Was ich liebe, hab ich im Tumult verloren...

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... alles bricht über mir ein, es pfeift in den Ohren

Berlin, Charlottenburg - Bastis Wohnung
26. Januar 2016

Ich lag vollkommen gechillt mit meiner Bong an der Seite auf einer äußerst bequemen Couch in Bennis riesigem Wohnzimmer. Benni lag auf einem weiteren Sofa direkt gegenüber von mir und schlief bereits tief und fest. Auf dem Großbildfernseher an der Wand lief gerade der Abspann von Johnny Depps „Blow" durch und ich beobachtete völlig gebannt einen dünnen Speichelfaden, der von Bennis Kinn hing und seit einer geschätzten halben Stunde einfach nicht abtropfen wollte.
Nur am Rande nahm ich ein nerviges Geräusch wahr, von dem ich hoffte, dass es bald endlich mal verstummen würde, damit ich mich weiter meinem tiefen, entspannten Schwebezustand hingeben konnte.
Es wollte und wollte nicht aufhören, aber ich war einfach viel zu high, um mich wirklich darüber aufregen zu können. Irgendwann hörte es dann doch endlich auf. Aber nur, um kurz darauf wieder von vorne zu beginnen. Es hörte sich an wie ein Handy, fiel mir dieses mal auf. Irgendjemand versuchte offenbar, einen von uns zu erreichen, aber Benni schlief schon und mich interessierte es einfach nicht. Wenn es so wichtig war, würde derjenige morgen sicher nochmal anrufen.

Ich zog mich schwerfällig an der Lehne des Sofas hoch, sah auf mein immer wieder aufleuchtendes Handy und überlegte, dran zu gehen, aber es war einfach viel zu weit weg. Stattdessen bereitete ich mir lieber einen zweiten Kopf vor.
„Geh endlich an dein verficktes Handy. Ich schlag das Ding gleich zusammen und dich im Anschluss", grummelte Benni und drückte sich stöhnend sein Kissen ins Gesicht. Etwas enttäuscht sah ich zu ihm rüber. Jetzt würde ich nie erfahren, was aus dem Speichel an seinem Kinn geworden wäre. Ich wollte doch wissen, ob er einfach getrocknet oder tatsächlich irgendwann weg getropft wäre. Ich lachte ein wenig vor mich hin, als ich daran dachte, dass er seine Spucke jetzt in sein edles Seidenkissen geschmiert hatte, ohne es zu merken.
„Timi, verdammt!", schrie er jetzt und sah mich böse an. Er sollte wirklich mal was gegen sein Aggressionsproblem unternehmen.
„Benni, chill mal", sagte ich und nahm in aller Seelenruhe einen Zug aus der Bong.

Er stieß ein paar derbe Schimpfwörter aus, wuchtete sich nach oben und griff nach meinem Handy, um selbst ran zu gehen. Ich glaubte in diesem Moment, dass Benni bestimmt ein bisschen entspannter wäre, wenn er mal wieder regelmäßig eine Frau bei sich hätte.
Ich hatte keine Lust mehr darauf, zu sitzen und legte mich stattdessen wieder auf den Bauch. Ich stellte die Bong auf dem Boden vor der Couch ab und verrenkte mich ein bisschen, um trotzdem weiter rauchen zu können.
„Wer issen dran?", fragte ich Benni. Er gab mir keine Antwort, sondern redete völlig hektisch mit der Person, die mich da angerufen hatte. Ich schloss die Augen und versuchte, zuzuhören.

„Was?... Medikamente... Ach du scheiße... Geht es ihr soweit wieder gut?... Okay, immerhin....Wo ist er denn?... Nein, er hat mir nichts gesagt... Ich frag ihn mal...", sagte er da gerade zu der Person am anderen Ende der Leitung. Dann hob er das Handy vom Ohr weg und sah zu mir rüber. „Weißt du, wo Lukas ist?"
„Nee."
Benni wendete sich wieder dem Handy zu. „Er weiß nicht, wo er ist... Keine Ahnung... Nee, der schafft den Weg nicht, der ist völlig breit. Willst du zu uns kommen?... Alles klar, bis gleich."

„Wer war das denn?", fragte ich nochmal, als Benni aufgelegt hatte.
„Das war Ina. Sie haben im Krankenhaus rausgefunden, dass Tania mehrere verschiedene Medikamente im Blut hatte, die zusammen ziemlich heftige Wechselwirkungen haben. Sie und Ina hatten den ganzen Tag vorher das Gleiche gegessen und getrunken. Das einzige, was Ina nicht zu sich genommen hat, war der Tee von Lukas, den Maya gekocht hatte. Das bedeutet, die Hure hat ihn absichtlich krank gemacht und Tania hat das versehentlich auch abbekommen. Ina ist jetzt fertig mit der Welt und hat gefragt, ob du zu ihr kommen kannst. Jetzt kommt sie aber her."

