Wer ohne Schuld ist, werfe den ersten Stein

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Berlin, Charlottenburg – Bennis Wohnung
29. Januar 2016

Einen  noch ungünstigeren Zeitpunkt für sein Erscheinen hatte Lukas sich nun  wirklich nicht aussuchen können. Ina schaute mich total fassungslos an,  weil sie keine Antwort mehr auf ihre Frage, ob Tim überhaupt der Vater  meines Kindes sei, bekommen hatte. Lukas stand vorne am Geländer und  guckte gerade nicht zu uns, also schüttelte ich hektisch den Kopf, um  ihr zu bedeuten, dass es Quatsch war, was sie da gerade gefragt hatte.  Mein Kopfschütteln missverstand sie jedoch, denn nun klappte ihr der  Unterkiefer nach unten und ihre Augen wurden immer größer.
„Er ist es", zischte ich ihr dann zu. Ina schaute schockiert auf Lukas und zeigte mit dem Zeigefinger auf ihn.
„Nein! Timi ist es!"
Lukas streckte sich und drehte sich zu mir um. „Was ist wer?"
„Verstehst du nicht", sagte ich hektisch. „Ist dir nicht kalt nur in Boxershorts und Shirt hier draußen?"
„Nö, das macht fit", antwortete er und ging zu Ina, um sich auf deren Schoß niederzulassen.
Ina keuchte unter ihm und ließ ihren Joint fallen. „Gibt's hier nicht genug Stühle, mein Spatz?"
Lukas  beugte sich zur Seite um Inas Joint wieder aufzuheben und steckte ihn  dann vorsichtig zwischen ihre Lippen. „Ach sei ruhig und heb mich, mir  ist nicht gut", jammerte er. „Oder störe ich bei wichtigen  Mädchengesprächen?"
„Nee, nee. Schon gut", sagte ich und zog meine Decke enger um mich.
Beim  Anblick von Lukas und Ina, die so leicht bekleidet hier draußen saßen,  wurde mir selbst noch viel kälter, als mir sowieso schon war.
„Na  wenn Zara sagt, du störst nicht, dann störst du nicht", murmelte Ina  und guckte mich nachdenklich an. Lukas nickte zufrieden und lehnte sich  nach hinten an Inas Körper. Da er viel größer war, als sie, gab das ein  ziemlich komisches Bild ab, wie er so auf ihr saß.
Noch  seltsamer fand ich es dann, als Ina damit anfing, erst seinen Bauch  über dem Shirt und dann sogar unter dem Shirt zu streicheln. Diese drei  waren schon ein ziemlich merkwürdiges Gespann und ich kam nicht umhin  mich zu fragen, inwieweit Lukas in das Sexleben von Ina und Tania  einbezogen wurde. Ich schüttelte den Kopf über meine Gedanken und lachte  kurz laut auf. Das wäre doch echt zu seltsam. Bei mir selbst war es  jetzt schon eine ganze Weile her, da spielte mein untervögeltes Ich  anscheinend so langsam verrückt.
„Was ist los?", fragte Ina und grinste.
„Ähm, ach gar nichts!", antwortete ich und guckte Richtung Stadt.

„Lukas", sagte Ina, während sie noch immer mit seinem Bauch beschäftigt war. „Willst du nicht mal rein? Du bist ganz kalt."
„Nee", meinte dieser nur.
Ina  zog sein Shirt nach oben und drückte auf einer absolut mikroskopisch  kleinen Speckrolle, die Lukas nur im Sitzen hatte, herum. „Da hat's ja  einem ganz schön gut geschmeckt in den letzten Tagen, wa?"
Lukas schnaubte empört, schob Inas Hände von sich runter und zog sich den Stoff über den Bauch. „Also...also..."
Ina  lachte und pikste ihm mit einem Finger in den Bauch. „Wie war das  nochmal mit dem Sixpack, das du bis Ende 2015 eigentlich haben wolltest?  Das Projekt ist ja offenbar genauso gescheitert, wie in den Jahren  davor."
Lukas stand auf und ging ohne ein Wort zu sagen wieder in die Wohnung hinein.
„Diva!", rief Ina ihm nach.

