16. Türchen

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Was ist bei der ganzen Sache vergessen hatte, war, dass Harvey Seans Erzieher war.

Das Kind erzählte mir fröhlich, was er heute alles im Kindergarten machen und mit welchen Kindern er spielen wollte, während er mich durch die gelben Türen der Kindertagesstätte führte und mir dann stolz seinen Platz präsentierte.

„Das ist meiner", strahlte er und zeigte mir dabei stolz seine Zahnlücke.
Jeder Platz hatte eine kleine Holzplatte über dem Kleiderhacken kleben, auf dem ein Tier und der wahrscheinlich jeweilige Anfangsbuchstabe des Kindes abgebildet war. Auf Seans Platz war ein zufrieden aussehender Panda abgebildet, der an einer Bambusstange knabberte, während ein geschwungenes, rotes S darunter stand, das sich durch die knallige Farbe deutlich von dem schwarz-weißen Tier abhob.

„Na dann, hopp hopp, raus aus deinen Klamotten, damit du endlich spielen kannst", schmunzelte ich, als Sean sich bereits bei meinem ersten Hopp die Mütze vom Kopf zog. Ich hängte seinen Rucksack an seinen Hacken, so wie Asher es mir erklärt hatte, und half Sean noch aus seiner Jacke, verstaute Mütze und Schal sicher in den Ärmeln und hing sie mit zu seinem Rucksack.

Vollkommen selbstverständlich fuhren meine Finger durch seine von der Mütze wirren Haare und versuchte die Strähnen wieder etwas zu glätten. Sean schien das nicht zu stören. Eher im Gegenteil. Er hielt einen Moment inne, bis ich meine Hand zufrieden wieder von seinem Kopf nahm.

Der Knirps lächelte daraufhin kurz zu mir hinauf.
Ich konnte sein Lächeln nur erwidern. 

Ich war alles, aber kein Fan von Kindern, aber Sean machte es mir unglaublich leicht ihn zu mögen. Er war so ein lieber und wohl erzogener Junge. Ich hatte auf dem Weg hierher richtig Spaß mit ihm.

Das kleine Lächeln auf meinen Lippen blieb wie fest getackert.

Sean wusste genau, was noch zu tun war, denn er ließ sich gleich auf der kleinen Bank unterhalb seines Hakens nieder und wollte aus seinen Schuhen schlüpfen, kämpfte jedoch angestrengt mit dem Reisverschluss, der offenbar einfach nicht aufgehen wollte.

„Warte, ich helfe dir", kam es automatisch über meine Lippen. Ich kniete mich vor ihn, versuchte dabei nicht das Gleichgewicht zu verlieren, da der Boden nass von den Schneestiefeln der Kinder war, und half Sean aus seinen Winterstiefeln.

„Das sind meine Schlappen", grinste der Fünfjährige stolz, als ich sie unter der Bank, auf der er saß, hervorzog und stattdessen seine Stiefelchen darunter stellte. Mit einem beinahe stolzen Lächeln sah ich dabei zu wie seine kleinen Füße hineinschlüpften. „Cool oder?", kicherte der Knirps und wackelte mit seinen Füßen, die auf der Bank etwas in der Luft hingen, wild hin und her.
Dass der Kleine ein Wort wie cool verwendete brachte mich zum lachen.

„Ich mach noch ein Foto für deinen Papa, ok? Damit er weiß, dass wir sicher angekommen sind", ließ ich Sean wissen, der gleich wieder energisch zu nicken begann und mir ein perfektes Fotogrinsen schenkte, kaum hatte ich mein Handy hervorgekramt.

Mit den letzten Prozenten meines Handyakkus schoss ich ein zugegebenermaßen wirklich niedliches Foto von Sean, wie er mit diesem breiten Grinsen, seiner Zahnlücke und seinen stolz von sich gestreckten Hausschuhen auf der kleinen Bank saß.
Das Foto schickte ich gleich mit den Wort Angekommen an Asher.

„Na los, ab in deine Gruppe", grinste ich und hielt ihm meine Hand entgegen, die er gleich ergriff und mit meiner Hilfe schwungvoll von der Bank hüpfte.

