Erwachen

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Spreewald
25. Januar 2016


Am  frühen Abend, als es schon dunkel war, waren Maya und ich an unserem  kleinen Wellnesshotel mitten im Brandenburger Spreewald angekommen.  Vorhin war ich Zuhause glücklicherweise nicht noch auf Ina getroffen,  als ich meine Sachen für die zwei kommenden Tage zusammengepackt hatte.  Das hätte sowieso nur unnötige Diskussionen in Gang gesetzt, auf die ich  wirklich keine Lust hatte. Timi war der Einzige, der davon wusste, dass  ich mit Maya unterwegs sein würde und ich hatte ihn eindringlich darum  gebeten, Ina nichts von meinem Vorhaben zu erzählen. Anscheinend hatte  er sich an unsere Vereinbarung gehalten, denn sonst hätte ich wohl schon  längst wütende und fassungslose Nachrichten von Ina auf meinem Handy.  Ich wollte jetzt einfach mal völlig ungestört mit Maya alleine sein und  hoffte sehr, dass wir uns endlich mal näher kommen würden - auf  mentaler, sowie auf körperlicher Hinsicht, denn Sex hatten wir bis heute  noch immer keinen gehabt und ich war der Meinung, dass sich das jetzt  endlich mal ändern müsse.

Als ich Zuhause die Packung Kondome, die schon mit einer leichten  Staubschicht überzogen war, in meine Tasche gesteckt hatte, war ich ganz  zuversichtlich, dass sich mir dieser Wunsch nun erfüllen würde. Wann  und wo dann, wenn nicht hier?
Das  Hotel lag im dichten Wald, direkt an einem kleinen Flussarm der Spree,  wo im Sommer immer unzählige Kanufahrer herum rudern. Die Fassade des  Hauses war aus hellen Steinen und es hatte ein Dach aus sehr dunklem,  fast schwarzem Holz. Es war schon etwas älter und der ganze Aufbau  erinnerte mich stark an eine kleine Burg oder ein Schloss. Es hatte drei  Stockwerke, war sehr verwinkelt und insgesamt gab es dort nur neun  Zimmer. Direkt am Wasser lag eine kleine Terrasse, von der eine hübsche,  alte Brücke zu der kleinen Wellnesslandschaft in einem Extragebäude auf  der anderen Seite des Wassers führte. Das Haus war von außen sehr schön  beleuchtet - es brannten nicht einfach nur Glühbirnen, hier gab es  ausschließlich solche Laternen, in denen echtes Feuer loderte. Das alles  wäre alleine schon wahnsinnig romantisch, aber der frische Schnee, der  vorhin gefallen war und der im Schein dieser ganzen kleinen Feuer  mysteriös glitzerte, gab dem ganzen nochmal eine ganz besondere  Atmosphäre.

Das Zimmer, in dem wir wohnten, lag ganz oben im dritten Stock und war gleichzeitig auch das einzige hier oben, da es das größte Zimmer war. Es gab ein riesiges, kitschiges Bett darin mit einem Himmel aus dunkelrotem Stoff. Außerdem eine sehr gemütlich aussehende Sitzecke, die direkt vor einem großen Kamin aus dunklen Steinen stand. Der Boden bestand komplett aus hohem, dunkelbraunem Teppich und im ganzen Zimmer standen unzählige Kerzen, Blumen und andere Dekorationen herum. Auf dem kleinen Balkon, der zu unserem Zimmer gehörte, gab es zudem eine große Blubberbadewanne, die wir direkt, nachdem wir unsere Sachen abgelegt hatten, als erstes testen wollten.

