Kapitel 17 - Der Schatten alter Sünden

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„Cian!"

Eine Stimme kämpfte sich durch den Lärm der Schlacht, durchbrach das Abendrot und zog an seinem Geist. Hell, weiblich, samtig und klar. Eine Hand, die ihn aus dem Unrat und Blut des Kampfes führte und seinen Geist von den klebrigen Fäden einer Erinnerung befreite, die ihm gar nicht gehörte.

„Cian... komm zurück..."

Lir.

Er hätte ihre Stimme überall erkannt, egal wie brüchig und erschöpft sie klang. Blinzelnd schlug er die Augen auf, spürte warmes Sonnenlicht auf seiner Haut und weißblondes Haar, das ihn im Gesicht kitzelte.

„Lir... was ist passiert?"

Orientierungslos richtete er sich auf. Ein Feld um ihn herum, rote Blumen... rot, nicht weiß. Aber es waren die gleichen Blüten wie in seiner Erinnerung, oder nicht?

Lir hatte sich über ihn gebeugt, seine Wange gestreichelt und wich nun ein Stück zurück, um ihm Platz zu machen.

Auf ihrer Stirn standen Schweißperlen und ihr Blick war glasig. Cian fühlte sich genauso. Hatte Lir dasselbe gesehen, wie er?

„Da war ein Schlachtfeld... Lir, ich bin... gestorben."

„Ich habe es auch gesehen", bestätigte die Rabin und ihr Blick verdüsterte sich noch weiter. Kein Leuchten in dem sonnengoldenen Blick, nur Wehmut und Qual.

Er vermisste ihr Licht. Ihre Wärme.

„Die Krähe sagte... manche Schlachten der alten Tage hat das Land vergessen, andere nicht", wiederholte Cian, als sein Atem sich wieder beruhigt hatte.

„Ja und Odhráns Diener hatte recht. Sieh nur...", dabei bewegte Lir sich zur Seite und eröffnete Cian den Blick auf etwas, das zuvor hinter ihr verborgen gewesen war.

Völlig eingewachsen in die roten Blumen und winzige Ranken, lag ein Körper. Er war kaum mehr zu erkennen, denn die Zeit hatte bereits alles, was einmal lebendig gewesen war, zu Stein erstarren lassen. Eine graue Masse, der Form eines Fey ähnlich, bis auf eine Sache: An unzähligen Stellen musste Flüssigkeit aus dem Stein ausgetreten sein, die zu einem roten Kristall erstarrt war.

Blut.

Cian wusste, dass die Anderswelt ebenso ein Lebewesen war, wie alles in ihr. Sie hatte ihre eigenen Regeln und diese konnten sich von Ort zu Ort unterscheiden. Zur Zeit der alten Kriege, so hatte ihnen Heilyn manchmal erzählt, gab es so viele Kämpfe, so viel Tod, dass selbst die Anderswelt sich eines Tages dagegen gewehrt hatte. Cian verglich die Blumen in seiner Vision mit dem rauschenden roten Meer, welches er heute vor sich sah.

„Die Blumen haben das Blut aufgesogen...", schlussfolgerte Cian.

„und das Land hat reagiert. Jetzt tragen die Blumen es wie ein Totenkleid... ", beendete Lir seinen Satz und trat einen Schritt zurück von der roten, kristallisierten Lache, die ihnen erst jetzt auffiel.

Das musste es gewesen sein, was Cian vor seinem Zusammenbruch unter seinen Füßen gespürt hatte. Seinen nackten Füßen.

„Bevor ich die Vision hatte, bin ich auf die Kristallfläche getreten", sprach Cian seine Gedanken laut aus und warf Lir einen fragenden Blick zu. „Ist dir etwas aufgefallen, bevor du ebenfalls gesehen hast?"

Nachdenklich legte die Rabin den Kopf schief und betrachtete ihren Gefährten aus zusammengekniffenen Augen.

„Ja, ich bin mit dem Fuß gegen etwas gestoßen. Gegen ihn", dabei zeigte sie auf die versteinerte Figur, die mit dem feuerroten Kristall förmlich überzogen war, weil so viele Wunden den ehemaligen Körper aufgerissen hatten.

„Dann muss es die Berührung sein", überlegte Cian und wischte sich den Schweiß von dir Stirn. Als könnte das helfen, die dunklen Gedanken und den Hauch der Todesangst zu vertreiben, welcher an ihm haftete wie ekelhafter Geruch.

„Du meinst... wenn wir den Kristall berühren?"

„Der Rabe sagte, das Land vergisst an manchen Orten nicht. Vielleicht meinte er damit nicht nur das Schlachtfeld, sondern die ganze Schlacht. Das Land hat nicht vergessen, was seine Bewohner einander antaten. Wir beide wissen, Blut ist mächtig... und hier hat es seine Macht einmal mehr bewiesen."