„Na endlich", sagte sie grinsend, als Lukas die Tür geschlossen hatte. „Jetzt sag schon, ist er der Vater oder nicht?"
„Um Gottes Willen! Ja, ist er!"
„Und was stimmt dann nicht?"
Ich  holte schon Luft, um etwas zu sagen, da ich irgendwie glaubte, dass Ina  doch die richtige Person dafür sein könnte. Dann kamen aber Tania und  Tim zu uns nach draußen.
„Na, was geht?", fragte Tania und drückte Ina einen Kuss auf den Scheitel.
„Zara  hat gerade gesagt, sie geht mit mir in unsere Wohnung und hilft mir  dabei, ein paar Klamotten von uns allen zu holen. Wir gehen ja erst mal  nicht heim."
„Ach,  Lukas und ich können doch unsere Sachen selbst holen. Das musst du doch  nicht alleine machen und warum sollte Zara unser Zeug schleppen?",  fragte Tania.
„So  lange wir nicht wissen, was mit dieser Maya-Schlampe ist, gehst du mir  nicht mehr in die Nähe dieser Wohnung", sagte Ina mit erhobenem  Zeigefinger. „Und Lukas geht da auch nicht hin. Dich hustet dieses  Rindvieh locker um und Lukas lässt sich zum Schluss noch überreden und  verliebt sich entgegen jeder Vernunft wieder in sie. Ich dagegen hab sie  schon einmal geputzt und Zara, die kleine Quasselstrippe, labert sie  einfach vorher bewusstlos, dann hab ich leichtes Spiel."
„Meinetwegen", sagte Tania grinsend.
Timi  holte schon Luft, um etwas zu sagen, wurde aber direkt von Ina  gestoppt. „Nein, Timi. Du bleibst mit deinem Arsch hier und kümmerst  dich um Lukas. Zara passiert schon nichts, wenn ich dabei bin."
„Das bezweifle ich nicht eine Sekunde lang. Wir nennen dich hinter deinem Rücken Pitbull, weißt du?", meinte Timi grinsend.
„Gut so", sagte Ina und zwinkerte ihm zu.
„Und mich nennt ihr Quasselstrippe oder wie? So viel rede ich jetzt auch wieder nicht."
„Na  komm. Jetzt aber", meinte Timi und lachte. „Wenn wir auf Tour  telefoniert haben, war ich zeitweise gar nicht am Telefon, sondern  draußen eine rauchen und als ich wiederkam und den Hörer in die Hand  genommen habe, hast du noch immer geredet und gar nicht bemerkt, dass  ich zehn Minuten lang weg war."
„Ich weiß, du Arsch."
„Ach Herzchen", seufzte er versöhnlich. „Ich hör dir doch gern zu."

Nach dem Frühstück – wir hatten alle nicht besonders viel gegessen, weil  uns immer noch etwas flau in den Mägen war – machte ich mich  tatsächlich mit Ina alleine auf den Weg in die WG.
„Warst du eigentlich schon mal in unserer Wohnung?", fragte mich Ina, als wir um die letzte Ecke zu ihrer Straße bogen.
„Nein, ich glaube nicht. Ich war nur zweimal kurz mit Timi in Berlin und da waren wir in einem Hotel."
„Ihr wart so ewig zusammen, warum bist du denn nicht öfter mitgekommen?", fragte Ina und zündete sich eine Zigarette an.
„Na  weil ich meistens arbeiten musste, wenn er hier war. Wenn ich Urlaub  hatte, sind wir dann lieber ans Meer gefahren oder so. Außerdem war  Benni immer ganz genervt, weil sich Timi nicht so richtig aufs Arbeiten  konzentriert hat, als ich dabei war, weil er lieber irgendwas mit mir  unternehmen wollte."
„Ach wie süß", sagte Ina grinsend. „Da wart ihr schon eine Ewigkeit zusammen und trotzdem klebte er an dir, wie Kaugummi."
„Tja  ja. Das ist irgendwie nie weniger geworden. Während sich befreundete  Paare schon lange nichts mehr zu sagen hatten, saßen wir noch immer bei  jeder Gelegenheit aufeinander."