Da Maya ewig brauchte, um ihre Sachen auszupacken, war ich einfach schon  einmal alleine vorgegangen. Ich ließ meinen Blick durch den  schneebedeckten Wald unter mir schweifen, fühlte mich schlagartig sehr  entspannt und hatte ein ziemlich gutes Gefühl, was die ganze Sache hier  anging.
Als  Maya nach ein paar Minuten im Bademantel raus kam und sich diesen dann  direkt vor meinen Augen auszog, begutachtete ich ihren nackten Körper im  Kerzenlicht und musste dabei, ohne es zu wollen, an diese Lena von  heute Morgen denken. Das schwache Licht schmeichelte Maya zwar ein  wenig, aber trotzdem fiel mir auf, dass ihr Bauch von ziemlich vielen,  dunklen Dehnungsstreifen übersät war. Die Haut an den Innenseiten der  Oberschenkel war nicht mehr so straff, wie sie sein sollte, am Hintern  hatte sie nicht wenig Cellulite und auch der Busen könnte etwas fester  und einen Ticken höher sein. Lena war, rein übers Aussehen geschätzt,  vorneweg zehn Jahre jünger, als Maya. Schon heute Morgen im Restaurant  hatte ich versucht mir vorzustellen, wie sie wohl nackt aussah. Bei ihr  war bestimmt noch alles viel praller und straffer...

Ich gab mir in Gedanken selbst eine kräftige Ohrfeige und ärgerte mich darüber, weil ich jetzt tatsächlich solche Fantasien von einer anderen Frau hatte, während meine Traumfrau sich gerade vor mir auszog. Aber so richtig übel nehmen konnte ich mir das nun auch wieder nicht. Das letzte Mal, dass ich Sex hatte, musste irgendwann im Herbst letzten Jahres gewesen sein. Gut möglich, dass es sogar eher noch später Sommer gewesen war. Da hatte sich mittlerweile eben ein ganz schön gewaltiger Druck aufgebaut, den man alleine halt nie so hundertprozentig lindern konnte. Kurz gefasst, ich hatte es so richtig übel nötig, dachte ziemlich oft an Sex und war kurz vorm Überschnappen.


„Alles okay?", fragte Maya und kam auf die Wanne zu.
„Klar",  antwortete ich und rutschte ein Stück nach hinten, um ihr vor mir Platz  zu machen. Sie setzte sich zwischen meine Beine und lehnte sich mit dem  Rücken an mich. Ich legte meine Arme um ihren Bauch und mein Kinn auf  ihrem Kopf ab.
„Gefällt es dir hier?", fragte ich und gab ihr einen Kuss auf die Haare.
„Auf jeden Fall."
„Wie viel Uhr hatten wir eigentlich, bevor du raus gekommen bist?"
„Kurz vor sieben."
Ich  seufzte tief und drückte sie etwas an mich. „Dann fängt in einer halben  Stunde dieses komische Wellnessprogramm an. Ich brauch es eigentlich  nicht wirklich. Von mir aus könnten wir auch einfach die ganze Nacht  hier sitzen."
„Ja,  ich finds hier auch ganz nett", sagte sie und kicherte. „Aber jetzt ist  es eben gebucht, dann machen wir es auch. Auch, wenn du eh nicht mehr  schöner werden kannst."
„Tz. Du alte Schleimerin!"
„Ist  doch so. Du bist halt ein sehr schöner Mann. Kein Wunder, dass die  ganzen Mädels dich anhimmeln. Das würden bestimmt auch viele tun, wenn  du einfach nur in irgendeinem Supermarkt an der Kasse sitzen würdest."
„Mh. Ab der neunten Klasse war ich schon so ein kleiner Weibermagnet auf dem Schulhof."
„Das kann ich mir vorstellen. Und heute so?"
„Schwer  zu sagen. Ich weiß nicht, ob ich die Fangirls mitzählen soll, oder  nicht. Die sind ja verliebt in eine Fantasiefigur, die ich teilweise  selbst darstelle und teilweise spinnen sie sich den Rest zu einem  persönlichen Idealbild in ihrem Kopf zusammen. Fünf Minuten mit dem  echten Lukas und 95% würden wahrscheinlich schreiend davonlaufen."
„Das  muss ganz schön schwer sein, wenn man bekannt ist und neue Leute  kennenlernt. Woher will man wissen, ob sie was mit dir als Person zu tun  haben wollen oder bloß mit dem einen da von Plan B?"
„Das weiß man nicht. Das zeigt sich erst mit der Zeit und ich bin auch schon des öfteren ganz schön auf die Fresse geflogen."
„Gut, dass du mich hast. Ich kenne dich schließlich schon, seitdem du fast noch ein Kind warst und dich niemand kannte."
„Ja, da bin ich auch sehr froh drum."

