37 - Luft-Luftgewehre, Pfeil und Bogen

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Meine Füße finden den Weg zum Wald wie von allein, und als wir zwischen die Bäume treten, fühlt es sich so endlos vertraut an. Der weiche Weg unter meinen Füßen, der Geruch der Pflanzen, in denen ein wenig Regenduft hängt. Mein Herz klopft aufgeregt. Weil wir so lange nicht mehr hier waren, weil das hier der Ort ist, an dem wir so viel Spaß hatten und wo gleichzeitig die bisher schlimmste Zeit meines Lebens ihren Anfang nahm.

„Jeder Wald ist irgendwie anders, aber sie sind alle super schön", meint Shivan, während wir dem Weg folgen.

„Ich hab noch nie so drauf geachtet. Aber ich glaub, ich war auch noch nie in anderen Wäldern außer dem hier", überlegt Syl.

Ich bin froh, dass sie sich verstehen. Zumindest haben sie noch nicht gestritten. Sie stehen einander noch nicht so nah, aber das wird bestimmt noch.

„Und hier wart ihr immer mit euren Soft-Airs?", fragt Shivan.

„Nicht ganz hier. Ist noch ein kleines Stück. Aber wir sind auf dem Weg dahin. Oder?" Ich schaue Syl an und habe ein bisschen Angst, weil wir so ein sensibles Thema angeschnitten haben. Dass er schlechte Laune kriegt, was nur verständlich wäre. Als wir das letzte Mal diesen Weg lang gelaufen sind, war noch alles in Ordnung – dann wurde sein Leben komplett auf den Kopf gestellt.

„Ja, genau. Dann können wir mit Luft-Luftgewehren auf die Dosen schießen", erwidert er und ein bisschen Bitterkeit liegt in seiner Stimme – aber als er meinen Blick bemerkt, erwidert er ihn mit einem leichten Grinsen. „Vielleicht können wir ja per Schere, Stein, Papier feststellen, wer getroffen hat oder so. Wär doch lustig."

„Wieso nicht?" Ich grinse ebenfalls. Hoffe, dass Syl es wirklich mit Humor nehmen kann und er sich nicht schlecht fühlt, weil wir hier sind.


Wir erreichen die kleine Lichtung, auf der wir immer geschossen haben. Unsere Dosen sind weg, wahrscheinlich hat der Förster sie weggeräumt, nachdem er uns der Polizei aufgeliefert hat.

„Nicht mal die Dosen hat er uns gelassen", sagt Syl, nachdem er in unser ehemaliges Versteck geschaut hat, obwohl die Dosen ja noch aufgebaut waren, als wir erwischt wurden. Aber sie liegen auch nirgendwo herum.

„Was für Dosen?", fragt Shivan.

„Wir haben immer auf Syls alte Energydrinkdosen geschossen", erzähle ich ihm. „Die waren früher sein Überlebenselixier oder so."

„Ja. Aber im Heim dürfen wir die nicht trinken und genug Kohle dafür krieg ich auch nicht. Als wären das Drogen oder so, dabei ist da nur ein bisschen Koffein drin. Oder Taurin. Nix Schlimmes."

Shivan grinst. „Echt unnötig. Wir sollten nachher Energydrinks trinken."

Ich lächele und find's verdammt schön, dass er sich um Syl bemüht, obwohl der beim letzten Treffen so unfreundlich zu ihm war. Shivan erwidert mein Lächeln und auch Syl scheint sich wohlzufühlen.

Wir setzen uns auf die Baumstümpfe und umgefallenen Baumstämme, wie früher. Shivan und ich sitzen nebeneinander, aber zwischen uns liegt Abstand.

„Ich dachte gerade", setzt Shivan an und zögert kurz. Wirft mir einen schnellen Blick zu und entscheidet sich dann, weiterzureden. Schaut zu Syl. „Ich weiß ja nicht, wie das bei dir so mit Ausflügen aussieht. Aber wenn das geht und ihr mal wieder Lust auf Schießen habt, garantiert stressfrei, könntet ihr mal zu mir kommen. Von meinem besten Freund die Eltern haben ja so'n Hof und zu dem Grundstück gehört auch ein Stück Wald. In dem können wir machen, was wir wollen, weil es ja Privatgelände ist. Und wir schießen da oft mit Bögen und Pfeilen auf Zielscheiben. Sind jetzt keine Soft-Airs ... aber vielleicht 'ne okaye Alternative." Er zuckt mit den Schultern und schaut einmal zwischen Syl und mir hin und her, ehe er den Blick in den Wald richtet.