Ich setzte mich hin und brauchte erst einmal eine ganze Weile, um die Worte auf mich wirken zu lassen. „Ach du Scheiße..."
„Das kannst du aber laut sagen. Auf jeden Fall ist Lukas jetzt den ganzen Tag schon weg und sein Handy ist aus. Ina wollte ihm sagen, was mit Tania und ihm los ist, aber sie erreicht ihn nicht und er hat auch nicht gesagt, wo er ist oder was er vor hat."

Kurze Zeit später war Ina völlig aufgelöst bei Benni angekommen und saß nun mit uns zusammen auf der Couch.
„Diese verdammte Nutte! Das darf doch echt nicht wahr sein. Warum hat der Idiot denn nicht auf uns gehört? Tania oder er hätten sterben können!", sagte Ina völlig verzweifelt und krallte sich an mir fest.
„Ach, er hat mir gesagt, dass er mit Maya wegfahren wollte", sagte ich, als mir diese Information endlich mal einfiel. Sofort fing ich mir eine Ohrfeige von Ina ein. Auch Benni sah mich vollkommen geschockt an.
„Du verdammtes Arschloch! Warum sagst du das nicht gleich", schrie Ina und schüttelte mich.
Mit schmerzverzerrtem Gesicht presste ich eine Hand auf meine brennende Wange. „Aua. Es ist mir gerade erst wieder eingefallen."
„Selbst so breit wie du jetzt bist, hätte dir das doch wohl mal früher einfallen können! Wer weiß, was sie mit ihm macht!"
„Sorry, ich wusste doch nicht, was da abgeht. Hätte ich gewusst, dass wir heute so ne Nachricht bekommen, wäre ich selbstverständlich nüchtern geblieben", sagte ich zickig.
„Okay, das bringt doch jetzt nichts", meinte Benni. „Lasst uns lieber überlegen, was wir tun könnten."
„Bestimmt macht sie was ganz schlimmes mit ihm. Oh Gott. Warum ist sein Handy aus? Sein Handy ist nie aus! Ich hab ein ganz schlechtes Gefühl", sagte Ina und legte ihren Kopf auf die Knie.


Spreewald
26. Januar 2016

„Lukas?", fragte Maya und kam auf mich zu. „Was ist denn los mit dir?"
„Nichts", sagte ich. Dann wurde mir auf einmal furchtbar schlecht und ich rannte im nächsten Moment ins Bad und schloss mich dort ein.
Der ganze Raum begann sich zu drehen und es schien so, als würden die Wände immer näher auf mich zukommen und mich gleich zerquetschen. Ich atmete immer schneller, aber in meine Lunge wollte einfach keine Luft mehr kommen. Ich ließ mich auf den Boden sinken und umklammerte mit rasendem Herzen meine Knie. Mir brach der Schweiß aus, heiß und kalt wechselten sich rasend schnell ab und mir war furchtbar schwindelig. Ich war mir zu hundert Prozent sicher, dass es jetzt in diesem Moment mit mir zu Ende gehen würde. Ich würde sterben. Ich war hier in diesem Badezimmer eingeschlossen, draußen wartete Maya auf mich und ich würde jetzt einfach hier drin sterben. Meine Kehle schnürte sich immer weiter zu und in meiner Brust wurde es so schrecklich eng. Hatte ich gerade einen Herzinfarkt? Es musste ein Herzinfarkt sein! Niemand wusste, wo ich war. Ich konnte mich von niemandem mehr verabschieden. Ich würde für immer tot in diesem Badezimmer eingeschlossen liegen und niemand würde mich jemals finden.

