1- Jeder kann ein Schiff kapern

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1 Woche vor dem Winterfest

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          Jeder kann ein Schiff kapern, wenn die Wolken-Konstellation stimmt. Darüber gibt es sogar ein Handbuch, irgendwo vergraben in den Tiefen von Clevems Palastbibliothek.

Nicht, dass Julianna es jemals gelesen hätte. Jacobus Abelein hatte ihr davon erzählt, während er die Beine über den bodenlosen Abgrund baumeln lies und Pfeifenkringel über das Deck blies. Es war wirklich nicht schwer. Auf dem Meer stellte er sich das schon komplizierter vor. Aber auf dem Meer erfolgten die Angriffe auch recht selten von oben.

Und es war ein wundervoll wolkiger Tag, um ein Schiff zu kapern. Julianna lag auf dem Bauch vor der Bodenluke des Rumpfes und spähte durch ihr Fernglas nach unten. Es war so wolkig, dass sie das Deck des anderen Schiffs kaum sehen konnte. Weiße Fetzen verschleierten die Flagge, unter der es gemütlich vor sich hin dümpelte.

„Und? Was hat uns De an diesem herrlichen Morgen geschenkt?" Baran Tromcen drohte seine Brillengläser über dem Loch zu verlieren, so weit lehnte er sich nach vorne. Der Eifer machte seine Hände schwitzig und er wischte sie öfter an seinen bereits gelben Hosenbeinen ab, als Julianna Luft holte.

Konzentriert wechselte sie das Auge, während Abelein im Hintergrund dem Rest der Mannschaft bedeutete ruhig zu sein. Sie standen auf dem Abstieg zum Schiffsboden und oben um die Luke auf Deck herum. Alle Augen auf das dunkelhaarige Mädchen gerichtet.

Schließlich richtete sie sich auf und schob ihr Fernglas zusammen. Sie spürte die Aufregung in der Luft und wie sie ihr unter die Haut kroch. Das Adrenalin, von dem sie nie erwartet hätte, dass sie es so sehr brauchte.

Als sie Abeleins hochgezogene Augenbraue bemerkte, grinste sie.
„Ich sehe nicht viel. Aber es ist ein viel zu schöner Tag, um kein Schiff zu kapern."

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Ihr Schwert zwischen die Zähne geklemmt, rutschte sie an dem Seil herunter. Das Kampfgebrüll ihrer Besatzung wie ein Gewitter in den Ohren. Zwei dutzend Seile schlugen nacheinander auf dem Deck unter ihnen auf. Und auch wenn ein schneller Steuermann versuchen würde, sich nach unten weg zu ducken, war es bereits zu spät. Die Seile waren lang und die Männer hungrig.

Julianna hangelte sich mit ihnen um die Wette nach unten, schneller als es sicher war. Schnell, bevor ihre Arme nachgaben und sie stürzen würde. Mit einem dumpfen Krachen schlugen ihre Stiefel auf den polierten Dielen des Schiffs auf. Ihr Schwert- sie war die Einzige ohne stilechten Säbel, fiel in ihre Hände.

Noch bevor sie sich vollkommen orientieren konnte, war der erste Mann bei ihr. Überraschte es ihn, ein Mädchen unter den Piraten zu sehen, verzögerte das nicht seinen Angriff. Das Adrenalin schoss durch ihren Körper, als sie sich auf den Zweikampf einließ.

Um sie herum landete ein Pirat nach dem anderen in dem Wald aus herabhängenden Seilen. Sie hatten ein Transportschiff gekapert, erstaunlich gut vorbereitet für die Gefahren der Himmelfahrt. Die meisten Transporter waren sich sicher, dass sie keine interessante Fracht mit sich führten. Piraten hatten es auf Frachtschiffe abgesehen. Doch etwas an der goldenen Verzierung der Kapitänskabine verriet Julianna, dass diese Passagiere sich ihres eigenen Werts sehr bewusst waren.

Kaum, da sie sich aus dem ersten Duell gelöst hatte, nahm sie sich eine Sekunde, um sich umzusehen. Sie war sich sicher, dass sie dieses Schiff noch nie gekapert hatten, aber-...
„Kommt das nur mir irgendwie bekannt vor?", rief sie über den Lärm der Gefechte ihren Käpten zu, der sich flüchtig umsah.