„Das ist ja voll cool", meint Syl und Shivan hebt den Blick wieder.

„Ja?" Er scheint nicht unbedingt mit einer so positiven Reaktion gerechnet zu haben.

„Ja! Ein eigener Wald und wir können da schießen, ohne Stress zu kriegen. Voll geil!" bestätigt Syl.

Auch meine Lippen verziehen sich zu einem breiten Grinsen. „Ich find auch, dass das richtig cool klingt. Aber ich hatte noch nie 'nen Bogen in der Hand. Maximal 'ne Armbrust. In-game." Ich lache und die anderen stimmen ein.

„Bist safe eh direkt wieder voll gut. Im Gegensatz zu mir", scherzt Syl.

„Das ist gar nicht so schwer. Das lernt ihr bestimmt schnell, vor allem, weil ihr das mit dem Zielen schon drauf habt. Das ist, glaube ich, das Schwierigste", sagt Shivan.

„Wenn ich das mal drauf hätte, ey. Dann hätte ich den Förster in die Flucht geschlagen."

Wir lachen und Shivan entspannt sich merklich. Auch ich bin froh, dass Syl so gut drauf ist, scherzen kann und scheinbar den Plan verfolgt, sich mit Shivan anzufreunden.

„Nächsten Sonntag dann vielleicht?", schlägt Shivan vor. „Wenn ihr schon früh kommt, haben wir auch genug Zeit."

Während ich zustimme, vergeht Syl ein wenig das Lachen. „Stimmt was nicht?", frage ich ihn.

„Nee ... also ... klingt halt echt voll geil, aber ... keine Ahnung, wie ich mir das Ticket leisten soll."

„Ich kanns bezahlen", sage ich sofort. Keine Ahnung, ob ich noch genug Geld dafür habe, aber zur Not kriege ich bestimmt was von meinen Eltern.

Syl windet sich. „Ich weiß nicht ..."

„Oder du fährst ohne Ticket. Mach ich auch meistens", erwidert Shivan.

Syl sieht auch ihn skeptisch an. „Klappt das denn? Wird man da nicht erwischt?"

Shivan wiegt seinen Kopf hin und her. „Na ja ... Kann schon passieren. Muss man aufpassen."

„Hm", macht Syl und hebt einen Stock auf, mit dem er in den Blättern herumstochert.

„Ist wirklich kein Problem, wenn ich für uns beide Tickets kaufe. Meine Eltern geben mir bestimmt was", versuche ich ihn zu überzeugen. Das hier soll nicht am Geld scheitern. So eine beschissene, unnötige Erfindung. Ist doch scheiße, dass es Menschen gibt, die Geld haben, und andere, die keins haben. Und die mit dem Geld können dann ein schönes Leben haben und die anderen müssen ständig auf alles verzichten, obwohl auch schon alles andere in ihrem Leben viel beschissener ist. Das ist unfair. „Ohne dich will ich nicht Bogenschießen lernen. Schießen ist doch unser Ding", schiebe ich hinterher und suche seinen Blick. Als er den Kopf hebt, lächele ich, und er stimmt mit ein. Nachdem er mir gesagt hat, dass er auch Angst hatte, ich könne ihn ersetzen, glaube ich, dass die Worte sich gut für ihn anfühlen. Für mich würden sie sich gut anfühlen.

„Dann kann ich ja gar nicht nein sagen", erwidert Syl grinsend. Nach kurzem Schweigen schaute er wieder zu Shivan. „Denny hat erzählt, du machst LARP."

Bisher ist alles so gut gelaufen, dass ich Angst habe, dass es jetzt doch blöd wird. Dass Syl absichtlich etwas Verletzendes sagt, glaube ich nicht. Er hat sich so viel Mühe gegeben bisher, das wird er jetzt nicht kaputt macht. Nicht absichtlich ein Thema ansprechen, um sich darüber lustig zu machen.

