6. Türchen

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Nach meinem Ausraster am Freitag im Büro, kam mir der freie Montag sehr gelegen, sodass ich Montagmorgen das selbe tun konnte, was ich schon das Wochenende über getan hatte: Und zwar nichts.

Es war bereits elf Uhr, als ich mich schwerfällig aus den Feder wuchtete und erst einmal einen Abstecher ins Bad machte, wo mir mein bärtiges Ich im Spiegel müde entgegen blinzelte.

Gut, dann würde ich meinen freien Tag eben dafür nutzen meinen Bart endlich zu rasieren.

Nachdem ich also meine Zähne geputzt und mein Gesicht gewaschen hatte, trug ich eine großzügige Schicht Rasierschaum auf und konzentrierte mich, damit ich mich ja nicht schnitt.
Ich war kein geübter Rasierer, weil mein Bartwuchs unglaublich langsam war und was bei anderen Männern ein drei Tage Bart war, war bei mir eher ein drei Wochen Bart. Dadurch kam ich Gott sei Dank relativ selten in den Geschmack des Rasierens, vor allem, weil ich meinen Bart meistens nur stutzte und nur sehr selten komplett wegmachte.

Aber an diesem Morgen packte mich die Lust, sämtliche Barthaare aus meinem Gesicht zu entfernen.

Ich hatte bereits eine Wange fertig und kümmerte mich gerade um meinen Hals, als es an der Tür klingelte und ich entnervt aufstöhnte.

Wer zur Hölle stand bitte jetzt wieder vor meiner Tür?

Hoffentlich nicht wieder eine Gruppe singender Kinder. Heute hatte ich absolut keinen Nerv für so etwas und würde ihnen ohne zu zögern die Tür vor der Nase zu schlagen.

Ungeniert, weil ich nur schnell den Störenfried abwimmeln wollte, öffnete ich also mit Rasierschaum im Gesicht meine Wohnungstür, nur um einen grinsenden Harvey davor vorzufinden.

„Harvey?", fragte ich perplex und schämte mich im nächsten Moment dafür mir nicht vorher doch den Schaum aus dem Gesicht gewaschen zu haben.

„Der schöne Bart", schmunzelte mein Gegenüber und schob seine Hände in die Taschen seines Mantels, den er wie letztes Mal wieder offen trug. Auch der knallrote Schal hing wieder lose um seinen Hals und die rote Mütze spitzte offensichtlich aus seiner Manteltasche.

„Mittlerweile war es schon nicht mehr ansehnlich", gab ich mit glühenden Wangen zu und war plötzlich doch froh, den weißen Schaum im Gesicht zu haben, damit Harvey meine roten Wangen nicht sehen konnte.

„Mir hats gefallen", offenbarte mein Nachbar und schenkte mir ein breites Lächeln, bei dem mir kurz der Atem weg blieb. Wenn ihm mein gewucherter Bart wirklich gefallen hatte, dann war er damit alleine.

„Naja, warum ich eigentlich da bin. Hast du Zeit? So ein oder zwei Stunden?"

„Jetzt sag nicht, du hast deine Plätzchen wieder fallen gelassen", platzte es panisch aus mir heraus. Noch einen Abend Plätzchen backen würde ich nicht überleben, egal, wie sehr ich den Abend mit Harvey genossen hatte.

Mein Nachbar begann sofort zu lachen und schüttelte energisch den Kopf. Sein Lachen hallte angenehm durch das Treppenhaus und entlockte mir ebenfalls ein Lächeln. Ich fand durch und durch glückliche und gut gelaunte Personen schon immer eindrucksvoll, wenn auch schrecklich nervig auf Dauer.

„Nein, nein. Keine Panik", schmunzelte er. „Ich wollte dich fragen, ob wir Eislaufen gehen wollen."

„Eislaufen?", fragte ich blöd nach, obwohl ich ihn klar und deutlich verstanden hatte und verzog automatisch das Gesicht als Harvey nickte. Meine Reaktion entging meinem Gegenüber natürlich nicht, denn er verzog auch kurz das Gesicht, ehe er einen Zettel aus seiner Manteltasche kramte.

„Ich habe eine Monatskarte für zwei. Du müsstest nicht einmal etwas bezahlen." Mein Blick verfing sich kurz auf der blauen Karte, die in Harveys Händen überraschend groß wirkte. Erst da fiel mir wirklich auf, wie klein Harveys Hände eigentlich waren.

