Das Zentrum | Patient Nummer F99-1669

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Die massive Metalltür schwingt auf und Dr. Hugo Perceval, ein gut gebauter, wenn auch ein wenig in die Jahre gekommener Franzose, kommt in den Raum. Sein Haut zeigt einen ungesunden bräunlichen Hautton, als hätte er etwas zu viel Zeit an der Côte d'Azur verbracht, was durch den Kontrast zu seinem klinisch weißen Laborkittel noch verstärkt wird. Auf seinem Gesicht liegt eine ausdruckslose Miene, wenngleich sie durch die Falten so wirkt, als wäre er überaus besorgt.

Langsam, als würde er jedes Geräusch vermeiden wollen, schließt er die Türe wieder. Von draußen erklingt ein einrastendes Geräusch.

„Guten Tag Ms. Hall", kommt es von Perceval, während er einen Stuhl nach hinten schiebt und sich setzt. Gelassen legt er ein Klemmbrett auf den metallenen Tisch vor sich, räuspert sich und fährt weiter, auf Englisch mit einem leichten französischen Akzent fort.

„Ich bin Dr. Hugo Perceval"

Er versucht sich an einem ungezwungenen Lächeln und scheitert kläglich.

„Ich bin heute hier, um Ihnen einige Fragen zu stellen. Die Antworten könnten uns bei der Erforschung des menschlichen Gehirns helfen und uns vielleicht neue Erkenntnisse über psychische Störungen wie Ihre liefern", sagte er in einem sachlichen, wenn auch andeutend freundlichem Ton.

Schweigen erfüllt den kleinen, zellenartigen Raum. Erwartungsvoll hebt der Doktor eine Braue in Richtung seines Gesprächspartners.

„Es freut mich, wenn ich Ihnen helfen kann."

Die Stimme gehört einem Mädchen. Einem, das vielleicht höchstens 17 Jahre alt sein konnte. Brüchig wie Asche kommen die Worte aus ihrem Mund.

Ohne der Tatsache große Beachtung zu schenken, dass sein Gegenüber mit mehreren Metallringen an einem Krankenbett festgehalten wird, fährt Dr. Perceval fort.

„Um mich während meiner Untersuchungen zu unterstützen", der Doktor macht eine kurze Pause und holt eine Fernbedienung aus einer Tasche an seinem Kittel.

Mit einem immer stärker werdenden Summen schaltet sich der Projektor über den Köpfen der beiden an.

„..wird ein Programm namens Phronesis verwendet."

Langsam erscheint das Bild, das auf eine der weißen Wände gestrahlt wird, immer klarer.

„Phronesis ist eine hochmoderne KI, die das menschliche Gehirn untersucht, um dadurch bei der Erschließung von Uhrsachen für Persönlichkeitsstörungen und Zwangsneurosen zu helfen und diese nachvollziehen zu können sowie vorzubeugen und zu behandeln."

Jetzt kann man die verschiedenfarbigen Flächen als Bilder eines Gehirns identifizieren. Das Gesamtbild besteht aus vier Einzelbildern, die am Rand alle mit kleinen Beschriftungen, Maßen und Zahlen versehen sind.

„Was Sie hier sehen ist Ihr eigenes Gehirn. Dank einer Methode, die einige renommierte Hirnforscher, sowie Psychologen entwickelt haben, ist es uns möglich die Aktivität gewisser Hirnpartien einigen psychischen Erkrankungen gegenüberzustellen, um so Zusammenhänge zu ziehen."

Mit einem Laserpointer an seiner Fernbedienung leuchtet Perceval auf einen rot markierten Bereich auf einer Abbildung, die das Gehirn von oben zeigt.

„Das hier ist eine der Besonderheiten an Ihnen."

Der Franzose lächelt plötzlich, als habe er den Spaß an seiner Arbeit wiedergefunden.

„Sie sind nicht einmal wie die anderen F99 Fälle. Selbst unter den Besonderen stechen Sie noch heraus."

„F99?", sagte das Mädchen leise. Es klingt mehr nach einem Code als nach einer Frage.

Der Doktor sieht ihr genau in die Augen. In diese dunkelblauen Augen, die im Angesicht der mitternachtsschwarzen Haare dennoch ein wenig hell wirkten. Ertappt, schreckt er plötzlich auf, fängt sich wieder und setzt zur Antwort an.

„Die International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems ist das weltweit wichtigste anerkannte Klassifikationssystem für medizinische Diagnosen aller Art. Das fünfte Kapitel der neusten Ausgabe, die ICD-10, enthält die internationale Klassifikation psychischer Störungen. Das Kapitel umfasst alle psychischen Störungen und ist in hundert Klassen von F00 bis F99 unterteilt. F99 steht für nicht näher bezeichnete psychische Störungen. Sie wurden dort klassifiziert, weil Sie nirgendwo anders richtig hinein gepasst haben."

Er zieht scharf die Luft ein.

„Doch im Gegensatz zu den anderen F99 weist Ihr Gehirn nicht genug Parallelen auf, um darauf schließen zu können wieso Sie.."

Der Doktor stockt.

„Was der Ursprung Ihres psychischen Leidens ist."

Das Mädchen sieht verständnislos zu ihm.

„Wie bitte?", fragt sie nach einer kurzen Pause.