„Sieht verdammt teuer aus", bestätigte er, als wäre das eine Antwort auf ihre Frage.

Ein Soldat zwang Julianna in ein neuerliches Duell.
„Nein", brüllte sie über ihre Schulter, „Ob das Schiff dir beka-..." Sie brauchte mehrere Hiebe, ehe ihr auffiel, dass sie sich mit einem Soldaten duellierte. Soldat, wie... Nicht-Matrose. Was für eine Art Schiff war das hier?

Sie erschrak so dermaßen, dass sie ihn mit dem Griff ihres Schwertes sofort bewusstlos schlug, ehe sie die anderen Männer auf diesen Fehler hinwies. Jetzt definitiv beunruhigt, drehte sie sich um ihre eigene Achse, auf der Suche nach Hinweisen, was für ein Transporter Soldaten mit sich führte.

Ihr Blick fiel auf eine alte Dame, die trotz der Kapriolen des überladenen Schiffs bemühte, den Niedergang herunter zu steigen. Sie wird sich das Genick brechen. Oh man.

Ein weiterer Soldat griff Julianna an und sie riss sich widerwillig von dem Anblick los. Sollte sie-...? Nein. Sie waren mitten im Kapern. Konzentration! Sie duckte sich unter der Klinge des Soldaten weg, doch nicht schnell genug. Ihr Hut wurde ihr vom Kopf gerissen und schlitterte quer über das Deck gegen das Bein ihres Kapitäns.

„Julianna!", rief er vorwurfsvoll und duckte sich mitten in seinem eigenen Zweikampf nach unten, um den Hut vom Boden zu fischen, „Die sind teuer!"

Sie ersparte sich eine Antwort und erhöhte stattdessen die Hiebzahl auf ihren eigenen Kontrahenten, um ihm keine Zeit für einen neuerlichen Angriff auf ihre Garderobe zu geben. Sie drehten sich umeinander wie im Tanz und sie musste Acht geben, dass niemand sie von hinten angriff.

Ihr Blick fiel wieder auf die alte Dame. Ihre Knie waren bedrohlich gebeugt und wackelten wie Pudding. Mit ihrem ganzen Gewicht hing sie an dem Geländer, das Gesicht weiß wie die Wolken über ihnen.

Bei De und allen anderen Gottheiten, die kein Erbarmen kannten! Fluchend entwaffnete Julianna ihren Gegner, dessen Augen sofort so groß wie Teetassen wurden. Doch der vernichtende Schlag blieb aus.
Abgesehen davon, dass Julianna ohnehin keine Menschen ermordete, war das ohnehin kaum nützlich.
„Los! Geh ihr helfen!", sie deutete auf die alte Dame hinter ihm und machte eine scheuchende Bewegung.

Der Soldat, nur wenige Jahre älter als sie selbst traute sich kaum sich umzudrehen.
„B-bitte was?"

Einer seiner Kameraden wurde auf sie aufmerksam und machte sich auf den Weg zu ihnen. Vermutlich, um seinen Freund vor dem sicheren Ende zu bewahren. Julianna griff ihr Schwert fester.
„Hilf der alten Dame oder ich helfe dir gleich über Bord!" Alte Damen hatten nichts an Deck verloren, während einem Angriff. Sie lenkten nur ab!

Stolpernd duckte sich der Soldat fort, abgelöst durch seinen Waffenbruder, der eben selbige sofort nach Julianna schwang. Er war älter. Entschlossener.

Normalerweise waren die Duelle ihr Highlight beim Kapern. Mit einem Schwert in der Hand hatte sie sich schon immer am Besten gefühlt. Doch jetzt verlor sie auch noch zwei Knöpfe, als sie im Hintergrund sah, wie der junge Mann ausrutschte, sich den Kopf am niedrigen Niedergang stieß und dann bewusstlos die Treppe herunter rutschte.