„Ja, stimmt", sagte Shivan. Er wirft mir einen Blick zu und scheint meinte Sorge zu teilen. Seine Hand ruht angespannt neben mir auf dem Baumstamm und ich denke kurz darüber nach, wie es wäre, sie jetzt zu ergreifen. Ihm damit ein bisschen Sicherheit zu geben

„Macht ihr das auch da in dem Waldstück?"

Shivan schaut wieder zu Syl. „Öfter mal. Weil wir da halt alles dürfen und uns niemand was verbieten kann. Aber manchmal fahren wir auch zu Ruinen von alten Burgen oder so was."

„Das mit den Ruinen ist cool. Weil so was da früher ja vielleicht wirklich passiert ist."

Shivan entspannt sich, lächelt und nickt. „Ja, voll. Also, zur Zeit spielen wir ja die Story von Robin Hood nach. Nur ein bisschen abgewandelt."

Je mehr Fragen Syl stellt, desto lockerer wird Shivan. Er blüht richtig auf, während er vom LARPen erzählt. Und während mich das freut, macht es mich gleichzeitig auch ein bisschen traurig.

Ich hab all diese Fragen nie gestellt. Ich hab generell nie wirklich nach Shivan gefragt, obwohl ich es mir so fest vorgenommen habe.

„Ist alles okay?", fragt Shivan mich mit einem sanften Lächeln, als ich mich seit einer Weile nicht am Gespräch beteiligt habe. Ich nicke, obwohl es das nicht ist.

„Ich geh mal pissen", sagt Syl. Keine Ahnung, ob er bemerkt hat, dass Shivan und ich einen Moment allein gebrauchen könnten, oder ob es Zufall ist.

„Ist wirklich alles okay?", fragt Shivan noch mal sanft, als Syl sich ein paar Schritte entfernt hat. Vorsichtig legt er seine Hand auf meine und fährt sanft mit dem Daumen darüber.

Ich zucke mit den Schultern und senke den Blick. Zögere. Aus einigen Schritten Entfernung höre ich Syl pfeifen, während er wahrscheinlich gerade ins Unterholz pinkelt. Nicht wirklich genug Zeit, dieses Gespräch zu führen. „Lass uns wann anders darüber reden, ja?", frage ich leise. Schaue auf unsere Hände.

„Hab ich was falsch gemacht?", fragt Shivan.

Ich hebe den Blick. „Nein, auf keinen Fall!"

„Okay, dann ist gut." Er lächelt leicht und ich erwidere es.


Den Abend verbringen wir bei mir zuhause und zocken, bis meine Mutter Syl zum Heim fährt und Shivan zum Bahnhof bringt. Ich begleite ihn zum Bahnsteig, während sie im Auto wartet. All meinen Mut nehme ich zusammen, um das Thema von vorhin wieder anzusprechen. Weil ich es irgendwie noch klären möchte, bevor er geht, und glaube, dass es persönlich am besten geht.

„Wegen vorhin", setze ich schließlich an.

„Ja?"

„Ich hab Angst, dass du das Gefühl hast, ich interessiere mich nicht für dich. Weil ich ... nicht so nach dir frage, wie du nach mir. Oder wie Syl heute gefragt hat."

„Wieso fragst du denn nicht?", fragt Shivan sanft, nicht vorwurfsvoll.

„Ich weiß nicht." Am zugigen Bahnsteig gehe ich in mich und denke darüber nach. „Vielleicht ... habe ich einfach Angst, was Falsches zu sagen. Dass du nicht darüber reden willst oder meine Frage dumm ist oder so. Ich hab nicht so die Erfahrung mit Menschen." Ich grinse ein wenig, weil der Satz irgendwie so opferhaft klingt. Aber ich glaube auch, dass Shivan mich versteht.

Er nickt. „Ist nicht schlimm, Denny. Aber du brauchst echt keine Angst haben. Blöde Fragen gibt's nicht." Er grinst und auch meine Lippen verziehen sich.

Ich nehme mir vor, mehr nach ihm zu fragen. Wie ich mir schon so vieles vorgenommen habe – aber ich mache ja auch Fortschritte. Für ein Level-Up benötigt es eben mehr als einen Skill und mehr als eine Quest.


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