Der Ebbe folgt Flut, der Sonne folgt Schatten

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Bielefeld, Tims Haus
17. Dezember 2015

Leider geht alles Schöne im Leben viel zu schnell zu Ende. Die vier Tage mit meinem Sohn waren rasend schnell vergangen und der Morgen des Abschieds war nun gekommen. Wir hatten gefrühstückt, ich hatte ihn fertig gemacht und bereits wehmütig alle seine Sachen zusammen gepackt.
„Ach Mann, sie müsste jeden Moment kommen. Es ging viel zu schnell", seufzte ich leise.
„Es ist so gut gelaufen, du darfst ihn bestimmt bald wieder sehen", sagte Lukas und lächelte mich aufmunternd an.
„Ich hoffe es sehr. Ich bin gespannt, ob sie ihren Mr. Perfect wieder dabei hat, wenn sie ihn gleich holt."
„Der ist doch nicht perfekt. Das ist ein Idiot."
„Perfekt vielleicht nicht, aber immerhin ist er jetzt ihr Idiot."

Ich schaute auf die Uhr an der Wand, die unangenehm laut tickte, so als wollte sie mir die letzten Minuten, die mir noch mit meinem Sohn blieben, verhöhnend vorzählen. Und das verdammte Ding tickte einfach viel zu schnell.
Mein Herz wurde schwer, als ich ein Motorengeräusch und das Knirschen der Reifen draußen auf dem Kies hörte, das langsam näher kam. Ich saß mit Elias im Arm am Küchentisch und drückte ihn ganz fest und schmatzte ihm ein paar Küsse auf die Backe.
„Och Schatz, ich will dich nicht mehr hergeben", nuschelte ich in seine feinen, hellblonden Haare. „Lukas, ist sie das?"
Lukas stand auf, schob den Vorhang leicht zur Seite und guckte raus.
„Ja, sie ist es."
„Alleine?"
„Ja, alleine."
Als ich das hörte, fiel wenigstens ein kleiner Kieselstein von dem Steinhaufen, der auf meinem Herzen lag und es fast zerquetschte, herunter. Dann klingelte es auch schon. Ich stand auf, mit meinem Kind auf der Hüfte und öffnete ihr die Tür. Zara sah wie immer sehr hübsch aus, aber gleichzeitig auch müde und abgekämpft. Sie war nicht so herausgeputzt wie sonst und trug nur eine leicht zerrissene, helle Jeans und einen dunkelblauen Kapuzenpullover. Die langen, platinblonden Haare hatte sie sich zu einem Knoten zusammengebunden und Make-Up trug sie keines, was sehr ungewöhnlich war.

„Hallo, Zara."
„Hi Tim."
Sie kam einen Schritt auf mich zu, strich Elias zart über den Kopf und lächelte dabei. „Hi Schatz." Er sah sie an und grinste, hielt sich aber weiter an mir fest.
„Komm doch kurz rein, es wird kalt hier drin."
Zögerlich machte sie ein paar Schritte ins Haus hinein und schloss dann die Tür hinter sich.
„Du siehst müde aus", stellte ich fest.
„Bin ich auch. War echt ne anstrengende Gruppe diesmal. Die konnte man echt nie aus den Augen lassen."
Lukas kam einen kurzen Moment später auch zu uns in den Flur. Er und Zara begrüßten sich herzlich und dann verzog er sich schnell und taktvoll wieder ins Wohnzimmer.
„Zara. Wie soll es denn jetzt weiter gehen?"
„Oh, ich weiß nicht. Ich habe noch nicht so genau darüber nachgedacht. Also es scheint ja alles gut geklappt zu haben und wie man sieht, fühlt er sich ja auch wohl bei dir. Naja, ist ja auch eigentlich sein Zuhause, er hat ja hier gewohnt bis vor vier Monaten und er scheint sich Zuhause zu fühlen und er hat dich auch nicht vergessen und fühlt sich wohl bei dir. Also ich will dir bestimmt nicht verbieten, deinen Sohn zu sehen. Vielleicht kannst du ihn ja einmal im Monat haben, oder alle zwei Wochen, oder so oft du willst. Ich weiß es nicht."
Ich musste innerlich grinsen. Wie nervös sie doch war. Wenn sie aufgeregt ist, plappert sie ohne Punkt und Komma, stottert herum und wiederholt sich ständig.
„Ja gut, mir reicht es erst mal zu wissen, dass ich ihn wieder sehen kann. Wann und wie oft, das sehen wir ja dann noch", sagte ich und fuhr mir mit einer Hand durch die Haare.
„Genau. Okay. Also dann, hast du sein Zeug gepackt? Wir würden dann auch fahren."