„Verflucht nochmal!" Die alte Dame saß jetzt auf dem Hintern. Wie ein Reh versuchte sie wieder auf die Füße zu kommen, doch Julianna musste keine Priesterin Des sein, um vorauszusehen wie das ausgehen würde. Mit wenigen gekonnten Finten entwaffnete sie ihren Gegner, sammelte im Rennen ihre zwei Knöpfe vom Boden und schlitterte zum Niedergang.

Ihr Anblick entlockte der Dame einen schwachen Schrei, den Julianna nicht als Beleidigung auffassen wollte. Die Kleidung der älteren Dame war fein, mit goldenem Faden durchwirkt und in einem hellen Blau, das in Julianna Alarmglocken der Erinnerung schallen lies.

Nichtsdestotrotz legte sie ihr Schwert zur Seite und hob die Hände.
„Ich bin nur hier, um zu helfen!"

Aber die alte Dame blieb resolut. Verärgert schlug sie mit den Armen nach Julianna, als diese näher kam, um ihr aufzuhelfen.
„Sie kapern den Transporter, Miss! Sie helfen nicht, Sie sind das Problem!"

„Nein", presste Julianna zwischen den Zähnen hervor, die wild rudernden Arme abwehrend, „Die Gesellschaft ist das Problem. Ich bin nicht Pirat geworden, weil es mir jemals an etwas gemangelt hat."

„An Erziehung hat es ihnen gemangelt!", schnappte die alte Dame, ließ sich aber aufhelfen, „Ihre Eltern sollten sich für sie schämen!"

„Meine Eltern haben mich zuletzt als Baby gesehen. Die haben sicherlich nichts mit meiner Erziehung zu tun", widersprach Julianna höflich. Ihre Großmutter dagegen-...

„Nun das ist offensichtlich. Pirat werden! Wie kommt man nur auf so eine horrende Idee?"

Aber das war ein Geheimnis, das Julianna nicht bereit war preiszugeben. Und das musste sie auch gar nicht, denn in diesem Augenblick streckte Tromcen seinen kahlen Kopf in den Niedergang hinein.
„Julianna! Komm sofort hoch! Wir müssen vom Schiff! Wir-..." Er wurde zurückgezogen und in ein Duell verwickelt, was seine Erklärung abschnitt.

Julianna nahm sich die Zeit, der alten Dame noch die letzten Stufen herunterzuhelfen. Fünf Türen gingen von hieraus fort und eine von ihnen öffnete sich einen Spaltbreit.
„Großmutter?" Die Stimme gehörte zu einer jungen Frau, die sich mit dem Rest der Passagiere unter Deck versteckt hatte.

Julianna schob die alte Dame auf die Tür zu, den Blick bereits wieder hoch zum Deck geworfen, wo ein merkwürdig schleifendes Geräusch laut wurde. Wie Holzbalken die über Holzbalken schabten.

Ein letzter Blick zurück zeigte ein braunhaariges Mädchen mit blitzendem Diadem, das die Tür weiter geöffnet und die Arme nach ihrer Großmutter ausgestreckt hatte. Als sie sich zu Julianna drehte, erstarrten sie beide.

Über ihnen wurde etwas abgeschossen und mehrere Männer brüllten durcheinander. Ein ungutes Pfeifen und Heulen erfüllte die Luft, doch Julianna konnte sich kurzzeitig nicht losreißen. Oh nein.
Das Blau. Es machte alles Sinn. Sie hatte ihre Mannschaft in den Tod geschickt.

Das braunhaarige Mädchen erholte sich zuerst.
„DU!", fauchte sie, ihre Großmutter hinter sich schiebend, „Dass du es wagst, dich blicken zu lassen!" Sie hätte deutlich mutiger in ihrem Angriff ausgesehen, wenn Julianna nicht ihr Schwert auf dem Deck liegengelassen hätte.

Mit einem kurzen Dolch in der Hand schoss sie aus der Kabine heraus. Über ihnen wurde Julianna mehrfach gerufen. Knarren und Ächzen erfüllte die Luft um sie herum und das Schussgeräusch wiederholte sich.

Julianna wich ihrem ungekonnten Angriff aus und schlug mit der flachen Hand den Dolch weg. Sie ließ ihn prompt fallen. Das Metall schlitterte über die Planken und endete klirrend an der Bordwand, doch keines der Mädchen drehte sich danach um.

