2 - Blitze und Donnerschläge

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Waverlys POV

Nachdem ich meine Nummer in Prestons Handy getippt und ihn dazu gezwungen habe, mir schon mal eine Nachricht zu schreiben - nicht, dass er es vergisst oder mich ghostet - verabschieden wir uns voneinander.

„Hat mich sehr gefreut, dich kennenzulernen ..." Preston stockt und linst auf sein Smartphone. „... Avie!"

„Mich auch!", erwidere ich sofort strahlend.

Die Tatsache, dass er meinen Spitznamen nach einer Minute schon wieder vergessen hat, verdränge ich gekonnt in die hintersten Ecken meines Kopfes. In den nächsten Tagen wird er ohnehin so viele Nachrichten von mir bekommen, dass ihm gar keine andere Wahl bleibt, als sich meinen Namen zu merken.

„Gut." Preston wirkt verunsichert. Seine wasserblauen Augen springen hin und her, ohne ein bestimmtes Ziel zu verfolgen. „Dann, äh, dann sehen wir uns irgendwann am Wochenende, okay?"

„Ja." Ich nicke.

Während ich Preston zum Abschied in eine Umarmung verwickeln möchte, streckt er mir seine Hand entgegen.

Oh nein, wie peinlich!

Schnell ändere ich meine Körperhaltung, um nach seiner Hand zu greifen, da ist er plötzlich derjenige, der zu einer Umarmung ansetzt.

Gott! Noch unangenehmer könnte diese Verabschiedung echt nicht sein!

Als Bark Vader dann auch noch ungeduldig bellt und an Prestons Bein hochspringt, entscheiden wir uns für ein simples Lächeln und Handheben. Die Umarmung holen wir einfach nach, wenn ich nicht mehr verschwitzt bin und kein hasenhungriger Schäferhund in der Nähe ist.

Für ein paar Sekunden schauen sich Preston und ich noch tief in die Augen, bis sich unsere Wege leider trennen. Während er mit Bark Vader aus dem Park verschwindet, jogge ich in Richtung Wasserfall. Trotz der kurzen Pause fühlen sich meine Schritte nach wie vor locker und leicht an.

Ich folge dem Kiesweg, genieße den sanften Wind auf meiner Haut und beobachte die Natur dabei, wie sie von den letzten, goldenen Sonnenstrahlen geküsst wird.

Als ich den kleinen Wasserfall mit dem Seerosenteich eine Viertelstunde später erreicht habe, ist die orangene Scheibe komplett vom Horizont verschluckt worden. Mit einem Schlag kühlt es sich um mindestens zehn Grad Celsius ab und der Wind peitscht nun unangenehm über meinen Körper. Ein flüchtiger Blick nach oben verrät mir, dass dunkle Wolken den Himmel verschleiern.

Mist! Hätte ich mir vielleicht doch die Wettervorhersage anschauen sollen? Na ja, jetzt ist es eh zu spät.

Ich setze meinen Weg fort und jogge entspannt an dem plätschernden Bach entlang. Sobald allerdings die ersten Regentropfen aus den Wolken fallen und wie Glasperlen auf meiner glühenden Haut zerspringen, verwerfe ich meinen Plan von einem lockeren Dauerlauf und beschleunige mein Tempo.

Obwohl die Luft nicht mehr so drückend heiß ist, ist es noch immer sehr schwül. Und das bedeutet im Sommer nur eine Sache: Gewitter!

Kaum ist dieser Gedankengang verklungen, ertönt ein ohrenzerreißendes Donnergrollen, das mich zusammenzucken lässt. Keine zwei Sekunden später zischen grelle Blitze über den Horizont, die die dunklen Wolken zerschneiden. Die Regentropfen verwandeln sich in erbsengroße Hagelkörner und bohren sich wie feine Nadelstiche in meine Haut.

Da es keine schlaue Idee wäre, im Park unter den Bäumen nach Schutz zu suchen, eile ich zu der Hauptstraße, an der es ein Bushaltestellenschild gibt, neben dem sich eine kleine Holzhütte befindet.

Meine Rettung!

Begleitet von Donnerschlägen, Blitzen und Hagelkörnern überquere ich die Straße - das Hupen der Autos ignoriere ich geflissentlich - und suche Zuflucht in der Holzhütte.

Scheinbar hatte jemand dieselbe Idee wie ich, denn ein junger Mann in Sportklamotten, der mir den Rücken zugedreht hat, liest sich gerade die Busfahrpläne durch. Er hat einen gut trainierten Körper und trägt neongelbe Schuhe, die genauso grell wie die Blitze am Horizont leuchten.

Komischerweise kommen mir diese Laufschuhe total bekannt vor, aber mir möchte einfach nicht einfallen, woher ich sie kenne.

Ich seufze und setze mich dann auf die kleine Holzbank, die mit Graffitis und anderen Kritzeleien beschmiert ist. Wenn ich Pech habe, muss ich die nächste halbe Stunde in dieser Hütte verbringen, denn die Gewitter in Pinecrest können verdammt hartnäckig sein.

Ob Preston und Bark Vader wohl schon zuhause angekommen sind? Und ob er mir vielleicht sogar eine Nachricht geschrieben hat? Ich hoffe es. Vor allem Letzteres!

„Na sieh mal einer an ...", ertönt plötzlich eine amüsierte Stimme neben mir. Wie von der Tarantel gestochen springe ich auf und wirbele herum. Nur um geradewegs in das grinsende Gesicht von Everest Callahan zu schauen.

Och nö. Das ist jetzt aber wirklich ein ganz mieser Schachzug von meinem Karma. Dabei hat dieser Dauerlauf-Ausflug doch so gut angefangen ...

