14 - Das verfluchte Headset

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Meine Mutter rief mich an, während ich noch im Zug saß. Ich starrte das Display an, ohne irgendwas zu tun.

Wenn ich jetzt abnahm, würde sie dann die Zuggeräusche im Hintergrund erkennen? Würde mein Versteckspiel auffliegen, schon beim zweiten Mal?

Mir fiel aber auch kein guter Grund ein, den ich ihr nennen konnte, wieso ich nicht telefonieren konnte, wenn ich bei Syl war. Ich musste drangehen.

Ich schluckte, dann zog ich den grünen Hörer nach oben.

„Hallo, Mama", begrüßte ich sie. Mit klopfendem Herzen schaute ich den Gang hinab, in der Hoffnung, dass niemand vorbei kommen würde.

„Hallo, mein Schatz, alles gut bei euch?", erklang Mamas Stimme.

„Ja, alles super", murmelte ich.

„Ich dachte, wo's doch so am Regnen ist, könnten Papa oder ich dich vielleicht bei Sylvester abholen. Sonst bist du durch und durch nass, bis du Zuhause bist."

„Lieb von dir, aber das ist echt nicht nötig", gab ich zurück und warf erneut einen Blick den Gang hinab. Niemand zusehen. Zu so später Stunde war es glücklicherweise recht leer.

„Wann kommst du denn nach Hause?", fragte meine Mutter weiter und mein Magen wurde schon wieder von diesem flauen Gefühl überrollt.

„Weiß ich noch nicht genau, wir wollten noch ein bisschen zocken. Ist ja Wochenende", murmelte ich und krampfte meine Hand um mein Smartphone.

Mama seufzte.

„Na ja, bei dem Regen kann ich verstehen, dass ihr nicht raus geht. Da würdet ihr euch nur eine Erkältung holen."

Warum redete sie so lange? Ausgerechnet jetzt. Sonst dauerten unsere Telefonate oft nicht mal eine Minute, aber ausgerechnet heute schien sie Quasselwasser getrunken zu haben.

„Okay, Mama, ich leg jetzt auf", versuchte ich sie abzuwürgen.

„Falls wir dich später doch abholen sollen, meld' dich", erwiderte sie.

„Ja, mach ich, ist aber echt nicht nötig. Tschüß", sagte ich eilig, wartete noch ihre Verabschiedung ab und drückte dann schnell auf den roten Hörer.

Erschöpft ließ ich mich in meinen Sitz zurücksinken.

Sie hatte nichts gemerkt, nichts. Das war gerade noch so gut gegangen, verdammt.

Ich richtete meinen Blick aus dem Fenster, in dem ich meine eigene Spiegelung erblickte. Allumfassende Dunkelheit herrschte vor der Scheibe, nicht mal ein vorbeihuschendes Licht war auszumachen.

Nur mein Gesicht. Nicht hübsch, nichts Besonderes. Ein durchschnittlicher Typ, dem ein bisschen mehr Sonne bestimmt gut täte. Aber wie sagte man so schön? Sonnenschein war das perfekte Wetter, um in kurzen Hosen zu zocken.

Jedes Wetter war Gamerwetter.


Die restliche Fahrt verlief ereignislos. An unserem Bahnhof angelangt kaufte ich mir einen Burger statt zwei, da mein Magen die Nervosität noch nicht ganz verdaut hatten. In großen Bissen verspeiste ich ihn, während ich den Bussteig ansteuerte.

Um halb zwölf würde der nächste Bus fahren, jetzt war es zehn Minuten nach elf. Gegen viertel vor zwölf sollte ich dann endlich unser Haus erreichen und konnte hoffentlich ohne weitere Nachfragen einfach in mein Zimmer verschwinden.

Eine Mutter wie Shivans zu haben musste verdammt entspannt sein. Auch, wenn sie ein ziemlich seltsamer Mensch war, schien sie sehr locker zu sein. Immerhin hatte er ihr problemlos erzählen können, woher wir uns kannten, während ich mir erst mal einen Vortrag anhören dürfte. Er wahrscheinlich ebenso.