Warum hatte er überhaupt eine Monatskarte für zwei?

„Ich kann nicht Schlittschuhlaufen", offenbarte ich und straffte die Schultern. Eislaufen war tatsächlich das Letzte, was ich heute machen wollte, doch Harveys hoffnungsvoll glitzernden Augen machten mir die Absage echt schwer.

Aus irgendeinem Grund brachte ich das „Nein" und das „Ich habe keine Lust" nicht über meine Lippen und spürte lediglich, wie mein Kopf zu nicken begann.

Harvey begann sofort zu strahlen. Seine weißen Zähne blitzten mir entgegen und seine Augen funkelten begeistert, als er kurz auf seinen Fußsohlen wippte und die Karte zurück in seine Manteltasche steckte. „Dann bringe ich es dir bei", lächelte er zufrieden und ich konnte daraufhin ebenfalls nur lächeln.

„Lass mich das nur noch fertig machen." Ich deutete in mein Gesicht, auf dem der Schaum langsam zu jucken begann und Harvey nickte lachend.

„Du kannst reinkommen, wenn du möchtest", bot ich ihm an, woraufhin der Brünette nickend hereintrat.

„Fühl dich wie zuhause." Mit diesen Worten ließ ich ihn im Eingangsbereich stehen und verzog mich wieder ins Bad, wo ich meine Arbeit fortsetzte. Diesmal deutlich unkonzentrierter.

Der Gedanke, dass jemand in meiner Wohnung war, ließ mich irgendwie hibbelig werden, weshalb ich mich umso mehr beeilte, um fertig zu werden.

„Du bist echt kein Weihnachtsfan", merkte Harvey an, der, wie ich hörte, durch mein Wohnzimmer wanderte. Die Badezimmertür stand offen und durch den Spiegel konnte ich seinen Schatten auf dem Parkettboden wage erkennen.

Seine Aussage entlockte mir ein belustigtes Schnauben. „Wie kommst du darauf?", fragte ich schmunzeln nach, ehe ich meinen Schnauzer entfernte.

„Ich habe noch nie eine weniger weihnachtliche Wohnung gesehen", stellte mein Nachbar fest und trat ungeniert an die offne Badezimmertür heran und lugte mit einem frechen Grinsen herein.

„Ach man, kein Vollbart und auch kein Schnauzer? Du machst echt alles weg?", schmunzelte er und beobachtete die Bewegungen des Rasierers genauestens.

„Wenn du so auf Bärte stehst, warum trägst du dann selber keinen?", grinste ich und vollendete meine Rasur mit den letzten Handgriffen.

Harvey fasste sich ertappt an das haarlose Kinn und strich sich mit seinen langen Fingern über seine Wange. „Ich würde einen Bart stehen lassen, wenn einer wachsen würde", schmunzelte mein Nachbar. Ich konnte vergnügt feststellen, dass sich dabei ein kleiner Rotschimmer auf seinen Wangen bildete.

„Dir wächst kein Bart?", fragte ich überrascht und wusch mir das Gesicht mit Wasser aus um die letzten Spuren meiner Rasur zu entfernen.

„Nein", antwortete Harvey kurzangebunden und zuckte mit den Schultern.

„Wie alt bist du? Zehn?", scherzte ich, woraufhin Harveys Nase sich kurz kräuselte. Der Spaß war gemein, vor allem, weil mein Bartwuchs auch erst mit Ende Zwanzig wirklich angefangen hatte und ich somit ein absoluter Spätzünder war.

„Vierundzwanzig", antwortete Harvey und überraschte mich mit der Antwort derart, dass ich mein Aftershave großzügig in meiner Spüle verschüttete. „Shit", fluchte ich sofort und schüttelte über meine eigene Tollpatschigkeit den Kopf. Dahin war das teuere Aftershave, das mir meine Schwester zum Geburtstag geschenkt hatte. Ich seufzte leise und träufelte den letzten Rest, der noch in der Glasflasche zurückgeblieben war, auf meine Handfläche unter verteilte es auf meinen Wangen und meiner Halspartie.

„Hat dich die Antwort jetzt so überrascht?", fragte Harvey und klang dabei beinahe nervös.