Dann schwiegen wir und sagten eine ganze Weile nichts, sondern ließen  einfach nur die wunderschöne Umgebung auf uns wirken und genossen das  heiße Wasser, welches uns umgab. Ich legte irgendwann eine Hand auf  ihren Oberschenkel und setzte die andere knapp unter ihrer Brust an,  dann begann ich damit, ihren Hals zu küssen. „Schade, dass nicht mehr  viel Zeit ist", murmelte ich.
„Na,  ein paar Minuten ja schon noch", sagte sie, zog meine Hände weg und  drehte sich um, so dass sie dann am Ende mit dem Gesicht zu mir auf mir  drauf saß.
„Ist dir nicht kalt da oben?", fragte ich und grinste unschuldig.
„Es geht gerade so. Mit so einem heißen Mann unter mir kann mir so schnell nicht kalt werden."
„Was  hast du denn heute genommen?", fragte ich lachend. „So viele  Schmeicheleien bin ich ja gar nicht gewohnt. Ich weiß gar nicht, wie ich  damit umgehen soll."
„Spinn nicht rum", meinte sie und brachte mich mit einem Kuss zum schweigen.
Ich  legte beide Hände an ihre Hüften und zog sie press an mich heran, so  dass ihre intimste Stelle direkten Kontakt mit meinem Schwanz hatte, der  schon hart war, seitdem sie zu mir in die Wanne gestiegen ist.
„Oh Gott", flüsterte ich gegen ihre Lippen. 
„Maya reicht völlig."
„Du bist so hohl."
„Lukas!"

Ich beugte meinen Kopf etwas herunter und küsste mich an ihrem Hals entlang bis zu ihrem Busen, wo ich dann eine Brustwarze mit der Zunge verwöhnte. Sie krallte sich mit beiden Händen in meinen Haaren fest und begann, sich etwas auf mir zu bewegen. Ich war kurz vorm Durchdrehen, versuchte mich jedoch, einigermaßen unter Kontrolle zu halten. Am liebsten hätte ich sie natürlich einfach grob an ihren Hüften gepackt, sie richtig auf meinem Schwanz platziert und dann gefickt. Aber wie ich aus der Vergangenheit gelernt hatte, würde das nichts bringen, sondern sie wahrscheinlich vertreiben.  Also wollte ich einfach warten, bis sie endlich mal von selbst loslegte. Wenn das Eis dann erst mal gebrochen war, wäre in Zukunft vielleicht alles in dieser Hinsicht einfacher. Wobei ich bis heute noch nicht so wirklich verstand, was genau ihr Problem im Bezug auf Sex war. Sie hatte mir außer vagen Auskünften noch nie so richtig Antwort auf meine Fragen gegeben.

Nach einem Bad  ohne Sex und einer eiskalten Dusche für mich saßen wir zwanzig Minuten später mit  zehn anderen Gästen auf ein paar Sofas, trugen nur unsere Bademäntel  und aßen irgendein undefinierbares, veganes Zeug, das uns auf die  kommenden drei Stunden Wellness einstimmen sollte.
Danach  wurde uns ein kleiner Vortrag über einen reinen Geist, Vitalität und  Gleichgewicht im Leben gehalten. Ich konnte den Worten der etwa  siebzigjährigen Althippie-Frau nicht so wirklich folgen, da ich mich die  ganze Zeit darüber amüsierte, dass mich das ganze Zeug so unfassbar  stark an meine Eltern erinnerte. Die waren bis heute auch sehr  spirituell unterwegs und bei denen lief nahezu vierundzwanzig Stunden am Tag  irgendwelche meditative oder anderweitig den Geist öffnende Musik. Ich  nahm mir vor, ihnen bei Gelegenheit die Adresse dieses Hotels oder am  besten gleich einen Gutschein zukommen zu lassen, da es ihnen hier  bestimmt gefallen würde.
Ich  fand es zwar auch ganz interessant, aber für meinen Geschmack war es  dann doch ein wenig zu abgehoben. Jedenfalls war das in der Form der  Hotelbeschreibung nicht zu entnehmen gewesen. Aber eine neue Erfahrung  war ja immer gut.

