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Finn ist nicht der erste, dem auffällt, dass Khat und ich uns sehr nah sind. Seit der Grundschule sprechen uns immer wieder Menschen darauf an.

In der Mittelstufe hat ein Mädchen das Gerücht in die Welt gesetzt, sie hätte uns im Mädchenklo in einer Kabine knutschen hören. In Wirklichkeit waren wir nur zu zweit in der Kabine, weil ich plötzlich während Mathe zum ersten Mal meine Periode bekommen hatte und Khat versuchte, mich zu beruhigen, mir gut zuredete, mir Küsse auf das Gesicht und die Haare drückte, um meiner Panik entgegenzuwirken. Nachdem ich mich beruhigt hatte, blieb sie bei mir und strich mir über die Haare, während sie mir zeigte, wie man einen Tampon benutzt.

Eine Zeit lang hielt man uns für ein Paar, die Jungs pfiffen laut, wenn sie uns Hand in Hand durch die Schulflure laufen sahen. Einmal kommentierte einer unserer Klassenkameraden unter eines von Khats Instagram-Fotos, auf dem sie mich auf die Wange küsst: Bock auf einen Dreier? Ich liebe Lesben!

Und Khat antwortete: Wir schlafen nicht mit Arschlöchern.

Sie stritt die Gerüchte nie ab, hielt den Leuten bloß ihren Mittelfinger hin und flüsterte mir ins Ohr, dass ich sie ignorieren sollte, was ich bereits tat, weil ich viel zu abgelenkt von ihrer Hand in meiner war, um auf die anderen zu achten.

Aber am Ende des Tages waren wir nicht die einzigen Freundinnen, die Händchen hielten. Manche Freundinnen liegen nachts im Bett und kuscheln, begrüßen sich mit einem Kuss auf den Mund oder machen auf einer Party miteinander rum, obwohl sie hetero sind. Manche Freundinnen beenden ihre Telefonate mit den Worten „Ich liebe dich", ziehen zusammen in eine Wohnung, duschen zusammen, obwohl sie hetero sind. Manche Freundinnen schlafen miteinander und nennen das „Herumexperimentieren", obwohl sie hetero sind. Bei Freundinnen, so kommt es mir vor, kann man sich nie sicher sein.

Seit Finns seltsamer Bemerkung, habe ich das Gefühl, dass er mich beobachtet. Er beobachtet mich, wenn er Khat und mir händchenhaltend in den Schulfluren begegnen. Er beobachtet mich, wenn ich sie umarme, wenn sie mir Brotkrümel von der Wange streicht, wenn wir uns von ihm verabschieden, um zusammen im Mädchenklo zu verschwinden.

Vielleicht beobachtet er mich auch gar nicht, und ich habe nur das Gefühl, dass er es tut. Khat scheint davon nichts zu bemerken, und das ist das wichtigste. Das letzte, was ich will ist, dass sie anfängt, die Intensität unsere Freundschaft infrage zu stellen. Und deshalb lasse auch ich mir nichts anmerken – darin habe ich schließlich eine Menge Übung.

Weil die Klausurenphase näher rückt, treffen wir uns öfter mit Finn, aber meistens sind wir so damit beschäftigt zu lernen, dass wir uns kaum unterhalten können. Khat nimmt die Schule sehr ernst, ernst genug für uns beide, und Finn ist gut darin, Dinge zu erklären. Ich dagegen habe die meiste Zeit das Gefühl, nichts zu verstehen.

„Ich glaub ich hab's verstanden!", rufe ich aus, mehr überrascht als alles andere. Um sicher zu gehen, rechne ich die Aufgabe nochmal allein nach und vergleiche danach meine Ergebnisse mit denen der anderen.

„Siehst du? Und du sagst immer, dass du dumm bist!" Khats Augen sind warm und ich fühle mich ausnahmsweise mal selbstsicher.

„Du bist nicht dumm", bestätigt Finn. „Du brauchst nur ein bisschen mehr Zeit. Nichts was wir mit ein bisschen Übung nicht hinbekommen."

Es fühlt sich gut an, nicht hängen gelassen zu werden, und ich gebe mir die größte Mühe, am Ball zu bleiben. Im Unterricht versuche ich, den Worten der Lehrerin zu folgen, notiere mir Fragen, wenn ich etwas nicht verstehe. Aber je mehr ich nicht verstehe, desto schneller kommt die Frustration zurück.

Ich starre auf meinen Bleistift, während ich versuche, mich zu konzentrieren, aber es ist, als würde nur jedes dritte Wort der Lehrerin ankommen, und ihre Sätze ergeben dadurch keinen Sinn. Ich male Kreise auf das Papier, einige sind mehr oval als rund, aber ich versuche, die vollkommene Rundung zu perfektionieren.

Immer wieder huscht mein Blick zu Khat, die neben mir konzentriert mitschreibt. Ich strecke langsam mein rechtes Bein aus und stoße dabei mit dem Fuß gegen ihr Schienbein. Ich sehe sie an, um zu sehen, ob sie mich auch ansieht, aber sie schreibt nur weiter Notizen, als hätte sie es gar nicht bemerkt. Nur der Druck, den sie jetzt mit dem Fuß gegen meinen ausübt, zeigt, dass zumindest ein Teil von ihr bei mir ist.

Ich stelle mir vor, wie es wäre, wenn sie ganz bei mir ist, einhundert Prozent mir zugewandt, alle Sinne auf mich verschärft. Wenn sie neben mir liegt und es nichts mehr gibt, das sie nicht mit mir teilen würde. Wenn die Jungen, mit denen sie schläft, überflüssig werden, und es nur noch uns beide gibt. Und plötzlich kann ich mich überhaupt nicht mehr auf den Unterricht konzentrieren.

Khat bemerkt, dass ich sie anstarre. Ihre braunen Augen sehen mich neugierig an und ich frage mich, wie lange ich das noch aushalte. Ihr Blick senkt sich auf mein Schreibheft, auf die Kreise, die ich gemalt habe.

Ihr Gesicht bleibt konzentriert, als wäre sie gedanklich noch im Unterricht, während sie meinen Arm von meinem Heft schiebt und ein kleines Herz auf das Papier zwischen die Kreise malt. So richtig mit Kuli, dass es nicht mehr weg geht. Dann wendet sie sich wieder der Tafel zu und fährt mit ihren Notizen fort und mein Herz schlägt ein bisschen schneller als noch vor ein paar Minuten.

Aber das ist das Ding mit Freundinnen. Sie können dir Herzen ins Notizbuch malen, und dich ansehen, als wärst du die ganze Welt für sie, und trotzdem nicht auf dich stehen.

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