Nervös? Warum war er nervös?

„Nein, nein. Keine Ahnung", murmelte ich und wusch mir noch kurz die Hände, ehe Harvey für mich Platz machte, damit ich aus dem Bad treten konnte. „Ich zieh mich kurz an."

Ich schloss meine Schlafzimmertür hinter mir, checkte kurz das Wetter in meiner Wetterapp und zog mich dann den Temperaturen entsprechend im Zwiebellook an. Gerade, weil ich wusste, dass die Eisbahn im Freien war, zog ich mich besonders warm an und achtete darauf, meine Handschuhe einzupacken, bevor ich wieder zu Harvey ins Wohnzimmer trat, der die Bilder auf meiner Kommode inspizierte.

„Deine Freundin?", fragte der Brünette unverschämt und deutete auf ein Bild von mir und Maeve, das dort genauso wie die anderen zwei Bilder nur stand, weil Maeve sie mir geschenkt hatte und ich sie nicht einfach wegschmeißen wollte.

„Meine Schwester", antwortete ich also, was Harvey verständnisvoll nicken ließ.

„Ihr seht euch gar nicht ähnlich", murmelte Harvey und musterte die Bilder noch einmal genau.

„Ja, das sagen viele", murrte ich und zog mir raschelnd meinen Mantel über, um Harvey zu signalisieren, dass ich bereit war zu gehen. Der Brünette warf sich ebenfalls in seinen Mantel, wickelte seinen Schal um den Hals und lächelte mir breit entgegen, als ich ihm die Wohnungstür öffnete und hinausgehen ließ.

Leider Gottes waren die Temperaturen noch kälter, als die Wetterapp angegeben hatte, sodass ich, kaum waren wir ins Freie getreten, meinen Mantel zuknöpfte und meine Wollmütze über die Ohren zog. Jetzt bereute ich es doch, den Bart gänzlich entfernt zu haben, da die kalte Luft unangenehm auf meiner Haut bitzelte.

Auch Harvey setzte seine knallrote Mütze auf und schob die in Handschuhe gehüllten Hände lächelnd in seine Manteltaschen.

„Ich freue mich, dass du mich begleitest. Ich wollte schon die ganze Zeit über gehen, aber irgendwie hat sich kein Freiwilliger gefunden, der mitgeht", lächelte Harvey mit roten Wangen. Kurz begann ich zu spekulieren, ob seine Wangen nur wegen der Kälte so rot wurden oder ob es an Harveys Worten lag. Bevor ich mir jedoch aktiv Gedanken darüber machen konnte, verloren meine Füße auf dem vereisten Gehweg ihren Halt und mit rudernden Armen machte ich beinahe wieder Bekanntschaft mit dem Boden. Doch Harvey reagierte schnell, packte mich am Arm und half mir damit wieder mein Gleichgewicht zu finden.

„Das geht ja schonmal gut los", murrte ich und spürte, wie sich die schlechte Laune langsam in meinem Körper verbreitete.

Genau deswegen wollte ich heute das Haus nicht verlassen.

„Das kann ja heiter werden", kicherte Harvey, als wir unseren Weg wieder fortsetzten und ich jeden Schritt genauestens kalkulierte, um einem erneuten Fall vorzubeugen. „Wenn du nicht mal jetzt stehen bleibst, wie soll das nur auf Kufen werden", schmunzelte er und stieß mir sanft in die Seite.

Ich grummelte nur.

Man konnte die Eisbahn schon hören, bevor man sie sah. Das Kratzen der Kufen auf dem gefrorenen Eis, die Schreie der Kinder und derjenige, die sich nicht mehr aufrecht halten konnten. Ab und an hörte man sogar jemanden schwungvoll in die Bande donnern.

Je näher wir unserem Ziel kamen, desto größer wurde das Lächeln auf Harveys Lippen und plötzlich fand ich es doch gar nicht mehr so schlimm, dass er mich hierher geschleift hatte.

Zumindest hatte einer Spaß.

Die Stände des alljährigen Weihnachtsmarktes wurde bereits aufgebaut, sodass zahlreiche Holzhütten um die Eisbahn standen und den Zugang zum Eingang ein wenig erschwerten. Ich wollte es mir gar nicht vorstellen, wie es hier zugehen wird, wenn der Markt, dann demnächst eröffnen würde.

