgefühle machen sich auch immer gut beim Grübeln.

Und für die schon etwas Fortgeschritteneren: Was hätte ich heute perfekt machen können? Warum zum Teufel habe ich es dann nicht getan? Und beweist das nicht schon wieder, dass ich nichts wert bin und einfach unfähig? Warum kann ich nicht einfach so sein wie [setz hier den Namen dieser einen angeblich perfekten Person ein, die wir alle in unserem Leben haben und die uns meist schon unsere Eltern immer unter die Nase gerieben haben mit: "Siehst du, der ... hat ... gemacht, warum nimmst du dir nicht einmal ein Beispiel an ihm."]?

Gleich schon mal für später merken: Wenn du dich schon vergleichst, dann bitte mit einem absolut perfekten Übermensch, einem Superhelden, einem leuchtenden Vorbild. Jedenfalls mit einem Menschen, gegen den du nur abstinken kannst. Aber mehr dazu in einem der nächsten Kapitel.

~

Nicht zu verwechseln ist Grübeln übrigens mit dem Sorgen. Der kleine, aber feine Unterschied: Grübeln richtet sich auf die Vergangenheit, Sorgen auf die Zukunft. Die Technik und Logik dahinter ist relativ ähnlich, nur die Fragen sind minimal unterschiedlich:

Was könnte morgen alles schief gehen? Wo könnte ich mich morgen blamieren? Was wird mir nicht gefallen und wer wird mich mal wieder nicht mögen? – Capisce?

Bei beiden Strategien ist natürlich essentiell wichtig, dass man nicht etwa auf eine Lösung stößt, oder gar dem Ganzen etwas positives abgewinnen kann. Solche störenden Weichspülergedanken sollten schnellstmöglich unterdrückt und ausradiert werden, denn sie stören den Weg ins tiefste Loch und könnten dazu führen, dass man die negative Spirale wieder von vorne begehen muss.

Als wäre man auf dem Weg die Treppe bergab versehentlich mit dem Fahrstuhl zwei Stockwerke nach oben gefahren. Natürlich noch lange nicht unumkehrbar oder ein wirkliches langfristiges Hindernis, aber wer läuft schon gerne freiwillig die gleichen Treppen mehrmals?

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