Ich drückte ihr die Tasche in die Hand hielt ihr unseren Sohn entgegen, der sich direkt an meinem Pullover festkrallte.
„Nicht gehen", sagte er wütend.
„Doch Elias, wir fahren jetzt heim", sagte Zara ruhig.
„Papa muss mit."
„Das geht nicht, Schatz."
„Nicht zu Vala...Valli..Valtin", sagte Elias und weinte dann leise.
Ich merkte, wie mir ebenfalls unaufhaltsam die Tränen in die Augen schossen und drehte mich von den beiden weg, um kurz durchzuatmen.
„Ähm, Tim, sein Teddy fehlt noch."
Lukas kam, von wo auch immer, schnappte sich Elias und zog eine witzige Grimasse. Elias hörte gleich auf zu weinen und lachte wieder.
„Komm, Kumpel, wir gehen den Teddy suchen", sagte Lukas, stupste ihn mit einem Finger an die winzige Nase und verschwand mit ihm im Wohnzimmer.
Ich hörte hinter mir, wie Zara die Tasche wieder auf dem Boden abstellte.
„Tim, ich...", sagte sie und verstummte dann aber.
Ich heulte mittlerweile zwar lautlos, aber so heftig, dass mir die Tränen schon am Kinn herunter tropften.

Einen kurzen Augenblick später spürte ich Zaras Hand auf meiner Schulter und ich drehte mich langsam zu ihr um. Beim Anblick meines von Tränen überströmten Gesichts zuckte sie zusammen und schloss für einen kurzen Moment die Augen.
„Ich wollte nicht weinen", sagte ich entschuldigend.
„Ich weiß."
„Es tut mir alles so Leid."
„Ich weiß."
„Ich wollte das alles nicht. Ich kann es nicht rückgängig machen, aber es tut mir so unglaublich Leid", sagte ich und begann zu schluchzen. Zaras Augen begannen ebenfalls, feucht zu glitzern, dann ging sie einen Schritt auf mich zu, zog mich an sich und umarmte mich zaghaft.
„Bitte Zara. Bitte verzeih mir doch. Verzeih mir bitte. Bitte komm zurück. Ich bin nichts ohne dich. Ich kann nicht atmen, wenn du nicht da bist. Bitte. Ich liebe dich so unendlich", krächzte ich heiser und drückte sie fester an mich.

Viel zu schnell löste sie die Umarmung wieder, wischte sich mit dem Ärmel über ihr hübsches Gesicht und ging mit schnellem Schritt den Flur entlang, in die Richtung, aus der Lukas Stimme kam. Kurz darauf kamen alle drei wieder mit gefundenem Kuscheltier zur Haustür zurück.
„Gut mein Schatz, sag Papa jetzt Tschüss und dann gehen wir."
Mein Sohn tat, wie ihm befohlen und ich drückte ihm noch einen schnellen Kuss auf den Kopf, dann ging Zara auch schon mit ihm aus dem Haus. Auf halbem Weg zum Auto drehte sie sich nochmal zu mir um.
„Machs gut, Tim. Meld dich, wenn du ihn sehen willst. Bis dann."
Ich war nicht fähig, zu antworten. Kein Ton wollte meinen Mund verlassen. Ich sah den beiden mit tränenvernebeltem Blick nach und lehnte mich an Lukas, der neben mir stand. Kurz darauf war das Auto von Zara nur noch ein winzig kleiner Punkt, der nach und nach verschwand und alles, was mir im Leben wichtig war, mit sich riss.