„Holst du mich mit Papa ab?", fragte Sean, der plötzlich abrupt stehen geblieben war und mit großen Augen zu mir hoch sah.

Seine Frage erwischte mich unvorbereitet, sodass ich im ersten Moment nicht wusste, was ich darauf antworten sollte. Ich starrte einen Augenblick sprachlos auf das Kind hinunter, das plötzlich seine Unterlippe vorschob und ich Angst bekam, dass er gleich zu weinen anfangen würde.

Der Anblick seiner zitternden Unterlippe ließ mich augenblicklich schlecht fühlen.
Ich ging vor ihm in die Hocke, damit ich auf Augenhöhe mit ihm sprechen konnte und drückte seine kleine Hand in meiner aufmunternd.

„Ich arbeite leider bis abends, Sean", versuchte ich möglichst gefühlvoll rüberzubringen. Meine Hand verselbstständigte sich und strich ihm ein paar Haarsträhnen von der Stirn. „Aber ich kann mal mit deinem Papa reden. Vielleicht könnt ihr mich ja die Tage nochmal besuchen kommen", schlug ich dem Knirps vor, der weiterhin mit vorgeschobener Unterlippe nickte.

Mit seinem Nicken einverstanden, wollte ich mich wieder erheben, aber Sean zog mich mit seiner Hand in meiner wieder zu sich hinunter. Ehe ich mich versah, hatte er seine Arme um meinen Hals geschlungen und presste seinen kleinen Körper an meinen.

Ich brauchte einen Moment, um realisieren zu können, dass er mich umarmte, wodurch ich ein bisschen länger brauchte, um meine Arme ebenfalls um seinen Körper zu legen und ihn vorsichtig an mich drückte.
Daraufhin drückte Sean sich nur noch stärker an mich.

„Und jetzt hopp." Ich schob das Kind wieder etwas von mir, als mir die Umarmung irgendwann zu viel wurde. Einerseits freute es mich, dass Sean mich offenbar so schnell in sein Herz geschlossen hatte, andererseits fand ich es ein bisschen beängstigend, dass es nicht einmal vierundzwanzig Stunden gedauert hatte.

Sean war wieder ganz in seiner guten Launeblaße verschwunden und grinste zu mir hoch, ehe er schwungvoll auf dem Absatz kehrt machte und in seine Gruppe fetzte, wo man lautes Geschrei vernehmen konnte.

Genau in diesem Moment trat Harvey in die Tür, durch die Sean gerade rannte und dabei beinahe mit seinem Erzieher kollidierte, der jedoch noch kurz vorher ausweichen konnte. Er sagte etwas, was ich jedoch über das Geschrei der Kinder hinweg nicht verstehen konnte und sah dann in den Flur hinaus, wo er mich stehen sah.

Er zog seine Augenbrauen fragend zusammen und als er dann auch noch in meine Richtung kam, kämpfte ich angestrengt mit mir selbst, um nicht einfach davon zu laufen.

Auf dieses Gespräch war ich ganz und gar nicht vorbereitet.
Wie konnte ich auch vergessen, dass Harvey hier arbeitete?!

„Irwin?", fragte mein Nachbar überrascht und blieb nur wenige Meter vor mir stehen. Seit dem Unglück in meiner Wohnung hatten wir uns nicht mehr gesehen und wenn man bedachte, dass das alles nur passiert war, weil Harvey dachte, dass ich mit Asher geschlafen hatte, warf es nun ein verdammt schlechtes Licht auf mich, dass ich mit dessen Sohn hier aufkreuzte.

„Hey", begrüßte ich ihn so locker wie möglich und zwang mir ein Lächeln ab.

Harvey warf einen Blick über seine Schulter in Richtung der offenen Tür, ehe er sich wieder an mich wandte. „Du hast Sean hergebracht?" Die Antwort auf diese Frage war offensichtlich, genau deswegen passte mir auch Harvey Tonfall nicht.
Natürlich würde er das alles gleich wieder ganz anders aufnehmen als es wirklich war.