Unmöglich zu sagen, wie lange dieser Zustand andauerte, aber entgegen meiner Erwartungen starb ich letztendlich doch nicht. Ganz langsam beruhigte sich mein Körper wieder und irgendwann war alles wieder normal. Völlig erschöpft klaubte ich mich vom Boden auf und spritzte mir eine ganze Menge kaltes Wasser ins Gesicht. Erst jetzt bemerkte ich, dass meine Augen total rot und verheult waren und dass Maya an die Tür klopfte.
„Ich komm gleich", rief ich und krallte mich ängstlich am Waschbecken fest. Ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt tun sollte. Ich hatte totale Panik vor ihrer Reaktion, wenn ich sie jetzt mit dem, was ich herausgefunden hatte, konfrontieren würde. Dieser Frau war einfach alles zuzutrauen. Möglich, dass sie mich einfach umbrachte, wenn sie mitschnitt, dass ihr Plan nun nicht mehr aufgehen würde, da ich sie durchschaut hatte.
Ich beschloss daher, es ihr nicht zu sagen und kam aus dem Zimmer, um mich möglichst normal zu verhalten. Morgen, wenn es wieder hell war, wäre bestimmt ein besserer Zeitpunkt, als jetzt mitten in der Nacht, wo wahrscheinlich schon alle anderen Gäste schliefen. Das war mir einfach zu gefährlich.

„Was war denn los? Du warst so plötzlich weg", sagte Maya und umarmte mich. Vollkommen steif und bewegungslos ließ ich die Sache über mich ergehen.
„Ich musste kotzen. Können wir einfach nur schlafen? Ich bin total fertig", sagte ich tonlos.
„Ohje, armer Schatz. Ja klar, komm wir gehen ins Bett", sagte sie und ging schon mal vor.

Zitternd und mit einem sehr unbehaglichen Gefühl in der Magengegend legte ich mich an den äußersten Rand des Bettes und hoffte, sie würde mich jetzt einfach in Ruhe lassen. Dem war aber natürlich nicht so. Als sich ihre Hand von hinten auf meinen Bauch legte und zu meinem Schritt herunter wanderte, hätte ich fast laut aufgeschrien vor Angst.
„Maya bitte. Lass es. Mir ist nicht gut", flehte ich den Tränen nahe.
„Komm schon, danach geht's dir bestimmt besser", sagte sie in einer samtweichen Stimme.
„Ich will nicht. Echt nicht. Ich will einfach nur schlafen. Ich bin noch krank. Tagsüber geht es, aber nachts ist es immer am schlimmsten. Morgen früh geht es mir wieder besser, dann machen wir, was du willst. Einverstanden?"

Maya schnaubte genervt, rutschte dann aber zum Glück auf ihre Seite rüber. Ich drehte mich auf den Bauch und krallte mich mit beiden Händen im Laken fest. Ich durfte auf keinen Fall einschlafen. Ich traute ihr nämlich wirklich zu, dass sie mir vielleicht im Schlaf einen runter holen könnte, um mein Sperma zu klauen.
Ich ließ die Augen die ganze Zeit über offen und beobachtete die Zahlen des Radioweckers auf dem Nachttisch neben mir. Zwei komplette Stunden, in denen ich bewegungslos und starr vor Angst im Bett lag, vergingen, dann endlich hörte ich sie leise Schnarchen. In diesen zwei Stunden hatte ich mir endlich einen Plan überlegen können, der mir einigermaßen vernünftig vorkam.

So leise, wie möglich stand ich aus dem Bett auf und zog mich an. Da meine Sachen im ganzen Zimmer verteilt waren, beschloss ich, das meiste davon liegen zu lassen und nahm nur meinen Autoschlüssel, meinen Geldbeutel und mein Handy und steckte alles zusammen in meine Jacke. Dann zog ich meine Schuhe an und schlich mich zur Tür. Ich hatte diese schon geöffnet, da bekam ich noch einen Geistesblitz. Ich schlich zu Mayas Handtasche und nahm die ganzen Medikamente, sowie die Checkliste des Wahnsinns an mich und packte dies alles ebenfalls ein.
Dann ging ich aus dem Zimmer und schloss so leise wie möglich die Tür. Ich blieb noch eine Weile davor stehen und lauschte in die Dunkelheit hinein. Es schien tatsächlich geklappt zu haben. Ich konnte kein Geräusch im Inneren des Zimmers hören. Ich ging ganz langsam und vorsichtig den Flur entlang. Auch auf der ersten Treppe bemühte ich mich noch darum, leise zu sein.
Dann begann ich, zu rennen. Ich raste den Rest der Treppe herunter und fiel dabei zwei mal fast auf die Fresse. Als ich unten an der Rezeption vorbeikam, lief ich wieder normal und verhielt mich möglichst unauffällig. Nicht, dass jemand noch dachte, ich hätte irgendetwas schlimmes mit Maya getan und war nun auf der Flucht.
Ich grüßte die Mitarbeiterin des Hotels so freundlich, wie mir in meinem Panikzustand möglich war und ging dann endlich ganz aus diesem Horrorhotel hinaus.