Doch selbst unbewaffnet, wich sie vor der Prinzessin zurück, die Augen groß aber nichts sehend.

Hektisch drehte sie sich zum Niedergang um und sprintete nach oben. Das Chaos, das sie dort empfing ließ ihr Herz tatsächlich stoppen. Keine Seile hingen mehr aus den Wolken. Sie lagen wie ein unübersichtliches Labyrinth auf Deck verteilt und machten es für die verbleibenden Soldaten unmöglich sich schnell zu bewegen.

Julianna drehte sich zum Achterdeck um. Direkt hinter dem Steuerrad stand ein Schiffbrecher. Er sah aus wie eine übergroße Armbrust. Ein Gerät, das von zwei Mann gespannt werden musste, mit armdicken Seilen, die eine Harpune zurückzogen. Schiffbrecher. Ballonsprenger. Schwerkraftbringer. Natürlich würde der Transporter für eine königliche Familie so eine an Bord haben. Die Wolken mussten sie verdeckt haben.

Sie hatte ihre eigene Mannschaft verdammt.

Sie musste zurück an Bord.

Der Käpten hatte ihnen allen erklärt, was zu tun war, sollte der Ballon beschädigt werden. Er hatte bereits zwei solcher Ausfälle erlebt, doch für Julianna war es das erste Mal.
1. Niemand konnte das Loch flicken, bevor der Ballon nicht auf Deck aufkam. Keine Gedanken daran verschwenden. Es gab wichtigeres.
2. Das Schiff würde fürchterlich schwanken durch den plötzlichen Balanceverlust. Immer festhalten!
3. Rettungssegel ausbreiten und auf die magischen Strömungen hoffen, die auch die Inseln im Himmel hielten.
4. Der erste, der nicht half, sondern zu De oder einer anderen Gottart betete, wurde über Bord geworfen! Logisch. Je leichter das Schiff-...

Das Geräusch von hundert knarrenden Balken ließ Julianna herumfahren. Vor dem Bug des gekaperten Transporters fiel die Santa Antonia aus dem Himmel. Nicht so schnell, wie ein Schiff eigentlich fallen sollte- ihre Mannschaft war großteilig zurückgekehrt und hatte bereits begonnen die Segel zu hissen- aber zu schnell, um sie in der Luft zu halten. Sie würden abstürzen.

Julianna rannte los. An Soldaten vorbei. Über das komplette Deck des Transporters. Leute brüllten und jemand versuchte sie festzuhalten, doch sie war schneller.

Die Santa Antonia verschwand unter der Reling, den Ballon wie ein nutzloses Laken hinter sich herziehend. Es war schwer auszumachen, um wie viel sie den Transporter verfehlt hatte. Die Schützen am Schiffbrecher waren mutig gewesen. Oder dumm.

Julianna schubste Matrosen aus dem Weg, die ebenfalls zum Bug liefen, um den Absturz zu beobachten. Ihr Fuß verhedderte sich in seinem Seil und sie fiel, rappelte sich wieder auf und stürzte gleich wieder.

Ein Herz schlug ohrenbetäubend laut. Ihre Finger zitterten. Wie im Wahn strampelte sie sich frei. Sie musste zurück an Bord. Sie musste zurück.
Inzwischen sah sie nicht einmal mehr die Überreste des Ballons. Ihr Schiff war vom Horizont verschwunden. Es machte keinen Unterschied. Keuchend sprintete Julianna weiter. Vorbei an der Takelage des Ballons. Bis ganz nach vorne.

Leute lehnten über der Rehling und sahen nach unten. Sie bemerkten das rennende Mädchen erst, als sie einen Fuß auf das Holz neben ihren Ellenbogen setzte und dann an ihnen vorbei über Bord segelte.

Mit den Armen wild rudernd erhaschte Julianna nur einen kurzen Blick auf eine große Insel nicht weit unter ihnen. Clevem. Sie war so nah zuhause.

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"Voted und ich nehme euch auf meinem Schiff mit." - Julianna, fliegender Pirat

Es ist der erste Dezember und es schneit!!! Gibt es was besseres?!

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