Nach drei Stunden Schwitzen, Massagen und weiteren ungewollt komischen Vorträgen machte ich mich schon mal auf den Weg in unser Zimmer, während Maya noch irgendein spezielles Frauenprogramm mitmachte. Ich hätte zwar auch noch was anderes haben können, aber mir reichte das bisherige schon vollkommen aus.

Ich legte mich kurz mit dem Rücken auf das Bett und schloss die Augen.  Nach nur wenigen Minuten war mir das allerdings zu langweilig und zu  ruhig, also setzte ich mich wieder auf. Im Zimmer gab es weder Fernseher  noch Radio, weil man sich ganz auf sich selbst konzentrieren sollte.  Eine Gitarre oder meinen Laptop hatte ich auch nicht dabei, also blieb  mir letztendlich nur mein Handy zur Unterhaltung übrig.
Nachdem  ich meine Nachrichten durchgesehen hatte, in denen nichts Besonderes zu  finden war, zog ich die Rechnung vom Frühstück heute Morgen aus meiner  Hosentasche und starrte die darauf gekritzelte Nummer an. Ich beschloss,  ihr einfach mal zu schreiben. Das war auf jeden Fall besser, als die  Wand anzustarren, bis Maya wieder kam.
Ich  schrieb ihr allerdings nicht unter meiner normalen Nummer, sondern  legte meine andere SIM-Karte in mein Handy ein, die ich immer im  Geldbeutel stecken hatte. Ich hatte mir diese andere Nummer irgendwann  mal zusätzlich für neue Leute, die ich kennenlernte, zugelegt.  Insbesondere für Frauen. Kaum hatte ich den PIN eingegeben, wurde ich  schon von einer großen Flut an Nachrichten überhäuft. Die meisten davon  waren tatsächlich von irgendwelchen Mädels, die ich irgendwann mal  kennenlernt hatte. Manche hatten sich bloß als Famebitches  herausgestellt, bei manchen hatte es einfach aus anderen Gründen nicht  so wirklich gepasst und beim Durchsehen der Nachrichten stellte sich mal  wieder heraus, dass dieser Weg, denen nicht gleich meine echte Nummer  zu geben, die richtige Wahl war.

Ich speicherte Lenas Nummer ein und öffnete dann einen Chat mit ihr. Ihr Profilbild alleine hätte mich schon zum schmelzen bringen können. Ohne ihr biederes Hoteloutfit sah sie gleich nochmal doppelt so schön aus, als ohnehin schon.

Ich, 23:12: Nehmen wir einfach mal an, ich läge jetzt gefesselt irgendwo. Wie sollte ich dir ohne Hände denn schreiben?
Lena, 23:13: Ups. Das ist mir heute Morgen gar nicht aufgefallen :D Hallo!
Ich, 23:13: Hallo! Ganz schön mutig, einem Typen, der mit seiner Freundin am Tisch sitzt, deine Nummer zu geben ;)
Lena, 23:14: Ahh okay, deine Freundin also. Die Tatsache, dass du mir trotzdem schreibst, sagt jedoch so einiges!
Ich, 23:15: Hat man das denn nicht gesehen, dass es meine Freundin ist?
Lena, 23:15: Ich dachte eher an Tante.
Ich, 23:15: Sehr charmant!
Lena, 23:16: So bin ich.
Ich, 23:17: Auch wenns spät kommt: Sorry für das Umrennen im Supermarkt.
Lena, 23:18: Ja stimmt. Schon vergessen. Dieser Anblick von dir nackt ans Bett gefesselt ist mir da  eher im Kopf geblieben.
Ich, 23:18: Vergiss das mal lieber :)
Lena, 23:19: Vielleicht hätte ich ja doch im Zimmer bleiben und dich nicht so schnell losbinden sollen...
Ich, 23:20: Das wäre bestimmt sehr heiß geworden.
Lena, 23:20: Definitiv. Kannst dich echt sehen lassen. So viel zum Thema Freundin. Wie heißt du eigentlich?
Ich, 23:20: Lukas.
Lena, 23:21: Gute Nacht, Lukas ;)

Ich grinste und legte mein Handy auf die Seite. Ein bisschen dämlich hatte ich mich ja schon angestellt, indem ich direkt im zweiten Satz auf meine Freundin hinwies, von der ich nicht mal wusste, ob es denn überhaupt meine Freundin war. Trotzdem schien mit Lena wohl was zu gehen, wenn ich es drauf anlegen würde.