Ina ließ sich vorm Haus noch kurz auf einer Mauer nieder, um ihre Zigarette fertig zu rauchen.
„Ich  kann mir überhaupt nicht vorstellen, was dich so bei diesem Valentin  hält. Also ich verstehe es auch total, wenn du mit mir nicht darüber  reden willst, weil ich eben zu viel Kontakt zu Timi habe, wenn es etwas  ist, was er nie erfahren soll, weil es ihm schadet. Aber du musst mit  irgendjemand anderem reden, wenn nicht mit mir. Du wirst ja noch  verrückt."
Ich  seufzte und setzte mich neben sie. „Naja, also dass es ihm schadet... so  ist es auch nicht direkt. Aber irgendwie auch doch. Die Folgen davon  jedenfalls. Keine Ahnung, schwer zu beschreiben."
„Wie  gesagt, du kannst es mir ruhig erzählen, wenn du willst. Ich würde auch  niemandem etwas sagen, wenn du das so willst. Wobei ich trotzdem der  Meinung bin, dass du mit Timi reden solltest, wenn es ihn auch betrifft.  Aber gut, da ich nicht weiß, was es ist, kann ich das jetzt auch nicht  mit Sicherheit behaupten."
„Danke", sagte ich und drückte kurz ihre Hand. „Ich überlege es mir mal."

Da es draußen doch ziemlich eisig war, gingen wir dann schnell ins Haus, sobald Ina aufgeraucht hatte.
„Ich  bin total gespannt drauf zu sehen, wie ihr so wohnt. Ich kann mir das  gar nicht so wirklich vorstellen", sagte ich, als wir die letzten  Treppen nach oben liefen.
„Och, so spektakulär ist das gar nicht", meinte Ina. „Fuck, was ist das denn?"
Bewegungslos standen wir vor der Wohnungstür und betrachteten die Dinge, die da vor uns auf der Fußmatte lagen.
„Also das ist ein Brief und daneben liegt ne Rose", meinte Ina. „Aber was zur Hölle ist das andere da?"
Ich ging einen Schritt nach vorne und sprang direkt wieder zurück, als ich es erkannte.
„Ähm.  Sieht aus wie ein Rattenkopf. Also Skelett. Also nur der Knochen ohne  Fleisch und Fell", stotterte ich und schüttelte mich dabei.
„Diese  bekloppte Nutte", meinte Ina und schüttelte den Kopf. Dann stieg sie  über die Sachen hinweg und sperrte die Tür auf. „Lass einfach liegen.  Ich ruf direkt die Polizei an, die sollen den Mist mitnehmen."
„Hast du keine Angst, dass sie in der Wohnung ist?", fragte ich zögerlich und blieb im Hausflur stehen.
Ina sah sich vorsichtig um und kam dann wieder raus. „Hast ja Recht."