„Wenn das mal nicht unsere überehrgeizige Waverly Winslow ist ...", flötet Everest mit so viel Sarkasmus in der Stimme, dass mir übel wird. Seine wiesengrünen Augen wandern kurz über meinen Körper, bis sie letztendlich wieder an meinem Gesicht hängenbleiben. „Dich sieht man auch nur in Sportklamotten, oder?"

Tja, wer eines Tages bei Olympia teilnehmen möchte, muss viel trainieren, um seinem Ziel Schritt für Schritt näherzukommen.

„Dich doch auch!", erwidere ich und deute dabei auf die schwarze Nike-Hose und das schwarze Adidas-Shirt, das sich perfekt um seinen Oberkörper schmiegt.

„Upps. Erwischt!" Wie so oft grinst mich Everest total dämlich an, sodass mir keine andere Wahl bleibt und ich meine Augen verdrehen muss.

Prinzipiell habe ich kein Problem mit ihm. Er ist einfach nur verdammt nervig, eingebildet und anstrengend. Außerdem steigt ihm der Titel Sprintstar der Pinecrest High immer mehr zu Kopf.

Manchmal schafft Everest es sogar, dass ich auf seine blöden Provokationen anspringe, aber den Großteil der Zeit ignoriere ich ihn und zeige ihm die kalte Schulter.

Wir sind zwar keine Feinde, aber Freunde sind wir auch nicht.

„Bock, ein bisschen rumzuknutschen?", fragt mich Everest plötzlich mit einem frechen Grinsen.

Direkt zeige ich ihm einen Vogel und fauche: „Du spinnst ja!"

„Hey, ganz ruhig! Fahr deine Krallen wieder ein, Tiger", lacht er mich aus, „ich mache nur Vorschläge, wie wir die Zeit sinnvoll nutzen könnten. Sieht nämlich nicht so aus, als würde sich das Gewitter in den nächsten Minuten verziehen."

Ich gebe es nicht gerne zu, aber Everest hat Recht.

Der Himmel ist pechschwarz, immer mehr Blitze zerschneiden die Finsternis, das Donnergrollen wird lauter und die Hagelkörner prasseln im Sekundentakt auf den Boden.

Warum habe ich mich nicht einfach im Park unter einem Baum untergestellt? Dort, wo es keinen Everest Callahan gibt. Ach ja, richtig: Weil man schon als kleines Kind lernt, dass man Bäume beim Gewitter meiden sollte.

Da mir langsam kalt wird und sich eine feine Gänsehaut auf meinen Armen abzeichnet, beginne ich damit, Hampelmänner zu machen.

„Dein Ernst?" Wieder lacht Everest so dämlich, dass ich am liebsten ein paar Meter zur Seite springen und ihn aus Versehen in der Hampelmannbewegung schlagen würde. „Kann es sein, dass du wirklich nie eine Pause machst?"

„Nein", zische ich genervt zurück, „nicht jedem reicht es, Schulmeister zu sein. Es gibt auch Menschen, die größere Ziele verfolgen."

Obwohl Everest ein hervorragender Sprinter ist, habe ich noch nie aus seinem Mund gehört, dass er eines Tages bei den Olympischen Spielen starten möchte. Eindeutig ein Indiz dafür, dass er keinen Ehrgeiz hat. Oder ihm bewusst ist, dass er für die Weltspitze zu schlecht ist.

„Tja, weißt du, Waverly, einige Menschen wollen auch einfach nur Mensch sein und noch ein Leben außerhalb des Leichtathletikplatzes haben!"

„Schön für dich! Mach doch, was du willst!" Zum wiederholten Male verdrehe ich meine Augen.

Es ist mir egal, was Everests Wünsche, Träume und Ziele sind. Er soll mich einfach in Ruhe lassen und mir nicht im Weg stehen.

„Warum so aggressiv, Glubschauge?", muss er mich natürlich weiterhin provozieren. „Macht dir das Gewitter etwa einen Strich durch deinen perfekten Trainingsplan?"

„Halt die Klappe, Everest!"

„Uh. Oder hat da jemand seine Tage?"

Jetzt reicht es mir! Lieber laufe ich durch das Gewitter und suche mir einen neuen Unterschlupf, statt noch länger diesen Idioten und sein dämliches Gelaber ertragen zu müssen.

„Hey! Was machst du da?!", ruft mir Everest entsetzt hinterher, als ich mich aus der Holzhütte mitten in das tobende Unwetter hineinwage.

Die Hagelkörner bohren sich unangenehm in meine Haut und hinterlassen einen dumpfen Schmerz in meinem Körper. „Wonach siehts denn aus?!" Mir entflieht ein humorloses Lachen. „Ich lasse mich lieber vom Blitz treffen, als noch länger deine Anwesenheit ertragen zu müssen." Meine Worte werden von einem ohrenbetäubenden Donnerschlag unterstrichen.

„Sei nicht albern, Waverly! Das ist total gefährlich!"

„Mir egal!"

Ich möchte mich gerade in Bewegung setzen, um nach einem neuen Unterschlupf zu suchen, da kommt Everest zu mir geeilt, packt mich grob am Handgelenk und zieht mich zurück in die Holzhütte.

„Lass mich los, du Idiot!", keife ich ihn aufgebracht an.

„Nein!"

Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass ich mich nicht aus seinem eisernen Griff befreien kann, ertönt auf einmal ein markerschütternder Knall, der von einem grellen Lichtblitz begleitet wird, der genau vor unseren Füßen im Boden einschlägt.

Das Letzte, was ich sehe, sind Everests wiesengrüne Augen, bevor ich von der Dunkelheit verschlungen werde.

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