Auf dem Weg zum Auto malte ich mir die schlimmsten Sachen aus. Was, wenn Maya mir die Reifen zerstochen hatte, damit ich nicht von hier flüchten konnte? Wie weit hatte sie diese ganze Sache geplant? Vielleicht hatte sie mir ja auch die Bremsschläuche durchgeschnitten, damit ich einfach auf meiner Flucht starb. Vielleicht wollte sie ja auch einfach nur, dass ich sie schwängerte und ihr damit einen Erben für mein komplettes Vermögen produzierte. Danach hätte ich vielleicht gar keinen Wert mehr für sie und konnte aus dem Weg geräumt werden!

An meinem Auto angekommen, stellte ich erleichtert fest, das zumindest von außen alles mit dem Wagen in Ordnung war. Nervös setzte ich mich ans Steuer und startete den Motor. Das Auto sprang glücklicherweise ohne Probleme an. Das war auch schon mal ein gutes Zeichen. Ich fuhr los und machte auf dem Parkplatz zunächst ein paar Bremstests. Alles schien normal zu sein, also fuhr ich vom Parkplatz runter und machte mich durch den Wald auf den Weg zur nächsten Hauptstraße.
Ich wollte so schnell wie möglich von hier weg, darum fuhr ich viel schneller, als auf der Strecke erlaubt war. Als mein Auto mehrmals auf dem Schnee ins Rutschen gekommen war, beschloss ich, am Rand zu halten und mich zu beruhigen. Maya war nun weit genug von mir weg, außerdem hatte sie nicht mitbekommen, dass ich verschwunden war. Also war ich jetzt erst einmal sicher.
Ich verbrachte eine lange Zeit damit, einfach nur ruhig und langsam ein und aus zu atmen. Dann brach alle Enttäuschung, Wut und Trauer mit einem Mal aus mir heraus. Mir wurde bewusst, wie viel diese Frau mir eigentlich kaputt gemacht hatte.
So viele Jahre - verschwendet.
Meine Freunde - fast verloren.
Ich saß wie ein großer Haufen Elend in meinem Auto und krallte mich während einem heftigen Heulkrampf, der fast eine ganze Stunde lang andauerte, an meinem Lenkrad fest, bis meine Hände vollkommen weiß und taub waren.
Erst, als keine Tränen mehr übrig waren und ich wieder einigermaßen normal atmen konnte, ließ ich wieder los.

Ich musste unbedingt mit jemandem über all das sprechen, darum nahm ich mein Handy raus und suchte Timis Nummer, die ich aber nicht fand. Dann fiel mir ein, dass ich ja vorhin meine SIM-Karte ausgetauscht hatte, um mit Lena zu schreiben.
Ich kramte meine richtige Karte aus meinem Geldbeutel und legte sie wieder ein. Sofort wurden mir unzählige Anrufe von Ina, Benni und Timi angezeigt, sowie eine ganze Menge panische Nachrichten.

Ich wählte Inas Nummer und sie ging direkt nach dem zweiten Klingeln dran.
„Lukas!", rief sie total erleichtert.
„Ina, es ist alles in Ordnung."
„Nichts ist in Ordnung! Bist du bei Maya? Sie hat dich vergiftet! Du musst unbedingt nach Hause kommen, hörst du? Vertrau mir bitte! Ich erfinde das nicht, weil ich sie hasse! Bitte Lukas, bitte! Komm nach Hause!"
„Ina, lass mich doch mal was sagen!"
„Nimm sie nicht in Schutz, bitte komm nach Hause", sagte Ina und ich hörte, wie sie in Tränen ausbrach. Dann hörte ich nur noch ein Rascheln und plötzlich dröhnte mir Bennis Stimme ins Ohr.
„Du kommst jetzt sofort hier her, hast du verstanden? Sonst hol ich dich ab, ich schwöre, ich finde dich..."
„Verdammt! Hört mir mal jemand zu, bitte?", schrie ich jetzt. „Ich bin schon auf dem Weg! Ich weiß es! Ich weiß es alles!"
„Oh."
„Ja, oh. Das versuche ich euch die ganze Zeit schon zu sagen! Bis später! Ich komm jetzt zu euch, dann erzähle ich euch alles."
„Sorry. Okay. Wir warten. Fahr vorsichtig", sagte Benni kleinlaut. „Bis später."

Als wir aufgelegt hatten, legte ich mein Handy neben mich auf den Beifahrersitz und wollte gerade den Motor wieder starten, als es an der Autoscheibe klopfte.







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