Ich konnte Shivan nicht zu mir nach Hause einladen, beschloss ich. Nicht solange ich mir keine wasserfeste Geschichte ausgedacht hatte, wie ich ihn kennen gelernt hatte. Eine Geschichte, bei der er mitspielte.

Ob er das tun würde?


Ich stellte mich extra zehn Minuten meiner Wartezeit in den Regen, damit ich auch nass genug war, den Weg von Syl zu mir nach Hause zu rechtfertigen. Zwar konnte ich auch ein gutes Stück mit dem Bus fahren, aber die nächste Haltestelle lag einige Gehminuten von seiner Haustür entfernt.

„Nicht, dass du jetzt krank wirst", war der einzige Kommentar meiner Mutter und ich konnte beruhigt ins Bad verschwinden, um in trockene Anziehsachen zu schlüpfen.

Bin gut angekommen :), schickte ich an Shivan.

Er antwortete postwendend.

Super danke fürs bescheid geben

Die erste Amtshandlung in meinem Zimmer war das Einschalten meiner Konsole. Kaum war die hochgefahren, blinkte bereits eine Partyeinladung von Syl auf dem Fernseher.

Ich steckte mein Headset in den Controller und nahm sie an.

„Wie war's?", wollte Syl sofort wissen. Wahrscheinlich hatte er sich den ganzen Abend lang wieder einen Energydrink nach dem anderen reingezogen und platzte jetzt vor Neugierde und Aufregung.

„War cool", gab ich grinsend zurück und startete Call of Duty.

„Wow, danke, ich fühl mich, als wär ich dabei gewesen, ey", beschwerte er sich, während das Theme von COD ertönte und mein Zimmer mit seinen wunderbaren Klängen erfüllte.

„Ich weiß, deswegen erzähl ich's ja", grinste ich. „Was spielen wir?"

„Mir doch egal, Alter, erzähl halt erst mal jetzt."

„Hallihallöchen", trällerte plötzlich eine fröhliche Stimme, als eine weitere Person der Party beitrat.

„Mo", begrüßte ich sie erfreut. „Lange nichts von dir gehört."

Sie lachte.

„Ja, war mit RL beschäftigt und so, voll die Zeitverschwendung, ich weiß."

„Echt mal", gab Syl seinen Senf dazu.

„Aber jetzt bin ich da und für alles bereit", lachte Mo. „Was machen wir, worüber reden wir, was gibt es neues?"

„Hast auch nur ein, zwei Fragen, was?", erwiderte ich und schüttelte grinsend den Kopf, während ich durch die unterschiedlichen Spielmodi scrollte.

„Ich muss doch auf den neusten Stand gebracht werden!"

„Es gibt tatsächlich keine Frauen im Internet, ich hatte die ganze Zeit Recht", ließ Syl sie wissen, ehe er aus seinem obligatorischen Getränk schlürfte.

„So?", fragte Mo nach.

„Ja, Mann, Miss Molotov ist tatsächlich ein Kerl", erzählte er ihr.

„Is' nich' wahr", rief sie aus. „Woher wisst ihr das?"

„Denny hat ihn getroffen. Heute schon zum zweiten Mal, aber er will nicht erzählen."

„Stimmt doch gar nicht", verteidigte ich mich. „Wir spielen jetzt frei für alle." Ich wählte den entsprechenden Modus aus.

„Aber sie ist wirklich ein er? Und du hast ihn getroffen?", fragte Mo neugierig nach.

In Kurzfassung erzählte ich ihr von unserem ersten Treffen und berichtete dann beiden grob, was ich heute erlebt hatte.

„Ein Lama. Ein Lama namens Jeffrey ist sein bester Freund", wiederholte Syl ungläubig.

Ich überquerte die weitläufige Map, weit und breit war kein Gegner in Sicht.

„Nein. Es gehört seinem besten Freund", korrigierte ich. „Er geht manchmal mit ihm spazieren. Mit dem Lama, meine ich."

„Warum?", wollte Syl wissen.

„Weil er kann", meinte Mo und ich lachte.