„Danke, dass du da warst", sagte ich zu Lukas, als ich meine Sprache wieder fand.
„Du, ich kann auch noch einen Tag bleiben, wenn du willst. Ist das nicht ein bisschen viel, wenn wir jetzt alle auf einmal gehen?"
„Nee, du warst jetzt so lange da. Du hast doch auch noch andere Sachen Zuhause zu tun. Es ist echt okay. Ich fahr dich später an den Bahnhof."
„Bist du dir sicher?"
„Ja, Lukas. Danke."
„Was hast du vor, wenn ich weg bin?"
„Naja, in ein paar Tagen ist Weihnachten, da werde ich zu Mama gehen und dann kommt ja auch bald schon Silvester, da sehen wir uns eh bei Benni in Berlin."
„Und du begleitest mich dann Anfang des Jahres ein bisschen auf meiner Tour?"
„Ja, mach ich. Lukas, ich werde es überleben. Wirklich. Es wird mir jetzt ein paar Tage sicherlich extrem scheiße gehen, aber das geht auch wieder vorbei."
„Und wirst du...?"
„Ob ich Drogen nehmen werde?"
„Ja."
„Ich versuche natürlich, das so lange wie möglich zu vermeiden. Aber ich muss ehrlich sein. Ja, ich werde früher oder später Drogen nehmen."

Später am Tag stand ich auch schon mit Lukas am Bahnhof. Sein Zug war schon da und er musste jetzt langsam, aber sicher einsteigen. Wir umarmten uns sehr lange, dann legte er mir beide Hände auf die Schultern.
„Pass auf dich auf Timi, ok? Wir sehen uns in knapp zwei Wochen wieder."
„Mach ich. Jetzt steig schon ein. Weißt du, was mich wirklich aufheitern würde?"
„Alles was du willst."
„Wenn du Zuhause bist, schick mir ein Foto von Ina und Tania für einsame Stunden."
„Mach ich", sagte Lukas breit grinsend und verschwand im Zug.

Wieder Zuhause angekommen, ging ich erstmal stundenlang mit Heisenberg durch den Wald und versuchte, die Gedanken auszuschalten und an nichts zu denken, was mir sogar halbwegs gelang. Erst am späten Abend war ich dann wieder an meinem Haus angekommen. Ich hatte in den letzten Tagen keinerlei Pläne gemacht für die Zeit, in der ich jetzt wieder vor und nach den Feiertagen alleine sein würde. Von meiner guten Laune war schon jetzt nicht mehr viel übrig. In weiser Voraussicht, was mich in den nächsten Tagen erwarten würde, nahm ich mir den Laptop, ein paar Tüten Chips, ein paar Flaschen Cola und mein Drehzeug mit ans Bett, ließ mich hinein fallen und hatte noch am selben Abend die ersten zwei Joints gebaut.
Am nächsten Morgen hing ich wieder an der Bong und am Abend des gleichen Tages schluckte ich auch schon die ersten Tabletten. Auch die Cola mischte ich bald mit Whiskey und trank diesen irgendwann nur noch pur.
Einen Tag nach der Abreise von Lukas und meinem Sohn schoben sich in meinem Inneren langsam erste Wolken vor die Sonne, die in den letzten Tagen so hell und strahlend geschienen hatte.
Zwei Tage nach ihrer Abreise war die Sonne in mir vollkommen von grauen Wolken bedeckt.
Als die beiden drei Tage lang weg waren, färbten sich diese Wolken tiefschwarz.
Nach vier Tagen begann kalter, dunkler Regen auf mich herunter zu fallen, der mich frieren ließ und lähmte.
Am fünften Tag riss mich die Strömung dann endgültig weg.

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