Nach dem Anruf auf der Dienststelle dauerte es gerade mal zehn Minuten,  bis zwei Beamte bei uns waren und das Beweismaterial einsammelten.
„Sag Lukas nicht, dass da etwas war. Er regt sich dann bloß auf", sagte Ina zu mir.
„Was sie wohl geschrieben hat?", fragte ich und sah den Polizisten zu, wie sie das Innere der Wohnung überprüften.
„Bestimmt  den selben Quatsch wie all die Jahre zuvor. Dass die beiden füreinander  bestimmt sind und dass die ganze Welt unrecht hat, nur sie nicht."
„Oh  Mensch, er tut mir so leid. Er hat sich doch bestimmt die ein oder  andere Chance verbaut, mit einer anderen glücklich zu sein, oder?"
Ina  seufzte tief. „Oh, nicht nur die ein oder andere. Unzählige! Ich kann  dir gar nicht sagen, wie viele wirklich tolle Frauen ich hier in den  letzten Jahren die Tür rausgehen und nie wieder zurückkommen gesehen  habe."
„Und nur, weil er gehofft hat, dass diese Maya irgendwann wieder auftaucht..."
„Also  er hatte ja schon ein paar mal so etwas wie 'ne Beziehung. Aber so  richtig drauf eingelassen hat er sich nicht. Ich fürchte, dem wird es in  nächster Zeit noch richtig mies gehen, wenn er den ersten Schock  verdaut hat. Er redet heute nicht mehr so oft drüber, aber schon als ich  ihn kennengelernt hab... er war noch nicht mal zwanzig... hat er mir  schon erzählt, dass er auf jeden Fall mal heiraten und auch ein paar  Kinder haben will. Und das am besten noch, bevor er dreißig wird. Da  muss er sich jetzt ganz schön ran halten, wenn er das noch schaffen  will. Schon krass, wie man sich selbst das Leben verbaut, weil man sich  krampfhaft an etwas schlechtem festhält."
Ich grinste Ina von der Seite an. „Mit dem letzten Satz meinst du wohl auch mich."
„Gut erkannt", meinte sie und gab mir einen sanften Klaps auf den Rücken.

Nach einigen Minuten kamen die Polizisten wieder aus der Wohnung raus  und teilten uns mit, dass Maya wohl nicht drin gewesen war, sondern  anscheinend nur ihre Souvenirs vor der Tür abgelegt hatte.
„Also,  vergessen wir jetzt einfach mal, was wir hier gesehen haben. Lukas  erfährt nichts davon", sagte Ina und betrat die Wohnung.
„Klar, wenn du meinst, es wäre das Beste für ihn", meinte ich und folgte ihr.
„Kein Wort mehr darüber!", sagte Ina nochmal etwas eindringlicher.
„Kein Wort", bestätigte ich und nickte.

Wir gingen durch die Räume und sammelten hier und dort ein paar Dinge  ein, die die drei für die kommenden Tage außerhalb ihres Zuhauses  brauchen könnten. Eigentlich sah die Wohnung genauso aus, wie man sich  eben eine typische Künstler-WG vorstellt.