Während Lir ihm aufhalf, blickte Cian wieder auf seine Füße herunter.

„Die Schuhe...", sagte er bitter und kam schwankend wieder auf die Beine. Noch immer war seine Nase verklebt mit dem schalen Geruch des Todes und seine Hände fühlten sich an, als hätte er sie seit Monaten nicht in eine frische Quelle getaucht.

„Prinz Darianth hat uns genommen, was wir nun am dringendsten benötigen würden... dieser gierige Bastard", fluchte Lir und betrachtete ebenfalls ihre nackten, ungeschützten Füße.

Zwischen all den roten Blumen war es fast unmöglich, den Kristall rechtzeitig zu erkennen. Bereits eine Berührung hatte ihn und Lir so aus der Bahn geworfen, dass sie beide kurzzeitig das Bewusstsein verloren.

Wie viele Leichen lagen auf diesem Feld?

Wie viel Blut war zu Kristall erstarrt, weil das Land sich weigerte, es aufzunehmen?

„Das hier ist ein idealer Ort, um das Herz von Heilyns letztem Bruder zu verstecken", seufzte Lir, die jetzt den Blick mit weniger Faszination schweifen ließ.

„Morgrath", sprach Cian den Namen aus, der ihm nun schon förmlich die Zunge verbrannte. „Er muss der Feldherr hier gewesen sein... vielleicht sogar im Namen Fear Doirichs."

Morgrath.

Der Herr über den Krieg und die Schlacht, der Meister des Verrats und der Gewalt. Nichts ging ihm über einen guten Kampf und nichts hatte in seinen Ohren schöner geklungen, als das Klirren von Schwertern.

Cian spürte, wie sich seine Nackenhaare aufstellten. Von allen Geschwistern, die seine geliebte Herrin gehabt hatte, konnte Morgrath wohl am meisten verabscheuenswürdig sein. Verrat, Täuschung und Gier mochten für die Fey nichts Besonderes darstellen, denn irgendwo schlief in ihrer aller Blut dieser Drang... nach etwas Großem.

Es gab nicht viele, die sich mit weniger begnügten. Doch meistens provozierten sie keine so offene Gewalt, sondern verübten sie auf raffinierte Art durch die Hintertür. Morgrath schien nie so ein Fey gewesen zu sein. Der Prinz hatte für die Brutalität gelebt und jene all seine Feinde spüren lassen.

„Wir müssen sein Herz finden", erinnerte Heilyn an den Grund, warum sie hier waren und der Fuchs nickte bestimmt.

„Achte genau darauf, wohin du trittst. Wir dürfen keinen der Kristalle berühren."

Gesagt. Getan.

Vorsichtig bewegten sie sich durch das rot funkelnde Feld und jetzt, wo ihnen der erste Körper aufgefallen war, schienen die Blumen ihren Glanz verloren zu haben.

Cian und Lir setzten ihre Schritte so bedächtig wie möglich und immer, wenn wieder ein versteinerter Körper auftauchte, warnten sie einander. Doch es wurde nicht weniger, im Gegenteil. Nach einer halben Stunde, die sie sich so vorsichtig wie möglich und dadurch quälend langsam bewegt hatten, erkannten sie, dass das Ende des Feldes nicht näher rückte.

Stattdessen lagen die Körper immer dichter beieinander, es wurden zunehmend mehr und letztlich erkannte Cian, dass sie lediglich die ersten Ausläufer eines riesigen Schlachtfeldes hinter sich gebracht hatten. Zwar hatte er geahnt, dass es kein kleiner Kampf gewesen sein konnte, der hier getobt hatte, aber dieses Ausmaß jagte selbst ihm den Schrecken bis tief in die Knochen.

„Wie muss es gewesen sein, als all die Wesen hier gekämpft haben", sprach Lir seine Gedanken laut aus, während sie beide die Augen konzentriert auf den Boden gerichtet hatten und jeden Schritt genau überprüften. Um die Toten zu vermeiden, mussten sie genau hinsehen... und sich jedem Tod, jedem Opfer besonders bewusst werden.

„Ich kann es mir nicht ausmalen. All dieser Tod, all die Schmerzen und das Leid. Und worum haben sie gekämpft?"

„Ich weiß es nicht. Der Grund ist mit Sicherheit längst vergessen, dafür besitzt irgendein Fürst oder gar Prinz nun mehr Land als ein anderer."

„So viel Blut", flüsterte Cian, als er gerade wieder einer roten Lache auswich, die im Abendlicht verheißungsvoll glitzerte. „Wieso ist es nur so...", setzte er an, da traf sein Fuß unvermittelt auf eine kühle, glatte Oberfläche und noch ehe Cian seine Unvorsichtigkeit bereuen konnte, trafen ihn die Erinnerungen wie ein Faustschlag.

Wortanzahl: 1.250 Wörter

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