Mit Harveys Monatskarte ging das Bezahlen des Eintritts recht schnell, sodass ich erst bemerkte, dass Harvey für das Ausleihen meiner Schlittschuhe bezahlt hatte, als die Dame mich nach meiner Schuhgröße fragte.

„Das hättest du nicht tun müssen", murmelte ich etwas perplex und nahm die blauen Leihschuhe entgegen.

Harvey zuckte nur mit den Schultern.
Wir ließen uns auf einer Bank nieder, zogen stumm unsere Schuhe an, zum Glück war das Schließsystem der Schnallen recht einfach, und verstauten unsere Stiefel in extra dafür aufgestellten Spinds. Das Gehen auf Kufen auf dem rutschfesten Gummiboden stellte sich überraschend einfach heraus, sodass ich sogar guter Dinge war, dass es auf dem Eis ähnlich sein würde.

Ich kämpfte gerade mit dem Geldeinwurf, damit das dumme Ding auch zu blieb, da hörte ich jemanden nach Harvey rufen. „Nanu, Harvey?" Die tiefe, männliche Stimme ließ mich interessiert aufsehen.

Harvey, der direkt hinter mir stand und nur auf mich wartete, spannte sich sichtbar an und machte einen kleinen Schritt in meine Richtung. Wenn ich es nicht besser wissen würde, würde ich sagen, dass er verängstigt war. Doch die glänzenden Augen und das klitzekleine Lächeln auf seinen Lippen sagten mir etwas anderes.

„Du nutzt die Monatskarte also doch", grinste der Kerl, der offenbar nach Harvey gerufen hatte und trat an uns heran.

Er trug eine schwarze Jacke, die das Logo der Eisbahn trug, wodurch ich davon ausging, dass er hier arbeitete. Dass er noch dazu normale Stiefel anstatt Schlittschuhen trug, sprach ebenfalls dafür.

Er hatte einen ordentlichen Drei-Tage-Bart, trug eine Kappe, die seine Ohren freiließ, sodass diese sich durch die Kälte schon rot gefärbt hatten, und hatte die Hände lässig in die Hosentaschen geschoben. Er war groß, deutlich größer als ich, und musterte mich mit einem kecken Ausdruck in den Augen. Ihm war natürlich nicht entgangen, dass ich ihn genauso inspiziert hatte.

Harvey zuckte als Antwort lediglich mit den Schultern.

„Hast du mich schon ersetzt?", grinste der Typ und nickte dabei in meine Richtung. „Ich hätte nicht gedacht, dass du meine Monatskarte für andere Kerle nutzt." Obwohl er lächelte und offenbar teilnahmslos wirken wollte, konnte man aus seinem Tonfall deutlich heraushören, dass ihm das ganz und gar nicht passte.

Ersetzt? Andere Kerle?
Hieß das?

Als die Erkenntnis langsam durch meine Gehirnwindungen sickerte, riss ich überrascht die Augen auf.

Harvey war schwul und unser Gegenüber anscheinend sein Exfreund, von dem er auch die Monatskarte bekommen hatte.

Dem Fremden entging meine Reaktion nicht, denn ein breites, süffisantes Grinsen bildete sich auf seinen Lippen. „Oh Harv, du hattest schon immer ein Faible für Heten. Nächstes Mal solltest du dein Date vielleicht mal darauf hinweisen, dass du für das andere Team spielst." Der spöttische Tonfall des Typen gefiel mir ganz und gar nicht und das blöde Grinsen auf seinen Lippen ging mir auch ziemlich auf den Senkel.
Ich wollte gerade eine schnippische Antwort geben, da drückte Harvey plötzlich eine Hand gegen meine Brust, als hätte er gespürt, dass ich etwas sagen wollte, und stoppte mich damit in meinem Vorhaben.

„Asher, du hast mir die Karte zur freien Verfügung geschenkt", murrte Harvey mit fester Stimmlage und straffte seiner Schultern, „also steh uns nicht weiter im Weg."

Meine Begleitung griff unvorhergesehen nach meiner Hand, drückte sie fest, als hätte er Angst, ich würde sie ihm entziehen und ging ohne einem weiteren Wort an diesem Asher vorbei, der uns nur mit einem finsteren Blick hinterher sah.

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