Es  gab viele moderne Möbel und ab und zu auch ein paar alte, die aussahen,  als ob man sie vom Flohmarkt geholt hätte. Überall lagen verschiedene  Instrumente, Notenblätter und unzählige Notizen von Lukas herum. Im  Wohnzimmer stand sogar ein riesiges Klavier und direkt daneben stand  eine Staffelei mit einem angefangenen Gemälde darauf, das schon sehr  vielversprechend aussah. Außerdem war der Boden im Wohnzimmer momentan  mit sehr viel Zeitung ausgelegt, auf der Tonklumpen in verschiedenen  Größen und eine angefangene Skulptur lagen.
„Ähm, was machen du und Tania beruflich nochmal?", fragte ich und schaute mich fasziniert um.
„Ich  male hauptsächlich und Tania macht Bildhauerei. Manchmal auch  umgekehrt. Eigentlich macht jede alles", antwortete Ina grinsend.
„Und davon könnt ihr leben?"
Ina steckte gerade den Laptop von Lukas in eine Tasche und kicherte. „Kennst dich wohl nicht aus in der Kunst, oder?"
„Überhaupt nicht."
„Das hier", sagte Ina und hielt ein Stück Ton nach oben. „Wird in ein paar Wochen für ein paar hundert Euro verkauft werden."
„Krass."
„Ja,  ich will ja nicht angeben, aber wir haben uns mittlerweile einen Namen  gemacht. Zwei, drei verkaufte Teile und das Geld für den Monat ist  drin."
Ich nickte anerkennend und seufzte dann. „Und wir Normalsterblichen können den ganzen Tag für drei Euro ackern."
„Augen auf bei der Berufswahl!", meinte Ina und zuckte mit den Schultern.
Grinsend betrachtete ich ein paar Fotos an der Wand, die Lukas, Ina und Tania zusammen zeigten.
„Sag mal... wie gut versteht ihr euch?", fragte ich, da mir meine leicht schmutzigen Gedanken keine Ruhe ließen.
„Wie meinst du?"
„Na vorhin auf dem Balkon hast du Lukas ja schon ziemlich intim angefasst."
Ina  brach in langes, schallendes Gelächter aus und wischte sich  anschließend ein paar Tränen aus den Augen. „Glaubst du wir gehen alle  zusammen ins Bett oder wie?"
„Also  Timi hat jedenfalls mal erwähnt, dass Lukas manchmal bei euch im Bett  schläft und so wie du an ihm herum gefummelt hast..."
Ina  kicherte und packte weiter Dinge in eine Tasche. „Okay so abwegig ist  das ja gar nicht. Aber nein, wir sind keine hemmungslose Sex-WG. Ich  wusste eigentlich schon mit dreizehn, dass ich auf Frauen stehe und habe  noch nie etwas mit einem Mann probiert. Irgendwann, als wir mal ein  bisschen was getrunken haben, hat Lukas mich mal kurz zu Testzwecken  seinen Schwanz anfassen lassen, aber das war es dann auch schon. Tania  hatte vor mir zwar einen Freund, aber heute möchte sie auch nichts  männliches mehr haben. Lukas weiß, dass wir ihn nicht heiß finden und  darum kann er ganz ohne Hintergedanken bei uns liegen und mittlerweile  ist das auch schon so normal, dass es ihn überhaupt nicht mehr reizt."
„Okay.  Ich wollte ja gar nicht so neugierig sein, aber ihr seid echt ein  interessantes Gespann", sagte ich und bemerkte, wie mein Handy  vibrierte. Ich holte es raus und las.