Ich sah auf die Uhr und stellte fest, dass gerade mal zehn Minuten  vorbei waren und es noch weitere vierzig dauerte, bis Maya wieder kommen  würde.
Zwar  war ich alles andere als ein regelmäßiger Raucher, verspürte jedoch  trotzdem, wie oft in ganz stressigen oder so wie jetzt gerade in total  entspannten Momenten große Lust auf eine Zigarette.
Da  ich selbst keine besaß, ging ich zu Mayas Handtasche, die auf dem Sofa  lag und holte mir eine von ihr. Dann zog ich mir ein Shirt und eine  Jogginghose, sowie meinen Bademantel darüber an und verzog mich zum  Rauchen auf den Balkon.
Ich  lehnte mich an das Holzgeländer vor mir, sah mir diesen faszinierenden  Wald an und verlor mich fast darin. Ich konnte es kaum erwarten, dass  Maya zurück ins Zimmer kam. Den ganzen Abend schon war ein Knistern in  der Luft gewesen und es lag auf der Hand, dass es heute endlich  passieren würde.

Als ich  aufgeraucht hatte, ging ich wieder rein und legte das Feuerzeug wieder  dahin in die Tasche zurück, wo ich es vorhin herausgenommen hatte. Dann  schaute ich nochmal auf die Uhr und bekam währenddessen eine Idee.  Frauen schleppen ja bekanntermaßen ihr halbes Leben mit sich in der  Handtasche herum. Vielleicht konnte ich ja ein paar Dinge über sie  erfahren, wenn ich mir mal den Inhalt ansah. Es war zwar nicht die feine  Art, aber ich hatte noch eine halbe Stunde totzuschlagen und sie musste  es ja nicht erfahren.
Ich  setzte mich auf das Sofa und sah mir ein paar Sachen darin an. Sofort  bemerkte ich einen ganzen Stapel Briefe, den ich herausnahm und mir  durchsah. Es waren unzählige Rechnungen und Mahnungen von  unterschiedlichen Versandhäusern und Hotels, Mietzahlungsaufforderungen  von verschiedenen Adressen, sowie Androhungen von Stromgesellschaften,  dass sie den Strom abstellen, wenn nicht bald gezahlt werden würde. Auch  diese waren zwar alle auf ihren Namen ausgestellt, jedoch auch unter  verschiedenen Anschriften. Mit offenem Mund starrte ich auf drei weitere  Schreiben, in denen ihr wegen verschiedener Betrugsdelikte sogar  Ersatzhaft angedroht wurde.
Als  ich schon dachte, jetzt könnte es wirklich nicht mehr schlimmer kommen,  fand ich noch einen von ihr handgeschriebenen Zettel mit sehr wirren  Notizen, die das komplette Ausmaß des Wahnsinns abbildeten, der in dem  Hirn dieser Frau wütete.
Mit rasendem Herzen krallte ich mich an der Lehne des Sofas fest und las.

- Lukas wiederfinden: okay!
- Alte Erinnerungen wecken: okay!
- Dafür sorgen, dass er dich wieder liebt: okay!
- Er wendet sich von seinen Freunden ab: fast geschafft
- Er verliebt sich so sehr in dich, dass du das Einzige bist, was er will: okay
- Ihn so verrückt nach dir machen, dass er auf keinen Fall mit dir Schluss macht. Jagdinstinkt wecken? Sexentzug?
- Keine alten Fehler. Kein Geld von ihm verlangen. Irgendwann macht er es freiwillig, ohne es zu merken.
- Lukas hat sich gewehrt. Wollte mich nicht mehr wieder sehen. Was jetzt?
- Versöhnung hat stattgefunden. Hat er wieder Kontakt mit Tim? Was ist mit Ina?
-  Ihm auf jeden Fall klar machen, dass er sich nur auf dich verlassen  kann. Sich irgendwie um ihn kümmern, damit er das merkt. Ihn mental von  dir abhängig machen.  Krankheit?
- Gift? Medikamente? Herausfinden, wie man jemanden unauffällig krank machen kann: okay.
- Ihn dauerhaft binden. Heirat? Schwangerschaft.