„Stimmt wohl. Außerdem ist Jeffrey ziemlich cool."

„Der Kerl hat doch'n Schuss nicht gehört", murmelte Syl.

„Also ich würde ihn ja daten, wäre ich nicht vergeben", sagte Mo.

„Und er schwul", warf Syl ein.

„Vielleicht ist er auch bi, wer weiß? Denny, hast du ihn gefragt?"

„Garantiert nicht", beteiligte ich mich wieder am Gespräch.

„Langweilig", sagte Syl.

„Wenn alles immer durchgehend spannend wär, wäre effektiv gar nichts spannend", belehrte Mo ihn, dann killte sie ihn scheinbar. Ihr teuflisches Lachen vermischte sich mit Syls Fluchen und ich fühlte mich Zuhause.

Hier war ich gerne, hier fühlte ich mich wohl. Hier wusste ich, was ich tat und Mo und Syl waren sowas wie meine zweite Familie.

„Wollteste Mister Molotov nicht ein Headset mitbringen?", fragte Syl nach.

„Uh, wir können mit ihm reden?", freute Mo sich, ehe ich zum Antworten kam.

„Hab ich, aber er wollte es nicht."

„Du hast es aber nicht wieder mitgenommen?", wollte Syl enttäuscht wissen und ich grinste.

„Was denkst du von mir?"

„Sehr gut, lad ihn mal ein. Ist er on?"

Erst jetzt fiel mir auf, dass ich seinen Onlinestatus noch gar nicht gecheckt hatte.

„Ich guck nach der Runde", gab ich also zurück und erlegte dann gleich vier Gegner in Folge, die mir vor das Visier meiner Sniper gelaufen waren.


Shivan war online und spielte Dragon Age. Ich nahm mein Handy zur Hand und öffnete seinen Chat.

Hast du lust in eine party mit meinen besten freunden zu kommen?

Er antwortete kurze Zeit später.

Schon vergessen dass ich kein hs hab

Guck mal auf deinen schreibtisch :D

Mit einem Grinsen im Gesicht wartete ich seine Antwort ab. Mein Herzschlag beschleunigte sich ein wenig, aber was konnte schon schlimmstenfalls passieren? Wie sauer konnte er schon über ein Geschenk sein?

Shivan nahm eine Sprachnachricht auf.

„Ich hab dir doch gesagt, ich will es nicht", meinte er, aber das leichte Grinsen in seiner Stimme war unüberhörbar. „Ich bring dir das nächste Mal wieder mit, echt jetzt."

Bis dahin kannst ja unsere party joinen, tippte ich. In meinem Ohr quatschten Syl und Mo über irgendwelche Waffen und welche Aufsätze die besten für sie waren. Wie immer waren sie sich uneinig.

Sorry kann grad nich, schrieb Shivan zurück und ich ließ das Handy sinken.

Er saß vor seiner Konsole und spielte, wieso zur Hölle konnte er dabei nicht mit mir reden? Er konnte doch auch Sprachmemos verschicken. Wahrscheinlich wollte er nicht, das war die Wahrheit. Hatte festgestellt, dass ich im Grunde doch langweilig war.

„Shivan kommt nicht", teilte ich den anderen mit und unterbrach ihre Diskussion.

„Wieso?", fragte Syl.

„Keine Ahnung, er kann nicht."

„Was macht er denn?"

„Keine Ahnung, ich bin doch nicht sein Kindermädchen", erwiderte ich vielleicht ein wenig zu heftig.

„Ist ja gut, Prinzessin", murmelte Syl, der natürlich immer einen Kommentar raushauen musste. Der nicht einfach mal die Klappe halten konnte.

„Lasst uns einfach zocken", forderte ich die beiden auf.

„Okay", versuchte Mo ihren gewohnt fröhlichen Tonfall aufzulegen, aber es gelang ihr nicht ganz. Ich hörte genau, dass sie sich fragte, was plötzlich los war, aber ich wusste es ja selber nicht. Von jetzt auf gleich war meine schlechte Laune aufgekommen und ich hatte keine Ahnung, woran es lag.

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