3- "Ich rede nicht von der dämlichen Armbrust."

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✥✥✥

Calean war hier. Calean. Und mit ihm kehrten auch die Erinnerungen an all die Momente gemeinsam zurück.
Was sich für mich wie eine Ewigkeit zog, in der ich ihm zusah, wie er sich den Schnee aus den Haaren schüttelte, war objektiv nur Sekunden, in denen ich eine sogar subjektiv fürchterliche Entscheidung fällte.

Wenn Calean hier war, konnte ich nicht hier sein.

Es war simpel. Es zerbrach mich in tausend Scherben. Ich hatte keine Ahnung, was Nacats Fluch genau beinhaltete. Ich durfte ihm nichts davon erzählen, sonst würde Calean sterben.
Es gab viel, was ich zuletzt riskiert hatte, aber das nicht.

Und vielleicht hatte er mich ja nicht erkannt und einfach irgendjemand anderen vor Maze retten wollen? Maze.
Mit einem Ruck kam ich auf die Füße und setzte zur Verfolgung an. Oder zur Flucht?

„Gwinn?"

Maze hatte auf mich geschossen. Egal, wie merkwürdig er die letzten Tage gewesen war, der Gedanke wollte sich nicht verfestigen. Maze würde mir so etwas nie... Was hatte Amila gesagt? Er hatte sich nie zurückverwandelt?
Schnee klebte an meinen Schuhen und machte mir das Laufen schwer. Ich stolperte und strauchelte auf den Wald zu, als hätte ich zu viel Rila-Branntwein getrunken. Ich ignorierte meinen Namen mit jedem Schritt. Ignorierte den Wunsch, meine Arme um seinen Hals zu werfen, ganz egal, wie sehr er das verabscheute.

Calean holte so schnell zu mir auf, dass es peinlich war. Mit einem Griff packte er mich am Oberarm und drehte mich zu ihm um.
„Und was hast du vor?"

Irgendetwas an diesem Jungen machte mich dumm. Denkprozesse kamen zum Erliegen. Eben empfundene Todesängste oder der Verrat eines Freundes wurden in den Hintergrund gedrängt von seiner bloßen- und zudem noch unerklärlichen- Anwesenheit.

Hinter ihm gestikulierte eine schwer atmende Amila, dass mir der Mund offenstand. Verrenkungen, die mich kurzzeitig zurück in meinen Kopf holten. Mit einem Ruck machte ich mich von ihm los und drehte mich wieder um. Ich konnte nicht in seiner Nähe sein. Es war zu gefährlich.
„Nacat hat meine Schwester. Ich muss sie finden."

„Und wie?", das war Amila, die erstaunlich erschüttert in ihrer sonst gleichgültigen Fassung war, „Maze ist dort draußen, Gwinn. Oder was so aussieht wie Maze. Und er wird dich umbringen, wenn er die Chance hat."

Oder was so aussieht wie Maze. Ich stockte und schloss für einen Herzschlag die Augen. Wie wollte ich Garcy finden? Ohne Maze. Ohne meinen Maze.
Widerwillig drehte ich mich zu den anderen beiden um und traf Caleans steinernen Ausdruck, der mich hier und jetzt beerdigen wollte.

Nein, das konnte ich nicht.
Spontan machte ich wieder kehrt und lief weiter. Ich würde einen Weg finden. Ich fand immer einen. Aber ein Calean, der dachte ich, hätte ihn verraten, weil ich ihm die Schuld an Mazes Verwandlung gab... Ich hätte nie... ich könnte nie...

„Hast du sie ihm gegeben?"

Caleans Frage echote über das dunkle Feld zu mir herüber. Ich blieb lediglich stehen, weil ich keine Ahnung hatte, wovon er redete. Oder zumindest sagte ich mir das.
Warum war er hier? Er musste uns gefolgt sein. Es gab keine andere Erklärung, wie er hatte so schnell am richtigen Ort sein können. Die Idee beschleunigte meinen Herzschlag ums Doppelte. Aber warum?

Mein Blick fiel auf die Armbrust, die er mit spitzen Fingern von sich hielt.
Er sah größer aus als davor. War das möglich? Oder hatte ich ihn so lange nicht mehr gesehen, dass ich vergessen hatte, wie-... Moment. Er hatte eine Frage gestellt. Antwort. Ich brauchte eine...
„Die Armbrust? Nein, die hat er den-..."

„Ich rede nicht von der dämlichen Armbrust. Ich rede von der Waffe der Nebelflüsterer", schnitt er mir harsch das Wort ab.

Eine Gänsehaut wanderte über meine Arme. Deshalb also. Unwillig das ganze Dorf in dieser Konversation zu beteiligen, kam ich wieder einige Schritte zurück.
„Wie kommst du darauf, dass ich sie haben würde?"
Warum hatte Maze dasselbe gedacht?