„Jep", antwortete ich knapp, poppte dabei das P vielleicht etwas zu stark und wartete seine Reaktion ab. Harveys Augenbrauen zogen sich skeptisch zusammen und seine Lippen waren zu einem dünnen Strich gepresst.

„Aha", kam es dann unterkühlt von meinem Nachbarn. Seine Nase kräuselte sich, ehe er den Kopf schüttelte und leise seufzte. „Ich dachte, ihr schlaft nicht miteinander."
Hingegen meinen Erwartungen waren seine Worte jedoch nicht schnippisch oder vorwurfsvoll, sondern ehrlich verwirrt und nach einer ehrlichen Antwort lechzend.

Sein niedergeschlagener Ausdruck weckte zwar ein schlechtes Gewissen in mir, gleichzeitig ärgerten mich seine Worte.
„Das ist also doch bei dir angekommen", kam es härter als gewollt von mir. Für die Plätzchen war es schon zu spät, aber, wenn er mir eh zugehört hatte und wusste, dass ich nicht mit Asher geschlafen hatte, warum zum Teufel musste die Lasagne dann auch noch daran glauben?

Harvey verstand sofort, worauf ich hinauswollte und senkte beschämt den Kopf. Seine Hand fuhr in seinen Nacken, den er sichtlich nervös kratzte.
„Ja... das... das tut mir echt leid", murmelte er und blinzelte aus seinen langen Wimpern zu mir hinauf.

Einen Moment lang sah ich ihn nur an, ehe ich seufzend nickte.
„Asher und ich schlafen wirklich nicht miteinander", versicherte ich ihm.

Ja, ich hatte darüber schon oft nachgedacht und ja, er wollte mich gestern küssen, aber trotz allem konnte ich ehrlich behaupten, dass wir keinen Sex hatten. Gott, wir hatten uns ja noch nicht einmal geküsst.

Harvey schien daraufhin erleichtert aufzuatmen.

„Und Sean?", fragte er und zeigte mit seinem Daumen über seine Schulter hinweg in Richtung dem Raum, in dem Sean irgendwo sein musste. „Wie kommst du dazu ihn herzubringen?"

Ich zuckte daraufhin die Schultern. „Ich war gestern Abend bei ihnen und Asher hat mir wegen dem starken Schneefall angeboten auf dem Sofa zu schlafen. Heute morgen ist es etwas hektisch geworden und ich habe Asher angeboten ihn hierher zu bringen." Ich zuckte erneut mit den Schultern. Es war die Wahrheit.

„Und Asher hat keine Anspielungen gemacht?", fragte Harvey und verzog abermals das Gesicht. „Er hat nicht versucht dich ins Bett zu kriegen?"

Die direkte Frage stieß mich etwas auf und entlockte mir fast eine patzige Antwort, als ich realisierte, dass das offenbar wirklich eine Überraschung für Harvey war.

Ein langgezogenes „Uh" kam über meine Lippen. Asher hatte versucht mich zu küssen, aber auf eine sehr liebreizende Art und Weise und irgendwie hatte ich nicht das Gefühl, als hätte er mich an diesem Abend in sein Bett locken wollen.

„Nein", antwortete ich schließlich. „Es war ein ganz normaler Abend. Wie Kumpels."

Ich hätte niemals gedacht, dass meine Antwort Harvey derart niederschmettern würde. Ich dachte viel eher, dass er mir einfach nicht glauben würde, so wie letztens in meiner Wohnung. Aber das kam überraschend. Die Tränen, die plötzlich in seinen Augen glänzten, waren für mich so unvorhergesehen, dass ich im ersten Moment nicht wusste, was ich tun sollte.

„Hey, Harv", murmelte ich leicht überfordert und zog meinen Nachbarn im nächsten Moment einfach in die Arme. Anders wusste ich mir gerade nicht zu helfen.

Harvey klammerte sich sofort an mich, presste sein Gesicht in meine Schultern und kämpfte anscheinend wirklich mit seinen Tränen. Sein Körper bebte unter meinem Griff und machte die ganze Situation für mich nur noch unangenehmer.