Fassungslos legte ich den Zettel aus der Hand. Die Frau war verrückt.  Die Frau war absolut wahnsinnig. Warum hatte sie so einen Zettel? Warum  trug sie ihn die ganze Zeit über mit sich herum, sogar dann, wenn ich  dabei war und ihn jederzeit sehen könnte?
Um diese Fragen zu beantworten, durfte man wahrscheinlich nicht mit normalem Menschenverstand vorgehen.
Zitternd  sah ich mir den Rest der Handtasche an. Außer den ganzen Papieren waren  noch jede Menge Medikamente in Form von Pillen oder Flüssigkeiten  darin, deren Namen mir auf den ersten Blick überhaupt nichts sagten. War  sie tatsächlich für meine seltsame Krankheit verantwortlich? War Tania  vielleicht deswegen auch krank geworden, weil sie versehentlich  irgendetwas genommen hatte, was für mich bestimmt war?

Die Packung der Antibabypille verriet mir, dass sie diese seit etwa  einer Woche gar nicht mehr genommen hatte. Obwohl ich schon wusste, wie  das Ergebnis aussehen würde, nahm ich mir ein paar Kondome von ihr und  ging damit ins Bad. Ich riss die Packungen auf und füllte sie alle der  Reihe nach mit Wasser. In jedes Einzelne waren unzählige kleine Löcher  gestochen worden, aus denen das Wasser nun heraus sickerte.
Ich  schmiss sie alle weg, ging mit zitternden Knien zurück ins Schlafzimmer  und packte ihre Tasche wieder so ein, wie ich sie vorgefunden hatte.

Ich war so dermaßen schockiert, dass ich überhaupt nicht wusste, wie ich  reagieren sollte. Ich wusste nicht einmal, wie ich mich fühlte. Wütend?  Traurig? Enttäuscht?
Ich  war einfach nur leer. Sie hatte mich verarscht. Sie hatte mich  absichtlich krank gemacht. Nichts von dem, was sie mir erzählt hatte,  war ernst gemeint. Es war alles einfach nur ein krankes, ein total  krankes Spiel gewesen, das zum Ziel hatte, an mein Geld zu kommen.  Immerhin positiv war, dass ich es gemerkt hatte, bevor sie mir ein Kind  anhängen konnte.
Warum  war ich nur so dumm gewesen und hatte nicht auf die Anderen gehört?  Jeder hatte mir doch gesagt, dass irgendetwas nicht stimmte. Dass es  wirklich so krass war, konnte jedoch keiner wissen. Aber gewarnt hatten  sie mich und die Gründe, die sie dafür hatten, wären genauer betrachtet  schon völlig ausreichend gewesen, um mich von dieser Irren abzuwenden.

Mein Herz raste plötzlich immer mehr, ich bekam kaum noch Luft und der Schweiß brach mir aus. Mir wurde heiß und kalt gleichzeitig und das Zimmer kam mir auf einmal so unglaublich eng vor. Ich musste hier weg! Ich musste unbedingt hier raus und für immer aus der Nähe dieser Verrückten verschwinden!

Bevor ich mir jedoch einen Fluchtplan überlegen konnte, öffnete sich die Tür und Maya stand vor mir.
„Hey Lukas. Wie siehst du denn aus? Alles okay?"
Ich schluckte und versuchte, mich unter Kontrolle zu bekommen, was mir kaum gelang.
„Ähm, ja. Alles okay", antwortete ich mit zitternder Stimme. 
Nichts war okay. Nichts würde jemals wieder okay sein.

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