Calean verlor sichtlich an Geduld. In seiner dunklen Winterkleidung erinnerte er mich an Maze. Finstere, graue Augen, bleiche Haut. Nebelflüsterer waren definitiv keine Sonnenfeen.
„Nacat behauptet, Maze hätte sie dir gegeben. Bevor du und Maze die Schule in den Boden gestampft habt. Was ist los? Hat dich dabei ein Balken am Kopf getroffen?"

„Erstaunlicherweise, ja", gab ich zurück. Ich wusste, was er dachte. Dazu musste ich nicht einmal magisch begabt sein. Er war hier, wegen der Waffe und er hasste jede Sekunde davon, weil er es mit mir zu tun hatte. Die Vorstellung traf mich tiefer, als ich zugeben wollte. Ich hatte ihn nicht verlassen. Aber eher hätte ich meine Zunge abgebissen, als ihm das zu sagen.

„Ihr hattet eine hässliche Trennung, hm?", beendete Amila unseren stummen Blinzelwettbewerb. Sie grinste von einem Ohr zum anderen.

Ertappt fuhr ich herum, doch Calean nahm seine Augen nicht von mir. Er starrte mich an, als wolle er mich spontan in Flammen aufgehen lassen. Mit einem langsamen Kopfschütteln löste er sich schließlich.
„Amila, ich habe die Fähigkeit und die Motivation dich in Wissen einzuweihen, dass dich in den Wahnsinn treiben würde. Leg es nicht darauf an."

Ich schüttelte ebenfalls den Kopf, um ein wenig Klarheit in die Situation zu bringen. So würden wir nirgendwo hinkommen und wir mussten etwas unternehmen. Dringend.
„Ich hab die Waffe nicht. Maze sagte, du hättest-..."

Calean Geduldsfaden kam an sein Ende.
„Offensichtlich nicht, sonst würde ich nicht wie ein Idiot durchs Land rennen und versuchen Schaden zu begrenzen. Durchsuch deine Taschen, vielleicht hast du sie noch bei dir. Silbriger Stein. Etwa so groß." Er machte eine Geste und meine Welt machte einen außerplanmäßigen Ruck nach links.

Oh nein. Ich starrte auf seine Hände. OH NEIN. Mein Magen befand sich in einem endlosen Fall und mein Mund wurde spontan trocken. Ich hatte so einen Stein gesehen. Vor Wochen.

Amila bemerkte von meiner wachsenden Panik für einen Empath erstaunlich wenig, sondern fixierte sich stattdessen auf Calean.
„Wenn ich gewusst hätte, dass du mit deinem ganzen Ballast um die Ecke kommen würdest, hätte ich meine Kräfte mit Sidra begraben", schnappte sie zurück, ihr Gewicht auf die Zehenspitzen rollend, damit sie Calean wenigstens bis zur Schulter ging.

„Oh nein", wiederholte ich meine kreisenden Gedanken und schnitt dieses Mal Calean eine bissige Antwort ab. Er fuhr zu mir herum, als hätte ich ihn geohrfeigt. Oder er kannte mich zu gut.

„Was hast du getan?" Dieser Tonfall konnte Steine spalten.

Ich zog die Schultern hoch und drehte mich von ihnen fort. Silbriger Stein? In meiner Hosentasche? Ich wusste, wann ich den zuletzt gehabt hatte.
„Nyam hat die Waffe."

„Du hast sie dem Herold des Königs gegeben?" Der Chor meiner Freunde klang wie eine Hymne des Entsetzens.

„Naja ‚gegeben' ist -..."

Calean marschierte wortlos an mir vorbei. Und er blieb auch nicht stehen.

Unsicher drehte ich mich zu Amila um, die ihm ebenfalls zweifelnd hinterher sah.
„Und gerade dachte ich, er könnte dich nicht noch mehr hassen."

Mit einem tiefen Seufzen ließ ich sie stehen und beeilte mich Calean hinterherzurennen. Er hatte ja keine Ahnung, wie verzweifelt ich das hier vermeiden wollte, aber ich brauchte seine Hilfe.
„Wir müssen Nyam finden. Er könnte helfen Garcy zu befreien."

„Nein, ich muss Maze finden", gab Calean zurück, ohne seine Schritte zu verlangsamen.

Ein befremdlicher Schauder wanderte durch meine Muskeln und ich kämpfte die Erinnerung an den Bolzen zurück. Maze war da draußen. Ich wollte sie alle retten, wirklich. Aber ich wusste nicht wie.
„Nyam hat die Waffe. Du bist der Wissende. Du könntest-..."

„Nein. Nyam wird seine eigene Magie nutzen, um sich gegen Nebelflüsterer zu schützen, sonst hätte Nacat ihn gefunden. Ich kann Nyam nicht aufspüren."