Ich hatte gerade mit meiner Antwort einen erwachsenen Mann in Tränen ausbrechen lassen. Das war auf jeden Fall nicht meine Absicht. Ich dachte, Harvey wäre froh, wenn zwischen Asher und mir nichts passierte.

„Oh Gott, entschuldige", murmelte Harvey ertappt, als er sich ruckartig von mir löste und sich mit der Hand durchs Gesicht strich. „Ich... ach, egal." Er schüttelte den Kopf und versuchte mir entgegen zu lächeln, was jedoch drastisch scheiterte.

„Harv... ich will ehrlich sein...", fing ich vorsichtig an. Mein Gegenüber strich sich erneut durchs Gesicht, nickte dabei leicht und versuchte mir gefasst entgegen zu sehen. Es war wahrscheinlich der denkbar ungünstigste Ort für ein solches Gespräch, aber ich musste es einfach los werden.

„Ich mag Asher. Sehr."

Harvey sah nur daraufhin nur ausdruckslos entgegen.

„Und weil ich weiß, dass es irgendwelche Differenzen zwischen euch gibt und weil ich dich durchaus ins Herz geschlossen habe, Harvey, möchte ich, dass du das weißt. Ok?"

Ich wollte etwas vorsichtiger klingen, aber die Worte sprudelten einfach so aus mir heraus, sodass ich nur abwartend die Luft anhalten konnte.
Ich konnte nicht einschätzen, wie er reagieren würde, nachdem er bei dem bloßen Gedanken an Sex mit Asher schon so durch die Decke gegangen war. Abermals bereute ich meine Ortswahl. Sein Arbeitsplatz bei kleinen Kindern war mehr als nur schlecht dafür.

Harvey nickte resigniert, sagte jedoch nichts dazu.
Er machte Anstalten sich wegzudrehen, hielt jedoch inne und schenkte mir dann ein wackliges Lächeln.

„Ich glaube, er mag dich auch", murmelte er dann und nickte mehrmals.

„Andernfalls hätte er dir Sean nicht einfach so anvertraut. Ich... ich bin sein Kindergärtner und trotzdem hat Asher mich nie mit ihm allein gelassen." Seine Mundwinkel zuckten leicht, ehe er abermals nickte.

„Danke, dass du es mir gesagt hast, Irwin", lächelte Harvey, was mich ebenfalls zum lächeln brachte.

Er wollte sich erneut wegdrehen um wieder an die Arbeit zu gehen, ehe er sich noch einmal zu mir drehte. Diesmal mit einem leichten Rotschimmer auf den Wangen.

„Ich würde das Missgeschick in deiner Wohnung gerne wieder gut machen." Der Rotschimmer auf seine Wangen zeigte mir deutlich, dass es ihm extrem unangenehm sein musste.

Doch ich schüttelte den Kopf. „Bei aller Liebe, deine letzte Wiedergutmachung hat nicht so gut geendet. Wir wollen keine Wiederholung davon", schmunzelte ich, was auch Harvey zum Lächeln brachte. Diesmal war es ein richtiges Lächeln und darüber war ich wirklich froh.

„Aber wenn du irgendwie dafür aufkommen möchtest, dann..." Ich stockte, als ich realisierte, um was ich ihn gerade bitten wollte.

„Dann?", fragte Harvey interessiert nach. Das altbekannte Glitzern kam in seine Augen zurück, was mich etwas erleichterte. Harvey war so ein Sonnenschein. Ihn so fertig zu sehen, ließ mich unwohl fühlen.

„Du weißt sicherlich, wie man Eierpunsch macht, oder?", fragte ich zögerlich. Das energische Nicken, dass daraufhin von Harvey kam, ließ mich fast lachen. „Ich hätte gerne eine Flasche."

„Gib mir zwei Tage und du bekommst eine", grinste Harvey, stieß mir nickend mit der Faust gegen die Schultern und drehte sich dann weiterhin mit einem breiten Lächeln zurück und ging diesmal wirklich zurück in seine Gruppe. 

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