Angestrengt atmet der Doktor aus, als wolle er sagen „Ich bin zu alt für diesen Scheiß".

„Ihr Gehirn ist dem eines nicht psychisch gestörten Menschen ähnlicher als dem eines solchen, dennoch haben Sie eine psychische Störung, aber eine, die nicht näher klassifiziert ist", redete er sich in Rage.

Immer noch sieht das Mädchen fragend zu ihm. „Wir haben ein perfektes System entwickelt, das psychische Störungen exakt analysiert und sofort sagen kann, ob jemand physische Besonderheiten aufweist. Laut diesem System haben Sie keine psychischen Störungen", schreit Perceval schon halb.

Erst jetzt zeigt sich ein anderer Gesichtsausdruck auf dem Gesicht des Mädchens. Ein Lächeln.

„Na super, dann kann ich ja jetzt gehen", scherzt sie.

Der Doktor presst sich eine Hand gegen die Stirn und sagt wieder etwas ruhiger „Lassen wir das. Phronesis, leite alles Nötige für die Befragung ein."

„Ja Doktor Perceval", hallt es aus einer unbestimmbaren Ecke des Raumes.

„Er ist hier?", sagt das Mädchen überrascht.

„ER, ist eine künstliche Intelligenz", antwortet der Franzose knapp.

Ein leises Geräusch ertönt und die Tür öffnet sich schlagartig. Zwei Frauen in langen blauen Kitteln, vermutlich Arzthelferinnen, betreten den Raum. Eine trägt eine kleine unscheinbare Box unter dem Arm. Mit schnellen Handgriffen stellt sie die Box auf den Tisch, öffnet sie und entnimmt ihr einige medizinische Instrumente, die sie geordnet auf den Tisch legt. Während eine der beiden Arzthelferinnen eine Spritze mit einer durchsichtigen Flüssigkeit befüllt, läuft die andere auf das Mädchen zu.

„Das könnte jetzt etwas zwicken", sagt sie wenig beruhigend.

„Warten Sie! Das dürfen Sie nicht!", ruft das Mädchen mit gequälter Stimme.

„Das neuste Gesetz zum Umgang mit Straftätern, welche psychische Störungen aufweisen, erlaubt nicht nur deren Festnahme und Behandlung gegen ihren Willen, sondern auch die Erprobung neuer.. sagen wir unkonventioneller Behandlungsmethoden."

Die harten Worte des Doktors hört das Mädchen schon fast nicht mehr, weil sie mit aller Kraft versucht sich von den Metallringen zu befreien. Noch eine kurze Zeit windet sie sich auf dem Krankenbett wie ein Aal im Netz, doch dann wird sie von einer der Frauen festgehalten. Nur für einen Moment hält sie still, doch es reicht für die zweite Krankenschwester um ihr die Spritze in den Arm zu stechen und den Inhalt in ihre Blutbahn zu entlassen. Schmerzerfüllt zuckt sie zusammen und schlägt sofort wieder um sich. Die Frauen hingegen entfernen sich von ihr, nehmen den Koffer und verlassen den Raum so schnell wie sie gekommen waren.

Langsam und bedrohlich schreitet der Doktor zu den Instrumenten die auf dem Tisch liegen geblieben sind.

„Ich habe Ihnen ein leichtes, schnellwirkendes Beruhigungsmittel gegeben, aber wenn Sie mich dazu zwingen, werde ich auch dieses hier anwenden."

Perceval deutet auf ein kleines gläsernes Döschen, das ein weißes, kristallines Pulver enthält.

„Das ist Amobarbital, ein langwirkendes Barbiturat mit Wirkung auf die GABAA-Rezeptoren, das häufig vom Secret Service bei Verhören verwendet wird. Angeblich soll es auch psychische Blockierungen lösen" , er macht eine kurze Pause um seine Worte wirken zu lassen. „Was bei Ihnen natürlich längst zu spät wäre", ergänzt er schon fast angewidert.

Das Mädchen nimmt all ihre Kraft zusammen und säuselt „Ich.. ich hätte auch so ehrlich ge-geantwortet. Was habe ich z-zu verlieren?".

Ihr Blick ist leer und ihr Kopf hängt nach unten, während ihr die Augen immer wieder zufallen. Eine fast schon zu hohe Dosis für ein Mädchen in ihrem Alter.

„Na gut, das werden wir ja noch sehnen. Durch das Beruhigungsmittel sinkt zwar Ihr Blutdruck und der Lügendetektortest funktioniert nicht mehr, aber Phronesis beobachtet Sie durch jede einzelne Kamera im Raum, misst Ihre Herzfrequenz und die Weitung Ihrer Pupillen. Sollte das nicht reichen, so kann auch ich unglaublich gut Lügen erkennen", macht der Doktor mit strengem Ton klar.

Der Blick des Mädchens schweift in Richtung der Kameras an der Decke, die wie kleine schwarze Augen aussehen und an jeder Ecke des Raums hängen. Ein winziger roter Punkt leuchtet immer wieder inmitten des schwarzen Glases.

Auffordernd, ungeduldig.

Schnell dreht das Mädchen den Kopf wieder weg. Ihr Gesicht eine Maske der Angst. Perceval sieht auf seinen Klemmbrett, räuspert sich und stellt die erste Frage.

„Haben Sie jemals mit dem Gedanken gespielt, jemandem etwas anzutun?

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