„Dann Maze..."

Er blieb so abrupt stehen, dass ich erst an ihm vorbeilief und dann wie ein Kind zu ihm zurücklaufen musste.
„Hör mir einmal in deinem Leben zu. Maze, verändert wie er ist, wird Nyam nicht finden können."

Ich gab mir alle Mühe, mir die Schärfe seiner Worte nicht zu Herzen zu nehmen. Er wusste es nicht besser. Und wenn er es wüsste, würde er niemals so reagieren. Anstatt meiner verletzten Gefühle fokussierte ich meine Gedanken auf die Probleme: Ich musste Garcy retten. Irgendwie. Die einfachste Möglichkeit wäre Nacat die Waffe zu geben. Er konnte sie ohnehin nicht selbst anwenden. Und dazu musste ich Nyam finden, der sich gegen Nebelflüsterer geschützt hatte. Leider kannte ich außer Maze keinen anderen Sucher, der dazu in der Lage wäre.
„Wir müssten ihn zurückverwandeln. Er hat uns gesagt wie..."

Calean entwischte ein genervtes Stöhnen.
„Das hat Nacat versucht und ist gescheitert. Wir haben größere Chancen Maze gegen ihn zu wenden. Entzieh Nacat seine Magie und wir sehen weiter. Ich würde wetten, Maze wusste nichts von den Plänen seine älteste Freundin umzubringen."

„Du willst ihn als Waffe nutzen?" Das konnte er nicht tun. Ich wusste nicht, was mit Maze geschehen war, aber es war ein Fakt, dass man ihn irgendwie wieder in meinen Freund zurückverwandeln konnte. Nur ganz bestimmt nicht, wenn er tot war. Und normalerweise wusste Calean das auch.

„Nacat hat Maze in ein Monster verwandelt", sagte Calean mit Nachdruck.

Nein, Maze war nicht er selbst. Aber da war er nicht alleine.
„Nacat muss etwas Merkwürdiges mit euch beiden gemacht haben."

Caleans Augen wurden zu Schlitzen, aus denen er giftige Pfeile zu mir hinunterschoss.
„Das war nicht Nacat."

Das warst du. Er musste es nicht sagen.
„Calean...", ich stoppte mich gerade noch rechtzeitig. Meine Augen wurden groß vor Schock bei dem Gedanken, was ich beinahe angerichtet hätte. Wir konnten nicht darüber reden. Nur ein falsches Wort... Ich zwang mich zur Konzentration und versuchte stattdessen eine andere Route.
„Calean, ich versteh, wenn du wütend auf mich bist, aber Nacat hat Garcy."

„Ich werde ihm nicht die Waffe geben." Er stand über mir, wie eine dunkle Wand. Unnachgiebig und gleichgültig gegenüber den Gefühlen anderer. „Weißt du, was die Waffe anrichten kann?"

In diesem Moment beneidete ich Amila nicht. Calean, der mit seiner Schwester alles verloren hatte, wofür er jemals kämpfte. Calean, der von mir verlassen worden war. Ich hatte nicht bemerkt, wann ich in den letzten Augenblicken zu hoffen begonnen hatte, wir würden das hier gemeinsam bekämpfen, aber in diesem Moment wurde mir klar, dass wir das nicht konnten. Dass ich ihm nicht beim Leiden zusehen konnte.

Ich machte das hier auch für ihn. Damit er leben durfte.
„Maze sagt, sie leitet Magie", antwortete ich.

Noch ein Seufzen von ihm.
„Exakt. Jetzt kannst du dir ausmalen, zu was der Zirkusdirektor damit fähig wäre."

Ich tat es nicht. Um meiner selbst willen. Wenn ich ihm die Waffe nicht gab, blieb mir nur noch ein Weg, um Garcy zu befreien...

Calean nickte, als verstünde er, was in mir vorging. „Ich kann Maze finden. Ich weiß, wo er hingeht und ich werde ihn nutzen, um Nacat aufzuhalten. Egal, was es kostet." Und damit ging er weiter.

Vielleicht, ganz vielleicht und nur, wenn ich es richtig anstellen würde, könnte ich dieses Thema noch einmal mit ihm ausdiskutieren.
Hilfesuchend drehte ich mich nach Amila um.

Doch anscheinend waren wir neuerdings alleine.
„Wo ist Amila?"

Calean schnaubte, obwohl er vermutlich bemerkt hatte, wann das Mädchengegangen war.
„Du hast nicht geglaubt, dass sieausgerechnet bei uns bleibenwürde, oder?" 

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"Dein Leben retten wird auf Dauer ein bisschen anstrengend. Wie wäre es stattdessen mit bowlen?" - Calean, zu Gwinn, irgendwann wahrscheinlich. 

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