Valentin, 11:02: Ich weiß, wo du bist. Du kommst besser nach Hause.
Valentin, 11:03: Denk an meine Worte.

„Scheiße", murmelte ich und steckte zitternd mein Handy wieder weg.
„Was ist los?", fragte Ina.
„Kannst  du mir bitte versprechen, dass du niemandem was sagst?", fragte ich sie  verzweifelt. Vielleicht war Ina nicht die richtige Person, aber ich  konnte es nicht mehr länger für mich behalten.
„Ich verspreche es", sagte sie und setzte sich auf die Couch.
„Am  Anfang war es ja noch ganz okay mit ihm", begann ich. „Er hatte mir  schon als ich noch mit Timi zusammen war immer mal wieder auf Facebook  geschrieben, aber ich hab das natürlich ganz oberflächlich gehalten.  Dann ist ja das mit unserem Sohn passiert und ich hab direkt mit Timi  Schluss gemacht und bin ausgezogen. Ich hatte dann die darauf folgenden  Tage nur noch im Krankenhaus neben dem Bett von Elias gesessen, hab  nicht mehr geschlafen und nichts mehr gegessen und irgendwann kam dann  meine Mutter und meinte, ich solle mich mal ablenken gehen, während sie  in der Zeit aufpasst.
Ich  war schon, bevor das alles passiert ist, zu einer Party eingeladen und  sie hat mich überredet, dass ich da hingehe. Und Valentin war dann auch  dort und hat sich direkt an mich heran geschmissen. Ich hab mich  natürlich nicht sofort auf ihn gestürzt, aber wir hatten da eben viel  miteinander geredet und so hat sich das dann über die folgenden Wochen  entwickelt. Er war erst total lieb und alles, aber ich hab ziemlich früh  gemerkt, dass das nicht passt" sagte ich und schluckte.
Ina legte mir einen Arm um die Schultern und sah mich aufmunternd an. „Und dann?"
„Dann  hab ich ab und zu angedeutet, dass ich mir mit ihm keine Zukunft  vorstellen kann. Er wurde dann immer besitzergreifender und  kontrollierender. Tja und mittlerweile erpresst er mich, damit ich bei  ihm bleibe."
„Mit was erpresst er dich?"
„Hat  sich ein paar anzügliche Bilder von meinem Handy gezogen, die ich da  dummerweise drauf hatte. Er sagt so Dinge wie: Wenn du mit mir Schluss  machst, könnte es sein, dass die am nächsten Tag im ganzen Heim an den  Wänden hängen. Ob das so gut wäre, wenn die ganzen Jugendlichen dich  nackt sehen?"
Ina zog scharf die Luft zwischen den Zähnen ein. „Denkst du, du würdest direkt gekündigt werden?"
„Na auf jeden Fall. Ich könnte da nie wieder hin und die Jungs würden mich auch gar nicht mehr ernst nehmen."
„Verstehe. Aber warum soll das Timi schaden?"
„Das war ja noch nicht alles", sagte ich leise und wischte mir ein paar Tränen von der Wange.
„Was denn noch?", fragte Ina sanft.
„Timi darf das niemals erfahren!", schniefte ich.
„Ich sag ihm nichts."
„Als  ich also auf dieser Party war, hab ich mich dazu überreden lassen, eine  Line zu ziehen. Dabei hab ich das doch noch nie vorher gemacht und ich  wollte das eigentlich auch gar nicht tun. Kannst du dir vorstellen, wie  scheiße ich mich seitdem fühle? Unser Sohn ist fast gestorben, weil Tim  drauf war wie sonst was. Dann liegt er im Krankenhaus und ich habe  nichts besseres zu tun, als mich währenddessen weg zu ballern. Nachdem  ich Tim tagelang die schlimmsten Vorwürfe gemacht und ihm gesagt hatte,  wie sehr ich ihn dafür hasse!"
„Okay. Ja das... ist in der Tat... naja. Aber was hat Valentin damit zu tun?"
„Irgendjemand  hat ein Bild davon gemacht, das er jetzt hat. Und er sagt, wenn ich ihn  verlasse, müsste er das nur den richtigen Leuten zeigen und ich würde  das Kind verlieren. Die Polizei hat Timi damals ja gesehen, als dieser  Unfall passiert ist. Die sind ja nicht dumm und wussten, dass da Drogen  mit im Spiel waren. Ich weiß nicht, was für Leute Valentin da genau  kennt, aber er hat ja auch ziemlich viel Geld und selbst wenn so ein  Foto nicht reicht, dann könnte er die Leute eben schmieren. Ich würde  ihm auch zutrauen, dass er einfach die Tatsachen fälscht um mich  aussehen zu lassen, wie der größte Junkie. Und was wäre dann? Timi würde  Elias bestimmt auch nicht bekommen. Dafür würde Valentin dann auch  sorgen."
Ina sah mich nur fassungslos an und schüttelte den Kopf.
„Ich  weiß nicht, ob ich mich da zu verrückt mache. Es gibt so viele Leute,  die bestätigen können, dass das nur ein einmaliger Ausrutscher zum  dümmsten Zeitpunkt war. Aber ich bin mir eben nicht sicher, wie viel  Einfluss Valentin hat. Und ich will es auch nicht herausfinden. Was soll  ich also sonst tun, außer bei ihm zu bleiben, damit ich alles so  erhalten kann, wie es ist? Mein Sohn und mein Job sind mir die  wichtigsten Dinge derzeit, dann muss ich eben da durch, damit das so  bleibt."
„Also", sagte Ina und zündete sich eine Zigarette an.
„Ja?",  fragte ich leise. Ich rechnete nicht mit einem ultimativen  Lösungsvorschlag, da es meiner Meinung nach absolut keinen Ausweg mehr  gab.
„Sag es Benni."
„Benni?", fragte ich ungläubig. „Warum Benni?"
Ina rückte ein Stück näher zu mir ran. „Weil er Leute kennt, die solche Dinge... regeln können."

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